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Stand:geändert am 15.11.2023 Prospektpflicht

Werden Wertpapiere entweder öffentlich angeboten oder sollen sie zum Handel an einem geregelten Markt zugelassen werden, ist grundsätzlich ein Prospekt zu erstellen. Jedoch entfällt die Prospektpflicht, wenn bestimmte Ausnahmen vorliegen.

I. Wertpapiere

Wertpapiere im Sinne der Verordnung (EU) 2017/1129 („EU-Prospekt-VO“) sind alle übertragbaren Wertpapiere, die an einem Markt gehandelt werden können, mit Ausnahme von Geldmarktinstrumenten mit einer Laufzeit von weniger als zwölf Monaten.

Wesentlich für die Einordnung als Wertpapier sind Übertragbarkeit, Handelbarkeit und Ausstattung mit wertpapierähnlichen Rechten. Eine Verbriefung des Wertpapiers in einer Urkunde ist keine zwingende Voraussetzung eines Wertpapiers.

Übertragbar sind Wertpapiere, wenn sie auf einen Erwerber übertragen werden können und dabei das Wertpapier in seinem rechtlichen Gehalt beziehungsweise seinem technischen Wesen nach unverändert bleibt. Es kommt dabei nicht auf die Art der Übertragung an.

Für die Handelbarkeit entscheidend ist, dass das Wertpapier hinreichend standardisiert und gleichartig ausgestaltet ist. Das Wertpapier darf keine unterschiedlichen Rechte vermitteln und muss im Geschäftsverkehr nach Art und Zahl der Stücke bestimmt werden können. Die Verwahrfähigkeit der Wertpapiere ist keine Voraussetzung für ihre Handelbarkeit. Die Handelbarkeit muss auf Finanzmärkten gegeben sein. Dabei reicht die Möglichkeit des Handels aus, ein tatsächlicher Handel ist nicht erforderlich.

Diese Kriterien sind auch entscheidend dafür, ob ein Token als Wertpapier eingestuft wird. Dreh- und Angelpunkt bei der Einstufung als Wertpapier sind die mit den Token verknüpften Rechte, bei denen es sich grundsätzlich um mitgliedschaftliche und/oder vermögensmäßige Rechte handeln muss. Das bedeutet, dass ein Token entweder ein einer Aktie ähnliches mitgliedschaftliches Recht verkörpern muss oder ein anderes vermögensmäßiges Recht, das mit den Beispielen für übertragbare Wertpapiere (zum Beispiel Schuldtitel) vergleichbar sein muss, die in Art. 4 Abs. 1 Nr. 44 der Richtlinie 2014/65/EU („MiFID II“) genannt sind.

Handelt es sich bei einem Anlageinstrument nicht um ein Wertpapier im Sinne der EU-Prospekt-VO, kann das Vermögensanlagengesetz oder das Kapitalanlagegesetzbuch einschlägig sein. Unter Umständen können auch Einlagengeschäfte im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KWG vorliegen, die ein Zulassungserfordernis nach dem Kreditwesengesetapier im Sinne der EU-Prospekt-VO, kann das Vermögensanlagengesetz oder das Kapitalanlagegesetzbuch einschlägig sein. Unter Umständen kann auch ein erlaubnispflichtiger Betrieb von Einlagengeschäften im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG vorliegen.

Geldmarktinstrumente mit einer Laufzeit von weniger als zwölf Monaten sind von der Prospektpflicht ausgenommen. Merkmale von Geldmarktinstrumenten sind ein sehr hohes Mindestvolumen und kurze Liquidierungsfristen. Zu Geldmarktinstrumenten in diesem Sinne zählen insbesondere Schatzanweisungen, Einlagenzertifikate und Commercial Papers.

Prospektpflicht

Graphische Darstellung der Prüfung, ob eine Prospektpflicht besteht, wie im Fließtext unten erläutert. BaFin Prospektpflicht

II. Öffentliches Angebot

Ein öffentliches Angebot ist laut der Legaldefinition in Art. 2 lit. d EU-Prospekt-VO eine Mitteilung an die Öffentlichkeit in jedweder Form und auf jedwede Art und Weise, die ausreichende Informationen über die Angebotsbedingungen und die anzubietenden Wertpapiere enthält, um einen Anleger in die Lage zu versetzen, sich für den Kauf oder die Zeichnung jener Wertpapiere zu entscheiden. Diese Definition gilt auch für die Platzierung von Wertpapieren durch Finanzintermediäre. Die bloße Zulassung von Wertpapieren zum Handel an einem multilateralen Handelssystem oder die Veröffentlichung von Geld- oder Briefkursen ist nicht per se als öffentliches Angebot von Wertpapieren zu betrachten. Ein Prospekt sollte daher in diesen Fällen nur verlangt werden, wenn diese Tätigkeiten mit einer Mitteilung einhergehen, die ein öffentliches Angebot von Wertpapieren gemäß der Prospektverordnung darstellt. Die BaFin hat zur Konkretisierung des Begriffs des öffentlichen Angebots in Bezug auf die Zulässigkeit von wertpapierbezogener Kommunikation während des Sekundärmarkthandels im Juni 2013 ein Auslegungsschreiben veröffentlicht, das weiterhin entsprechend Anwendung findet.

1. Inhalt der Mitteilung

Die Informationen in der Mitteilung müssen den Anleger in die Lage versetzen, über den Kauf der Wertpapiere zu entscheiden. Ein öffentliches Angebot liegt danach vor, wenn Angaben zu den essentialia negotii wie etwa Kaufgegenstand und Preis bzw. Preisrahmen dargestellt sind. Soweit es bei Werbemaßnahmen oder anderen Hinweisen und Veröffentlichungen an solchen Angaben fehlt, weil beispielsweise nur Werbung für eine bestimmte Wertpapiergruppe (z.B. "XY-Zertifikate") gemacht wird, liegt kein öffentliches Angebot vor.

2. Mitteilung in jedweder Form und auf jedwede Art

Die Mitteilung muss eine zielgerichtete Ansprache der Anleger darstellen. Die bloße Beantwortung der Anfrage eines Anlegers stellt grundsätzlich kein öffentliches Angebot dar.

3. an die Öffentlichkeit

An den Begriff der Öffentlichkeit sind keine besonderen Anforderungen geknüpft. Auch Angebote, die sich nur an einen ausgewählten oder bekannten Personenkreis wie Mitarbeiter, bestimmte Berufsgruppen etc. richten, sind grundsätzlich öffentliche Angebote. Dasselbe gilt auch für Altaktionäre, denen Aktien aus einer Bezugsrechtsemission angeboten werden. Für Bezugsrechtsemissionen kann bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 14 Abs. 1 Unterabs. 1 lit. a) EU-Prospekt-VO die vereinfachte Offenlegungsregelung für Sekundäremissionen anwendbar sein. Bei Angeboten, die sich nur an einen zahlenmäßig begrenzten oder bekannten Personenkreis richten, kann überdies unter Umständen eine Ausnahme von der Prospektpflicht nach Art. 1 Abs. 4 lit. b) EU-Prospekt-VO vorliegen (s.u. unter V.1.).

4. im Inland

Die Anknüpfung der Prospektpflicht an ein öffentliches Angebot im Inland ergibt sich aus den Legaldefinitionen für Herkunftsmitgliedstaat und Aufnahmemitgliedstaat, die eine Anknüpfung an den Mitgliedstaat herstellen, in dem das öffentliche Angebot von Wertpapieren unterbreitet wird (vgl. Art 2 lit. m) und n) EU-Prospekt-VO). Die BaFin ist für die Billigung des Prospekts zuständig, wenn Deutschland der Herkunftsmitgliedstaat ist. Nur in diesen Fällen überwacht die BaFin die Prospektpflicht.

Der Inlandsbezug wird bejaht, wenn in der Bundesrepublik ansässige Anleger angesprochen werden sollen. Davon wird grundsätzlich ausgegangen, wenn das Angebot vom Inland aus zugänglich ist.

Für ein unbeschränkt zugängliches öffentliches Angebot im Internet bedeutet das, dass grundsätzlich die Öffentlichkeit auf der ganzen Welt angesprochen wird, sodass auch eine Prospektpflicht in Deutschland besteht.

Liegt kein Inlandsbezug vor, kann eine Prospektpflicht aufgrund ausländischer Gesetze bestehen, für die ausländische Behörden zuständig sind.

III. Zulassung zum Handel an einen geregelten Markt

Eine Prospektpflicht besteht auch dann, wenn Wertpapiere im Inland an einem geregelten Markt im Sinne des Art. 2 lit. j) EU-Prospekt-VO zum Handel zugelassen werden sollen. Da das Vorliegen eines Prospekts nach § 32 Abs. 3 Nr. 2 Börsengesetz Voraussetzung für die Börsenzulassung ist, prüfen die Börsen im Rahmen des Zulassungsverfahrens, ob ein Prospekt bzw. eine Ausnahme von der Prospektpflicht nach Art. 1 Abs. 5 EU-Prospekt-VO vorliegt.

Deutsche Börsen

Weitere Informationen zur Zulassung sowie zu den einzelnen Marktsegmenten finden Sie auf den Internetseiten der deutschen Börsen.

IV. Keine Prospektpflicht bei öffentlichen Angeboten unter 1 Mio.

Eine Prospektpflicht besteht gem. Art 1 Abs. 3 Unterabs. 1 EU-Prospekt-VO nicht für öffentliche Angebote mit einem Gesamtgegenwert in der EU (einschließlich EWR) von weniger als 1 Mio. €. Diese Obergrenze ist über einen Zeitraum von 12 Monaten zu berechnen. Allerdings kann für öffentliche Angebote von Wertpapieren unter der 1 Mio. €-Grenze ein freiwilliger Prospekt erstellt werden. Außerdem ist das WIB-Regime zu beachten.

V. Ausnahmen

1. Ausnahmen von der Prospektpflicht bei öffentlichen Angeboten

Wertpapiere können ohne einen zuvor von der BaFin gebilligten Prospekt öffentlich angeboten werden, wenn nach der Art des Angebots einer der Ausnahmetatbestände des Art. 1 Abs. 4 EU-Prospekt-VO einschlägig ist.

In Art. 1 Abs. 4 lit. a) bis lit. l) EU-Prospekt-VO werden die Ausnahmen geregelt, die sich auf die Art des Angebots beziehen. Eine solche Ausnahme von der Prospektpflicht liegt vor, wenn

  • sich das Angebot ausschließlich an qualifizierte Anleger richtet. Qualifizierte Anleger sind solche nach Anhang II Abschnitt I und II der MiFID II, also professionelle Kunden oder geeignete Gegenparteien;
  • sich das Angebot pro Mitgliedsstaat an weniger als 150 nicht qualifizierte Anleger richtet. Die Angebotsmitteilung darf dann nur für maximal 149 Personen zugänglich sein. Also müssen entweder gezielt höchstens 149 konkrete Personen angesprochen werden, oder es muss durch technische Maßnahmen verhindert werden, dass mehr als 149 Personen die Angebotsmitteilung lesen können. Diese Ausnahme kann jedoch nicht in Anspruch genommen werden, indem das Angebot willkürlich in mehrere Teile, die sich jeweils an weniger als 150 Personen richten, aufgeteilt wird. Solche Angebotsteile wären als einheitliches Angebot zu betrachten, das die Prospektpflicht auslöst;
  • die Wertpapiere eine Mindeststückelung von 100.000 € haben;
  • sich das Angebot nur an Anleger richtet, die Wertpapiere ab einem Mindestbetrag von 100.000 € je Angebot erwerben können;
  • Aktien im Austausch für bereits ausgegebene Aktien derselben Gattung ausgegeben werden, ohne dass mit der Ausgabe dieser neuen Aktien eine Kapitalerhöhung verbunden ist. Dies kann beispielsweise geschehen, wenn das Grundkapital einer AG neu gestückelt wird;
  • ein Tausch von Wertpapieren anlässlich einer Übernahme erfolgt, sofern ein Dokument der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt wurde, das Informationen zu der Transaktion und ihren Auswirkungen auf den Emittenten enthält;
  • Wertpapiere anlässlich einer Verschmelzung oder Spaltung angeboten oder zugeteilt werden bzw. zugeteilt werden sollen, sofern ein Dokument der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt wurde, das Informationen zu der Transaktion und ihren Auswirkungen auf den Emittenten enthält;
  • Aktionäre ausgeschüttete Dividenden in Form von Aktien derselben Gattung erhalten, sofern ein Dokument zur Verfügung gestellt wird, das Informationen über die Anzahl und die Art der Aktien enthält und in dem die Gründe und Einzelheiten des Angebots dargelegt werden;
  • Wertpapiere derzeitigen oder ehemaligen Führungskräften oder Beschäftigten von ihrem Arbeitgeber oder von einem verbundenen Unternehmen angeboten oder zugeteilt werden bzw. zugeteilt werden sollen, sofern ein Dokument zur Verfügung gestellt wird, das Informationen über Anzahl und Art der Wertpapiere enthält und in dem die Gründe und Einzelheiten des Angebots oder der Zuteilung dargelegt werden;
  • bestimmte Nichtdividendenwerte von einem Kreditinstitut dauernd oder wiederholt begeben werden, wobei der aggregierte Gesamtgegenwert der angebotenen Wertpapiere in der Union weniger als 75 000 000 € pro Kreditinstitut über einen Zeitraum von 12 Monaten beträgt (wobei diese Ausnahme für die Zeit vom 18. März 2021 bis zum 31. Dezember 2022 auf einen Schwellenwert von weniger als 150 000 000 € ausgeweitet ist); oder
  • ein von einem im Rahmen der Verordnung (EU) 2020/1503 des Europäischen Parlaments und des Rates zugelassenen Schwarmfinanzierungsdienstleister unterbreitetes öffentliches Angebot von Wertpapieren vorliegt, sofern es nicht den in Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe c jener Verordnung genannten Schwellenwert übersteigt.

Nach Art 5 Abs. 1 Unterabs. 2 EU-Prospekt-VO ist ein Prospekt nicht erforderlich, wenn Finanzintermediäre Wertpapiere weiterverkaufen, sofern bereits ein gültiger Prospekt vorliegt und der Emittent bzw. die Personen, die die Verantwortung für den Prospekt übernommen haben, der Verwendung des Prospekts in einer schriftlichen Vereinbarung zugestimmt haben. Ob und in welchem Umfang eine solche Zustimmung erteilt wird, muss im Prospekt angegeben sein.

2. Ausnahmen von der Prospektpflicht bei Zulassungen zum Handel

Ausnahmen von der Pflicht zur Erstellung eines Prospekts aufgrund einer Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt finden sich in Art 1 Abs. 5 EU-Prospekt-VO. Ob eine solche Ausnahme einschlägig ist, entscheiden in erster Linie die Börsen im Rahmen des Zulassungsverfahrens.

Die Pflicht zur Veröffentlichung eines Prospekts für die Zulassung bestimmter Arten von Wertpapieren zum Handel an einem geregelten Markt entfällt u.a. für:

  • Wertpapiere, die mit bereits zum Handel am selben geregelten Markt zugelassenen Wertpapieren fungibel sind, sofern sie über einen Zeitraum von 12 Monaten weniger als 20 % der Zahl der Wertpapiere ausmachen, die bereits zum Handel am selben geregelten Markt zugelassen sind;
  • Aktien, die aus der Umwandlung oder dem Eintausch anderer Wertpapiere oder aus der Ausübung der mit anderen Wertpapieren verbundenen Rechte resultieren, sofern es sich dabei um Aktien derselben Gattung wie die bereits zum Handel am selben geregelten Markt zugelassenen Aktien handelt und, sofern anwendbar, sie über einen Zeitraum von 12 Monaten weniger als 20 % der Zahl der Aktien derselben Gattung ausmachen, die bereits zum Handel am selben geregelten Markt zugelassen sind;
  • Wertpapiere, die aus der Umwandlung oder dem Tausch anderer Wertpapiere, Eigenmittel oder anrechnungsfähiger Verbindlichkeiten durch eine Abwicklungsbehörde resultieren;
  • Aktien, die im Austausch für bereits am selben geregelten Markt zum Handel zugelassene Aktien derselben Gattung ausgegeben werden, sofern mit der Emission dieser Aktien keine Kapitalerhöhung des Emittenten verbunden ist;
  • Wertpapiere, die anlässlich einer Übernahme im Wege eines Tauschangebots angeboten werden, sofern der Öffentlichkeit ein Dokument zur Verfügung gestellt wurde, das Informationen zu der Transaktion und ihren Auswirkungen auf den Emittenten enthält;
  • Wertpapiere, die anlässlich einer Verschmelzung oder Spaltung angeboten oder zugeteilt werden bzw. zugeteilt werden sollen, sofern der Öffentlichkeit ein Dokument zur Verfügung gestellt wurde, das Informationen zu der Transaktion und ihren Auswirkungen auf den Emittenten enthält.

VI. Opt-in Regelung

Die EU-Prospekt-VO sieht in Art. 4 ein „opt-in“ vor, das es Emittenten ermöglicht, einen freiwilligen Prospekt zu erstellen, selbst wenn der Anwendungsbereich nicht eröffnet ist oder Ausnahmen greifen und die Prospektpflicht entfällt. Der freiwillige Prospekt muss alle Anforderungen der EU-Prospekt-VO erfüllen. Voraussetzung für einen freiwilligen Prospekt ist aber in allen Fällen, dass ein Wertpapier vorliegt und dieses öffentlich angeboten oder zum Handel an einem geregelten Markt zugelassen werden soll.

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