BaFin - Navigation & Service

Erscheinung:15.06.2015 BaFin-Exekutivdirektorin Elisabeth Roegele: „Aufsicht in neuen Dimensionen“

Seit Anfang Mai ist Elisabeth Roegele neue Exekutivdirektorin der Wertpapieraufsicht der BaFin. Sie übernahm das Amt von Karl-Burkhard Caspari, der Ende März in den Ruhestand ging.

Im Interview mit dem BaFinJournal erläutert Elisabeth Roegele, wie sie die ersten Wochen im Amt erlebt hat, wo sie die größten Herausforderungen der kommenden Monate sieht und inwiefern ihr die Erfahrungen aus der Privatwirtschaft zugutekommen.

Frau Roegele, herzlichen Glückwunsch zu Ihrer neuen Aufgabe. Wie haben Sie die ersten Wochen erlebt?

Ich bin hier sehr nett aufgenommen worden. Dabei war es sicherlich von Vorteil, dass ich viele Kollegen ja noch von früher kenne. In den letzten acht Jahren hat sich aber auch viel verändert: Es war die Zeit vor der Finanzmarktkrise, und die Agenda wurde vom Ziel der Deregulierung bestimmt – heute bewegen wir uns in die andere Richtung. Mit der ESMA hat außerdem die europäische Wertpapieraufsicht seit 2011 ganz andere Dimensionen angenommen, als es damals unter CESR der Fall war. Meine ersten Wochen waren davon geprägt, dass ich mich sehr schnell einarbeiten musste. An meinem dritten Arbeitstag fand bereits eine Sitzung des Boards of Supervisors der ESMA in Riga statt. Daher war ich schon Ende April inoffiziell bei der BaFin, um mich auf die Themen vorzubereiten. Den ersten Mai habe ich dann genutzt, um mir in Ruhe alle Dokumente anzusehen.

Was reizt Sie an Ihrer neuen Aufgabe besonders?

Erstens die Vielfalt der Themen. Meine Aufgabe ist es, mich querbeet mit all den Aspekten zu beschäftigen, die in irgendeiner Weise die Aufsicht über den Wertpapierhandel betreffen – und nicht nur damit. Zweitens die Tätigkeit auf internationalem Parkett, wo sich momentan unglaublich viel bewegt. Das ist eine ganz andere Art des Arbeitens. Und last but not least finde ich es sehr spannend, mit so vielen unterschiedlichen Kollegen zu tun zu haben, mich mit ihnen auszutauschen und so gegenseitig voneinander zu lernen.

Wo sehen Sie die größten Herausforderungen der kommenden Monate?

Für mich persönlich gilt es natürlich zunächst einmal, mich mit den zahlreichen Themen vertraut zu machen. Abgesehen davon müssen wir uns der Frage widmen, wie wir uns im Verhältnis zur ESMA strategisch aufstellen und unsere Kapazitäten steuern. Die ESMA hat einen sehr starken Einfluss auf unsere tägliche Arbeit – zum einen dadurch, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Wertpapieraufsicht neben ihrer eigentlichen Tätigkeit an Sitzungen von Komitees, Task Forces und anderen Gremien teilnehmen, sich auf diese vorbereiten und dort intensiv verhandeln müssen, was viel Zeit in Anspruch nimmt. Zum anderen durch all die Vorgaben und Regulierungen, die Ergebnis der Arbeit dieser Gremien sind. Die Umsetzung der großen europäischen Richtlinien und Verordnungen ist eine Herausforderung, die uns viel abverlangt: vor allem die der Finanzmarktrichtlinie MiFID II – das beginnt schon mit der technischen Umsetzung in Form von IT-Programmen, die uns als Aufsicht ebenso beschäftigt wie die Institute –, aber auch die der Marktmissbrauchsverordnung, der Europäischen Marktinfrastrukturverordnung EMIR und der AIFM-Richtlinie, der Richtlinie über die Verwalter alternativer Investmentfonds.

Außerdem gilt es, das Kleinanlegerschutzgesetz im Sinne des kollektiven Verbraucherschutzes umzusetzen, das im Juli in Kraft tritt. Es wird – entsprechend dem Koalitionsvertrag – den Schutz der Verbraucher wesentlich stärken.

Was bedeutet das konkret?

Künftig sind mehr Anbieter von Vermögensanlagen prospektpflichtig als bisher; wir werden also auch mehr Ressourcen für die Prüfung von Prospekten aufwenden müssen. Vor allem aber dürfen und sollen wir fortan bei Produkten und Vertriebsmethoden aktiv einschreiten, wenn wir Bedenken haben, dass diese den Schutz der Anleger oder die Funktionsfähigkeit und Stabilität des Finanzsystems erheblich gefährden könnten. Das ist eine neue Dimension von Aufsicht, an die wir uns erst einmal herantasten müssen. Wir wissen noch nicht genau, was da auf uns zukommt. Verbraucher, Verbände und Finanzmarktwächter haben hohe Erwartungen an uns. BaFin-Präsident Felix Hufeld hat es kürzlich so ausgedrückt: Der Gesetzgeber hat uns den Ball vor die Torlinie gelegt – und wir müssen nun auch schießen.

Das bedeutet, dass wir uns genau anschauen werden, welche Angebote und Entwicklungen es auf dem Markt gibt, beispielsweise in Sachen Digitalisierung. Wir werden analysieren, was Kunden ärgert und warum, und wir werden darauf hinarbeiten, neue Vertriebsmethoden und Produkte der Zukunft früh zu erkennen, um Risiken rechtzeitig zurückdrängen zu können. Das bedeutet aber auch, dass wir jeden Fall sehr gründlich prüfen müssen, bevor wir tatsächlich ein Verbot aussprechen. Dies ist ein scharfes Schwert, dessen Einsatz wir gut abwägen müssen.

Sie sprachen eben von einer neuen Dimension der Aufsicht. Was genau meinen Sie damit?

Am Beispiel des Kleinanlegerschutzgesetzes lässt sich gut ablesen, wie sich die Aufgabe der BaFin gewandelt hat. Früher war sie in erster Linie regulatorischer Natur; heute geht es immer stärker auch darum, den Markt zu beobachten, Themen zu analysieren, Trends und damit künftige Risiken zu erkennen. Kurz: Wir reagieren nicht mehr nur auf Fehlverhalten im Markt, sondern sind auch präventiv tätig.

Sie verfügen über vielfältige berufliche Erfahrung auf beiden Seiten des Markts – sowohl bei Aufsichtsbehörden als auch bei Unternehmen. Inwiefern kommt Ihnen das als Exekutivdirektorin der Wertpapieraufsicht zugute?

Sagen wir mal so: Ich kenne die Sicht der Institute auf die BaFin, ich weiß, welche Reaktionen ein Auskunftsersuchen der BaFin in einem Unternehmen auslöst. Davon kann ich hier sicherlich profitieren. Ich habe auch einige kleine Unterschiede festgestellt, etwa was die tägliche Kommunikation angeht – in der Privatwirtschaft wird mehr auf Besprechungen gesetzt, hier schreibt man eher. Im Großen und Ganzen ist die tägliche Arbeit hier aber mit meiner bisherigen Tätigkeit vergleichbar: Es geht darum, Sachverhalte zu erfassen, zu bewerten, abzuwägen, Entscheidungen zu treffen und diese umzusetzen.

Hat Ihnen Ihr Vorgänger Karl-Burkhard Caspari Tipps mit auf den Weg gegeben?

Nein. Er hat mir einfach mitgegeben, dass ich meinen eigenen Weg finden soll – das hatte er ja in seinem Abschiedsinterview schon angekündigt. Was mir aber sehr großen Respekt abnötigt, ist Herrn Casparis immenses Wissen, das er sich über Jahrzehnte aufgebaut hat. Er hat sich intensiv mit allen Aspekten der Wertpapieraufsicht auseinandergesetzt, kennt selbst sehr spezielle Themen bis ins Detail. So weit bin ich sicherlich noch nicht. Ich bin darum dankbar, mich hier auf so viele erfahrene und kompetente Kollegen stützen zu können.

Gibt es Dinge, die Sie grundlegend anders machen werden als Herr Caspari?

Es mag sein, dass meine Arbeitsweise eine etwas andere ist. Jedenfalls hat sich die Einrichtung des Büros verändert. Ich bin seit langem dafür bekannt, dass ich es schätze, wenn bei Besprechungen alle gleich die Ergebnisse sehen können. Darum habe ich das Büro so ausgerüstet, dass man den Inhalt meines Bildschirms auf der gegenüberliegenden Wand sehen kann und alle Kollegen mitlesen und mitdiskutieren können. Zudem bekomme ich einen großen Besprechungstisch.

Zur Person

Elisabeth Roegele ist seit Anfang Mai Exekutivdirektorin der Wertpapieraufsicht. Für sie ist es bereits die zweite Tätigkeit bei der BaFin: Von 2004 bis 2006 leitete sie das damalige Referat für Ad-hoc-Publizität in Frankfurt am Main. Zwischen Dezember 2006 und April 2015 war sie Chefsyndikus und Leiterin des Zentralbereichs Recht und Produktsteuern der DekaBank Deutsche Girozentrale.

Vor ihrer Zeit bei der BaFin war Roegele unter anderem Vorstandsmitglied der Börse Stuttgart und dort zuständig für Marktregulierung, Informationstechnologie, Personal und die Entwicklung des Derivatehandels. Zuvor war sie in der Rechtsabteilung der Bausparkasse Schwäbisch Hall und als Referentin bei der Börsenaufsichtsbehörde des Hessischen Wirtschaftsministeriums tätig.

Die 47-Jährige Juristin hat einen Master of European and International Business Law der Universität St. Gallen, Schweiz. Zudem legte sie an der Frankfurter Wertpapierbörse die Prüfung zur Börsenhändlerin ab.

Roegele ist als Exekutivdirektorin der BaFin Mitglied des Boards of Supervisors der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA (European Securities and Markets Authority) und der Internationalen Organisation der Wertpapieraufsichtsbehörden IOSCO (Internation Organization of Securities Commissions).

Hinweis

Der Beitrag gibt den Sachstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung im BaFinJournal wieder und wird nicht nachträglich aktualisiert. Bitte beachten Sie die Allgemeinen Nutzungsbedingungen.

Zusatzinformationen

Fanden Sie den Beitrag hilfreich?

Wir freuen uns über Ihr Feedback

Es hilft uns, die Webseite kontinuierlich zu verbessern und aktuell zu halten. Bei Fragen, für deren Beantwortung wir Sie kontaktieren sollen, nutzen Sie bitte unser Kontaktformular. Hinweise auf tatsächliche oder mögliche Verstöße gegen aufsichtsrechtliche Vorschriften richten Sie bitte an unsere Hinweisgeberstelle.

Wir freuen uns über Ihr Feedback