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Erscheinung:05.12.2012 08:26 Uhr | Thema Sanierung/Abwicklung „Der Liikanen-Report verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz“

Interview mit BaFin-Exekutivdirektor Raimund Röseler

Auf globaler, europäischer und nationaler Ebene wird seit geraumer Zeit mit Hochdruck darauf hingewirkt, das Bankensystem besser für den Krisenfall zu wappnen. Aktuell stehen vor allem der G-20-Beschluss, global systemisch relevante Banken zur Entwicklung von Sanierungsplänen zu verpflichten, und der Liikanen-Report im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit.

„Wie sollte der europäische Bankensektor künftig strukturiert sein?“ hatte die Kommission eine Expertengruppe um den finnischen Notenbank-Chef Erkki Liikanen gefragt. Der wichtigste Vorschlag: Handels- und Privatkundengeschäft sollten innerhalb der Universalbanken getrennt werden. BaFin-Exekutivdirektor Raimund Röseler nimmt im aktuellen Interview Stellung.

Herr Röseler, wie bewerten Sie die Vorschläge des Liikanen-Reports, die aktuell auf EU-Ebene und in den Mitgliedstaaten diskutiert werden?

Der Bericht zeigt, dass sich die Expertengruppe um Herrn Liikanen eingehend mit den verschiedenen Facetten der Finanzmarktregulierung und mit dem „Too big to fail“-Problem befasst hat. Denn trotz aller Arbeiten rund um Sanierungs- und Abwicklungspläne ist das „Too big to fail“-Problem noch nicht gelöst. Vielmehr ist sowohl die Größe als auch die Konzentration des Bankensektors seit Krisenbeginn gewachsen. Die Vorschläge der Liikanen-Expertengruppe könnten nun einen wichtigen Beitrag leisten, um die Lösung dieses Problems anzugehen. Der Report ist es wert, dass wir uns unvoreingenommen und intensiv mit seinen Inhalten auseinandersetzen. Sicher sind noch schwierige Fragen zu beantworten, bevor man sich an eine Umsetzung machen kann. Das heißt aber nicht, dass man nicht nach Antworten auf diese Fragen suchen sollte.

Im Mittelpunkt steht der Vorschlag, das Handels- und das traditionelle Bankengeschäft voneinander zu trennen, ohne die Universalbanken aber zu zerschlagen. Geht das weit genug, um Risiken abzufedern?

Ich glaube nicht, dass man allein durch die Umsetzung dieses Vorschlages die Risikoverflechtung im Bankensektor beseitigen kann. Nur, weil man einzelne Geschäftsfelder organisatorisch voneinander trennt, sind nicht automatisch die Risiken eliminiert. Daher sehen die Vorschläge auch vor, Kreditbeziehungen mit bestimmten Finanzmarktakteuren wie Hedgefonds zu verbieten. Zumindest könnte die Trennung des Handels- vom Privatkundengeschäft aber dazu beitragen, die Komplexität großer Banken zu verringern. Möglicherweise würden auch Anreize für die Banken geschaffen, die Transparenz ihrer Strukturen zu verbessern. Die Vorschläge von Liikanen sind daher eine bedenkenswerte Alternative – zumal der Bericht einen ganzheitlichen Ansatz verfolgt.

Was meinen Sie damit?

Die Vorschläge gehen ja über die Trennung von Handelsaktivitäten und dem restlichen Bankgeschäft hinaus. Dieser Ansatz ist nur ein komplementäres Element, das eng mit höheren Kapitalanforderungen und einer besseren Governance, aber auch mit dem künftigen Abwicklungsregime verknüpft wird. Die Aufsichtsbehörden werden effiziente und glaubwürdige Abwicklungspläne erstellen müssen, und sie sollen erhebliche ex-ante-Eingriffsbefugnisse bekommen – bis hin zur wirtschaftlichen und organisatorischen Trennung kritischer Geschäftsbereiche. Dabei werden uns die Sanierungspläne helfen, die systemisch relevante Banken bald vorlegen müssen.

Die G 20 haben nur die global systemrelevanten Banken dazu verpflichtet. Warum will die BaFin, dass auch die national systemrelevanten Institute Sanierungspläne vorlegen?

Die Sanierungsplanung ist in unseren Augen eine Art erweitertes Risikomanagement, das die Banken besser gegen Krisen wappnet. Wenn sich Kreditinstitute und Aufsicht frühzeitig überlegen, was im Ernstfall zu tun ist, können sie dann schneller und effektiver handeln. Darum ist es wichtig, dass alle großen deutschen Banken Sanierungspläne vorlegen, die wir dann prüfen werden. Die BaFin hat gemeinsam mit der Bundesbank ein Rundschreiben entworfen, das den Instituten helfen wird, die Sanierungspläne auszugestalten. Im November hatten die Marktteilnehmer Gelegenheit, dazu Stellung zu nehmen.

Der Liikanen-Report enthält neben den vorhin erwähnten Ansätzen auch einen Vorschlag zu Vergütungsanforderungen. Was halten Sie davon?

Der Vorschlag bewegt sich weitgehend im Rahmen dessen, was die CRD III regelt und was derzeit auch für die CRD IV gefordert wird. Das gilt beispielsweise für die Koppelung der variablen an die fixe Vergütung. Sobald die europäischen Anforderungen feststehen, insbesondere die der CRD IV, werden sie vollständig in das deutsche Recht übernommen. Neu ist der Vorschlag der Expertengruppe, einen fest vorgeschriebenen Teil der variablen Vergütung in Form von „bail-in“-Instrumenten auszuzahlen. Damit soll unter anderem dem „Gamble for Resurrection“ ein Riegel vorgeschoben werden, also dass sich Institute, die kurz vor der Pleite stehen, durch Hochrisikostrategien noch zu sanieren versuchen. Überdies könnte eine Vergütung in derartigen Instrumenten dazu beitragen, dass ein Mitarbeiter in die gleiche Interessenlage versetzt wird wie ein langfristig orientierter Eigentümer, der an einer nachhaltigen Entwicklung des Unternehmens interessiert ist. Dies ist grundsätzlich begrüßenswert. Wichtig ist aber, dass die Anreizwirkungen sorgfältig ausgestaltet werden, vor allem, da das „Bail-in“-Instrument noch nicht endgültig festgeschrieben ist.

Die Vorschläge liegen auf dem Tisch – was ist der nächste Schritt?

Die vielen guten Ideen sollten nun mit Augenmaß umgesetzt werden. Ziel muss es sein, das System sicherer zu machen. Aus meiner Sicht ist es richtig, dass der Bericht die großen Institute und die Häuser mit einem erheblichen Handelsanteil im Fokus hat. Die strengeren Anforderungen werden also nur für Institute gelten, die so groß und vernetzt sind, dass sie eine Gefahr für die Finanzmarktstabilität darstellen können. Mittlere und kleinere Institute werden in den allermeisten Fällen hingegen nicht zusätzlich belastet.

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