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Erscheinung:02.12.2013 Solvency II

Die politische Einigung zur Omnibus-II-Richtlinie ebnet den Weg für das neue europäische Aufsichtsregime Solvency II. BaFin-Exekutivdirektor Felix Hufeld nimmt in einem Fachartikel Stellung zum Durchbruch bei den Trilog-Verhandlungen. Außerdem auf dieser Seite: BaFin-Konferenz zur Vorbereitung auf Solvency II; EIOPA-Leitlinien in deutscher Sprache veröffentlicht.

"Der Weg ist geebnet"

Von Felix Hufeld / Manchmal muss man auch als vorausschauender Aufseher Glück haben. Am 14. November 2013 fand unsere diesjährige Solvency-II-Konferenz statt, und natürlich stand dieser Termin schon seit vielen Monaten im Kalender. Buchstäblich wenige Stunden zuvor erzielten die Verhandlungsführer der Trilogparteien – also des Europäischen Parlaments, der Kommission und des Ministerrats – die mit Spannung erwartete politische Einigung zur Omnibus-II-Richtlinie, der Änderungsrichtlinie zu Solvency II.

Damit ebneten sie den Weg dafür, dass Solvency II zum 1. Januar 2016 starten kann. Die Umsetzung in nationales Recht wird nach gegenwärtiger Planung bis zum 31. März 2015 erfolgen. Glücklicher hätten die Voraussetzungen für unsere Konferenz

Solvency II wird unter anderem eine stärker risikoadäquate Kapitalunterlegung von Versicherern verlangen. Dies wird für die Branche ganz besondere Herausforderungen mit sich bringen. Ich spreche vor allem von der Lebensversicherung, bei der sich die Verpflichtungen auf der Passivseite durch die Umstellung auf eine reine Marktwertbetrachtung aufgrund des anhaltend niedrigen Zinsniveaus stark verteuern werden. Im Fokus der Verhandlungen zur Omnibus-II-Richtlinie stand daher auch das so genannte Long-Term-Guarantee-Package, ein Bündel von Maßnahmen zur besseren Abbildung vom Versicherungsgeschäft mit langfristigen Garantien.

Deutsche Positionen berücksichtigt

Ich begrüße es sehr, dass der jetzt erzielte Kompromiss die aus deutscher Sicht wichtigsten Positionen berücksichtigt. Er sieht für den Bestand der Lebensversicherer zum Startzeitpunkt von Solvency II eine adäquate Übergangszeit von 16 Jahren mit einem schrittweisen Phasing-in in das neue Regelwerk vor und eine stabilere Zinskurve durch eine frühe Extrapolation zum Zielzins – für den Euro 20 Jahre. Besonders erwähnen möchte ich außerdem das Volatility-Adjustment, ein dauerhaft wirkendes Instrument, welches die Volatilität in den Solvency-II-Bilanzen der Unternehmen infolge einer massiven Ausweitung von Zins-Spreads an den Finanzmärkten vermindern wird und damit die Gefahr eines prozyklischen Kapitalanlageverhaltens der Unternehmen begrenzt.

In diesem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, dass auf die Lebensversicherer durch Solvency II erhebliche Kosten zukommen – auch wenn sie alle Maßnahmen zur besseren Abbildung der langfristigen Garantien anwenden. Sie werden dafür pro Jahr 3 bis 5 Mrd. Euro aufwenden müssen – gleiche Marktbedingungen unterstellt. So belastend diese Herausforderung ist, so notwendig ist sie. Die Lebensversicherungsindustrie muss mit ausreichend hohen Eigenmitteln für die zu erwartenden Zeiten magerer Kapitalanlagenerträge gestärkt, Garantien und Optionen müssen zukünftig ökonomisch angemessen bepreist werden.

Nicht aufs Glück verlassen

Eingangs sprach ich von Glück, aber wir dürfen und werden uns nicht auf Glück verlassen. Jetzt gilt es, die Umsetzung der neuen Regulierung in Angriff zu nehmen und weiter voller Elan für eine erfolgreiche Einführung von Solvency II zu arbeiten. Was das für Unternehmen und Aufsicht konkret bedeutet, dazu wird sich die BaFin bis spätestens Anfang Januar 2014 äußern.

Zum Autor:

Felix Hufeld ist seit Anfang 2013 oberster deutscher Aufseher über die Versicherungswirtschaft und vertritt die BaFin im Management Board der Europäischen Versicherungsaufsichtsbehörde EIOPA. Als Exekutivdirektor hat er die entscheidende Phase der Einigung zu Solvency II begleitet. In der nun folgenden Vorbereitungsphase nimmt er die Unternehmen in die Verantwortung und setzt sich für einen intensiven Dialog mit der BaFin ein.

BaFin-Konferenz

Neues Aufsichtsregime Solvency II startet 2016. Teilnehmer tauschen sich zu Vorbereitungsphase aus

Am 14. November trafen sich rund 260 Vertreter aus Politik, Versicherungswirtschaft und Aufsicht zur Konferenz „Weitere Schritte auf dem Weg zu Solvency II“ im Rheinischen Landesmuseum in Bonn. Die BaFin hatte bereits zum dritten Mal zu einer Veranstaltung zum künftigen europäischen Aufsichtsregime eingeladen. Neben Mitarbeitern der BaFin sprachen diesmal Referenten des Bundesfinanzministeriums, der Europäischen Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung EIOPA (European Insurance and Occupational Pensions Authority), des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) und einzelner Versicherer zu verschiedenen Themen (Einige Vorträge der Konferenz können auf der Internetseite der BaFin eingesehen werden.).

Nur einen Tag zuvor war auf europäischer Ebene der Durchbruch in den Trilog-Verhandlungen zur Ergänzungsrichtlinie Omnibus II gelungen. Das EU-Parlament, der Rat und die EU-Kommission einigten sich dabei auch auf den Starttermin von Solvency II: Vom 1. Januar 2016 an müssen alle Mitgliedstaaten das neue Aufsichtsregime anwenden. Im Fokus der Konferenz stand somit die Frage, wie sich die kommenden zwei Jahre der Vorbereitung auf das neue Aufsichtsregime gestalten. „Uns steht eine der umfangreichsten Veränderungen bevor, die wir je hatten“, sagte der Exekutivdirektor der Versicherungsaufsicht, Felix Hufeld. „Wir werden uns von einer regelbasierten hin zu einer prinzipienbasierten Aufsicht bewegen. Diese hält nicht an starren Vorgaben fest, sondern formuliert allgemeine Grundsätze, die wir angemessen und unternehmensindividuell anwenden werden.“

Der Vorsitzende von EIOPA, Gabriel Bernardino, begrüßte die jüngsten politischen Entwicklungen. „Als ich diese Konferenz im vergangenen Jahr besuchte, waren die politischen Verhandlungen festgefahren. Mit dem gestrigen Kompromiss sind nun die Grundlagen für eine bessere Regulierung in Europa geschaffen“, erklärte er. Entscheidend für eine erfolgreiche Einführung sei nun, dass sich Aufsicht und Unternehmen in den kommenden zwei Jahren weiter intensiv auf das neue Aufsichtsregime vorbereiteten.

Leitlinien zur Vorbereitung

Dafür müssten die im September veröffentlichten EIOPA-Leitlinien zur Vorbereitung auf Solvency II schrittweise umgesetzt werden. Die Konsultation zu diesen Leitlinien sei sehr positiv verlaufen. „In der Konsultationsphase haben wir uns sowohl mit unserer eigenen Perspektive als Aufseher als auch mit der der Unternehmen und aller 28 Mitgliedstaaten auseinandergesetzt. Dadurch, dass wir so viele verschiedene Sichtweisen und Meinungen integriert haben, konnten wir ein Ergebnis erzielen, das mich sehr zufrieden stellt,“ sagte Bernardino. So sei zum Beispiel die Anwendung der Leitlinien zur vorausschauenden Prüfung der unternehmenseigenen Risiken (Forward Looking Assessment of Own Risk - FLAOR) teilweise auf das Jahr 2015 verschoben worden. Auch die Anforderungen an das Berichtswesen sollten erst ab 2015 greifen.

Die Leitlinien richten sich an die nationalen Versicherungsaufsichtsbehörden, die nun im Comply-or-Explain-Verfahren erklären müssen, ob und wie sie diese umsetzen. Die BaFin hat die insgesamt 192 Leitlinien laut Exekutivdirektor Hufeld in 15 Themenblöcke gegliedert. Sie sollten in den kommenden zwei Jahren in drei Phasen schrittweise umgesetzt werden. „Dass wir die Themen schrittweise umsetzen, bedeutet nicht, dass wir einige für wichtiger halten als andere“, betonte Hufeld. Die Aufteilung sei dem Umstand geschuldet, dass die Unternehmen nicht alle Themen gleichzeitig abarbeiten könnten. Gleichwohl sei es den Unternehmen überlassen, Themen auch schon früher anzugehen. „Die BaFin wird auf die Unternehmen zugehen und die Themen im Dialog mit ihnen erarbeiten“, sagte Hufeld. Es sei vorgesehen, dass die Unternehmen selbst einschätzen sollten, wie weit sie mit der Vorbereitung auf die einzelnen Themen sind. „Auf Basis der Ergebnisse dieses Dialogs werden wir zum Teil Rahmenvorgaben ausarbeiten. Innerhalb dieser Vorgaben obliegt es den Unternehmen, ihre Antworten individuell zu finden“, ergänzte Hufeld.

Konkrete Informationen zum Ablauf der Vorbereitungsphase werde die BaFin um den Jahreswechsel auf ihrer Internetseite veröffentlichen. Hufeld betonte, wie wichtig es für eine erfolgreiche Vorbereitungsphase sei, dass die Unternehmen selbst Verantwortung übernähmen. Die BaFin werde sie dabei nach Kräften unterstützen. „Wenn Sie auf dem Zehnmeterbrett stehen und springen, sorgen wir dafür, dass ausreichend Wasser im Becken ist.“

Erfolg abhängig von Vorbereitung

Die Konferenzteilnehmer zeigten sich einig darin, dass der Erfolg der Einführung von Solvency II entscheidend von einer guten Vorbereitung abhängt. Viele Unternehmensvertreter bewerteten das von der BaFin geplante Vorgehen positiv; der weitere Prozess der Umsetzung sei dadurch klar strukturiert.

Zurückhaltender äußerte sich Dr. Axel Wehling vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft. Dass die Anforderungen an das neue Regime bis 2016 umgesetzt sein müssen, bewertete er als ambitioniert. Trotz der Trilog-Einigung bleibe das Thema der langfristigen Garantien in der Lebensversicherung eine Herausforderung. Weiterer Klärungsbedarf bestehe bei Themen, die bewusst im Trilog ausgespart worden seien, zum Beispiel bei der Kreditrisikoadjustierung. „Geklärt werden müssen aber auch die Themen, die noch zu konkretisieren oder in nationales Recht umzusetzen sind, wie die Einzelheiten zur Volatilitätsanpassung.“

Die Teilnehmer der Konferenz diskutierten zudem über die Berichtspflichten. Unternehmensvertreter mahnten, dass der bürokratische Aufwand nicht zu groß werden dürfe. Sie schlugen vor, einheitlich vorzugeben, welche Unterlagen wann einzureichen seien. Idealerweise sollten alle Daten ausschließlich an die BaFin geliefert werden müssen.

Weitere Themen

Unternehmensvertreter beschäftigten sich in ihren Vorträgen außerdem mit der Frage, wie sich Solvency II auf große und wie es sich auf kleine Versicherungsunternehmen auswirke. Für kleinere Unternehmen mit wenigen Hierarchieebenen könne es zum Teil schwierig sein, Anforderungen von Solvency II wie die Trennung von Schlüsselfunktionen sauber umzusetzen. Hierfür müssten individuelle Lösungen entwickelt werden. Diese Aspekte der Umsetzung wurden in der abschließenden Podiumsdiskussion weiter vertieft, an der Vertreter der Aufsicht und der Versicherungswirtschaft teilnahmen.

EIOPA-Leitlinien

Erläuterungen in deutscher Sprache veröffentlicht. Neue Internetseite für Fragen und Antworten

Die Leitlinien der Europäischen Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung EIOPA zur Vorbereitung auf das neue Aufsichtsregime Solvency II (siehe BaFinJournal Oktober 2013) liegen nun in allen Amtssprachen der EU und somit auch auf Deutsch vor.

Die BaFin hat zudem die drei Erläuterungstexte ins Deutsche übersetzen lassen und zusammen mit den Leitlinien auf ihrer Internetseite veröffentlicht. Sie betreffen die Anforderungen an die Geschäftsorganisation und das Risikomanagement, die vorausschauende Prüfung der unternehmenseigenen Risiken und die Vorantragsphase für interne Modelle. Der Annex II zu den Leitlinien zum Berichtswesen, der die einzelnen Eingabezellen erklärt, steht derzeit nur auf Englisch zur Verfügung.

BaFin empfiehlt schnelle Umsetzung

Die BaFin empfiehlt allen Unternehmen, die künftig von Solvency II erfasst sind, so früh wie möglich mit der Umsetzung der Leitlinien zu beginnen. Nach dem Start von Solvency II sind hierfür grundsätzlich keine Übergangsfristen mehr vorgesehen; aufsichtliche Maßnahmen könnten also sofort greifen. Die BaFin wird den Unternehmen bald Details dazu mitteilen, was sie bei der Anwendung der Leitlinien von ihnen erwartet. Zudem wird sie im Lauf der Vorbereitungsphase weitere Hinweise und Unterlagen auf ihrer Internetseite einstellen.

Die nationalen Aufsichtsbehörden müssen gegenüber EIOPA bis Ende des Jahres erklären, ob sie die Leitlinien ab dem 1. Januar 2014 anwenden werden.

Fragen und Antworten

Um zu gewährleisten, dass die Leitlinien in der EU einheitlich und wirksam angewendet werden, hat EIOPA im Internet eine Frage- und Antwortseite eingerichtet. Sie kann in allen Amtssprachen der EU genutzt werden. Allerdings benötigt EIOPA bis zu sechs Wochen Zeit für die Beantwortung, in Einzelfällen auch länger.

Hinweis

Der Beitrag gibt den Sachstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung im BaFinJournal wieder und wird nicht nachträglich aktualisiert. Bitte beachten Sie die Allgemeinen Nutzungsbedingungen.

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