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2. Risiken aus signifikanten Korrekturen an den internationalen Finanzmärkten →
An den internationalen Finanzmärkten gab es 2024 einige volatile Phasen, insgesamt haben sich die Märkte aber als stabil erwiesen. 2025 könnten verschiedene Entwicklungen, erst Recht in Kombination, zu Korrekturen an den Finanzmärkten führen: Steigende geopolitische Spannungen und politische Unsicherheiten, die hohen Staatsschuldenquoten vieler Industrienationen und die Entwicklung von Inflation und Wirtschaftswachstum.
Die Geldpolitik wichtiger Notenbanken ist seit dem zweiten Halbjahr 2024 angesichts sinkender Inflationsraten weniger restriktiv. Während die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Zinswende bereits Mitte des Jahres eingeleitet hat, folgte die Zinssenkung der US-amerikanischen Notenbank Federal Reserve im September 2024. Die Marktteilnehmer hatten die Zinssenkungen erwartet; weitere Zinsschritte sind bereits eingepreist. Die Zinssenkungen führen je nach Bilanzierung zu Bewertungsgewinnen bzw. dem Rückgang von stillen Lasten.
Einbrüche durch Rückabwicklung von Carry Trades
Anfang August 2024 kam es – ausgelöst durch eine leichte Erhöhung der Leitzinsen durch die japanische Notenbank in Kombination mit als schlecht wahrgenommenen Arbeitsmarktdaten aus den USA – zu kurzzeitigen Einbrüchen an den globalen Finanzmärkten. Maßgeblich verursacht wurden die Einbrüche durch die Rückabwicklung sogenannter Carry Trades.
Der Hintergrund: Im Niedrigzinsumfeld war die Verschuldung in Yen für internationale Anleger und ausländische Staaten zu Zinssätzen nahe null attraktiv, um in höher verzinsliche Anlagen zu investieren. Mit dem Zinsanstieg lösten die Anleger ihre Yen-Schulden zunehmend auf, wodurch die japanische Währung aufgewertet hat. In den Anlageklassen, in denen die Investoren mittels der Carry Trades investiert waren, kam es auf diese Weise zu starken Kurseinbrüchen.
Die Verluste dieser Marktbewegungen wurden innerhalb kurzer Zeit weitgehend wieder aufgeholt. Trotzdem zeigt der Vorfall, dass der Markt sehr volatil ist – insbesondere dann, wenn hohe Volumina gehalten werden und bei Anlegerinnen und Anlegern ein (gegebenenfalls auch irrationaler) Herdentrieb einsetzt. Die Datenlage dazu ist zwar eingeschränkt, jedoch legt die Stärke der Marktturbulenzen infolge der Auflösung von Carry Trades außerdem den Schluss nahe, dass ein Teil der auf diesen Konstrukten basierenden Investments hoch gehebelt ist. Hierdurch steigt die Volatilität weiter.
Risiken durch hohe globale Staatsverschuldung
Auch die in vielen Staaten hohe Staatsverschuldung birgt Risiken für das weltweite Finanzsystem. Durch die Zinserhöhungen in den vergangenen Jahren sind die Finanzierungskosten gestiegen. Insbesondere bei höher verschuldeten Staaten stieg in der Folge das Ausfallrisiko, und ihre Bonität sank. An den Märkten spiegelten dies die steigenden Risikoprämien bei Staatsanleihen dieser Länder wider. 2024 betraf dies auch einzelne Staaten der Eurozone. Künftig könnten die Staatsanleihen der USA ebenfalls unter Druck geraten, wenn Zweifel an der Schuldentragfähigkeit entstehen.
Im schlimmsten Fall könnte die hohe Staatsverschuldung mancher Länder zu erheblichen Verwerfungen an den Anleihe- und Aktienmärkten führen. Das deutsche Finanzsystem und die Realwirtschaft wären dann möglicherweise von Ansteckungseffekten betroffen, insbesondere aufgrund der internationalen Verflechtungen deutscher Banken und Versicherer.
Risiken bei Anleihen
Die Zeitwerte von Anleihen stabilisierten sich 2024 auf niedrigem Niveau (siehe Abbildung 5). Durch die Zinssenkungen und aufgrund gesunkener Inflationserwartungen der Anleger stiegen die Kurse von langfristigen Anleihen ab dem dritten Quartal 2024 wieder leicht.
Abbildung 5: Marktbewertung festverzinslicher Wertpapiere im Zeitverlauf
Quelle: Refinitiv Datastream, BaFin-eigene Darstellung, Stand: 9. Dezember 2024.
Gleichwohl bestehen weiterhin Kursrisiken. Banken und Sparkassen halten signifikante Positionen in Anleihen. Der Stresstest 2024 von BaFin und Deutscher Bundesbank bei weniger bedeutenden Instituten (Less Significant Institutions – LSIs) zeigte, dass Marktwertverluste bei Anleihen zu einem Kapitalverzehr von knapp 2,5 Prozentpunkten führen würden – ausgehend von einer harten Kernkapitalquote von 18,2 Prozent im Jahr 2023.
Versicherer verfügen ebenfalls über materielle Exposures in Unternehmens-, Bank- und Staatsanleihen. So lag der Anteil von Bankanleihen und Einlagen bei Banken der deutschen Versicherer, die unter Solvency II fallen, Mitte 2024 bei circa 16 Prozent. Etwa 8 Prozent der gesamten Kapitalanlagen im Bestand dieser Versicherer entfielen auf Anleihen mit dem Rating BBB.
Einbruch an Aktienmärkten kann auch Banken und Versicherer direkt betreffen
An den Aktienmärkten stiegen die Kurse im ersten Halbjahr 2024 auf breiter Front. Im dritten Quartal flachte sich diese Bewegung zu einem Seitwärtstrend ab. Im vierten Quartal 2024 entwickelten sich die Aktienmärkte positiv und setzten den vorherrschenden Aufwärtstrend des Jahres 2024 weiter fort. Der deutsche Leitindex DAX überschritt erstmals die 20.000 Punkte-Marke, in den USA erreichten der S&P500 und Nasdaq 100 neue Allzeithochs.
Signifikante Korrekturen an den Aktienmärkten können für Versicherer und Banken ein Risiko darstellen. Allerdings ist der Anteil von Aktien am Gesamtanlagebestand der Versicherer relativ gering. Er lag im Branchendurchschnitt zum 30. Juni 2024 bei etwa 4 Prozent.
Bei deutschen Banken ist der Aktienanteil im Eigenbestand (Depot A) der Institute gemessen an ihren Gesamtaktiva ebenfalls sehr gering. So halten deutsche LSIs laut des LSI-Stresstests 2024 ein fast 30-fach höheres Volumen in Anleihen als in Aktien. Das zeigt sich auch daran, dass sich im Stresstest Kurseinbrüche an den Aktienmärkten nur geringfügig auf die Kapitalausstattung der Banken auswirkten.
Weiter zunehmende Relevanz von Nichtbank-Finanzintermediären
Nichtbank-Finanzintermediäre (NBFIs), wie zum Beispiel Asset Manager und Fondsgesellschaften sowie Versicherer und Pensionseinrichtungen gewinnen gegenüber dem Bankensektor weiter an Bedeutung. Laut dem Finanzstabilitätsbericht 2024 der Bundesbank stellen NBFI im Euroraum rund 40 Prozent der Finanzierung der Realwirtschaft bereit. Sie halten rund die Hälfte der finanziellen Aktiva im Euroraum – dieser Anteil hat sich seit der globalen Finanzkrise um 18 Prozentpunkte erhöht. In Deutschland halten NBFIs rund 40 Prozent der finanziellen Aktiva des Finanzsystems, ein Zuwachs von 15 Prozentpunkten seit 2009.
Zugleich blieben die mit dem NBFI-Sektor verbundenen Risiken weiter aktuell, vor allem die Risiken aus übermäßiger Verschuldung und abrupter Liquiditätsabflüsse, welche zu Fire Sales führen können. Der Grad der Verschuldung im NBFI-Sektor ist oft nicht transparent. Besonders verwundbar sind offene Investmentfonds, da die Laufzeiten der Vermögenswerte deutlich länger als die Laufzeiten der Verpflichtungen sind. Notverkäufe werden dadurch wahrscheinlicher. Für deutsche offene Immobilienfonds gibt es Halte- und Rückgabefristen, die dieses Risiko abschwächen. Trotzdem kann es dazu kommen, dass die Rücknahme von Fondsanteilen ausgesetzt wird, zum Beispiel bei nicht ausreichender Liquidität im Fonds.
Die starke Vernetzung zwischen Banken und dem NBFI-Sektor birgt zudem das Risiko gegenseitiger Ansteckungseffekte. Eine beschleunigte Informationsverbreitung und der Einsatz von Algorithmen und Künstlicher Intelligenz im Handel erhöhen das Risiko, dass sich gleichgerichtete Effekte verstärken.
Wie die BaFin vorgeht
- Die BaFin identifiziert beaufsichtigte Unternehmen mit hohen und riskanten finanzmarktabhängigen Exposures. Sie bewertet die Engagements mit Blick auf ihren Risikogehalt und begleitet die investierten Unternehmen eng, falls notwendig.· Globale und Europäische Aufsichtsgremien diskutieren darüber, ob der makroprudentielle Rahmen für den NBFI-Sektor angemessen ist. Die BaFin arbeitet in den verschiedenen Arbeitsgruppen mit. Hierzu gehören das Financial Stability Board (FSB), die Internationale Organisation der Wertpapieraufsichtsbehörden (IOSCO) und der Europäische Ausschuss für Systemrisiken (ESRB).
- Die BaFin wird die Kapitalverwaltungsgesellschaften bei der risikogerechten weiteren Implementierung von Liquiditätsmanagementtools (LMTs) begleiten. Die Änderung der Richtlinie über die Verwalter alternativer Investmentfonds (AIFMD II) und der europäischen Richtlinie über Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) verpflichtet Fondsverwalter, mindestens zwei Instrumente zu implementieren. Eine Ausnahme bilden Geldmarktfonds, sie müssen nur ein LMT implementieren.
- Die BaFin wird die Solvency II-Komponente in ihrer Prognoserechnung für die Lebensversicherer weiterentwickeln. Dies soll es der BaFin ermöglichen einzuschätzen, wie sich unterjährige Kapitalmarktveränderungen auf die Solvenz der Lebensversicherer auswirken.
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