BaFin - Navigation & Service

Erscheinung:04.03.2015 | Thema Risikomanagement FSB konsultiert überarbeitete Bewertungsmethodik für systemrelevante Nicht-Banken und -Versicherer

Gegenwärtig tragen 30 Banken und neun Versicherungsunternehmen auf globaler Ebene das Label „Too Big to Fail“.1) Sie sind so groß, so komplex, so sehr mit anderen Marktteilnehmern verwoben, in ihren Funktionen so unersetzbar oder in einem solchen Maße international tätig, dass es die Stabilität der globalen Finanzmärkte gefährden könnte, wenn sie in Schieflage gerieten.

Der Finanzstabilitätsrat FSB (Financial Stability Board) und die Internationale Organisation der Wertpapieraufsichtsbehörden IOSCO (International Organization of Securities Commissions) beschäftigen sich im Auftrag der G 20 seit einiger Zeit mit der Frage, ob solche global systemrelevanten Unternehmen auch im Universum der Nicht-Banken und -Versicherer (Non-Banks Non-Insurers – NBNIs) existieren.

Als Reaktion auf die Finanzkrise wurden für global systemrelevante Banken (Global Systemically Important BanksG-SIBs) höhere beziehungsweise zusätzliche Anforderungen an die Verlusttragfähigkeit, an die Planung von Sanierung und Abwicklung sowie eine intensivierte Aufsicht eingeführt. Auch für systemrelevante Versicherer (Global Systemically Important InsurersG-SIIs) sind entsprechende Regelungen in Arbeit. Die Regulierung von global systemrelevanten Nicht-Banken und -Versicherern (NBNI G-SIFIs) ist darum ein wichtiger und notwendiger Schritt, um auch den Systemrisiken dieser Unternehmen begegnen zu können. FSB und IOSCO arbeiten derzeit an einer Bewertungsmethodik, anhand derer NBNI G-SIFIs identifiziert werden können.

Hier hat es Anfang März weitere Fortschritte gegeben: Die beiden Gremien veröffentlichten einen überarbeiteten Vorschlag, der bis Ende Mai zur Konsultation steht. Die ursprüngliche Fassung des Rahmenwerks, die Anfang 2014 konsultiert wurde (siehe BaFinJournal Februar 2014), hatten FSB und IOSCO auf Grundlage der Kommentare überarbeitet und präzisiert. Zudem griffen sie neue Aspekte zu Fondsverwaltern (Asset-Managern) auf, die im Fokus der aktuellen Konsultation stehen. Der zweite Schwerpunkt liegt auf dem Themenkomplex Investmentfonds.

Spezifische Bewertungsmethodiken

Das Rahmenwerk enthält spezifische Methodiken zur Beurteilung der Systemrelevanz von Finanzierungsgesellschaften, Wertpapierfirmen, Investmentfonds und Asset-Managern sowie eine so genannte Leitmethodik (Guiding Methodology) für Nicht-Banken und -Versicherer, die keiner der spezifischen Methodiken zugeordnet werden können. Sie kann zudem als Ausgangspunkt für die Entwicklung weiterer spezifischer Methodiken dienen, sollten bestimmte Unternehmenstypen künftig so wichtig werden, dass eine detailliertere Auseinandersetzung mit ihren Risiken auf globaler Ebene notwendig wird.

Daneben beinhaltet das Rahmenwerk einen allgemeinen Teil, in dem der Anwendungsbereich festgelegt ist, die Transmissionskanäle für Risiken und die Einflussfaktoren auf die systemischen Risiken beschrieben sowie die Prozesse zur Bewertung der Systemrelevanz dargestellt sind. Diese Bewertungen nehmen die nationalen Aufsichtsbehörden vor. Um zu gewährleisten, dass sie miteinander vergleichbar sind, sieht das Rahmenwerk vor, ein internationales Überwachungsgremium einzurichten.

Das Rahmenwerk soll bis Ende 2015 verabschiedet werden. Danach werden FSB und IOSCO Maßnahmen ausarbeiten, um die Auswirkungen abzumildern, die der Ausfall eines NBNI G-SIFIs hätte. Abschließend wird das FSB zusammen mit den nationalen Aufsichtsbehörden bestimmen, welche Unternehmen global systemrelevant sind, und das Ergebnis in Form einer alphabetischen Liste veröffentlichen. Anders als bei den G-SIBs wird es für NBNI G-SIFIs keine Rangfolge geben, da Aussagen über relative Unterschiede in der Systemrelevanz aufgrund der Heterogenität dieser Unternehmen nicht möglich sind.

Anwendungsbereich

FSB und IOSCO erwägen, Unternehmen aus dem Anwendungsbereich der Methodik auszunehmen, die sich mehrheitlich im Besitz der öffentlichen Hand befinden und deren Verbindlichkeiten vom Staat garantiert werden. Ebenso überlegen sie, Pensionsfonds auszunehmen, da sie aufgrund ihrer langfristigen Verpflichtungen und ihres langfristigen Anlagehorizonts nur geringe Risiken für die globale Finanzstabilität bergen. FSB und IOSCO hoffen, bei der Konsultation weitere Argumente zu erhalten, die dafür oder dagegen sprechen, diese Unternehmen mit der Methodik zu erfassen. Erst dann wollen sie die Entscheidung fällen.

Die Industrie ist zudem aufgerufen mitzuteilen, welche weiteren Unternehmenstypen ihrer Ansicht nach vom Anwendungsbereich ausgenommen werden sollten.

Um den Kreis der Unternehmen, die die Aufsichtsbehörden näher untersuchen müssen, auf ein handhabbares Maß zu begrenzen, haben FSB und IOSCO Schwellenwerte festgelegt (siehe Tabelle). Nur Unternehmen, die diese Schwellenwerte überschreiten, werden genauer analysiert. Dies heißt jedoch nicht, dass sie automatisch als global systemrelevant eingestuft werden.

Die Schwellenwerte sind nicht als starre Größe zu verstehen. Die nationalen Aufsichtsbehörden können auch Unternehmen untersuchen, die diese Schwellenwerte nicht erreichen, wenn sie der Auffassung sind, dass bestimmte Faktoren eine vertiefte Analyse rechtfertigen. FSB und IOSCO behalten zudem speziell die Unternehmen im Blick, die knapp unterhalb der Grenzwerte liegen. Dadurch wollen sie vermeiden, dass potenziell systemisch relevante Unternehmen nicht vom Radar erfasst werden oder Anreize entstehen, die Schwelle marginal zu unterschreiten.

Falls die Konsultation ergibt, dass es sinnvoll ist, die Schwellenwerte anzupassen, so werden FSB und IOSCO dies tun. Das gilt sowohl konzeptionell als auch in Hinblick auf die Kalibrierung.

Finanzierungsgesellschaften und Wertpapierfirmen

Das überarbeitete Rahmenwerk sieht 100 Milliarden USD Bilanzsumme als Schwellenwert für Finanzierungsgesellschaften und Wertpapierfirmen vor. Diesen Wert hatten FSB und IOSCO bereits bei der ersten Konsultation vorgeschlagen.

Sie hatten ursprünglich erwogen, auch Faktoren einzubeziehen, die die internationalen Aktivitäten eines Unternehmens berücksichtigen. Dieser Ansatz stellte sich jedoch als zu komplex heraus, sollen die Schwellenwerte doch nur als erster Filter wirken. Die Betrachtung der Auslandsaktivitäten fällt jedoch nicht unter den Tisch. Sie ist Bestandteil der detaillierten Analyse.

Private Fonds

Für so genannte private Fonds – also Fonds, die sich an professionelle oder semi-professionelle Investoren richten wie beispielsweise gehebelte Hedgefonds – haben FSB und IOSCO ein Exposure nach der Bruttomethode (Gross Notional Exposure – GNE) von 400 Milliarden USD als Schwellenwert festgelegt. Damit wählten sie das untere Ende der Spannbreite von 400 bis 600 Milliarden USD, die in der ersten Konsultation zur Debatte gestanden hatte. GNE ist der Wert aller Short- und Long-Positionen für bestimmte Anlageklassen. Er gibt Auskunft über den „Fußabdruck“, den ein Fonds hinterlässt, wenn er aus dem Markt austritt. Der Wert sagt jedoch nichts über das tatsächliche Risiko aus, da Netting- und Hedging-Effekte nicht berücksichtigt werden.

Im Nachgang zur ersten Konsultation hatten FSB und IOSCO auch alternative Ansätze zur Bestimmung der Hebelung (Leverage) erwogen, die Absicherungstechniken anerkennen und Gegenpositionen verrechnen, wie zum Beispiel den Commitment-Approach der EU-Richtlinie über Verwalter alternativer Investmentfonds (Alternative Investment Fund Managers DirectiveAIFMD). Diese Ansätze wurden jedoch verworfen, weil sie für die Schwellenwertbetrachtung zu komplex und international nicht ausreichend vergleichbar sind.

Traditionelle Investmentfonds

Das Rahmenwerk enthält auch überarbeitete Schwellenwerte für so genannte traditionelle Investmentfonds wie Publikumsfonds. Traditionelle Investmentfonds richten sich insbesondere an private Anleger. FSB und IOSCO haben hier zwei Konzepte zur Konsultation gestellt. Beim ersten (Option 1) wird ein traditioneller Investmentfonds eingehender untersucht, wenn sein Nettoinventarwert (Net-Asset-Value) mindestens 30 Milliarden USD beträgt und seine finanzielle Hebelung das Dreifache des Nettoinventarwerts übersteigt, oder wenn der Fonds ein verwaltetes Nettovermögen (Net-Assets under Management) von 100 Milliarden USD oder mehr besitzt. Da bei diesem Kriterium die Hebelung keine Rolle spielt, sprechen FSB und IOSCO von einem „Size-Only Backstop“. Nach dem anderen Konzept (Option 2) wird ein Fonds erfasst, wenn sein verwaltetes Bruttovermögen (Gross-Assets under Management) 200 Milliarden USD übersteigt, sofern er nicht nachweisen kann, dass er in seinem relevanten Markt keine dominierende Rolle spielt. Zur Bestimmung der dominierenden Rolle sind Kennziffern ausschlaggebend, die Auskunft über die Substituierbarkeit des Fonds und dessen Fire-Sale-Risiko geben, also das Risiko, dass der Preis eines Wertpapiers auf dem Markt unter Druck gerät, wenn ein Fonds seine Anteile an dem Vermögenswert rasch abstoßen muss.

Bei der ersten Konsultation hatten FSB und IOSCO lediglich einen Schwellenwert von 100 Milliarden USD verwaltetem Nettovermögen vorgeschlagen. Mit den überarbeiteten Schwellenwerten geben sie neben der Größe nun auch der Hebelung eine stärkere Bedeutung. Die beiden Optionen spiegeln jedoch leicht unterschiedliche Sichtweisen auf die Risiken wider. Unter der ersten Option dominiert die Annahme, dass Investmentfonds ungeachtet ihrer Hebelung ab einer bestimmten Größe systemische Risiken bergen können. Die zweite Option erkennt ebenfalls an, dass Größe und Hebelung bedeutende Einflussfaktoren sind. Mit dem Konzept der dominierenden Rolle werden diese jedoch zu den Märkten in Verhältnis gesetzt, in denen der Fonds investiert ist.

Asset-Manager

FSB und IOSCO sprechen sich im überarbeiteten Konsultationspapier dafür aus, auch Asset-Manager zu erfassen, und zwar getrennt von Einzelfonds (dualer Ansatz). Mit diesem Ansatz ist es beispielsweise möglich, einen oder mehrere Fonds als global systemrelevant zu bestimmen, ohne dass auch der Asset-Manager als global systemrelevant eingestuft wird. Umgekehrt gilt dies ebenso. Eine gänzlich isolierte Betrachtung von Fonds und Asset-Managern ist jedoch nicht geboten, denn Risiken, die sich beim Asset-Manager realisieren, können auf die verwalteten Fonds übertragen werden. Auch aufgrund von Reputationsrisiken ist es angebracht, einen Asset-Manager und die Fonds, die er verwaltet, gemeinsam zu betrachten.

Das Rahmenwerk enthält somit nun eine eigene Teilmethodik für Asset-Manager. Sie umfasst neben der Beschreibung der Transmissionskanäle und den Indikatoren zur Bestimmung der Systemrelevanz auch erste Überlegungen zu möglichen Schwellenwerten. Ein Konzept (Option 1) sieht vor, den Schwellenwert auf 100 Milliarden USD gesamte Bilanzaktiva (Balance-Sheet-Total-Assets) festzulegen. Mit der Orientierung an den Bilanzaktivitäten werden die direkten Risiken in den Fokus gerückt, die von einem Asset-Manager ausgehen. Das andere Konzept (Option 2) geht darüber hinaus: Er sieht einen Schwellenwert von 1 Billion USD verwaltetem Nettovermögen vor. Die Option erfasst den Asset-Manager also mit allen Fonds, die er verwaltet. Sie stellt somit stärker auf die mögliche Übertragung von Risiken auf Fonds ab.

Schwellenwerte für Fonds und Asset-Manager
Traditionelle FondsPrivate FondsAsset-Manager
Option 1: 30 Milliarden USD Nettoinventarwert und finanzielle Hebelung von 3x Nettoinventarwert oder 100 Milliarden USD verwaltetes Nettovermögen (Size-Only Backstop)400 Milliarden USD Exposure nach der BruttomethodeOption 1:
100 Milliarden USD gesamte Bilanzaktiva
Option 2: 200 Milliarden USD verwaltetes Bruttovermögen, sofern keine dominierende Rolle im relevanten MarktOption 2:
1 Billion USD verwaltetes Nettovermögen

Brückenschlag zur Schattenbankenregulierung

Die internationalen Bemühungen um die Reduzierung der Risiken von global systemrelevanten Nicht-Banken und -Versicherern sind eng mit der Diskussion um eine stärkere Überwachung und Regulierung des Schattenbankensystems verknüpft, gibt es doch große Überschneidungen bei den betrachteten Unternehmen. Unterschiedlich ist in erster Linie der Blickwinkel: Beim Schattenbankensystem stehen die Risiken der Kreditintermediation im Vordergrund, beispielsweise der Umfang der Fristen- und Liquiditätstransformation. Zudem gilt die Aufmerksamkeit dem Sektor insgesamt. Bei der Diskussion um die Bewertung der Risiken von NBNI G-SIFIs liegt der Fokus auf einzelnen Unternehmen und den Risiken, die sich aus ihrer Systemrelevanz ergeben, also beispielsweise der Größe, Vernetzung und Komplexität der Unternehmensstrukturen.

International wird gegenwärtig darüber debattiert, ob Regulierung von Aktivitäten der Regulierung von Unternehmen vorzuziehen ist. Die beiden Ansätze sind jedoch komplementär zu verstehen: Die Schattenbankenregulierung umfasst den gesamten Sektor, die Rechtsfolgemaßnahmen aus dem Rahmenwerk für NBNI G-SIFIs werden die zusätzlichen, spezifischen Risiken der systemrelevanten Schattenbankenunternehmen adressieren.

Hinweis

Der Beitrag gibt den Sachstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung im BaFinJournal wieder und wird nicht nachträglich aktualisiert. Bitte beachten Sie die Allgemeinen Nutzungsbedingungen.

Fußnote:

Autor: Michael Tochtermann, BaFin

Zusatzinformationen

Fanden Sie den Beitrag hilfreich?

Wir freuen uns über Ihr Feedback

Es hilft uns, die Webseite kontinuierlich zu verbessern und aktuell zu halten. Bei Fragen, für deren Beantwortung wir Sie kontaktieren sollen, nutzen Sie bitte unser Kontaktformular. Hinweise auf tatsächliche oder mögliche Verstöße gegen aufsichtsrechtliche Vorschriften richten Sie bitte an unsere Hinweisgeberstelle.

Wir freuen uns über Ihr Feedback