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Erscheinung:01.08.2013 19:05 Uhr | Thema Sanierung/Abwicklung Bankenabwicklung - Europäische Kommission legt Vorschlag für Verordnung vor

Die Europäische Kommission hat am 10. Juli einen Vorschlag für einen einheitlichen Abwicklungsmechanismus und einen einheitlichen Abwicklungsfonds (Single Resolution Mechanism - SRM) veröffentlicht – und zwar in Form einer EU-Verordnung, die unmittelbar anwendbar wäre.

Gerät eine Bank, die im künftigen einheitlichen europäischen Aufsichtsmechanismus (Single Supervisory Mechanism - SSM) beaufsichtigt wird, in Schieflage, soll demnach die Kommission entscheiden, ob, wann und zum Teil auch wie sie abgewickelt werden soll. Zudem soll eine EU-Institution (Single Resolution Board) errichtet werden, die für die Abwicklungsplanung, die Bewertung der Abwicklungsfähigkeit und die Beseitigung von Abwicklungshindernissen (Abwicklungsprogramm) zuständig sein soll.

Die nationalen Abwicklungsbehörden müssten das Abwicklungsprogramm in weiten Teilen vorbereiten und die Maßnahmen umsetzen. Die Kommission will sich das Recht vorbehalten, gegebenenfalls einzuschreiten. Finanziert werden soll die Abwicklung aus einem zentralen Fonds für die Euro-Zone, der von den Banken finanziert und von der neuen EU-Institution kontrolliert werden soll.

Interview mit Dr. Elke König und Adam Ketessidis

„An einigen Stellen kräftig nachbessern“

  • Dr. Elke König, BaFin-Präsidentin
  • Adam Ketessidis, Leiter des BaFin-Referates für Restrukturierung und regulatorische Anforderungen an systemrelevante Institute

Frau Dr. König, was halten Sie vom Vorschlag der Kommission?

Dr. König: Zunächst einmal ist es gut, dass der Vorschlag jetzt auf dem Tisch liegt. Ein harmonisiertes Regelwerk für die Abwicklung ist unverzichtbarer Teil der Bankenunion. Nur so kann das Vertrauen in die Eurozone und ihren Bankensektor weiter gestärkt werden. Der Vorschlag muss aber sehr sorgfältig geprüft werden. Aus meiner Sicht steht schon jetzt fest, dass die Kommission an einigen Stellen kräftig nachbessern muss. Darin stimme ich mit der Bundesregierung vollkommen überein.

Welche Stellen meinen Sie?

Dr. König: Die Kommission will darüber befinden können, ob, wie und wann notleidende Banken abgewickelt werden müssen. Damit überschreitet sie eindeutig ihre Kompetenzen. Solche Entscheidungen können derzeit allein die Mitgliedstaaten für ihre Banken treffen. Das geht aus dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union klar hervor.

Ketessidis: Hinzu kommt, dass die Kommission eine Behörde für alle 28 Mitgliedstaaten der EU ist – aber über die Abwicklung von Banken in nur 17 beziehungsweise künftig 18 Euro-Staaten entscheiden will. Wenn die Kommission nicht bald eine sichere rechtliche Basis findet, riskiert sie, dass sich die gesamte Abstimmung über diesen wichtigen Baustein der Bankenunion verzögert.

Wie könnte man den Prozess beschleunigen?

Ketessidis: Um die Verhandlungen über den SRM, also den Einheitlichen Abwicklungsmechanismus, schnell zum Abschluss zu bringen, sollte man in zwei Schritten vorgehen. Im ersten Schritt sollten die nationalen Abwicklungsbehörden ein Netzwerk bilden, und die Entscheidungskompetenz läge weiterhin in den Händen der zuständigen nationalen Abwicklungsbehörden. Gleichzeitig bräuchten wir natürlich einen klaren europäischen Prozess, damit diese Entscheidungen konsistent sind. Mittelfristig, also nach einer Primärrechtsänderung, könnte man dann den zweiten Schritt machen und eine rechtssichere europäische, zentralisierte Lösungen finden.

Warum kann man den zweiten Schritt erst mittelfristig gehen?

Dr. König: Derzeit fehlt die rechtliche Grundlage. Man müsste dafür die Europäischen Verträge ändern. Wenn im Ernstfall ein Mitgliedstaat für Abwicklungen aufkommen muss, muss das vom nationalen Parlament legitimiert werden. Außerdem gibt es in der EU noch kein harmonisiertes Abwicklungsregime, solange die Richtlinie zur Sanierung und Abwicklung nicht umgesetzt ist. Und wir dürfen nicht vergessen: Wir haben auch kein harmonisiertes Gesellschafts-, Umwandlungs-, Arbeits- und Insolvenzrecht.
Darüber hinaus muss der SRM sicherstellen, übrigens genau wie die Bankenabwicklungsrichtlinie, dass im Fall der Fälle nicht der Steuerzahler für die Abwicklung einer Bank geradestehen muss. In einem solchen System werden weitreichende Entscheidungen getroffen. Diese müssen unbedingt und jederzeit durchsetzbar sein und rechtlich auf einer soliden Basis stehen.

Deutschland hat darum bereits Vorstellungen entwickelt, wie man den ersten Schritt konkret ausgestalten könnte.

Ketessidis: Ja, und daran müssen sich die Vorschläge der Kommission messen lassen. Wir befürworten ein Netzwerk nationaler Abwicklungsbehörden, das sich aus den 17 Euro-Staaten zusammensetzt. Dadurch können bindende Entscheidungen, auch über die Lastenteilung, sehr schnell getroffen werden. Gerade bei der Abwicklung von Banken brauchen wir eine sichere Rechtsgrundlage. Eine solche Netzwerk-Lösung ist mit den geltenden Verträgen möglich.

Dr. König: Außerdem wäre es hilfreich und wichtig, ein Netzwerk nationaler Restrukturierungsfonds zu schaffen. Das entspräche dem Grundsatz der Subsidiarität. Bei Bedarf ließe sich auch ein Pooling der Ressourcen erreichen, indem gegebenenfalls gegenseitig Kredite vergeben werden. Da diese nationalen Fonds aber erst nach und nach aufgebaut werden müssten, wären gerade für die Übergangszeit Public Backstops als letztes Mittel nötig.

Und wer wäre der Public Backstop?

Dr. König: Der erste Public Backstop müssen die Mitgliedstaaten selbst sein. Nur wenn sie dazu nicht in der Lage sind, sollten sie sich an den ESM wenden können, also den Europäischen Stabilitätsmechanismus. Er würde damit die Rolle eines zusätzlichen Public Backstops übernehmen – natürlich mit klaren Bedingungen für die unterstützten Mitgliedstaaten. So bleiben Subsidiarität und Eigenverantwortung gewahrt.

Herr Ketessidis, eine letzte Frage noch an Sie: Sie sprachen eben mehrfach von den nationalen Abwicklungsbehörden. Wer wird das in Deutschland sein?

Ketessidis: Die Abwicklungsbehörde im Sinne der Sanierungs- und Abwicklungsrichtline wird die Bundesregierung bestimmen, wenn sie die Richtlinie in deutsches Recht überführt. Nach dem deutschen Gesetz zur Abschirmung von Risiken und zur Planung der Sanierung und Abwicklung von Instituten und Finanzgruppen, das schon wesentlichen Elemente der Richtlinie vorwegnimmt, ist in Deutschland die BaFin die Abwicklungsbehörde, die dann sehr eng mit der Deutschen Bundesbank und der FMSA zusammenarbeitet.

Frau Dr. König, Herr Ketessidis, herzlichen Dank für das Interview.

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