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Erscheinung:01.12.2014 Interview: „Die Testphase für interne Modelle ist unerlässlich“

Interview mit Thorsten Arhold, Leiter des BaFin-Referats für Prüfungen und qualitative Fragen interner Modelle

Seit 2006 lädt die BaFin regelmäßig interessierte Versicherungsunternehmen zum Meinungsaustausch rund um den Themenkomplex interne Modelle nach Bonn. Im Rahmen des Arbeitskreises Interne Modelle (AKIM) präsentieren Unternehmensvertreter den Entwicklungsstand ihrer internen Modelle oder aktuelle Sonderthemen.

Die Aufsicht berichtet im Gegenzug über den Stand der Diskussionen in den EU-Gremien und über die Erkenntnisse, die sie bei der Prüfung interner Modelle von Versicherern gewonnen hat.

Das jüngste Treffen des Arbeitskreises fand Ende November statt. Thorsten Arhold, der Leiter des zuständigen BaFin-Referats, erläutert im Interview, wie sich Aufsicht und Unternehmen auf die Verwendung der internen Modelle vorbereiten und welche Herausforderungen noch zu bewältigen sind.

Herr Arhold, welche Themen standen bei diesem Treffen des Arbeitskreises Interne Modelle ganz oben auf der Agenda?

Zum einen natürlich die geplanten europäischen Regeln für interne Modelle, die die Europäische Kommission beziehungsweise die europäische Versicherungsaufsichtsbehörde EIOPA demnächst in Form einer Delegierten Verordnung, Technischer Durchführungsstandards und Leitlinien erlassen werden. Sie komplettieren die aufsichtsrechtlichen Rahmenbedingungen und konkretisieren vor allem, wie die Anträge der Versicherer und die Tests und Standards für ihre internen Modelle auszusehen haben.

Ein großes Thema waren außerdem die Probeanträge: Seit Anfang Oktober können Versicherer, die ihre Solvenzkapitalanforderung mit einem internen Modell berechnen wollen,1 dies quasi probeweise beantragen. Die BaFin prüft dann, ob die Antragsunterlagen vollständig sind, ob sie das interne Modell detailliert genug beschreiben und ob sie ausreichend dokumentieren, dass die erforderlichen Tests und Standards erfüllt sind. Bei Anträgen von Gruppen stimmt sie sich bereits in dieser Phase in den Aufsichtskollegien mit den Aufsehern anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union und des Europäischen Wirtschaftsraums ab.

Warum gibt es erst eine Testphase? Könnten die Unternehmen nicht gleich den endgültigen Antrag stellen?

Die Testphase ist unerlässlich, damit die BaFin den Versicherern rechtzeitig sachdienliche Hinweise für das formelle, sehr komplexe Antragsverfahren geben kann. Bei internen Modellen von Versicherungsgruppen, die in mehreren EU-Staaten tätig sind, muss sich die BaFin zudem in einem umfangreichen Prozess mit den anderen betroffenen Aufsichtsbehörden abstimmen – und das alles innerhalb von sechs Monaten. Dass dieser Zeitraum nicht sonderlich komfortabel ist, wird schon daran deutlich, dass die Unterlagen, die die Unternehmen bisher eingereicht haben, zwischen 6.500 und 100.000 Seiten pro Antrag stark sind. Wir werden das Ergebnis unserer Prüfung mit den Ver-sicherern besprechen, damit sie die Unterlagen im Zweifel noch anpassen kön-nen. Dies ist der letzte Schritt der so genannten Vorantragsphase, bevor dann am 1. April 2015 die formelle Antragsphase beginnt.

Was ist unter „Vorantragsphase“ zu verstehen?

Die BaFin begleitet die Versicherer, die ein internes Modell verwenden wollen, bereits seit 2009 im Rahmen der Vorantragsphase. Damals wurde die Solvency-II-Richtlinie verabschiedet, an der sich die Versicherer bei der Entwicklung der internen Modelle orientieren konnten. Gleichzeitig gab sie der BaFin erste Anhaltspunkte, welche aufsichtsrechtlichen Anforderungen die Modelle erfüllen müssen. Wir haben intensive Dialoge mit den Versicherern geführt – unter anderem beim AKIM – und die internen Modelle vor Ort geprüft, zunächst allein, dann mehr und mehr gemeinsam mit den zuständigen Aufsichtsbehörden anderer Mitgliedstaaten.

Ende Oktober 2013 veröffentlichte EIOPA dann Leitlinien zum Vorantragsverfahren für interne Modelle2, die die aufsichtsrechtlichen Anforderungen konkretisieren. Wir konnten daraufhin die Prüfungen vertiefen. Wurden dabei Schwächen bei den Modellen festgestellt, haben wir die Unternehmen darauf hingewiesen. Ergänzend dazu haben wir uns mit den Versicherern in intensiven Workshops zu speziellen Themen ausgetauscht, zum Beispiel zur Modellierung von Risiken aus Naturkatastrophen, und die Ergebnisse in die Diskussionen in den Aufsichtskollegien eingebracht.

Wie geht es nun weiter?

Nächstes Jahr beginnt die Antragsphase, dann wird es also ernst. Darüber hinaus verpflichten die EIOPA-Leitlinien zur Informationsübermittlung an die zuständigen nationalen Aufsichtsbehörden die Unternehmen, sich auf die Berichtsanforderungen unter Solvency II vorzubereiten. Dabei gelten für Versicherer, die interne Modelle nutzen wollen, besondere Regeln: Individuelle Modelle erfordern eben auch eine individuelle Vorgehensweise. Die BaFin hat dazu ergänzende Hinweise veröffentlicht. Sie wird sich in den kommenden Wochen mit den einzelnen Unternehmen auf ein angemessenes Berichterstattungsformat verständigen. Dabei muss gewährleistet sein, dass die Unternehmen im Ergebnis ebenso detaillierte Daten übermitteln wie die Unternehmen, die die Standardformel nutzen. Für Versicherer, die europaweit tätig sind, wollen wir gemeinsam mit den anderen Aufsichtsbehörden einheitliche Berichterstattungsformate entwickeln.

Wir sind also auf einem guten Weg, aber noch lange nicht am Ziel. Der Arbeits-kreis Interne Modelle wird darum auch weiterhin ein wichtiges Forum bleiben, in dem wir uns mit den Versicherern austauschen – auch nach den Erstgenehmigungen der internen Modelle.

Hinweis

Der Beitrag gibt den Sachstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung im BaFinJournal wieder und wird nicht nachträglich aktualisiert. Bitte beachten Sie die Allgemeinen Nutzungsbedingungen.

Fußnoten

  1. 1 Interne Modelle: Die Solvency-II-Richtlinie gibt Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen die Möglichkeit, ihre aufsichtsrechtliche Solvenzkapitalanforderung (Solvency Capital RequirementSCR) entweder mit dem Standardformel-Ansatz oder mit einem internen Modell zu bestimmen. Die Standardformel ist in den Artikeln 103 ff. der Richtlinie beschrieben. Interne Modelle hingegen sind individuell vom Unternehmen zu entwickeln. Sie werden von der Aufsicht geprüft und genehmigt.
  2. 2 Die BaFin hat auf ihrer Internetseite Erläuterungen zu den EIOPA-Leitlinien veröffentlicht.

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