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Erscheinung:02.12.2013 | Thema Unerlaubte Geschäfte, Verbraucherschutz Kauf gebrauchter Lebensversicherungen

Die BaFin schreitet seit 2010 gegen so genannte Aufkäufer gebrauchter Lebensversicherungen und anderer kapitalgebundener Vermögensanlagen wie zum Beispiel Rentenversicherungen und Bausparverträgen ein, wenn deren Geschäftsmodell den Tatbestand des Einlagengeschäfts erfüllt.

Anleger sollten Angebote kritisch prüfen

Im Fokus der BaFin stehen dabei nicht Modelle, bei denen dem Versicherungsnehmer oder Inhaber solcher Vermögensanlagen unmittelbar die Gegenleistung ausbezahlt wird und der Anbieter die Vermögensanlage fortführt, um daraus eine Rendite zu erwirtschaften. Bei den hier relevanten Modellen zielt der Anbieter vielmehr auf das in der Vermögensanlage gebundene Kapital, das anderweitig angelegt werden soll – nämlich regelmäßig beim Anbieter selbst.1) Der Tatbestand des Einlagengeschäfts kommt in Betracht, wenn der „Kaufpreis“ erst zu einem späteren Zeitpunkt ausgezahlt werden soll und der vermeintliche Kaufvertrag sich als Angebot für eine Geldanlage darstellt.

Das Einlagengeschäft ist ein erlaubnispflichtiges Bankgeschäft. Liegt keine Erlaubnis vor, untersagt die BaFin das Betreiben des Einlagengeschäftes und ordnet die Abwicklung an. Da das Betreiben von Bankgeschäften ohne Erlaubnis nach § 54 Kreditwesengesetz strafbar ist, riskieren zudem die Anbieter beziehungsweise die Mitglieder ihrer verantwortlichen Gesellschaftsorgane, strafrechtlich verurteilt zu werden.

Einlagengeschäft

Kreditwesengesetz (KWG)

Das Einlagengeschäft ist nach § 1 Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 Kreditwesengesetz ein erlaubnispflichtiges Bankgeschäft. Der Begriff bezeichnet „die Annahme fremder Gelder als Einlagen oder anderer unbedingt rückzahlbarer Gelder des Publikums, sofern der Rückzahlungsanspruch nicht in Inhaber- oder Orderschuldverschreibungen verbrieft wird, ohne Rücksicht darauf, ob Zinsen vergütet werden“.

Rechtsprechung

Nachdem bereits das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main (Az. 9 K 646/11.F) und – in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes – auch der Hessische Verwaltungsgerichtshof (Az. 6 B 818/10) die Einordnung entsprechender Modelle als Einlagengeschäft bestätigt hatten, haben sich inzwischen auch Zivilgerichte mit vergleichbaren Anlagemodellen beschäftigt und Verträge von Anbietern für unwirksam erklärt.2) Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main bejahte auch eine zivilrechtliche Haftung des für das Ankaufunternehmen verantwortlichen Vorstands.

Einige Anbieter versuchen verstärkt, die Erlaubnispflicht nach dem Kreditwesengesetz dadurch zu umgehen, dass für die Ansprüche der Anleger ein so genannter qualifizierter Rangrücktritt – teilweise auch als qualifizierter Nachrang bezeichnet – vorgesehen wird, um die für das Einlagengeschäft typische Rückzahlbarkeit der angenommenen Gelder auszuschließen. Hierbei wird vereinbart, dass die (Kaufpreis-)Forderung gegenüber den Forderungen anderer Gläubiger des Anbieters nachrangig ist, wobei der Rangrücktritt dadurch qualifiziert ist, dass der Anspruch auf Rückzahlung solange und soweit ausgeschlossen ist, wie die Rückzahlung einen Grund für die Eröffnung des Insolvenzverfahren über den Anbieter herbeiführen würde. Ein Zivilgericht beurteilte eine Rangrücktrittsklausel im Fall eines Ankaufs von Versicherungsverträgen kürzlich als allgemeine Geschäftsbedingung, die in dem gegebenen Vertragskontext unwirksam sei, weil sie den Vertragspartner unangemessen benachteilige.3)

Soweit die Rangrücktrittsklauseln zivilrechtlich unwirksam sind, ist der Tatbestand des Einlagengeschäfts naturgemäß nicht ausgeschlossen. Unabhängig hiervon kann eine Rangrücktrittsvereinbarung auch bankaufsichtsrechtlich nur dann die Rückzahlbarkeit der Gelder und damit den Tatbestand des Einlagengeschäfts ausschließen, wenn der Anleger aufgrund der Ausgestaltung und Darstellung des Kapitalanlageangebots davon ausgehen muss, dass er eine Finanzierungsverantwortung für den Anbieter übernimmt. Nach Ansicht der BaFin ist jedoch davon auszugehen, dass ein Anleger gerade keine Finanzierungsverantwortung übernehmen will, wenn er nach der Angebotsgestaltung erwartet, dass ihm für die Abtretung seiner Vermögensanlage später ein „fester Kaufpreis“ gezahlt wird, der vom
ausgezahlten Rückkaufwert aus seiner Vermögensanlage abhängt.

Untersagte Einlagengeschäfte
Die BaFin informiert auf ihrer Internetseite über Einlagengeschäfte, die sie untersagt hat. Die für die Unternehmen als Gesellschaftsorgane verantwortlich handelnden Personen ergeben sich jeweils aus dem Handelsregister.

Veränderte Angebotsgestaltung

Anbieter versuchen auch auf andere Weise, die Erlaubnispflicht zu umgehen, etwa durch eine neutralere Angebotsgestaltung. Sie verzichten dabei auf Werbeaussagen wie „Auszahlung zum doppelten Rückkaufswert“. Interessenten, die ihre Lebensversicherung oder sonstige Vermögensanlage vorzeitig beenden möchten, können auf diversen Internetseiten die Daten ihrer Vermögensanlage in ein Formular eingeben und erhalten dann ein „persönliches Angebot“. Welches Geschäftsmodell sich hinter einem solchen Angebot verbirgt, ist meist auf den ersten Blick nicht ersichtlich. Folgende Punkte sprechen dafür, dass es sich um ein erlaubnispflichtiges Einlagengeschäft handelt:

  • Die Lebensversicherung oder Vermögensanlage wird beendet, insbesondere gekündigt, und der Verkäufer lässt sich den Rückkaufswert nicht oder nicht vollständig auszahlen.
  • Der Kaufpreis wird anhand des Rückkaufwertes berechnet (beispielweise Verdopplung nach acht Jahren).
  • Der Käufer wirbt damit, dass mit seinem Angebot eine höhere Rendite als aus der Vermögensanlage selbst erzielt werden könne.

Für den Anleger nur schwer zu überblicken sind auch Angebotskonstruktionen, bei denen die Vertragsbeziehungen aufgespalten werden, also ein Anbieter die Vermögensanlage aufkauft und mit dem Erlös bei einem anderen Anbieter eine Kapitalanlage für den Anleger gespeist werden soll. Auch solche Modelle zielen auf das in der ursprünglichen Vermögensanlage gebundene Kapital und können den Tatbestand des Einlagengeschäfts erfüllen.

Kritische Prüfung

Insbesondere, wenn es sich laut Anbieter um eine „bessere“ Möglichkeit der Geldanlage handeln soll, ist es angezeigt, dass Anleger das Angebot kritisch hinterfragen. Hierbei sollte sich der Anleger bewusst machen, dass er gegebenenfalls eine Vertragsbeziehung zu einem Unternehmen aufgibt, das der staatlichen Solvenzaufsicht unterliegt (zum Beispiel zu einer Lebensversicherungsgesellschaft oder einer Bausparkasse), um stattdessen einen Vertrag mit einem Unternehmen einzugehen, das einer solchen Aufsicht nicht unterliegt. Es wird von der BaFin nicht dahingehend beaufsichtigt, ob es dauerhaft in der Lage ist, die mit seinen Kunden geschlossenen Verträge zu erfüllen. Dementsprechend höher ist das Risiko des Anlegers, mit seinen Ansprüchen auszufallen. Dieses Risiko verschärft sich bei Angeboten mit qualifizierter Rangrücktrittsvereinbarung. Unabhängig vom Geschäftsmodell hängt es bei jedem Zahlungsversprechen in erster Linie vom Vertragspartner ab, ob das Zahlungsversprechen erfüllt werden wird. Ein Anleger, der sich zu einem Verkauf seiner Lebensversicherung entschließt, sollte dies berücksichtigen – und nicht lediglich auf den gegenüber dem Rückkaufswert erhöhten Kaufpreis schauen.

Interview mit BaFin-Exekutivdirektorin Gabriele Hahn: „Geschäftsmodelle mit sehr hohem Schadenspotenzial“

Frau Hahn, seit Jahren macht die BaFin Anleger auf die Risiken beim Kauf gebrauchter Lebensversicherungen aufmerksam und weist auf Geschäftsmodelle hin, die gegen das Kreditwesengesetz verstoßen. Warum sind diese Hinweise immer wieder notwendig?

Es handelt sich um Geschäftsmodelle mit sehr hohem Schadenspotenzial. In Deutschland haben sehr viele Anleger Vermögensanlagen, die für die Anbieter nicht gesetzeskonformer Modelle interessant sind. Das kann eine Lebens- oder Rentenversicherung sein, aber auch ein Bausparvertrag oder sogar ein Sparguthaben. Die Anbieter wollen diese Vermögensanlagen kaufen, wie sie es nennen. Dabei geht es oft um sehr hohe Werte. Wenn ein Anbieter am Ende der Laufzeit nicht zahlen kann oder schlicht ein Betrüger ist, geht der Anleger leer aus. Besonders schmerzlich ist der Verlust dann, wenn die Vermögensanlage der Altersvorsorge dienen sollte.

Warum sind solche Angebote für Anleger verlockend?

Oft wollen Anleger Lebensversicherungen und andere Vermögensanlagen vorzeitig beenden, etwa weil sie mit dem Vertrag unzufrieden sind. Manchmal müssen sie es auch, weil sie die eingezahlten Gelder benötigen. Andere lassen sich von unrealistischen Renditeaussichten locken. Der Kreis potenzieller Kunden solcher Angebote ist also sehr groß. Um deren Vertrauen zu gewinnen, bezeichnen die Anbieter ihr Geschäftsmodell als Kauf. Der Begriff „Kaufvertrag“ ist nicht negativ besetzt und suggeriert, dass es sich um einen einfachen Geschäftsabschluss handelt. Darum vergessen viele Anleger, sich genau mit dem Geschäftsmodell und dem Anbieter zu beschäftigen.

Was unternimmt die BaFin gegen dubiose Anbieter?

Wenn ein Anbieter ohne Erlaubnis ein Geschäft betreibt, für das er eine bräuchte, untersagen wir das Geschäft und ordnen dessen Abwicklung an. Wir können allerdings nicht verhindern, dass er ein solches Geschäft aufnimmt, sondern nur reaktiv tätig werden. Dass wir das tun, zeigt aber immerhin Wirkung: Einige Angebote verschwinden bereits vom Markt. Dabei spielt sicherlich auch eine Rolle, dass sich die verantwortlichen Personen persönlich strafbar machen. Es gibt aber auch Geschäfte, für die man keine Erlaubnis braucht, die also auch nicht unserer Aufsicht unterliegen. Anbieter sind häufig sehr kreativ und gestalten ihre Verträge mit Bedacht so, dass sie erlaubnisfreie Geldanlagen anbieten. Aus der Erlaubnisfreiheit lässt sich aber kein Rückschluss auf die wirtschaftliche Tragfähigkeit des Angebots und die Solidität des Anbieters ziehen. Der Anleger muss darum genau hinschauen. Von illegalen Anlageangeboten, also betrügerischen Modellen oder aber solchen, die gegen Vorschriften wie das Kreditwesengesetz verstoßen, sollte er natürlich von vornherein die Finger lassen.

Woher weiß der Anleger, ob ein Angebot illegal ist?

Es gibt vielfältige Möglichkeiten, sich zu informieren. Der Anleger kann beispielsweise im Internet nach Themen, Unternehmen oder bestimmten Personen suchen. Auf der Internetseite der BaFin findet er Warnungen vor unerlaubt operierenden Anbietern. Er kann sich auch bei den Verbraucherzentralen informieren, die gut über die aktuell gängigen Geschäftsmodelle Bescheid wissen. Man darf aber nicht den Fehler machen, den Umkehrschluss zu ziehen: Wenn über ein Geschäftsmodell oder einen Anbieter nichts Negatives zu finden ist, bedeutet das noch lange nicht, dass das Geschäft rechtlich zulässig ist, geschweige denn, dass das Geld dort sicher ist.

Wie kann der Anleger beurteilen, ob der Anbieter den Vertrag erfüllen kann und wird – auch bei legalen Angeboten?

Er sollte sich kritisch die Inhalte des Geschäfts anschauen, die einzelnen Vertragsregelungen und den Vertragspartner selbst. Wenn er dazu nicht genügend Informationen findet, sollte er seine Vermögenswerte nicht riskieren. Er sollte sich auf keinen Fall auf Werbung und Vermittler verlassen, die ihm versprechen, dass er das große Los ziehen wird. Und eines sollte er auch wissen: Auch wenn wir ein Unternehmen beaufsichtigen, prüfen wir nicht die Rentabilität seiner Produkte. Für den Anleger sollte die Rendite aber ohnehin nicht das einzige Kriterium sein. Er muss auch schauen, welche Risiken er damit eingeht.

Frau Hahn, wir danken Ihnen für das Interview.

Hinweis

Der Beitrag gibt den Sachstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung im BaFinJournal wieder und wird nicht nachträglich aktualisiert. Bitte beachten Sie die Allgemeinen Nutzungsbedingungen.

Fußnoten

  1. 1) Vgl. hierzu den Bericht im BaFinJournal 10/10 sowie die Veröffentlichungen in den BaFin-Jahresberichten 2010 (Seiten 246f.), 2011 (Seite 247) und 2012 (Seiten 214ff.).
  2. 2) Oberlandesgericht Nürnberg (Az. 8 U 607/12); Oberlandesgericht Frankfurt am Main (Az. 2 U 178/12).
  3. 3) Entscheidung bislang nicht veröffentlicht.
Autor: P. Walkamp, BaFin

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