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Erscheinung:15.06.2016 | Thema Großkredite Wohnimmobilienkredite: Diskussion um die Vorfälligkeitsentschädigung

In der Diskussion um die Umsetzung der EU-Wohnimmobilienkreditrichtlinie kritisierten Medien wiederholt, dass die Bundesregierung die Höhe von Vorfälligkeitsentschädigungen bei vorzeitiger Rückzahlung von festverzinslichen Immobilienkrediten weder begrenze noch das Berechnungsverfahren so regele, dass ein Kreditinstitut maximal Ersatz für den tatsächlich entstandenen Schaden verlangen kann.

Eine gesetzlich vorgeschriebene Begrenzung der Vorfälligkeitsentschädigung würde aber die Kredite mit Festzinssatz generell verteuern. Die Interessen der Kreditnehmer blieben hingegen gewahrt, wenn nur diejenigen, die eine Begrenzung wollen, dies mit ihrer Bank vereinbaren und dafür einen höheren Zins zahlen. Was den zweiten Kritikpunkt betrifft, so geben Gesetz und Rechtsprechung schon jetzt vor, dass Kreditinstitute nicht mehr verlangen dürfen als den Schaden, der ihnen durch die vorzeitige Rückzahlung entsteht. Hier liegt der Teufel im Detail, nämlich in der genauen Ermittlung dieses Schadens. Der vorliegende Beitrag erläutert die Zusammenhänge.

Vorfälligkeitsentschädigung
Wenn grundpfandrechtlich besicherte Kredite mit festem Zins vor Ende der Zinsfestschreibungsfrist zurückgezahlt werden, muss der Kreditgeber den zurückfließenden Betrag neu anlegen. Dies kann er bei der derzeitigen Situation am Kapitalmarkt oft nur zu einem niedrigeren Zins als dem Vertragszins tun. Dafür verlangt er in der Regel vom Kreditnehmer einen Ausgleich, die Vorfälligkeitsentschädigung.

Überhöhte Forderungen und mangelhafte Informationen

Die vorzeitige Rückzahlung festverzinslicher Immobilienkredite hat seit Beginn der 1990er Jahre an Bedeutung gewonnen. Wurden Kredite bis dahin meist aufgrund des Verkaufs des finanzierten Objekts vorzeitig zurückgezahlt, gab es nun angesichts der stärker schwankenden Zinsen immer wieder Situationen, in denen Umschuldungen attraktiv erschienen. Manche Kreditinstitute lehnten eine vorzeitige Rückzahlung strikt ab, andere ließen sie gegen Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung zu. Die Berechnung dieser Entschädigung führte zu zahlreichen Beschwerden beim Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen (BAKred), einer der Vorgängerbehörden der BaFin.

Obwohl die Kreditinstitute selbst die Belastung häufig als Schadensersatz und nicht als Vorfälligkeitsentgelt bezeichneten, überstiegen einige Forderungen offensichtlich und deutlich den Schaden der jeweiligen Bank. So war in einem Fall die Vorfälligkeitsentschädigung für die gesamte Restlaufzeit auf den Saldo am Ablösungstag berechnet worden, obwohl die durchschnittliche Inanspruchnahme des Kredits in dieser Zeit nur etwa halb so hoch war. Es gab sogar einen Fall, in dem eine Vorfälligkeitsentschädigung verlangt wurde, obwohl die Bank den zurückfließenden Betrag zu einem höheren Zinssatz hätte anlegen können als dem Darlehenszins. Vielfach wurden die errechneten Zinsausfälle nicht auf den Ablösungszeitpunkt abgezinst. Das BAKred teilte den Kreditinstituten seine Bedenken gegen die nicht sachgerechten Berechnungen mit, die ihre Forderungen daraufhin auf eine realistische Größe korrigierten. Darüber hinaus beschwerten sich Kreditnehmer darüber, dass ihr Institut sie über die Belastung, die sie zu erwarten hätten, falsch informiert oder ihnen die Berechnung der Entschädigung nicht offengelegt habe.

Das BAKred trug seine Bedenken gegen die Verhaltensweisen der Institute dem Zentralen Kreditausschuss (ZKA) vor, der Interessenvertretung der Spitzenverbände der deutschen Banken (heute: Die Deutsche Kreditwirtschaft1). Der ZKA stimmte der Einschätzung des BAKred zur Erhebung von Vorfälligkeitsentschädigungen grundsätzlich zu. Er erklärte aber, dass es sich bei der Vereinbarung über die vorzeitige Rückzahlung um einen Aufhebungsvertrag handele und von einem Kaufmann nicht erwartet werden könne, dass er seine Preiskalkulation offenlege. Eine Erläuterung helfe aber, Misstrauen und Unmut der Kunden zu verringern.

Rechtsprechung

Nachdem Kreditnehmer gegen die Verhaltensweisen geklagt hatten, legte der Bundesgerichtshof (BGH) im Juli 1997 schließlich die wesentlichen Grundsätze zur Berechnung einer Vorfälligkeitsentschädigung fest (Az. XI ZR 267/96). Er entschied, dass der Kreditgeber einer vorzeitigen Rückzahlung gegen Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung zustimmen müsse, wenn der Kreditnehmer das Bedürfnis habe, das beliehene Objekt anderweitig zu verwerten. Die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung sei so zu bemessen, dass der Darlehensgeber durch die Kreditablösung im Ergebnis finanziell weder benachteiligt noch begünstigt werde.

Für die Berechnung des Zinsausfalls und damit der Vorfälligkeitsentschädigung solle ein Kapitalmarktzins als Wiederanlagezins herangezogen werden. Die Zinsausfälle seien auf den Zeitpunkt der vorzeitigen Rückzahlung abzuzinsen. Die Wiederanlage könne weniger riskant sein und weniger Verwaltungsaufwand erfordern; ersparte Risiko- und Verwaltungskosten seien zu berücksichtigen. Daneben könne die Bank für den Verwaltungsaufwand, der durch die Ablösung entstehe, ein angemessenes Entgelt verlangen.

In weiteren Urteilen hat der BGH die Anforderungen an die Berechnung – insbesondere an den Ansatz des Wiederanlagezinses – konkretisiert, so am 7. November 2000 (Az. XI ZR 27/00) und am 30. November 2004 (Az. XI ZR 285/03). Zuletzt führte er im Januar 2016 in einem Urteil (Az. XI ZR 388/14) aus, dass der Kreditgeber vertraglich eingeräumte Sondertilgungsrechte bei der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung berücksichtigen muss.

Gesetzliche Vorschriften

Die BGH-Rechtsprechung zur Kündigung von Immobilienkrediten und zur Berechnung von Vorfälligkeitsentschädigungen ist seit 2002 im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB ) verankert: Nach § 490 Absatz 2 BGB kann ein Darlehensnehmer einen Darlehensvertrag mit einer Festzinsvereinbarung und einer grundbuchrechtlichen Sicherung unter Einhaltung der in § 488 Absatz 3 Satz 2 BGB vorgeschriebenen Fristen vorzeitig kündigen, wenn seine berechtigten Interessen dies gebieten. Ein solches Interesse liegt insbesondere vor, wenn

  • der Darlehensnehmer das Bedürfnis hat, das Objekt, das zur Sicherung des Darlehens eingesetzt wurde, anderweitig zu verwerten, oder
  • das Kreditinstitut nicht bereit ist, einer vom Darlehensnehmer beantragten Darlehenserhöhung zuzustimmen und sich ein anderes Kreditinstitut hierzu bereit erklärt hat.

Der Darlehensnehmer hat dem Darlehensgeber jedoch den Schaden zu ersetzen, der diesem aus der vorzeitigen Kündigung entsteht, ihm also eine Vorfälligkeitsentschädigung zu zahlen.

Liegen die Voraussetzungen für eine außerordentliche Darlehenskündigung nicht vor, so ist keine Vorfälligkeitsentschädigung fällig, sondern ein Vorfälligkeitsentgelt. Kreditgeber und -nehmer können es frei vereinbaren. Allerdings sitzt der Kreditgeber, der die vorzeitige Rückzahlung auch verweigern kann, am längeren Hebel. Gleichwohl verlangen die Institute in vielen Fällen keinen höheren Betrag als den einer Vorfälligkeitsentschädigung.

Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung

In die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung sind nach der Rechtsprechung des BGH zahlreiche Komponenten einzubeziehen. Ein vereinfachtes Beispiel, das hiervon nur die Zinsdifferenz und die Abzinsung der Zinsausfälle einbezieht, ist unten dargestellt. Bei längeren Restlaufzeiten, höheren Darlehensbeträgen und Zinsdifferenzen können Vorfälligkeitsentschädigungen aber noch weit höher ausfallen.

Beispiel: Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung (vereinfacht)
Restdarlehenssumme:100.000 Euro
Restlaufzeit des Darlehens: 3 Jahre
Zinssatz des Darlehens: 5 Prozent
Wiederanlagezinssatz am Markt: 2 Prozent
Zinsdifferenz (Zinssatz minus Wiederanlagezinssatz): 3 Prozent
jährlicher Zinsverlust für die Bank (in Abhängigkeit von Zinsdifferenz und Restdarlehenssumme): 3.000 Euro
Zinsdivisor (in Abhängigkeit vom Wiederanlagezins): 1,02
1. Jahr: 3.000 / 1,02 = 2.941,18 Euro
2. Jahr: 3.000 / 1,02² = 2.883,51 Euro
3. Jahr: 3.000 / 1,02³ = 2.826,97 Euro
Gesamtschaden (Vorfälligkeitsentschädigung): 8.651,66 Euro

Trotz der gesetzlichen Vorschriften und der Vorgaben des BGH zur Berechnung der Entschädigung kann die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung jedoch strittig sein. Die ersparten Risiko- und Verwaltungskosten und die Verwaltungskosten, die durch die vorzeitige Rückzahlung anfallen, lassen sich häufig nicht eindeutig klären. Die „richtige“ Vorfälligkeitsentschädigung gibt es daher nicht.

Es wäre somit durchaus sinnvoll, anhand geeigneter Fälle eine öffentliche Diskussion darüber zu führen, wie dieses Problem zu lösen ist. Wenn die Gründe sichtbar werden, aus denen Berechnungen als fehlerhaft angesehen werden, würde dies eine Grauzone aufhellen, und die Wahrscheinlichkeit von Fehlern ließe sich verringern.

Informationspflichten des Kreditinstituts

Der Kreditnehmer will natürlich schon vor der Ablösung seines Kredits wissen, wie hoch die Vorfälligkeitsentschädigung sein wird. Eine verbindliche Aussage dazu ist jedoch erst möglich, wenn der Rückzahlungszeitpunkt feststeht, da sich zwischen Anfrage und Rückzahlungszeitpunkt das Zinsniveau und damit auch der Wiederanlagezins sowie die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung deutlich ändern können. Manche in den Medien dargestellte Abweichungen zwischen einem vorab genannten und dem tatsächlich anfallenden Betrag mögen gravierend erscheinen, sind jedoch kein Anlass zur Kritik, solange der Kreditgeber beide Beträge sachgerecht ermittelt und die erste Berechnung ausdrücklich als vorläufig bezeichnet hat.

Wie sieht es nach der Rückzahlung aus? Eine detaillierte Abrechnung zu verlangen, wäre überzogen. Sie ist so komplex, dass selbst viele Personen, die mit der Zinsrechnung vertraut sind, sie nicht prüfen könnten. Es sollte aber aus der Abrechnung ersichtlich sein, dass sich das Institut an die Anforderungen des BGH gehalten hat. Größen wie ersparte Kosten können umstritten, müssen aber korrekt ausgewiesen sein, damit ein Streit hierüber überhaupt möglich ist. Verbraucher, die sich mit ihrer Bank nicht einig werden, können sich an Verbraucherorganisationen, Schlichtungsstellen, an die Gerichte und in bestimmten Fällen mit einer Beschwerde an die BaFin wenden.

Begrenzung der Vorfälligkeitsentschädigung

Vorfälligkeitsentschädigungen sind sowohl absolut als auch im Verhältnis zur Kreditsumme sehr hoch und können – wenn man die zugrundeliegenden Daten nicht kennt oder sie nicht bewerten kann – unangemessen erscheinen. Daher ist der Ruf nach einer Begrenzung der Vorfälligkeitsentschädigung laut geworden. In anderen Ländern gibt es diese.

Was ist davon zu halten? Die Begrenzung der Vorfälligkeitsentschädigung würde das Risiko der Kreditinstitute erhöhen, den planmäßigen Zinsertrag nicht zu erhalten. Dieses Risiko können sie sich von den Kreditnehmern bezahlen lassen. Eine Pflicht zur Begrenzung würde also die planmäßige Rückzahlung verteuern, die ja immer noch die Regel ist und es auch bleiben wird. Insofern würden durch eine Begrenzung der Vorfälligkeitsentschädigung die vertragstreuen Kreditnehmer ungerechtfertigt belastet.

Eine Lösung wäre, dass Kreditinstitute beide Varianten anbieten: sowohl Festzinskredite, bei denen bei vorzeitiger Rückzahlung die vollständige Vorfälligkeitsentschädigung zu zahlen ist, als auch solche mit verminderter Vorfälligkeitsentschädigung für diejenigen, die die finanziellen Konsequenzen einer vorzeitigen Rückzahlung vermindern wollen. Auf diese Weise hätten die Kreditnehmer die Wahl.

Hinweis

Der Beitrag gibt den Sachstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung im BaFinJournal wieder und wird nicht nachträglich aktualisiert. Bitte beachten Sie die Allgemeinen Nutzungsbedingungen.

Fußnote:

  1. 1 Der Schriftwechsel findet sich in Consbruch-Fischer, KWG (66.19/66.20/66.22).
Autor: Wilfried Rink, Holger Fangmann, BaFin

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