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Erscheinung:18.02.2019 | Geschäftszeichen WA 25-Wp 5700-2019/0002 Allgemeinverfügung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin)

Allgemeinverfügung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zum Verbot der Begründung und der Vergrößerung von Netto-Leerverkaufspositionen in Aktien der Wirecard AG

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) erlässt folgende

Allgemeinverfügung:

1. Die Begründung einer Netto-Leerverkaufsposition sowie die Erhöhung einer bestehenden Netto-Leerverkaufsposition in Bezug auf die ausgegebenen Aktien des folgenden Unternehmens sind verboten:

Wirecard AG (DE0007472060)

Dies gilt auch dann, wenn eine solche Netto-Leerverkaufsposition innerhalb eines Handelstages begründet oder erhöht wird.

2. Ausgenommen von den Verboten nach Nummer 1 sind Geschäfte von Unternehmen, die gemäß Artikel 17 in Verbindung mit Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe k der Verordnung (EU) Nr. 236/2012 (EU-LeerverkaufsVO) unter die Ausnahme für Market-Making-Tätigkeiten fallen.

3. Die Allgemeinverfügung gilt für alle natürlichen und juristischen Personen im Sinne der EU-LeerverkaufsVO, die in der Union oder in einem Drittland ansässig oder niedergelassen sind.

4. Diese Allgemeinverfügung gilt bis zum 18.04.2019, 24:00 Uhr.

5. Diese Allgemeinverfügung ergeht unter dem Vorbehalt des Widerrufs gemäß § 36 Absatz 2 Nr. 3 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG).

6. Diese Allgemeinverfügung gilt ab dem Zeitpunkt der Veröffentlichung der Bekanntmachung auf der Website der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin).

Begründung:

Die Verfügung beruht auf Artikel 20 Verordnung (VO) Nr. 236/2012 (EU-LeerverkaufsVO). Danach kann die BaFin als die gemäß Artikel 32 EU-LeerverkaufsVO i.V.m. § 53 Absatz 1 Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) für die Leerverkaufsregulierung in Deutschland zuständige Behörde nach Artikel 20 EU-LeerverkaufsVO Maßnahmen ergreifen, wenn ungünstige Ereignisse oder Entwicklungen eingetreten sind, die eine ernstzunehmende Bedrohung für die Finanzstabilität oder das Marktvertrauen in Deutschland oder in einem oder mehreren anderen Mitgliedstaaten darstellen und die Maßnahme erforderlich ist, um der Bedrohung zu begegnen, und die Effizienz der Finanzmärkte im Vergleich zum Nutzen der Maßnahme nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt wird.

1. Sachverhalt

Aktuell sind ungünstige Ereignisse bzw. Entwicklungen eingetreten, die eine ernstzunehmende Bedrohung für das Marktvertrauen in Deutschland darstellen. Denn in den letzten Tagen sind massive Unsicherheiten an den Finanzmärkten feststellbar. Auslöser dafür war insbesondere die Preisentwicklung der Aktie der Wirecard AG in den letzten Wochen.

Die Wirecard AG ist ein weltweit tätiges Zahlungsdienstleistungsunternehmen mit Sitz in Deutschland. Die Aktien der Wirecard AG sind an der Frankfurter Wertpapierbörse zum Handel zugelassen und Bestandteil des DAX. Der DAX ist der bedeutendste deutsche Aktienindex, er bildet die Kursentwicklung der 30 größten und am aktivsten gehandelten deutschen Aktien ab. Die Aktien der Wirecard AG sind am 24.09.2018 in den DAX aufgenommen worden. Eine Tochtergesellschaft, Wirecard Bank AG, ist ein inländisches CRR-Kreditinstitut.

Die Wirecard AG bietet ihren Kunden Lösungen für den elektronischen Zahlungsverkehr. Sie verfügt über Verbindungen zu mehr als 200 internationalen Unternehmen des Zahlungsverkehrs (Banken, Zahlungslösungen, Kartennetzwerke). Darüber hinaus hat die Wirecard AG Verträge mit relevanten Kreditkartenunternehmen.

Bereits in der Vergangenheit waren inländische Unternehmen Ziel sogenannter Short-Attacken, wodurch die inländische Marktintegrität und das Vertrauen des Marktes in die faire und effiziente Preisbildung gefährdet wurden. Auch die Wirecard AG war in den Jahren 2008 und 2016 Ziel von sogenannten Short-Attacken, bei denen Leerverkäufer durch das Eingehen entsprechender Positionen profitiert haben, die zu entsprechenden Kursrückgängen bei der Wirecard AG geführt haben. Daraus resultierten auch Untersuchungen der BaFin und der Strafverfolgungsbehörden unter anderem wegen Marktmanipulation. Die Short Attacken wurden begleitet und begünstigt von negativen Berichterstattungen in den Medien.

Seit Ende Januar 2019 sind erneut verschiedene negative Presseberichte zu beobachten. In den vergangenen zwei Wochen brach der Kurs der Wirecard AG Aktie beträchtlich ein. Zwischen dem 30.01.2019 und dem 15.02.2019 fiel der Kurs von 167,00 EUR (Eröffnungskurs am 30.01.2019) auf 99,90 EUR (Schlusskurs am 15.02.2019), was eine Reduzierung der Marktkapitalisierung um 40 Prozent bedeutet. Ein signifikanter Kurssturz konnte nach Veröffentlichung eines Presseartikels beobachtet werden, in dem behauptet wurde, Mitarbeiter eines Tochterunternehmens der Wirecard AG in Singapur hätten durch Buchführungsmanipulationen höhere Umsätze vorgetäuscht. Die Presseberichte fallen zeitlich zusammen mit verstärkten Netto-Leerverkaufspositionen (NLP) und mit einer damit einhergehenden starken Volatilität der Aktie der Wirecard AG. Ab dem 01.02.2019 ist ein deutlicher Anstieg der NLP in Aktien der Wirecard AG zu beobachten, der sich ab dem 07.02.2019 noch einmal deutlich verstärkt hat. Auch in den letzten Tagen hat sich die NLP weiterhin deutlich erhöht. Die NLP werden von verschiedenen Inhabern insbesondere aus dem Ausland, auch unterhalb der Veröffentlichungsschwelle, gehalten.

Die beschriebenen Ereignisse führten zu einer Verunsicherung des Marktes, insbesondere hinsichtlich der angemessenen Preisbildung für die Aktien der Wirecard AG. In der derzeitigen Situation besteht das Risiko, dass die Verunsicherung des Marktes zunimmt und sich zu einer generellen Marktverunsicherung ausweitet.

2. Rechtliche Würdigung

In der derzeitigen Situation besteht die Gefahr, dass ein Einwirken auf die Kurse der Aktie der Wirecard AG durch das Eingehen von NLP bzw. die Erweiterung bestehender NLP, aufgrund der wirtschaftlichen Bedeutung des Unternehmens, exzessive Preisbewegungen der Aktie der Wirecard AG verursacht. Diese könnten durch ihre trendverstärkende Wirkung den Verlust des Marktvertrauens in Deutschland, insbesondere hinsichtlich der Preisbildung an den Märkten, bewirken. Vorliegend sind ungünstige Entwicklungen eingetreten, die eine ernstzunehmende Bedrohung für das Marktvertrauen darstellen können. Diese ungünstigen Entwicklungen bestehen in der stetig gewachsenen NLP der Wirecard AG. Diese Erhöhung könnte einen erheblichen Verkaufsdruck bewirken. Dies stellt eine nicht unerhebliche Gefahr dar, eine erneute erhebliche Abwärtsspirale des Kurses zu verursachen.

Die Maßnahme ist erforderlich, um der Bedrohung zu begegnen, denn vor dem geschilderten Hintergrund ist es notwendig, das bestehende Verbot ungedeckter Leerverkäufe nach Artikel 12 EU-LeerverkaufsVO in Bezug auf diese Aktien temporär zu verschärfen, indem es auf die Begründung von NLP sowie die Erhöhung von bestehenden NLP ausgedehnt wird, ohne dass eine Ausnahme für untertägige Geschäfte besteht. Nur durch ein solches erweitertes Verbot wird sichergestellt, dass eine negative Einwirkung auf die Kurse der Aktie der Wirecard AG durch das Eingehen von NLP bzw. die Erweiterung bestehender NLP in der bestehenden Marktsituation unterbleibt und diese nicht aufgrund solcher Geschäfte weiter verschlechtert wird. Dem entsprechend muss das Verbot auch für alle Personen gelten, die in der Union oder einem Drittland ansässig oder niedergelassen sind, um diesen Zweck zu erreichen.

Die Effizienz der Finanzmärkte wird im Vergleich zum Nutzen der Maßnahme nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt, denn das Verbot beschränkt sich lediglich auf die Wirecard AG und verbietet gedeckte Leerverkäufe nicht komplett, sondern nur für den Fall, dass sie in einer Gesamtbetrachtung zu einer Vergrößerung der NLP führen. Zudem ist eine Ausnahme für Market-Maker-Tätigkeiten vorgesehen.

Der Erlass der Maßnahme erfolgt im pflichtgemäßen Ermessen, da die vorliegende Maßnahme geeignet, erforderlich und angemessen ist. Die Maßnahme ist erforderlich, um der Bedrohung zu begegnen, und die Effizienz der Finanzmärkte wird im Vergleich zum Nutzen der Maßnahme nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt. Denn der Gefahr aufgrund der Short Attacken kann nur durch das Verbot ursächlich begegnet werden. Zudem ist die Maßnahme auch erforderlich, da kein milderes, gleichermaßen wirksames Mittel ersichtlich ist. Insbesondere scheiden Maßnahmen nach Artikel 23 EU-LeerverkaufsVO aus, da diese aufgrund ihrer Kurzfristigkeit nicht in gleicher Weise nachhaltig den Markt beruhigen könnten. Den berechtigten Interessen der Handelsteilnehmer an der Nutzung von Sicherungsinstrumenten wird durch die Ausnahmeregelung für die Market-Maker-Tätigkeiten ausreichend Rechnung getragen, so dass die Beschränkungen des Handels mit Finanzinstrumenten auf das erforderliche Maß beschränkt bleiben. Es gibt auch keine Anhaltspunkte, dass das Verbot unverhältnismäßig im engeren Sinn sein könnte, insbesondere bestehen auch weiterhin verschiedene Möglichkeiten des Handels in der Aktie der Wirecard AG und den darauf bezogenen Derivaten.

Auch die Einräumung eines Widerrufsvorbehalts ist erforderlich und geeignet. Der Widerrufsvorbehalt ermöglicht es der BaFin, flexibel auf aktuelle Entwicklungen während des Geltungszeitraumes der Verfügung zu reagieren. Insbesondere wird es ermöglicht, das Verbot im Falle einer weitgehenden Beruhigung der Märkte zeitnah aufheben zu können.

Die gewählte Dauer der Maßnahme ermöglicht es den Marktteilnehmern, ihre Handelsaktivitäten über einen angemessenen Zeitraum mit hinreichender Sicherheit zu planen, ermöglicht es gleichfalls dem Markt sich zu beruhigen und den Sachverhalt weiter aufzuklären und einzuordnen.

Diese Allgemeinverfügung gilt nach Artikel 25 Absatz 3 LeerverkaufsVO mit Bekanntmachung auf der Website der BaFin (www.bafin.de). Die unmittelbare Geltung der Allgemeinverfügung ist aufgrund von Gefahr in Verzug im öffentlichen Interesse notwendig.

Auf eine Anhörung vor Erlass dieser Allgemeinverfügung wird nach pflichtgemäßem Ermessen nach § 28 Absatz 2 Nummer 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) verzichtet, da einer Bedrohung des Marktvertrauens schnellstmöglich begegnet werden muss.

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen diese Allgemeinverfügung kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Widerspruch bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) in Bonn oder Frankfurt am Main erhoben werden.

Elisabeth Roegele

Exekutivdirektorin Wertpapieraufsicht/Asset-Management

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