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Erscheinung:08.06.2009 | Geschäftszeichen BA 32-FR 2670-2008/0001 | Thema Eigenmittel Beleihungswertermittlung bei Erbbaurechten

Rundschreiben 13/2009 (BA) - Beleihungswertermittlung bei Erbbaurechten

Die Beleihungswertermittlung bei Erbbaurechten ist in der Beleihungswertermittlungsverordnung (BelWertV) nur in allgemeiner Form geregelt (§ 21 BelWertV). Dort wird vorgeschrieben, dass die Restlaufzeit des Erbbaurechts zu berücksichtigen ist und sich aus dem Erbbaurecht ergebenden Einschränkungen durch angemessene Wertabschläge ausreichend Rechnung zu tragen ist.

Bei der Auslegung dieser Vorschrift hat sich jedoch eine Reihe von Zweifelsfragen ergeben, die ich im Folgenden beantworten möchte. Außerdem habe ich festgestellt, dass bei den verschiedenen im Rahmen der Erbbaurechtsbewertung vorzunehmenden Abschlägen mit unterschiedlichen Zinssätzen gearbeitet wird, was zu nicht vergleichbaren Ergebnissen führt.

I. Kapitalisierungszinssatz für Erbbauzinsreallasten

  1. Wenn für die Bestellung eines Erbbaurechts ein Entgelt in wiederkehrenden Leistungen vereinbart worden ist, spricht man von einem Erbbauzins (siehe die Legaldefinition in § 9 Abs. 1 ErbbauRG). Der Erbbauzins hat nach § 9 Abs. 1 ErbbauRG die Rechtsnatur einer Reallast im Sinne der §§ 1105 ff. BGB, es sei denn die Parteien wollten nur einen schuldrechtlichen Erbbauzins vereinbaren.

    Da der dingliche Erbbauzins demnach nicht Inhalt des Erbbaurechts ist, ist er, wenn er dem auf dem Erbbaurecht lastenden Grundpfandrecht im Range vorgeht, in kapitalisierter Form als Vorlast von der Beleihungsgrenze in Abzug zu bringen; dingliche Vorlasten werden allgemein von der Beleihungsgrenze abgezogen.
  2. Anders ist die Sachlage, wenn eine dingliche Bestehenbleibenvereinbarung im Sinne des § 9 Abs. 3 Nr. 1 ErbbauRG besteht, der Erbbauzins also auch nach einer Zwangsversteigerung des Erbbaurechts bestehen bleibt und demzufolge vom Erwerber weiterhin gezahlt werden muss. In diesem Fall muss er kapitalisiert als Wertminderung von dem Wert des erbbauzinsfreien Erbbaurechts abgezogen werden, und zwar unabhängig davon, ob der Erbbauzins gegenüber dem Grundpfandrecht im Vorrang oder Nachrang steht. Dies ergibt sich daraus, dass bei einer Zwangsversteigerung des Erbbaurechts aller Voraussicht nach nur ein Erlös erzielt wird, der dem Wert des Erbbaurechts abzüglich des kapitalisierten Wertes des weiter zu zahlenden Erbbauzinses entspricht. Dasselbe gilt, wenn nur eine schuldrechtliche Vereinbarung über das Bestehenbleiben des vorrangigen Erbbauzinses (sog. Stillhalteerklärung) getroffen wurde und der Erbbaurechtsausgeber eine juristische Person des öffentlichen Rechts (staatlich oder öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaft) ist. Es ist dann nämlich nicht damit zu rechnen, dass der Grundstückseigentümer den Erbbauzins in der Zwangsversteigerung anmelden wird; dementsprechend würde der Erbbauzins in einer Zwangsversteigerung nicht erlöschen, sondern wäre deshalb weiterhin zu zahlen.

    Ist die Erbbauzinsreallast gegenüber dem Grundpfandrecht im Nachrang und nicht versteigerungsfest, hat die Pfandbriefbank sich aber verpflichtet, in einer Zwangsversteigerung des Erbbaurechts für ein Bestehenbleiben des Erbbauzinses zu sorgen (sog. Stillhalteerklärung des Kreditinstituts), so muss der kapitalisierte Erbbauzins ebenfalls als Wertminderung berücksichtigt werden.
  3. Es sei darauf hingewiesen, dass die beiden genannten Abzugsmethoden (Abzug des kapitalisierten Erbbauzinses als Vorlast von der Beleihungsgrenze einerseits und Abzug von dem Wert des erbbauzinsfreien Erbbaurechts andererseits) zu unterschiedlichen Deckungsbeträgen führen; die beiden Fallgestaltungen können daher nicht gleich behandelt werden. Beträgt der Beleihungswert für das erbbauzinsfreie Erbbaurecht z. B. 250.000 € und beläuft sich der kapitalisierte Erbbauzins auf 100.000 €, so errechnet sich bei einer Berücksichtigung als Vorlast im Rahmen der Beleihungsgrenze ein deckungsfähiger Betrag in Höhe von 0,6 x 250.000 € minus 100.000 € = 50.000 €. Ist der kapitalisierte Erbbauzins als Wertminderung von dem Beleihungswert des erbbauzinsfreien Erbbaurechts abzuziehen, so errechnet sich ein Beleihungswert des Erbbaurechts von 150.000 €; hiervon können 60 %, also 90.000 €, in die Pfandbriefdeckung eingestellt werden.
  4. In den genannten Fällen stellt sich regelmäßig die Frage nach der Höhe des Zinssatzes für die Ermittlung des Barwertes des Erbbauzinses.

    Der Erbbauzins stellt als Reallast einen regelmäßigen Kapitalfluss dar, dessen Barwert weitgehend unabhängig ist von der Nutzung des Grundstücks, auf welches sich die Last bezieht. Somit kann der Zinssatz zur Ermittlung des Barwerts des Erbbauzinses regelmäßig nicht gleichgesetzt werden mit dem Kapitalisierungszinssatz für die Ertragswertermittlung nach § 12 BelWertV. Ansonsten würde sich bei gleichem Erbbauzins und gleichem (erbbauzinsfreien) Beleihungswert für ein höher kapitalisiertes, also risikoreicheres Objekt im Vergleich zu einem niedriger kapitalisierten eine geringere Vorlast oder ein geringerer Abzug vom Beleihungswert und somit ein höherer deckungsfähiger Betrag ergeben, was nicht sachgerecht wäre.

    Für die Ermittlung des Barwertes des Erbbauzinses sehe ich unter Würdigung der Praxis in der Zwangsversteigerung und des Zinsniveaus für langfristige Anlagen die Festlegung des Maximalzinssatzes von 5 % für sachlich geboten an.

    Ich weise darauf hin, dass der Zinssatz für die Kapitalisierung des Erbbauzinses nach § 5 Abs. 3 BelWertV nachvollziehbar darzulegen und zu begründen ist, wobei auch darauf einzugehen ist, wie Erwartungen an mögliche Erbbauzinsänderungen, etwa durch Indexregelungen, hierbei berücksichtigt wurden.

    Bei dem Zinssatz handelt es sich um einen Maximalzinssatz, der erforderlichenfalls, auch aufgrund anderer als bereits aufgezeigter Aspekte, niedriger anzusetzen ist.

II. Anwendung des sogenannten Münchner Verfahrens für die Beleihungswertermittlung von Erbbaurechten nach § 21 BelWertV

  1. In der Praxis hat sich für die Beleihungswertermittlung von Erbbaurechten weitgehend das sogenannte Münchner Verfahren, welches auf eine Ausarbeitung von Werth zurückgeht, etabliert (vgl. Werth, A., Verkaufswertermittlung nach § 21 ErbbauVO: Was ist heute möglich?, in: Der langfristige Kredit, 1989, Seiten 68 ff.). Das Münchner Verfahren beruht auf der Erkenntnis, dass - anders als damals üblich - der Bodenwert bei der Beleihungswertermittlung mitberücksichtigt werden sollte, weil dem Erbbauberechtigten auch das Grundstück während der Laufzeit des Erbbaurechts unter Ausschluss des Eigentümers zur Nutzung zur Verfügung steht.

    Auszugehen ist danach von einem Beleihungswert, der sich für das Volleigentum ergeben würde. Für die aus dem Erbbaurechtsvertrag herrührenden Einschränkungen sind allerdings mehrere Abschläge vorzusehen, und zwar:

    Abschlag 1 für den Wegfall des Bodennutzungsrechts bei Ablauf des Erbbaurechts:
    Über die Restlaufzeit des Erbbaurechts, d.h. vom Zeitpunkt des Ablaufs des Erbbaurechts auf den Wertermittlungsstichtag abgezinster Bodenwert.

    Abschlag 2 für den Wegfall der Nutzung des Gebäudes bei Zeitablauf des Erbbaurechts für den Fall, dass die Gebäudenutzungsdauer die Laufzeit des Erbbaurechts übersteigt:
    Über die Restlaufzeit des Erbbaurechts abgezinster Gebäudewert.

    Abschlag 3 für „Allgemeine Nachteile aus dem Erbbaurecht“:
    als prozentualer Abschlag vom Beleihungswert für das Volleigentum.

    Das Ergebnis ist der Beleihungswert für das Erbbaurecht ohne die Berücksichtigung des Erbbauzinses.

    Gegen die Anwendung dieses Verfahrens bestehen keine Einwendungen, wenn die genannten Abschläge vorgenommen werden und die nachstehend erläuterten Mindestabschläge bzw. Höchstkapitalisierungszinssätze verwendet werden. Es ist allerdings nicht ausgeschlossen, dass auch andere Bewertungsverfahren zu einem sachgerecht ermittelten Beleihungswert führen können.

  2. a) Für den Abschlag zur Berücksichtigung der endlichen Bodennutzung (Abschlag 1) darf der Diskontierungszinssatz für die Abzinsung des Bodenwertes bei Objekten, deren Beleihungswert am Ertragswert orientiert wird, den Kapitalisierungszinssatz nach § 12 Abs. 4 BelWertV nicht überschreiten.

    Bei Objekten, deren Beleihungswert am Sachwert orientiert wird, ist dies grundsätzlich der Liegenschaftszinssatz nach § 11 Wertermittlungsverordnung (WertV). Falls ein anderer Zinssatz herangezogen werden sollte, ist dieser nach
    § 5 Abs. 3 BelWertV nachvollziehbar darzulegen und zu begründen.

    b) Ebenso ist bei der Diskontierung für den Abschlag für den Nutzungswegfall des Gebäudes bei Ablauf des Erbbaurechts (Abschlag 2) zu verfahren. Auf diesen Abschlag kann nur bis zu dem Betrag, zu dem der Erbbauberechtigte einen Anspruch auf Leistung einer Gebäudeentschädigung mit dinglichem Charakter im Sinne des § 27 ErbbauRG hat, verzichtet werden.

    c) Der in der Regel betragsmäßig wesentlich höhere Abschlag für „Allgemeine Nachteile aus dem Erbbaurecht“ (Abschlag 3) ist nach § 5 Abs. 3 BelWertV hinsichtlich der angesetzten Höhe nachvollziehbar darzulegen und zu begründen. Dies bedeutet, dass dabei unter Berücksichtigung des Kriteriums der Nachhaltigkeit auf aus dem Markt abgeleitete Daten zurückgegriffen werden muss. Falls in Ermangelung aussagekräftiger auf Basis empirischer Untersuchungen nachvollziehbar dargelegte und begründete Daten nicht verfügbar sein sollten, sind Mindestabschläge erforderlich. In Abhängigkeit von der Objektart sollten diese in einer Größenordnung von 10 % bis 50 % des Bodenwertes beziehungsweise 5 % bis 15 % des Beleihungswertes des Volleigentums liegen (so Werth, ebenda, S. 72).
  3. Dieses Münchner Verfahren kann für inländische Erbbaurechte im Sinne des Erbbaurechtsgesetzes verwendet werden. Ob und inwieweit dieses Verfahren auch auf ausländische grundstücksgleiche Rechte angewendet werden kann, bleibt einer Einzelfallentscheidung vorbehalten. Wird dieses Verfahren verwendet, ist dies im Gutachten nachvollziehbar darzulegen und zu begründen.

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