Thema Informationspflichten für Emittenten Im Auftrag oder auf Rechnung des Emittenten handelnde Personen (Dienstleister)
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Beitrag aus dem Emittentenleitfaden der BaFin
Verpflichtet zur Führung eigener Listen sind außerdem alle im Auftrag oder für Rechnung des Emittenten handelnden Personen. Bei den Begriffen „im Auftrag“ und „für Rechnung“ handelt es sich nicht um die in der deutschen Rechtsordnung etwa i. S. d. § 675 BGB verwendeten Begriffe wie „für Rechnung“. Durch Art. 18 MAR sollen gerade nicht ausschließlich Auftragsverhältnisse oder Kommissionsgeschäfte erfasst werden. Vielmehr sind die Begriffe vor dem europarechtlichen Hintergrund nicht in dem oben genannten Sinne, sondern allgemeinsprachlich und damit weiter auszulegen. Sinn und Zweck der europäischen Regelung ist es, Angehörige bestimmter Berufsgruppen, die im Interesse des Emittenten handeln und aufgrund dieser Tätigkeit typischerweise Kenntnis von Insiderinformationen erlangen, in einer Liste zu erfassen und sie über die Pflichten im Umgang mit Insiderinformationen aufzuklären. Gemeint sind damit Personen, die Interessen des Emittenten wahrnehmen oder in beratenden Berufen tätig sind oder die in ihrer Tätigkeit für den Emittenten anderweitig als einem Bereich angehörig anzusehen sind, der typischerweise mit Insiderinformationen in Berührung kommt. Es handelt sich dabei z.B. um Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer, Unternehmensberater, Steuerberater, Investor-Relations-Agenturen, externe Buchhalter. Im Folgenden werden die im Auftrag oder für Rechnung des Emittenten handelnden Personen kurz als „Dienstleister“ bezeichnet.
Bei Dienstleistungen innerhalb eines Konzerns ist eine abweichende Betrachtung erforderlich. So werden Unternehmen innerhalb eines Konzerns je nach ihrer konkreten Tätigkeit für den Emittenten wie andere konzernfremde als Dienstleister oder als Nicht-Dienstleister bewertet.
Der Emittent hat in seiner Insiderliste einen Hinweis auf die Einbindung eines solchen Dienstleisters oder die Weitergabe einer Insiderinformation an einen solchen unter Angabe des Zeitpunkts der Einbindung oder Weitergabe zu vermerken. Dabei genügt es, dass er den Firmennamen des Dienstleisters sowie einen Ansprechpartner des Dienstleisters mit Telefonnummer benennt.
Bindet der Dienstleister einen weiteren Dienstleister zum Zweck der Erfüllung seines Auftrags ein, (z.B. wenn die vom Emittenten mit der Durchführung einer Kapitalmaßnahme beauftragte Bank ihrerseits einen Anwalt einschaltet, der im Auftrag bzw. für Rechnung der Bank ein Rechtsgutachten erstellt), so ist der von ihm eingebundene weitere Dienstleister nicht verpflichtet, für diesen Sachverhalt eine eigene Insiderliste zu führen, denn er handelt nicht im Auftrag oder für Rechnung des Emittenten. Sub-Dienstleister sind jedoch über ihren Ansprechpartner in der Liste des Dienstleisters zu erfassen.
Typische Dienstleister des Emittenten
Rechtsanwälte, Notare, Steuerberater und Insolvenzverwalter sind zur Führung einer eigenen Liste verpflichtet, wenn sie im Auftrag oder für Rechnung eines Emittenten handeln.
Auch Wirtschaftsprüfer haben eigene Listen zu führen, unabhängig davon, ob sie lediglich beratend tätig werden und dabei bestimmungsgemäß mit Insiderinformationen in Berührung kommen oder ob sie eine gesetzlich vorgesehene Prüfung vornehmen. Eine dem § 15b Abs. 1 Satz 4 WpHG a.F. vergleichbare Ausnahme, die Abschlussprüfer im Rahmen von gesetzlich vorgegebenen Prüfungen ausnimmt, besteht nicht mehr.
Wie bereits auch schon nach bisherigem Recht hat eine Investor-Relations-Agentur, die den Emittenten bei Maßnahmen zur Beziehungspflege zu Investoren berät und im Rahmen ihrer Tätigkeit typischerweise mit Insiderinformationen in Berührung kommt, eine entsprechende Liste zu führen.
Eine Ratingagentur, die ein vom Emittenten in Auftrag gegebenes Rating erstellt, handelt im Interesse des Emittenten und kommt im Rahmen ihrer Tätigkeit auch häufig bestimmungsgemäß mit Insiderinformationen in Berührung. In diesen Fällen ist sie zur Führung einer eigenen Insiderliste verpflichtet. Dies bedeutet jedoch nicht, dass daraus der Schluss gezogen werden darf, dass die Ratingagentur bei der Erstellung des Ratings weisungsabhängig ist oder gar ihre Unabhängigkeit beeinträchtigt wäre. Es ist jedoch zu beachten, dass, sofern eine Ratingagentur aus eigener Initiative oder auf Veranlassung eines Dritten (z.B. einer Bank) ein Rating anfertigt, diese nicht im Auftrag oder für Rechnung des Emittenten handelt und damit nicht verpflichtet ist, eine Insiderliste zu führen.
Ein Kreditinstitut ist dann als Dienstleister i. S. v. Art. 18 MAR anzusehen, wenn es über die allgemeinen Bankdienstleistungen (z.B. Abwicklung der Kontobeziehung, Kreditvergabe) hinausgehende Dienstleistungen erbringt und damit im Interesse oder in der Sphäre des Emittenten tätig wird. Zu diesen Dienstleistungen, die eine Insiderlistenführungspflicht begründen, gehören z.B. die Beratung im Bereich eines Börsengangs, einer Kapitalmaßnahme oder einer Akquisition (Einbindung der Bereiche Corporate Finance oder Mergers & Acquisitions).
Ein Übersetzungsbüro, das Ad hoc-Mitteilungen oder Vertragsentwürfe etc. für den Emittenten übersetzt, wird typischerweise im Auftrag des Emittenten tätig und hat demgemäß eine Insiderliste zu führen.
Anbieter elektronischer Informationsverbreitungsdienste fallen beispielsweise dann unter die Listenführungspflicht, wenn der Emittent deren Systeme zur Veröffentlichung einer Ad-hoc-Mitteilung nutzt und der Diensteanbieter im Rahmen einer Vorabübermittlung einer Ad-hoc-Mitteilung an die BaFin gemäß § 26 Abs. 1 WpHG von der Insiderinformation Kenntnis erhält.
Keine Dienstleister des Emittenten
Gerichte, Staatsanwaltschaften und Polizei und sonstige Behörden handeln hoheitlich und daher nicht im Auftrag oder für Rechnung des Emittenten. Sie gehören daher nicht zum Kreis der in Art. 18 MAR genannten Listenführungspflichtigen.
Lieferanten sind nicht als im Interesse des Emittenten tätig anzusehen und haben daher keine eigene Insiderliste zu führen.
Tochter- oder Muttergesellschaften eines Emittenten sind nach wie vor in der Regel grundsätzlich nicht zur Führung einer Insiderliste verpflichtet. Sie sind nicht für den Emittenten und auch nicht in seinem Auftrag oder für seine Rechnung tätig, da weder Art. 18 MAR noch der Begründung zu entnehmen ist, dass von dem Adressatenkreis die verbundenen Unternehmen erfasst werden sollten. Auch bei Vorliegen einer Holdingstruktur besteht für die nicht börsennotierte Holding daher keine grundsätzliche Verpflichtung, eine Insiderliste zu führen. Dies gilt auch bei Vorliegen eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags zwischen der Mutter- und Tochtergesellschaft. Eine Pflicht zur Führung einer Insiderliste kommt allenfalls dann in Betracht, wenn das verbundene Unternehmen zu den oben beschriebenen Dienstleistern gehört und allein deshalb über Zugang zu Insiderinformationen verfügt.
Soweit jedoch einzelne Mitarbeiter der Mutter- oder Tochtergesellschaft noch eine vertragliche Anbindung zu dem börsennotierten Emittenten aufweisen und somit für den Emittenten tätig werden, sind im Falle des bestimmungsgemäßen Zugangs zu den jeweiligen Insiderinformationen diese Personen in die Insiderliste des Emittenten aufzunehmen.
Ausländische Dienstleister
Art. 18 MAR sieht keine ausdrückliche Ausnahme für Nicht-EU-Dienstleister vor. Da gemäß Art. 2 Abs. 4 MAR die Anforderungen der MAR auch für Handlungen in Drittländern gelten, müssen Nicht-EU-Ausländer auch Insiderlisten führen. Dies rechtfertigt sich auch aus dem Ziel der MAR, einen einheitlichen Binnenmarkt für Finanzdienstleistungen in der EU zu schaffen.