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Stand:geändert am 13.02.2020 Mikroprudentielle Aufsicht

Die Solvenz- und Marktaufsicht wird seit dem 1. Januar 2011 gemeinsam mit den nationalen Behörden von drei eigenständigen europäischen Aufsichtsbehörden wahrgenommen, den so genannten ESAs (European Supervisory Authorities). Dies sind die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (European Banking AuthorityEBA) mit Sitz in Paris, die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersvorsorge (European Insurance and Occupational Pensions Authority EIOPA) mit Sitz in Frankfurt am Main sowie die Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (European Securities and Markets AuthorityESMA) mit Sitz in Paris.

Die laufende Aufsicht über die Unternehmen blieb bis zur Einführung des einheitlichen Bankenaufsichtsmechanismus (Single Supervisory MechanismSSM) für die Länder des Euro-Währungsraums zunächst im Wesentlichen auf nationaler Ebene. Die Regierungschefs der Euro-Mitgliedstaaten entschieden allerdings aufgrund der Erfahrungen aus der Finanzkrise dann im Sommer 2013, Befugnisse der Bankenaufsicht umfassend auf die EZB zu übertragen.

Nachdem am 15. Oktober 2013 der Rat der Europäischen Union die SSM-Verordnung und die geänderte EBA-Verordnung angenommen hatte und beide Verordnungen am 29. Oktober 2013 im Amtsblatt der EU veröffentlicht worden waren, trat die EBA-Verordnung Ende Oktober 2013 und die SSM-Verordnung Anfang November 2013 in Kraft. Daran schloss sich eine einjährige Übergangsperiode an, in welcher der SSM vollständig umgesetzt wurde. Im Bankensektor agiert die EZB teilweise neben und teilweise anstelle der nationalen Aufsichtsbehörden und ist in das ESFS eingegliedert.

Die ESAs sollen für eine größere Harmonisierung und kohärentere Anwendung von Vorschriften auf Finanzinstitute und -märkte in der Union sorgen. Für die neuen EU-Behörden bedeutet das im Vergleich zu ihren Vorgängergremien (Level-3-Ausschüsse) einen erheblichen Aufgabenzuwachs, der auch eine entsprechende Budget- und Personalausstattung notwendig macht.

Aufbau und Organisation

Jede Aufsichtsbehörde verfügt über einen unabhängigen vollzeitbeschäftigten Vorsitzenden, der die Behörde auch nach außen vertritt. Operative und verwaltungstechnische Entscheidungen werden jedoch grundsätzlich vom Rat der Aufseher getroffen. Stimmberechtigte Mitglieder dieses Organs sind insbesondere die Leiter der zuständigen nationalen Finanzaufsichtsbehörden. Für Deutschland entsendet also die BaFin einen Repräsentanten.

Neben dem Rat der Aufseher verfügt jede ESA über einen Verwaltungsrat, der für bestimmte organisatorische Entscheidungen zuständig ist. Hinzu kommt der Exekutivdirektor, der als Leiter der Behörde fungiert und die Arbeiten des Verwaltungsrats vorbereitet. Auch der Exekutivdirektor ist unabhängig und direkt bei der Behörde angestellt.

Um den Austausch mit der Industrie zu gewährleisten, werden bei jeder europäischen Aufsichtsbehörde Interessengruppen eingerichtet. Sie sollen beim Erlass von technischen Regulierungs- und Durchführungsstandards sowie von Leitlinien und Empfehlungen konsultiert werden. Bei EIOPA besteht die Besonderheit, dass sie als einzige Behörde zwei Interessengruppen hat, eine für die Versicherungs- und Rückversicherungsbranche und eine zweite für die betriebliche Altersvorsorge. Die Mitglieder einer Interessengruppe werden auf Vorschlag der jeweiligen Interessenvertreter vom Rat der Aufseher ernannt.

Kompetenzen und Befugnisse

Die europäischen Aufsichtsbehörden verfügen über zahlreiche Kompetenzen und Befugnisse. In erster Linie handelt es sich um koordinierende Aufgaben, doch können unter bestimmten Voraussetzungen auch verbindliche Entscheidungen gegenüber nationalen Behörden sowie Finanzinstituten getroffen werden.

Zentrale Kompetenz der neuen Aufsicht ist die Harmonisierung der Finanzaufsicht in der Europäischen Union. Dafür können die drei EU-Aufsichtsbehörden insbesondere technische Regulierungs- und Durchführungsstandards entwickeln sowie Leitlinien und Empfehlungen erlassen für solche Fälle, die in den Richtlinien zur Finanzaufsicht vorgesehen sind.

Technische Standards regeln technische Fragen der EU-Rechtsanwendung; sie beinhalten keine strategischen oder politischen Entscheidungen. Sie treten erst dann in Kraft, wenn sie von der EU-Kommission per Verordnung oder Beschluss erlassen wurden. Die EU-Kommission besitzt außerdem das Recht, inhaltliche Abänderungen vorzunehmen. Leitlinien und Empfehlungen haben zwar grundsätzlich einen unverbindlichen Charakter, ihre Beachtung wird jedoch ähnlich wie die Warnungen und Empfehlungen des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken (European Systemic Risk BoardESRB) nur mittels politischem Druck gewährleistet.

EIOPA, EBA und ESMA sollen eine führende Rolle in der Förderung von Transparenz, Einfachheit und Fairness auf dem Binnenmarkt für Finanzprodukte bzw. Finanzdienstleistungen übernehmen. Grundsätzlich haben sie die Aufgabe, diesen Bereich zu analysieren, zu koordinieren und zu überwachen. Allerdings können die ESAs auch Warnungen in Bezug auf Finanztätigkeiten aussprechen, falls sich eine erhebliche Bedrohung für die Stabilität des Finanzsystems abzeichnet. Die Behörden können schließlich auch Finanztätigkeiten beschränken beziehungsweise verbieten, falls die ordnungsgemäße Funktionsweise und Integrität der Finanzmärkte oder die Stabilität des Finanzsystems gefährdet sind. Dies gilt für so genannte Krisensituationen und für die in den Richtlinien festgelegten Fälle.

Konkrete Aufsichtsbefugnisse können die Europäischen Aufsichtsbehörden wahrnehmen, wenn das Unionsrecht verletzt wird, wenn es zu Krisenfällen kommt sowie bei grenzüberschreitenden Meinungsverschiedenheiten zwischen nationalen Aufsichtsbehörden.

Abgestufte Befugnisse bei Verstößen

Missachtet eine zuständige nationale Behörde EU-Recht oder technische Standards, können EIOPA, EBA und ESMA ein vierstufiges Verfahren in Gang setzen. Auf der ersten Stufe steht die Untersuchung der Angelegenheit, aus der in der zweiten Stufe eine Empfehlung für die Einhaltung des Unionsrechts resultieren kann. Es folgen in der dritten Stufe eine „förmliche Stellungnahme“ der Europäischen Kommission und unter bestimmten Voraussetzungen schließlich in der vierten Stufe eine direkte Entscheidung gegenüber dem betroffenen Finanzinstitut, falls die nationale Behörde nicht bereits auf einer früheren Stufe dazu bewogen werden konnte, die europarechtlichen Vorschriften einzuhalten.

Auch in Krisenfällen haben die drei Behörden abgestufte Befugnisse. Zunächst können die Behörden Maßnahmen von den nationalen Aufsichtsbehörden verlangen. Bleiben diese aber untätig, so kann ferner unter eng gefassten Voraussetzungen eine direkte Entscheidung gegenüber einem Finanzinstitut getroffen werden. Grundvoraussetzung dafür ist jedoch, dass der Rat in Abstimmung mit der EU-Kommission und dem ESRB den Krisenfall festgestellt hat. Der dritte und letzte Anwendungsfall für eigene aufsichtliche Entscheidungen besteht darin, eventuelle Streitigkeiten zwischen zwei oder mehreren nationalen Aufsichtsbehörden beizulegen.

In den durch sektorale Richtlinien festgelegten Fällen steht ein dreistufiges Verfahren zur Verfügung: Zunächst wird versucht, zwischen den Streitparteien zu vermitteln, um eine Lösung zu erreichen. Gleichzeitig können die drei Behörden eine Frist setzen, innerhalb derer eine Einigung zustande kommen soll. Bleibt dieser Schritt ergebnislos, so können die europäischen Aufsichtsbehörden in der zweiten Stufe gegenüber den beteiligten nationalen Aufsichtsbehörden eine Entscheidung treffen. Erst wenn diese nicht umgesetzt wird, kann als dritter und letzter Schritt eine direkte Entscheidung gegenüber einem Finanzinstitut getroffen werden.

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