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Erscheinung:07.09.2010 | Geschäftszeichen VA 21-I 4209-2010/0002 | Thema Verbraucherschutz Rundschreiben 8/2010 (VA) - Hinweise zu Lebensversicherungen gegen Einmalbeitrag und zu Kapitalisierungsgeschäften

Rundschreiben 8/2010 (VA)

A. Vorbemerkung

An alle zum Direktversicherungsgeschäft zugelassenen Lebensversicherungsunternehmen

a) mit Sitz im Inland

b) mit Sitz außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum

c) mit Sitz in einem anderen EU/EWR-Staat, die nicht den Versicherungsrichtlinien unterfallen.

Die oben genannten LVU dürfen seit dem 28. Juli 1994 nach Maßgabe des § 1 Abs. 4 Satz 1 und 2 VAG Kapitalisierungsgeschäfte betreiben. Obwohl Kapitalisierungsgeschäfte auch Bankgeschäfte darstellen können, sind sie den Lebensversicherungsgeschäften aufsichtsrechtlich gleichgestellt, wenn sie die Voraussetzungen des § 1 Abs. 4 Satz 2 VAG erfüllen. In diesem Fall scheidet ein Verstoß gegen § 7 Abs. 2 Satz 1 VAG aus. Ferner liegt regelmäßig ein den LVU eigentümliches Geschäft im Sinne des § 2 Abs. 3 und Abs. 6 Satz 2 Kreditwesengesetz (KWG) vor.

Sowohl Kapitalisierungsprodukte als auch Versicherungen gegen Einmalbeitrag spielen seit einiger Zeit eine zunehmend größere Rolle in der Lebensversicherung und werden vermehrt in Varianten angeboten, die auch als kurzfristige Kapitalanlage dienen können.

Nachstehende Hinweise stellen die bisherige Verwaltungspraxis der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bundesanstalt) zu Versicherungen gegen Einmalbeitrag sowie zu Kapitalisierungsgeschäften dar und ergänzen die Sammelverfügung vom 07.09.2010 (Gz. VA 21-I 4209-2010/0001).

Die BaFin erwartet, dass die Hinweise zur vertraglichen Ausgestaltung, Tarifkalkulation und Überschussbeteiligung für Neuabschlüsse spätestens ab dem 01.01.2011 eingehalten werden. Hinsichtlich der Hinweise für die Überschussbeteiligung gilt dies auch für den vorhandenen Bestand, soweit dem die vertraglichen Vereinbarungen nicht entgegenstehen.

B. Hinweise zu Versicherungen gegen Einmalbeitrag

Bei Versicherungen gegen Einmalbeitrag, die aufgrund ihrer vertraglichen Ausgestaltung geeignet sind, als kurzfristige Kapitalanlage zu dienen, ist von den LVU sicherzustellen, dass eine Spekulation innerhalb des Bestands ausgeschlossen ist. Darunter ist insbesondere zu verstehen, dass es durch die gezielte Ausnutzung der Vertragsgestaltung zu Leistungen kommt, die zu einer unangemessenen Benachteiligung der übrigen Versichertengemeinschaft führen.

Um dies zu vermeiden, sollte die Vertragsgestaltung beispielsweise

  • angemessene Stornoabschläge,
  • eine gegenüber den anderen Bestandsversicherungen (zeitweise) geringere laufende Überschussbeteiligung,
  • eine auf längerfristige Bindung des Kunden an das Unternehmen ausgerichtete Gestaltung der Schlussüberschussbeteiligung, oder
  • die Festlegung von Höchstbeträgen für Einmalbeiträge (pro Versicherungsnehmer oder pro Vertrag oder pro Vertriebspartner etc.)

beinhalten.

Ferner ist bei der Kalkulation § 25 Abs. 3 Versicherungsunternehmens-Rechnungslegungsverordnung (RechVersV) zu berücksichtigen. Danach muss die Deckungsrückstellung auch ausreichen, um die künftigen Verwaltungskosten zu decken.

Der Verantwortliche Aktuar hat gemäß § 11a Abs. 3 Nr. 1 S. 2 VAG die Finanzlage des Unternehmens insbesondere daraufhin zu prüfen, ob die dauernde Erfüllbarkeit der sich aus den Versicherungsverträgen ergebenden Verpflichtungen jederzeit gewährleistet ist und diese beim Vorschlag für eine angemessene Überschussbeteiligung zu berücksichtigen. Die Bundesanstalt erwartet, dass der Verantwortliche Aktuar alle Tarife zu den zuvor genannten Produkten im Erläuterungsbericht aufführt und deren Anteil an der Deckungsrückstellung angibt. Ferner sollte jeweils über die getroffenen Vorkehrungen berichtet und auf das Stornoverhalten bei den genannten Produkten eingegangen werden.

Im Angemessenheitsbericht sollten die Überschussanteile für die genannten Produkte gesondert erläutert werden.

C. Hinweise zu Kapitalisierungsgeschäften

1. Anforderungen an das Kapitalisierungsgeschäft gemäß § 1 Abs. 4 Satz 2 VAG

1.1 Prämien

Sämtliche einmalige oder wiederkehrende Prämien sind im Voraus nach Höhe und Dauer festzulegen. Die Prämienkalkulation muss den Grundsätzen des § 11 VAG entsprechen. Insbesondere sollten in die Prämien ausreichende Kostenzuschläge eingerechnet werden; die in § 11 VAG genannten Deckungsrückstellungen umfassen auch eine Verwaltungskostenrückstellung für beitragsfreie Jahre (vgl. § 25 Abs. 3 RechVersV). Will der Kunde eine Zuzahlung leisten, die im ursprünglichen Vertrag noch nicht genau festgelegt war, muss das LVU grundsätzlich die Möglichkeit haben, dieser zu widersprechen. Derartige Zuzahlungen sollten der Höhe nach beschränkt sein. Außerdem erscheint eine Festlegung in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen notwendig, dass für Zuzahlungen die zum Zeitpunkt der Zuzahlung gültigen Rechnungsgrundlagen anzuwenden sind, wenn diese zu geringeren Leistungen führen als die ursprünglichen Rechnungsgrundlagen. Ebenfalls ist der aktuelle Höchstrechnungszinssatz gemäß § 2 Deckungsrückstellungsverordnung (DeckRV) für die Berechnung der Deckungsrückstellung zu beachten.

In Einzelfällen kann von einem Widerspruchsrecht, von der Begrenzung der Höhe der Zuzahlungen oder der Anwendung neuer Rechnungsgrundlagen abgesehen werden, sofern Kapitalisierungsprodukte angeboten werden, die nicht den Charakter eines Einlagengeschäfts aufweisen. Beispielhaft sei auf die Produkte zur Rückdeckung von Arbeitszeitkonten und Riester-Verträge mit Auszahlungsplan hingewiesen. Einlagengeschäfte stellen zumindest alle Geschäfte im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG dar.

1.2 Abhebungen und Teilkündigungen

Abhebungen und Teilkündigungen können insoweit vereinbart werden wie das LVU in der Lage ist, die Liquidität jederzeit sicherzustellen. Das bedeutet, dass eine kontinuierliche Liquiditätsplanung unter Beachtung der in Ziffer 2.3 dargelegten Grundsätze erfolgen muss.

1.3 Gegenleistung der LVU

LVU können für die vereinbarte Laufzeit einen Zins garantieren. Es kann auch eine Überschussbeteiligung unterjährig vereinbart werden. Alternativ oder zusätzlich besteht die Möglichkeit, eine Schlussüberschussbeteiligung vorzusehen. Übernommene Verpflichtungen sind gemäß § 1 Abs. 4 Satz 2 VAG nach Dauer und Höhe vom LVU festzulegen.

Ein differenziertes Zinsniveau (Rechnungszins zuzüglich Zinsüberschuss und Schlussüberschuss) – etwa für Verträge mit unterschiedlichen Vertragslaufzeiten – ist zulässig, wenn dadurch die Möglichkeit zur Spekulation gegen den übrigen Bestand im Sinne der Ziffer 2.2 vermieden wird.

Entsprechend der Verwaltungspraxis darf das Zinsniveau für Kapitalisierungsprodukte im Normalfall zu keinem Zeitpunkt das Zinsniveau der übrigen Verträge übersteigen, sofern der Vertrag nicht zu einer selbstständigen Abteilung des Sicherungsvermögens gehört. In der Regel wird das Zinsniveau der Kapitalisierungsprodukte ohne selbstständige Abteilung des Sicherungsvermögens unter dem Zinsniveau der übrigen Verträge liegen (vgl. auch Ziffer 2.2).

Die Mindestzuführungsverordnung und DeckRV gelten für die gesamte Lebensversicherung. Sie sind daher auch auf Kapitalisierungsprodukte anzuwenden.

1.4 Mathematisches Verfahren

Kapitalisierungsprodukten ist gemäß § 1 Abs. 4 Satz 2 VAG ein mathematisches Verfahren zugrunde zu legen. Der Inhalt des Verfahrens hängt maßgeblich vom jeweiligen Produkt ab. Dabei sind jedoch alle vereinbarten Prämien und Verpflichtungen nach Höhe und Zeitpunkt zu berücksichtigen.

2. Anforderungen an Eigenmittelausstattung, Sicherungsvermögen und Liquidität

2.1 Eigenmittel

Die Regelungen des § 53c VAG i.V.m. dem Rundschreiben 4/2005 (VA) sind anzuwenden. Danach müssen 4% der Deckungsrückstellung und der um die Kostenanteile verminderten Beitragsüberträge mit Eigenmitteln unterlegt werden.

2.2 Sicherungsvermögen

Die Sicherstellung ausreichender Liquidität zu unterschiedlichen Auszahlungsterminen kann zu einer Erhöhung des Anteils liquider Titel und insbesondere des Anteils von Wertpapieren mit kürzerer Laufzeit führen. Dadurch könnte sich die Rendite des Gesamtportfolios verringern, so dass der übrige Versichertenbestand künftig eine geringere Überschussbeteiligung zu erwarten hätte. Um eine solche Schlechterstellung zu vermeiden, ist für Kapitalisierungsprodukte eine selbstständige Abteilung des Sicherungsvermögens gemäß § 66 Abs. 7 VAG, wie in der Sammelverfügung vom 07.09.2010 (VA 21-I 4209-2010/0001) dargestellt, einzurichten.
Sind die Voraussetzungen für eine selbstständige Abteilung des Sicherungsvermögens danach nicht erfüllt, sind andere geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die Angemessenheit der Verzinsung für Kapitalisierungsgeschäfte sicherzustellen und eine Spekulation gegen den übrigen Bestand zu verhindern. So sollte in einer Situation, in der das Zinsniveau die momentane Kapitalmarktrendite für Neuanlagen übersteigt, dieses für Produkte, die als kurzfristige Kapitalanlage geeignet sind, auf die Rendite für Neuanlagen gesenkt werden.

Hinsichtlich der Anlagetätigkeit unterliegen LVU den Bestimmungen der Anlageverordnung. Die Kapitalanlagenstruktur in der selbstständigen Abteilung des Sicherungsvermögens „Kapitalisierungsprodukte“ sollte die Laufzeitenstruktur auf der Passivseite widerspiegeln.

2.3 Liquidität

Der Sicherstellung der Liquidität kommt bei LVU, die Kapitalisierungsgeschäfte betreiben, eine besonders hohe Bedeutung zu. Eine fortlaufende Liquiditätsplanung sollte daher sicherstellen, dass Mittelabflüsse sofort aus dem Cashflow oder aus liquidierbaren Kapitalanlagen bedient werden können.

Die Liquiditätsplanung im Bereich des Kapitalisierungsgeschäfts soll in die Finanz- und Liquiditätsplanung des Unternehmens eingebunden sein und damit den Ansprüchen nach den Rundschreiben 15/2005 (VA) und 3/2009 (VA) genügen.

Entsprechend der Sammelverfügung vom 07.09.2010 (Gz. VA 21-I 4209-2010/0001) ist eine Liquiditätskennziffer zu bilden.

Neben der Einrichtung einer kontinuierlichen Liquiditätsplanung sollten beim Betrieb von Kapitalisierungsgeschäften auch hinsichtlich der Produktgestaltung Vorkehrungen getroffen werden, die die Liquidität der LVU zu jeder Zeit sicherstellen und der spezifischen Situation des Unternehmens Rechnung tragen.

3. Allgemeine Versicherungsbedingungen und Verbraucherinformation

Zur Klarstellung wird darauf hingewiesen, dass für alle Produkte § 10 VAG gilt. Des Weiteren gelten die allgemeinen Verbraucherschutzvorschriften im Versicherungsvertragsrecht für Kapitalisierungsgeschäfte, denen ein Vertrag nach § 1 VVG zugrunde liegt. Dies betrifft insbesondere die Bestimmungen über die Angaben in Allgemeinen Versicherungsbedingungen und die Vorschriften über die Informationspflichten (§ 7 Versicherungsvertragsgesetz i.V.m. der VVG-Informationspflichtenverordnung (VVG-InfoV)). Für die übrigen Kapitalisierungsgeschäfte gelten die Vorschriften zumindest sinngemäß.

Dementsprechend sind § 1 Abs. 1 Nr. 8 und § 2 Abs. 1 Nr. 2 VVG-InfoV zu beachten und die Versicherungsnehmer bereits bei Vertragsabschluss über mögliche Kostenabzüge zu informieren, auch soweit diese erst während der Vertragslaufzeit anfallen.

D. Bisherige Veröffentlichungen

Die Veröffentlichung des Bundesaufsichtsamts für das Versicherungswesen im Geschäftsbericht 1996, Teil A, Seite 42, die Verlautbarung zur Zulässigkeit von Kapitalisierungsgeschäften (VA) vom 04.10.2005 und die Auslegungsentscheidung zur Zinsüberschussbeteiligung bei Kapitalisierungsprodukten vom 27.06.2007 werden gegenstandslos.

Zusatzinformationen

Sammelverfügung zu Kapitalisierungsgeschäften

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