BaFin - Navigation & Service

Thema Informationspflichten für Emittenten Mitteilungspflicht für Stimmrechte aus Aktien bei bereits börsennotierten Emittenten (§ 33 Abs. 1 WpHG)

Beitrag aus dem Emittentenleitfaden der BaFin

Berührt, d.h. erreicht, überschreitet oder unterschreitet, der Anteil an Stimmrechten einer natürlichen oder juristischen Person bestimmte Schwellenwerte an einem Emittenten, für den die Bundesrepublik Deutschland der Herkunftsstaat ist, so muss sie dies unverzüglich, spätestens innerhalb von vier Handelstagen, sowohl dem Emittenten als auch der Bundesanstalt mitteilen (§ 33 Abs. 1 Satz 1 WpHG).

Schwellenwerte

Nach § 33 Abs. 1 Satz 1 WpHG liegen die relevanten Schwellenwerte bei 3, 5, 10, 15, 20, 25, 30, 50 und 75 Prozent.

Die Schwellenwerte beziehen sich auf Stimmrechte - und nicht etwa auf Aktien - an Emittenten, für die die Bundesrepublik Deutschland der Herkunftsstaat ist. Die Stimmrechtsanteile entsprechen in der Regel zwar den Kapitalanteilen an einer Gesellschaft, da jede Aktie das gleiche Stimmrecht gewährt (§ 12 Abs. 1 Aktiengesetz [AktG]). Unternehmen können aber auch Vorzugsaktien begeben, die in der Regel stimmrechtlos sind. Das Stimmrecht kann unter bestimmten Voraussetzungen (§§ 140 Abs. 2, 141 Abs. 4 AktG) jedoch wieder aufleben mit der Folge, dass die Vorzugsaktien dann wie die stimmberechtigten Stammaktien zu behandeln sind.

Sofern jemandem Stimmrechte aus direkt gehaltenen Aktien zustehen und ihm weitere Stimmrechte nach § 34 WpHG zugerechnet (vgl. I.2.5) werden, ist für eine mitteilungspflichtige Schwellenberührung ausschließlich die Summe der direkt gehaltenen und der zugerechneten Stimmrechte maßgeblich. Überschreitet der Meldepflichtige zum Beispiel lediglich mit seinem Stimmrechtsanteil aus direkt gehaltenen Aktien einen Schwellenwert, nicht aber mit seinem gesamten Stimmrechtsanteil (Summe der Stimmrechte aus direkt gehaltenen Aktien und zugerechneten Stimmrechten), so besteht keine erneute Mitteilungspflicht.

Beispiel
Jemand hält 2 % Aktien direkt, 4 % Stimmrechte werden ihm auf Grund einer Vollmacht zugerechnet. Sein gesamter Stimmrechtsanteil beträgt 6 %. Diesbezüglich hat er eine ordnungsgemäße Stimmrechtsmitteilung abgegeben. Erwirbt er nun weitere 2,5 % Aktien hinzu, steigt sein gesamter Stimmrechtsanteil von 6 % auf 8,5 %. Da die Person keine weitere Schwelle überschreitet, löst dieser Vorgang keine erneute Mitteilungspflicht aus.

Ebenfalls keine Mitteilungspflicht besteht, wenn ein Wechsel von Stimmrechten aus direkt gehaltenen Aktien auf zugerechnete Stimmrechte stattfindet. Gleiches gilt für den umgekehrten Fall.

Berechnung des Stimmrechtsanteils

Der Stimmrechtsanteil berechnet sich nach dem Verhältnis der Zahl eigener Stimmrechte (Zähler) zur Gesamtzahl der vom Emittenten insgesamt ausgegebenen Stimmrechte (Nenner).

Für die Zahl der dem Meldepflichtigen zustehenden Stimmrechte (Zähler) ist es unerheblich, ob die Stimmrechte ausgeübt werden können oder nicht (abstrakte Betrachtungsweise). Daher hat der Meldepflichtige z.B. auch auf Grund von § 44 WpHG nicht ausübbare Stimmrechte mitzuzählen.

Gesamtzahl der Stimmrechte des Emittenten

Nach § 12 Abs. 3 WpAV ist vom Meldepflichtigen für die Zwecke der Berechnung des Stimmrechtsanteils die letzte Veröffentlichung nach § 41 WpHG zugrunde zu legen.

Nach § 41 Abs. 1 WpHG hat der Emittent die Änderung der Gesamtstimmrechtszahl unverzüglich, spätestens innerhalb von zwei Handelstagen, einschließlich der konkreten Datumsangabe, wann es zu der Änderung gekommen ist, zu veröffentlichen, so dass dem Meldepflichtigen die Verwendung der neuesten Gesamtzahl der Stimmrechte möglich ist. Eine Ausnahme gilt nach § 41 Abs. 2 WpHG bei der Ausgabe von Bezugsaktien. In diesem Fall genügt eine Veröffentlichung der Änderung der Gesamtstimmrechtszahl weiterhin zum Ende des Kalendermonats; das Datum der einzelnen Änderungen ist in diesem Fall nicht anzugeben.1

Nach § 12 Abs. 3 WpAV kann die letzte Veröffentlichung nach § 41 WpHG somit zwar als Grundlage für die Gesamtzahl der Stimmrechte dienen. Verfügt der Meldepflichtige jedoch über Kenntnisse, dass die zuletzt veröffentlichte Gesamtzahl nicht richtig ist, so ist für die Berechnung des Stimmrechtsanteils auf das tatsächliche, aktienrechtliche Grundkapital abzustellen. Das Gleiche gilt, wenn der Meldepflichtige hiervon Kenntnis haben musste. Die Zugrundelegung der zutreffenden tatsächlichen Stimmrechtsanzahl ist für den Meldepflichtigen immer möglich und rechtlich zulässig.

Eigene Aktien des Emittenten

Für eigene Aktien des Emittenten, aus denen der Emittent keine Stimmrechte ausüben darf (§ 71b AktG), gelten die folgenden Besonderheiten: Eigene Aktien des Emittenten sind bei der Gesamtzahl der ausgegebenen Stimmrechte (Nenner) zu berücksichtigen. Erst wenn eigene Aktien eingezogen werden und das Kapital herabgesetzt wird, reduziert sich die Gesamtzahl der Stimmrechte.

Erwirbt der Emittent selbst oder sein Tochterunternehmen oder ein für Rechnung des Emittenten handelnder Dritter eigene Aktien, so entsteht keine Mitteilungspflicht nach § 33 Abs. 1 WpHG. Das Gesetz sieht für diese Fälle stattdessen eine Veröffentlichungspflicht nach § 40 Abs. 1 Satz 2 WpHG vor.

Eigene Aktien des Emittenten bleiben außerdem beim Stimmrechtsanteil des Mutterunternehmens (d.h. bei der Zurechnung von Stimmrechten gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG) unberücksichtigt.2

Schwellenberührung durch Erwerb oder Veräußerung; „Gehören“ im Sinne des § 33 Abs. 3 WpHG

Rechtslage bis 26. November 2015

Bis zum Inkrafttreten des TRL-ÄndRL-UmsG am 26. November 2015 war für die Frage des Zeitpunkts der Schwellenberührung bei Erwerb und Veräußerung das Verfügungsgeschäft maßgeblich. Ein Erwerb lag demnach erst mit Eigentumserwerb vor, für den grundsätzlich auf das Datum der Depotgutschrift abgestellt wurde. Spiegelbildlich lag eine Veräußerung erst dann vor, wenn der Veräußerer sein Eigentum an den Aktien verloren hatte, was grundsätzlich mit Ausbuchung aus dem Depot des Veräußerers der Fall war. Da in den allermeisten Fällen kein Durchgangserwerb beteiligter Kreditinstitute erfolgte, waren die Daten der Ein- und Ausbuchung grundsätzlich identisch.

"Gehören" im Sinne des § 33 Abs. 3 WpHG

Mit der Einfügung von § 33 Abs. 3 WpHG ist für den Zeitpunkt einer Schwellenberührung nunmehr grundsätzlich das Kausalgeschäft maßgeblich, sofern ein unbedingter und ohne zeitliche Verzögerungen zu erfüllender Anspruch oder eine entsprechende Verpflichtung auf Übertragung von mit Stimmrechten verbundenen Aktien besteht. Damit entsteht entweder mit Abschluss des Kausalgeschäfts (wie bisher) zunächst eine Mitteilungspflicht nach § 38 WpHG oder (neu) bereits eine solche nach § 33 WpHG. Dies hängt von der Ausgestaltung des Kausalgeschäfts ab. Gesetzgeberische Intention der Neuregelung war die Anpassung an ein europaweit einheitliches Verständnis des Erwerbs- und Veräußerungszeitpunktes von mit Stimmrechten verbundenen Aktien. Daneben dient § 33 Abs. 3 WpHG der Vereinfachung der Meldepraxis und der Verkürzung des Zeitraums für einen möglichen Insider-Handel.3

Von § 33 Abs. 3 WpHG werden damit grundsätzlich sämtliche – börsliche wie außerbörsliche – Erwerbs- und Veräußerungsgeschäfte erfasst, die innerhalb der üblicherweise im jeweiligen Markt akzeptierten Fristen sofort zu erfüllen sind. In diesen Fällen kommt es also für die Schwellenberührung im Rahmen eines Aktienerwerbs oder einer Aktienveräußerung nicht mehr auf den Vollzug des Erwerbs/der Veräußerung an, weil der Eigentumswechsel bereits eingeleitet worden ist und unmittelbar bevorsteht. In der Regel ist daher die Veröffentlichung der Mitteilung auf Grund der für die Abgabe und Veröffentlichung von Mitteilungen bestehenden Fristen vor dem Vollzug des Kausalgeschäfts ausgeschlossen.

In der praktischen Anwendung des § 33 Abs. 3 WpHG ist es mitunter schwierig zu bestimmen, ob zunächst ein Instrument oder ein Fall von § 33 Abs. 3 WpHG vorliegt, da nicht eindeutig ist, inwieweit der Anspruch (noch) bedingt oder zeitlich verzögert zu erfüllen ist. Formulierungen wie „Eigentumserwerb nach Kaufpreiszahlung bis spätestens…nach Vertragsschluss“ oder „Lieferung innerhalb von…nach Vertragsschluss“ schließen ein Vorliegen der Voraussetzungen von § 33 Abs. 3 WpHG nicht grundsätzlich aus. Maßgeblich in diesen Fällen ist allerdings, wovon die Vertragsparteien bzgl. der Lieferung ausgehen. Je nachdem, ob die Parteien von einer sofortigen oder aber von einer zeitlich verzögerten Lieferung ausgehen, wofür der vereinbarte Lieferungszeitraum ein Indiz sein kann, liegt entweder zunächst ein Instrument oder ein Fall von § 33 Abs. 3 WpHG vor. In der Praxis hat sich bislang vor allem in den folgenden Fällen die Frage gestellt, wann eine Mitteilungspflicht gemäß § 33 Abs. 3 WpHG ausgelöst wird:

  • Aufschiebend bedingte Erwerbsverträge
    Liegt zunächst ein Instrument nach § 38 WpHG vor (beispielsweise ein bedingter Kaufvertrag über stimmberechtigte Aktien) und werden über dessen Ausübung anschließend Aktien mit Stimmrechten erworben, kommt es für die Frage der Schwellenberührung nach § 33 WpHG darauf an, ob mit dem Eintritt der letzten Bedingung ein sofort erfüllbarer Anspruch auf Lieferung der Aktien vorliegt oder nicht. Führt der Eintritt der letzten Bedingung dazu, dass die gegenseitigen Leistungspflichten sofort mit Eintritt dieser letzten aufschiebenden Bedingung fällig werden, unterliegen Käufer und Verkäufer einer Mitteilungspflicht gemäß § 33 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 WpHG.
Beispiel
Die Holdinggesellschaft V verkauft ihr Aktienpaket über rund 8% der Stimmrechte des Emittenten E an K; im Aktienkaufvertrag ist vereinbart, dass der Kaufvertrag erst dann wirksam sein soll (aufschiebende Bedingung), wenn die für einen bestimmten Tag im kommenden Monat einberufene Gesellschafterversammlung der V dem Verkauf zustimmt. Weitere Bedingungen enthält der Kaufvertrag nicht. Auch ist kein Datum für den dinglichen Vollzug des Kaufs vereinbart.
Hier entsteht mit Abschluss des Kaufvertrages für den Käufer eine Mitteilungspflicht gemäß § 38 WpHG; sobald die Gesellschafterversammlung der V dem Verkauf zugestimmt hat, entstehen Meldepflichten des V nach § 33 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 WpHG (Schwellenunterschreitung) und für den Käufer gemäß § 38 WpHG (Schwellenunterschreitung) sowie gemäß § 33 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 WpHG (Schwellenüberschreitung).
In der Praxis nicht selten enthalten aufschiebend bedingte Erwerbsverträge jedoch weitergehende Regelungen, die die tatsächliche Vertragsdurchführung auf einen bestimmten Zeitpunkt nach Eintritt der letzten aufschiebenden Bedingung festlegen. Eine solche vereinbarte zeitliche Verzögerung wird beispielsweise in einer Vereinbarung über den Zeitpunkt des Vollzuges (Closing) gesehen: Häufig wird in Kaufverträgen über größere Aktienpakete vereinbart, dass das Closing einer Transaktion zu einem festgelegten Zeitpunkt nach Eintritt der letzten aufschiebenden Bedingung stattfindet. In solchen Fällen liegt kein sofort zu erfüllender Anspruch auf Übertragung der Aktien vor, sondern bis zum tatsächlichen Vollzug ein Instrument.
Beispiel
Die Holdinggesellschaft V verkauft ihr Aktienpaket von 29% der Stimmrechte des Emittenten E an K; K benötigt für den Vollzug des Kaufvertrages eine Genehmigung der zuständigen Kartellbehörden. Neben dem Kartellvorbehalt enthält der Aktienkaufvertrag noch weitere aufschiebende Bedingungen. Im Aktienkaufvertrag ist vereinbart, dass die Parteien am 10. Tag nach Eintritt der letzten aufschiebenden Bedingung neben einer ganzen Reihe weiterer Handlungen auch die dingliche Übertragung der 29% Aktien des Emittenten E vornehmen.
Auch hier entstehen mit Abschluss des Kaufvertrages für den Käufer Mitteilungspflichten gemäß § 38 WpHG; mit dem Eintritt der letzten aufschiebenden Bedingung wird die Leistungspflicht des Verkäufers jedoch nicht sofort fällig, vielmehr ist für sie eine Zeit bestimmt (§ 163 BGB). Mithin liegt bei Eintritt der letzten aufschiebenden Bedingung kein i.S.d. § 33 Abs. 3 WpHG ohne zeitliche Verzögerung zu erfüllender Anspruch auf Übertragung der Aktien vor. Erst am Tag der Durchführung der Aktienübertragung entstehen daher die Meldepflichten des V nach § 33 Abs. 1 WpHG (Schwellenunterschreitung) und für den Käufer gemäß § 38 WpHG (Schwellenunterschreitung) sowie gemäß § 33 Abs. 1 WpHG (Schwellenüberschreitung).
Bei der Abwicklung von Übernahmeangeboten lässt die Bundesanstalt es im Wege der Verwaltungspraxis zu, wenn Käufer (= Bieter) und Verkäufer (= annehmende Aktionäre) der Aktien für das Schwellenberührungsdatum einheitlich auf das Datum der dinglichen Übertragung abstellen, da im Einzelfall die Feststellung des Tages, an dem möglicherweise ein sofort zu erfüllender Anspruch des Bieters auf Lieferung der Aktien entsteht, schwierig sein kann und ein einheitliches Schwellenberührungsdatum in diesen Fällen zu mehr Markttransparenz führt.
  • Eigentumsvorbehalt
    Die Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts schließt die Anwendung von § 33 Abs. 3 WpHG nicht aus, da auch in diesem Fall grundsätzlich ein unbedingter und ohne zeitliche Verzögerung zu erfüllender Übertragungsanspruch vorliegt.

  • Verzögerung des dinglichen Vollzugs des Kausalgeschäfts
    Verzögert sich der Vollzug des Kaufvertrags unbeabsichtigt, so ändert sich am Vorliegen eines auf Übertragung gerichteten unbedingten und ohne zeitliche Verzögerung zu erfüllenden Anspruchs bzw. einer entsprechenden Verpflichtung zunächst grundsätzlich nichts. Sollten sich beim Vollzug längere Verzögerungen ergeben, so ist gegebenenfalls eine Stimmrechtsmitteilung nach § 33 Abs. 1 WpHG zu korrigieren bzw. zurückzunehmen und eine solche nach § 38 WpHG zum Zeitpunkt der Vereinbarung des Erwerbs/der Veräußerung abzugeben. In diesen Fällen wird empfohlen, immer zuerst mit der BaFin in Kontakt zu treten, um die Frage einer Korrektur bzw. Rücknahme der Mitteilung für den konkreten Fall zu klären.

  • Abgrenzung zu § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 WpHG
    Sofern ein Fall des § 33 Abs. 3 WpHG vorliegt, schließt dies eine gleichzeitige Zurechnung nach § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 WpHG aus.

Schwellenberührung "auf sonstige Weise"

Die Schwellen können auch auf sonstige Weise berührt werden. Dies ist etwa der Fall bei Kapitalerhöhungen oder Kapitalherabsetzungen, Umstrukturierungen des Grundkapitals, Gesamtrechtsnachfolge im Erbfall oder Aufleben des Stimmrechts von Vorzugsaktien. Eine Schwellenberührung auf „sonstige Weise“ ohne eigenen Erwerb oder Veräußerung kann daneben auch vorliegen, wenn Zurechnungen nach § 34 WpHG begründet werden oder wegfallen (z.B. bei Erteilung/Wegfall der Bevollmächtigung, Begründung/Wegfall der Tochterunternehmenseigenschaft etc.).

Maßnahmen der Kapitalbeschaffung und Kapitalherabsetzung

Maßnahmen der Kapitalbeschaffung und Kapitalherabsetzung lösen in der Regel unter mehreren Gesichtspunkten Fragen zu Mitteilungspflichten aus: Es stellt sich nicht nur die Frage, wer mitteilungspflichtig ist (Altaktionäre, Neuaktionäre, Erstzeichner, Zweitzeichner etc.), sondern auch, welches das relevante Schwellenberührungsdatum für diese ist und wann die Frist zur Abgabe einer Mitteilung zu laufen beginnt (§§ 33 Abs. 1 Satz 3 und 5, 41 WpHG). Im Rahmen von Kapitalerhöhungen spielen zudem häufig Wertpapierdarlehen mit Altaktionären eine Rolle, die ebenfalls Mitteilungspflichten auslösen können.

In der Praxis haben sich bislang die folgenden typischen Fallgestaltungen herausgebildet:

Kapitalerhöhung gegen Einlagen, genehmigtes Kapital, Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln und Kapitalherabsetzung

Kapitalerhöhungen gegen Einlagen, aus Gesellschaftsmitteln sowie Kapitalherabsetzungen werden erst mit Eintragung der Durchführung bzw. der Eintragung des Kapitalherabsetzungsbeschlusses in das Handelsregister wirksam. Die Eintragung ist konstitutiv. Erst mit ihr entstehen die Stimmrechte (§§ 189, 211 AktG) bzw. gehen die Stimmrechte unter (§ 224 AktG) und es verändert sich die Gesamtzahl der Stimmrechte. Gleiches gilt für genehmigtes Kapital, da § 203 Abs. 1 Satz 1 AktG auf § 189 AktG verweist. D.h. mit der Eintragung der Kapitalerhöhung in das Handelsregister entstehen die Mitgliedschaftsrechte und Stimmrechte, auf die Verbriefung der Aktie kommt es nicht an. Die Stimmrechte entstehen dabei unmittelbar beim Erstzeichner der Aktien, d.h. sie entstehen nicht zunächst bei dem Emittenten.

Nichtberücksichtigung von Stimmrechten bei Ausgabe neuer Aktien unter Mitwirkung eines Emissionsunternehmens

Wird die Kapitalerhöhung von einem Kreditinstitut oder einem Bankenkonsortium als Emissionsbank begleitet, übernimmt dieses in der Regel alle Aktien der Kapitalerhöhung als Erstzeichner. Ab dem Zeitpunkt der Handelsregistereintragung gilt zugunsten des Emissionsunternehmens grundsätzlich die Ausnahmeregelung des § 36 Abs. 3 Nr. 1 WpHG, wonach die Stimmrechte aus zum Zweck der Abrechnung und Abwicklung übernommenen neuen Aktien bis zum Ablauf des dritten Handelstages nach Erstzeichnung nicht berücksichtigt werden. Zu den Ausnahmen aufgrund Nichtberücksichtigung von Stimmrechten siehe die weiteren Ausführungen zu § 36 WpHG, Ziffer I.2.6.

Mitteilungspflichten der Investoren (neue und alte Aktionäre) bei Ausgabe neuer Aktien

Für die Investoren, die als Zweitzeichner neue Aktien erwerben, ist es unter Umständen schwer ermittelbar, ob zum Zeitpunkt der Entstehung der neuen Aktien ein unbedingter und sofort zu erfüllender Anspruch auf Aktienlieferung gegenüber dem Emissionsunternehmen besteht (vgl. § 33 Abs. 3 WpHG). Vor diesem Hintergrund lässt es die Bundesanstalt zu, dass die Investoren für das Datum der Schwellenberührung auf den Zeitpunkt der Einbuchung der neuen Aktien auf ihrem Depot (= sachenrechtliche Eigentumserlangung) abstellen. In diesem Zusammenhang besteht aus Sicht der Bundesanstalt weiterhin keine Mitteilungspflicht nach § 38 Abs. 1 WpHG für die Investoren im Zeitraum zwischen Eintragung der Durchführung der Kapitalerhöhung und der Depoteinbuchung.

Für die Altaktionäre verbleibt es wegen einer möglichen Verwässerung im Falle einer Kapitalerhöhung grundsätzlich bei der bisherigen Rechtslage: Der Verwässerungseffekt tritt bereits mit der Eintragung der Durchführung der Kapitalerhöhung ein. Haben Altaktionäre allerdings ihre (mittelbaren) Bezugsrechte auf die neuen Aktien ausgeübt, so geht die Bundesanstalt davon aus, dass die neuen Aktien bereits ab der Eintragung der Durchführung der Kapitalerhöhung und unabhängig von ihrer Einbuchung im Depot des betreffenden Aktionärs als Stimmrechte des betreffenden Aktionärs zu berücksichtigen sind (entweder nach § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG oder bereits nach § 33 Abs. 3 WpHG).

Beispiel
Zum 1. Mai wird die Durchführung einer Kapitalerhöhung gegen Einlagen in das Handelsregister eingetragen, infolgedessen Alt-Aktionär A eine Schwelle unterschreitet und Neu-Aktionär B eine Schwelle überschreitet. Die Kapitalmaßnahme wurde nach Platzierung sämtlicher Aktien von der Bank C durchgeführt. Die neuen Aktien wurden am 3. Mai von der Bank C an die Zweitzeichner übertragen.
Hier muss A zum 1. Mai die Schwellenunterschreitung melden, während die Bank C auf Grund der Ausnahmeregelung des § 36 Abs. 3 Nr. 1 WpHG keine Mitteilung abgeben muss. B muss ebenfalls melden, wobei die Bundesanstalt als Schwellenberührungsdatum sowohl den 1. Mai als auch den 3. Mai akzeptiert.
Abwandlung
Alt-Aktionär A übt seine Bezugsrechte vollumfänglich aus und die Übertragung der neuen Aktien von Bank C an die Zweitzeichner erfolgt zum 10. Mai.
Für A besteht keine Mitteilungspflicht, da die Bank C in Höhe seiner ausgeübten Bezugsrechte die neuen Aktien für Rechnung (§ 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG) von A hält, so dass der Stimmrechtsanteil von A insgesamt nicht verwässert wird. Bank C muss zum 1. Mai wie zum 10. Mai jeweils melden. B muss zum 10. Mai die Schwellenüberschreitung melden.

Bedingte Kapitalerhöhung

Bei der bedingten Kapitalerhöhung erhöht sich das Grundkapital mit Ausgabe der Bezugsaktien, § 200 AktG. Die später erfolgende Eintragung ins Handelsregister (§ 201 AktG) hat nur deklaratorische Bedeutung. Somit ändern sich das Grundkapital und damit die Gesamtzahl der Stimmrechte mit jeder weiteren Aktienausgabe. Für die Ausgabe ist neben einem Begebungsvertrag die Übergabe an den Bezugsberechtigten erforderlich. Diese ist regelmäßig mit der Depotgutschrift erfolgt.

Da der Emittent bei der Ausgabe von Bezugsaktien nach § 41 Abs. 2 WpHG lediglich verpflichtet ist, die geänderte Gesamtstimmrechtszahl zum Ende eines Monats zu veröffentlichen, ist das Datum für die Schwellenunterschreitung dem Mitteilungspflichtigen in der Regel unbekannt. Hier beanstandet es die Bundesanstalt nicht, wenn in der Mitteilung für die Schwellenunterschreitung als Tag der Schwellenberührung der letzte Tag des Monats, in dem die Bezugsaktien ausgegeben worden sind, verwendet wird, sofern nicht besondere Umstände des Einzelfalls für die Verwendung des tatsächlichen Datums sprechen. Die Meldefrist beginnt in diesen Fällen gemäß § 33 Abs. 1 Satz 5 WpHG regelmäßig erst mit der Veröffentlichung zu laufen.

Kapitalherabsetzung

Bei der Kapitalherabsetzung durch Einziehung von Aktien (§§ 237 ff. AktG) ist das Grundkapital mit der Eintragung des Beschlusses oder, wenn die Einziehung der Aktien nachfolgt, mit der Einziehung herabgesetzt (§ 238 Satz 1 AktG). Ist die Einziehung maßgeblich, bedarf es einer auf die Vernichtung gerichteten Handlung des Vorstands (§ 238 Satz 3 AktG). Durch die Reduktion der Gesamtzahl der Stimmrechte können gegebenenfalls Schwellen überschritten werden.

Mitteilungspflichten bei Umwandlungen von Gesellschaften

Verschmelzungen nach §§ 2 ff. UmwG

Bei Verschmelzungsvorgängen erhalten die Aktionäre des übertragenden Emittenten für ihre Aktien eine festgelegte Anzahl von Aktien des übernehmenden Rechtsträgers. Der übertragende Rechtsträger erlischt, wenn die Verschmelzung mit der Eintragung der Verschmelzung im Handelsregister wirksam wird. Zu diesem Zeitpunkt werden die Aktionäre des übertragenden Emittenten Aktionäre des aufnehmenden Emittenten. Mitteilungspflichten der Aktionäre des übertragenden Emittenten nach §§ 33 ff. WpHG entstehen grundsätzlich erst zu diesem Zeitpunkt. Die Aktionäre des aufnehmenden Emittenten verwässern unter Umständen und unterliegen deswegen entsprechenden Meldepflichten zum Zeitpunkt der Eintragung der Verschmelzung. Im Vorfeld des Wirksamwerdens einer Verschmelzung geht die Bundesanstalt regelmäßig nicht vom Vorliegen von Meldepflichten der Aktionäre nach § 38 WpHG aus, da durch die umwandlungsrechtlichen Vorschriften eine hinreichende Transparenz gewährleistet ist.

Beispiele
Verschmelzung durch Aufnahme, § 2 Nr. 1 UmwG
Die Gesellschaft A, deren Aktien zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind, wird auf Gesellschaft B (Aktien sind ebenfalls an einem organisierten Markt zugelassen) verschmolzen, indem im Wege der Aufnahme die Gesellschaft A ihr Vermögen als Ganzes auf B überträgt. Dabei erlischt A.
Auf Grund des Erlöschens von Gesellschaft A kann diese kein Adressat von Stimmrechtsmitteilungen mehr sein. Es bestehen daher keine Mitteilungspflichten von Gesellschaft A selbst und den ehemaligen Aktionären der A (bezüglich der erloschenen A). Die bisherigen Aktionäre der übertragenden Gesellschaft A werden jedoch in der Regel Aktionäre bei der übernehmenden Gesellschaft B. Daher kann es zu Mitteilungspflichten wegen Schwellenüberschreitungen an Gesellschaft B kommen.
Auch bei der übernehmenden Gesellschaft B sind Mitteilungspflichten denkbar, z.B. wenn die übertragende Gesellschaft A Aktien an einem anderen Emittenten hielt, die infolge der Verschmelzung auf Gesellschaft B übergegangen sind. Kommt es bei der übernehmenden Gesellschaft B zu einer Änderung der Gesamtzahl der Stimmrechte, kann es auch bei den bisherigen Aktionären der B zu Mitteilungspflichten kommen.
Verschmelzung durch Neugründung, § 2 Nr. 2 UmwG
Die Gesellschaften A und B, deren Aktien zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind, werden verschmolzen, indem A und B ihr Vermögen als Ganzes auf die neue, von ihnen gegründete Gesellschaft C übertragen.
Hinsichtlich der Mitteilungspflichten läuft die Verschmelzung durch Neugründung grundsätzlich nach demselben Muster wie die Verschmelzung durch Aufnahme ab. Es gibt keinerlei Pflichten hinsichtlich A und B, die erloschen sind. Werden ehemalige Aktionäre von A oder B Aktionäre der neu gegründeten Gesellschaft C, ergeben sich jedoch folgende Besonderheiten: Aktionäre der neuen Gesellschaft C müssen bei Zulassung von Aktien der Gesellschaft C zum Handel an einem organisierten Markt Mitteilungen nach § 33 Abs. 2 WpHG abgeben. Sofern die Aktien der Gesellschaft C bereits mit Gründung zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sein sollten, ist ggf. die Mitteilungspflicht nach § 33 Abs. 1 WpHG einschlägig.

Formwechsel nach §§ 190 ff. UmwG

Bei einem Formwechsel nach §§ 190 ff. UmwG bleibt der Rechtsträger derselbe, er erhält lediglich eine andere Rechtsform.

Aufgrund der Kontinuität des Rechtsträgers verändert sich die Rechtszuständigkeit für die Stimmrechte nicht. Daher kommt es nicht zu Schwellenberührungen und es entstehen keine Mitteilungspflichten. Auch bei Umfirmierungen oder Namensänderungen ändert sich das Rechtssubjekt nicht, so dass allein hierdurch keine Schwellen überschritten, unterschritten oder erreicht werden können. Eine Mitteilungspflicht besteht daher auch in diesen Fällen nicht.

Meldepflicht bei mehreren Schwellenberührungen innerhalb eines Tages und bei taggleichen Schwellenüber- und -unterschreitungen

Werden innerhalb eines Tages mehrfach Schwellen in einer Richtung überschritten bzw. unterschritten, reicht eine Mitteilung mit dem Stimmrechtsanteil am Ende des Tages aus.

Beispiel
Überschreitet ein Meldepflichtiger z.B. am Vormittag die Schwelle von 5 %, am Mittag die Schwelle von 10 % und am Nachmittag die Schwelle von 15 %, ist lediglich eine Mitteilung, in der die Überschreitung der Schwellen von 5 %, 10 % und 15 % angegeben wird, ausreichend.

Werden innerhalb eines Tages Schwellen erst überschritten und dann unterschritten bzw. erst unterschritten und dann überschritten, lässt die Bundesanstalt (sofern die Stimmrechte an diesem Tag nicht ausgeübt werden) eine Saldierung zu, so dass keine Mitteilung abgegeben werden muss.

Beispiel
Überschreitet ein Meldepflichtiger am Vormittag die Schwelle von 10 % und unterschreitet er sie am Nachmittag wieder, muss er keine Mitteilung abgeben.

Erfolgt die Schwellenüberschreitung an einem Tag und die Unterschreitung erst am Folgetag oder später, müssen zwei Mitteilungen abgegeben werden.

Nicht zulässig ist bei Instrumenten eine Saldierung von Long- und Short-Positionen (etwa Call- und Put-Optionen).

Depository Receipts

Bei Zertifikaten, die Aktien vertreten (z.B. Depository Receipts), gilt nach § 33 Abs. 1 Satz 2 WpHG ausschließlich der Zertifikateinhaber und nicht der Aussteller des Zertifikats (Depository Bank) als Aktionär und ist damit nach § 33 Abs. 1 WpHG originär meldepflichtig.

Fußnoten:

  1. 1 Vgl. Begründung des RegE, BT-Drs. 18/5010, S. 47 f.
  2. 2 Vgl. Auslegungsentscheidung zu eigenen Aktien, BaFin-Journal Dezember 2014, S. 5.
  3. 3 Vgl. Begründung des RegE, BT-Drs. 18/5010, S. 44.

Fanden Sie den Beitrag hilfreich?

Wir freuen uns über Ihr Feedback

Es hilft uns, die Webseite kontinuierlich zu verbessern und aktuell zu halten. Bei Fragen, für deren Beantwortung wir Sie kontaktieren sollen, nutzen Sie bitte unser Kontaktformular. Hinweise auf tatsächliche oder mögliche Verstöße gegen aufsichtsrechtliche Vorschriften richten Sie bitte an unsere Hinweisgeberstelle.

Wir freuen uns über Ihr Feedback

Veröffentlichungen zum Thema

Kryp­to­wert­pa­pie­re: Ba­Fin führt neue Lis­te

Die BaFin hat auf ihrer Website gemäß § 20 Absatz 3 des Gesetzes über elektronische Wertpapiere (eWpG) eine neue öffentliche Liste publiziert. Darin bündelt sie Informationen zu Kryptowertpapieren, die ihr nach § 20 Absatz 1 Satz 2 eWpG mitgeteilt werden.

Ad-hoc-Pu­bli­zi­täts­pflich­ten: Ba­Fin pu­bli­ziert Leit­li­ni­en für Kre­dit- und Fi­nan­z­in­sti­tu­te

Die BaFin hat am 10.06.2021 Modul C ihres Emittentenleitfadens um Leitlinien speziell für Kredit- und Finanzinstitute ergänzt. Sie befassen sich mit der Frage, welche Ad-hoc-Publizitätspflichten für Kredit- und Finanzinstitute bestehen, deren Finanzinstrumente zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen oder mit ihrer Zustimmung zum Handel an einem multilateralen Handelssystem (multilateral …

Anlagen

Neue­run­gen im Be­reich In­si­de­r­in­for­ma­ti­on und Ad-hoc-Pu­bli­zi­tät

Vortrag im Rahmen des BaFin-Workshops zum Modul C des Emittentenleitfadens (22./23. Juni 2020)

Neue­run­gen im Be­reich des In­si­der­rechts

Vortrag im Rahmen des BaFin-Workshops zum Modul C des Emittentenleitfadens (22./23. Juni 2020)

Alle Dokumente