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Stand:geändert am 09.03.2016 Versicherungsaufsicht

Kunden müssen sich darauf verlassen können, dass ein Versicherer über einen sehr langen Zeitraum hinweg stets die Leistungen erbringen kann, die sie mit ihm vereinbart haben. Die BaFin kontrolliert die Versicherungsunternehmen und trägt dazu bei, dass die Versicherer das Vertrauen, das die Kunden in sie setzen, rechtfertigen.

Hinweis

Nähere Informationen zur Tätigkeit der BaFin im Bereich der Versicherungsaufsicht finden Sie auf der Seite Versicherer & Pensionsfonds.

Hinweise, Warnungen und sonstige nützliche Informationen für Verbraucher finden Sie auf der Verbraucherseite der BaFin. Dort sind auch die verschiedenen Beschwerdemöglichkeiten aufgeführt.

Versicherungsaufsicht in Deutschland

Die Versicherungsaufsicht fußt auf dem Versicherungsaufsichtsgesetz, dem VAG. In Deutschland teilen sich der Bund und die Länder die Versicherungsaufsicht.

Aufgaben und Ziele der Versicherungsaufsicht

Das Versicherungswesen basiert auf Vertrauen: Kunden erwarten von einem Versicherer, dass er konstant und oftmals über einen sehr langen Zeitraum die vertraglich vereinbarten Leistungen erbringen kann. Mit ihrer Aufsicht über Versicherungsunternehmen erfüllt die BaFin daher wichtige soziale und wirtschaftliche Aufgaben und trägt zur langfristigen Stabilität des gesamten Finanzsektors bei. Gesetzliche Grundlage der Versicherungsaufsicht ist das VAG. Das Hauptziel der Versicherungsaufsicht ist nach § 294 VAG der Schutz der Versicherungsnehmer und der Begünstigten von Versicherungsleistungen. Sie achtet dabei auf die

  • ausreichende Wahrung der Belange der Versicherten,
  • dauernde Erfüllbarkeit der Verpflichtungen aus den Versicherungen und
  • ordnungsgemäße Durchführung des Geschäftsbetriebs und Einhaltung der Gesetze.

Besondere Bedeutung kommt dabei der Solvenzaufsicht zu. Die Versicherer haben insbesondere ausreichende versicherungstechnische Rückstellungen zu bilden, die Vermögenswerte nach dem Grundsatz der unternehmerischen Vorsicht anzulegen und die kaufmännischen Grundsätze einzuhalten.

Aufgabenteilung zwischen Bund und Ländern

Die Versicherungsaufsicht ist auf Bund und Länder aufgeteilt - entsprechend dem föderalistischen System der Bundesrepublik Deutschland.

Die BaFin beaufsichtigt für den Bund die in Deutschland tätigen privaten Versicherungsunternehmen, die wirtschaftlich von erheblicher Bedeutung sind und die öffentlich-rechtlichen Wettbewerbsversicherer, die über die Grenzen eines Bundeslandes hinaus tätig sind. Die Aufsichtsbehörden der Länder beaufsichtigen vor allem die öffentlich-rechtlichen Versicherer, deren Tätigkeit auf das jeweilige Bundesland beschränkt ist und diejenigen privatrechtlichen Versicherer, die wirtschaftlich von geringerer Bedeutung sind.

Reichweite der Versicherungsaufsicht

Alle privaten und öffentlich-rechtlichen Versicherungsunternehmen, die im Geltungsbereich des VAG die Privatversicherung betreiben und ihren Sitz in Deutschland haben, stehen somit entweder unter der Aufsicht der BaFin oder der Länderaufsichtsbehörden. Seit Anfang 2002 unterliegen auch Pensionsfonds und seit Dezember 2004 inländische Rückversicherer der uneingeschränkten Versicherungsaufsicht nach dem VAG, die durch die BaFin wahrgenommen wird. Versicherungsunternehmen mit Sitz in einem anderen EU-Staat oder einem Vertragsstaat des EWR, die im Wege des Dienstleistungsverkehrs Geschäfte in Deutschland betreiben, unterliegen primär der Aufsicht durch ihren Herkunftsstaat. Die BaFin schreitet in Absprache mit der ausländischen Aufsichtsbehörde aber ein, wenn sie Verstöße gegen allgemeine deutsche Rechtsgrundsätze feststellt.

Die Träger der Sozialversicherung - das heißt die gesetzlichen Krankenkassen, die gesetzliche Rentenversicherung, die Berufsgenossenschaften und die Arbeitslosenversicherung - unterliegen nicht der Aufsicht nach dem VAG. Sie werden von anderen staatlichen Stellen, wie etwa vom Bundesversicherungsamt, kontrolliert.

Erlaubniserteilung und laufende Aufsicht

Vor der eigentlichen Beaufsichtigung eines Versicherungsunternehmens durch die laufende Aufsicht steht die Erlaubniserteilung.

Die Erlaubnis und ihre Voraussetzungen

Versicherungsgeschäfte dürfen grundsätzlich erst dann betrieben werden, wenn das Unternehmen eine Erlaubnis der BaFin hat. Will ein Versicherer mit Sitz in Deutschland zum Betrieb des Versicherungsgeschäfts zugelassen werden, muss er verschiedene Voraussetzungen erfüllen. Hier einige Beispiele:

  • Das Unternehmen muss eine bestimmte Rechtsform haben - die einer Aktiengesellschaft (inkl. der SE), eines Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit oder einer öffentlich-rechtlichen Anstalt.
  • Der Versicherer darf nur Versicherungsgeschäfte und die damit unmittelbar zusammenhängenden Geschäfte betreiben, nicht aber versicherungsfremde Geschäfte. Außerdem gilt das Prinzip der Spartentrennung: So darf zum Beispiel ein Lebensversicherer nicht gleichzeitig Kranken- oder Schadenversicherer sein.
  • Das Unternehmen muss einen Geschäftsplan vorlegen, in dem es beschreibt, welche Risiken es decken will.
    Es hat die Grundzüge seiner Rückversicherungspolitik darzustellen.
  • Das Unternehmen muss nachweisen, dass es über genügend Eigenmittel verfügt. Die absolute Untergrenze der Mindeskapitalanforderung hängt von der Versicherungssparte ab, die betrieben werden soll. Darüber hinaus muss das Unternehmen nachweisen, dass es über Mittel für den Aufbau des Betriebs und der Verkaufsorganisation verfügt (Organisationsfonds). Außerdem hat der Versicherer nachzuweisen, dass er mindestens zwei Geschäftsleiter (Vieraugenprinzip) hat, die zuverlässig und fachlich geeignet sind. Die Geschäftsleiter müssen ausreichende Kenntnisse im jeweiligen Versicherungsgeschäft und ausreichende Leitungserfahrung vorweisen können.
  • Daneben hat der Versicherer auch die Personen, die für Schlüsselaufgaben verantwortlich sein sollen, zu benennen und deren Zuverlässigkeit und fachliche Eignung jederzeit sicherzustellen.
  • Der Versicherer muss darüber hinaus die natürlichen oder juristischen Personen nennen, die am Unternehmen eine bedeutende Beteiligung - mithin mindestens 10% des Nennkapitals oder des Gründungsfonds - halten. Die Inhaber bedeutender Beteiligungen haben ebenfalls bestimmte Anforderungen zu erfüllen, um die Gewähr für eine solide und umsichtige Führung des Unternehmens zu bieten.

Die laufende Aufsicht

Die Versicherungsaufsicht überwacht Unternehmen, denen sie die Erlaubnis erteilt hat, laufend. Sie sammelt Informationen, wertet sie aus und beobachtet den Geschäftsbetrieb des Versicherers, um Missständen vorzubeugen oder solche rechtzeitig zu erkennen. Treten Missstände auf, schreitet die Aufsichtsbehörde ein, um möglichst schnell wieder geordnete Verhältnisse herzustellen.

Bei der laufenden Aufsicht achtet die BaFin vor allem auf folgende Punkte:

  • Das Versicherungsunternehmen muss seinen Geschäftsbetrieb ordnungsgemäß führen und alle gesetzlichen und aufsichtsbehördlichen Vorschriften einhalten. Den gesetzlichen Rahmen geben vor allem das Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG), das Versicherungsvertragsgesetz (VVG) und das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) vor.
  • Bei Lebensversicherungen haben die Mitarbeiter der Versicherungsaufsicht zum Beispiel darüber zu wachen, dass die Überschussbeteiligungen angemessen sind und dass Leistungen korrekt erbracht werden.
  • Das Versicherungsunternehmen muss für die erwarteten Leistungen angemessene Prämien erheben und ausreichende versicherungstechnische Rückstellungen bilden.
  • Die Kapitalanlage muss nach dem Grundsatz der unternehmerischen Vorsicht erfolgen. Das Soll des Sicherungsvermögens muss mit entsprechenden geeigneten Vermögensanlagen bedeckt sein. Außerdem muss das Unternehmen über genügend freie Finanzmittel verfügen, um unerwartete Verluste verkraften zu können.
  • Das Versicherungsunternehmen muss die kaufmännischen Grundsätze einhalten. So haben zum Beispiel Buchführung und Rechnungslegung ordnungsgemäß zu sein. Bilanzen und Erfolgsrechnungen haben die tatsächliche Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens widerzuspiegeln. Außerdem muss das Versicherungsunternehmen zur Planung, Steuerung und Kontrolle ein angemessenes internes Kontrollsystem installieren.
  • Das Versicherungsunternehmen muss gem. § 24 VAG sicherstellen, dass alle Personen, die das Unternehmen leiten oder andere Schlüsselaufgaben innehaben, persönlich und fachlich geeignet sind.
  • Die Eigenmittelausstattung (Solvabilität) des Versicherungsunternehmens muss ausreichend sein, andernfalls hat der Versicherer der Aufsicht bei Unterschreiten der Solvabilitätskapitalanforderung einen Sanierungsplan und bei Unterschreiten der Mindestkapitalanforderung einen Finanzierungsplan vorzulegen.
  • Darüber hinaus müssen sich Versicherungsunternehmen angemessen rückversichern.

Wichtige Informationen erhält die Aufsicht aus der Rechnungslegung der Unternehmen. Versicherer müssen nicht nur der Öffentlichkeit gegenüber, sondern vor allem der Aufsichtsbehörde gegenüber Rechnung legen und die Informationen liefern, die zur Feststellung der wirtschaftlichen und finanziellen Lage der Unternehmen benötigt werden. Hier sind unter anderem die Prüfungsberichte zum Jahresabschluss, die Geschäftsberichte und narrative sowie quantitative Berichtspflichten der Versicherer zu nennen.

In gewissen Abständen oder bei Bedarf verschafft sich die Aufsicht auch durch örtliche Prüfungen am Sitz des Unternehmens vertiefte Einblicke über die Lage des Unternehmens. Die Mitarbeiter der Aufsicht suchen unter Umständen aber auch die Geschäftsstellen oder Zweigniederlassungen in anderen Staaten der EU und des EWR auf. Ihnen sind auf Verlangen alle Unterlagen vorzulegen und alle gewünschten Auskünfte zu geben.

Die BaFin verfügt über verschiedene Mittel, um gegenüber den Versicherungsunternehmen einzugreifen. Sie kann nach dem VAG alle Anordnungen treffen, die "geeignet und erforderlich" sind, um Missstände, die die Belange der Versicherten gefährden, zu vermeiden oder zu beseitigen. Man spricht vor allem dann von einem Missstand, wenn ein Unternehmen die für den Betrieb des Versicherungsgeschäftes geltenden gesetzlichen und aufsichtsbehördlichen Vorschriften nicht beachtet.

Das VAG gibt der BaFin neben dieser Generalklausel eine Reihe von Sonderbefugnissen an die Hand, um bestimmten typischen Gefahren vorzubeugen. Diese Sonderbefugnisse sind weit reichend. Die Aufsichtsbehörde kann einen Sonderbeauftragten für den Vorstand, den Aufsichtsrat oder andere Organe der Gesellschaft einsetzen. Sie kann sogar die Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb widerrufen. Die BaFin kann auch anlassbezogene Umfragen durchführen, etwa zu den Auswirkungen von rückläufigen Aktienkursen auf das Sicherungsvermögen (z.B. im Rahmen von Prognoserechnungen).

Geschichte der Versicherungsaufsicht

Die einheitliche, staatliche Versicherungsaufsicht in Deutschland kann auf eine mehr als hundertjährige Geschichte zurückblicken: Ihre Entstehung geht auf das Reichsgesetz über die privaten Versicherungsunternehmungen zurück, das am 12. Mai 1901 erlassen wurde und am 1. Januar 1902 in Kraft trat. Mit ihm wurde das Kaiserliche Aufsichtsamt für Privatversicherung in Berlin geschaffen, das am 1. Juli seine Tätigkeit aufnahm. Das Kaiserliche Aufsichtsamt machte sich zunächst daran, Aufsichtsgrundsätze zu erarbeiten und alle der Aufsicht unterstehenden Versicherungsunternehmen erstmals zu erfassen. Am 30. Mai 1908 erließ der Gesetzgeber dann das Gesetz über den Versicherungsvertrag, das am 1. Januar 1910 in Kraft trat.

Die Entwicklung der einheitlichen Versicherungsaufsicht wurde durch den Ersten Weltkrieg unterbrochen. Unter dem Eindruck des darauf folgenden wirtschaftlichen Zusammenbruchs - und vor allem der galoppierenden Inflation - weitete der Gesetzgeber die Eingriffsbefugnisse der Versicherungsaufsicht aus. In den frühen Jahren der Weimarer Republik bemühte sich die Behörde, die ab 1918 "Reichsaufsichtsamt für Privatversicherung" genannt wurde, wieder zu einer geregelten Aufsicht zurück zu kehren. Im Sommer 1929 brach die Frankfurter Allgemeine Versicherungsaktiengesellschaft (FAVAG) zusammen und es ertönte der Ruf nach einer Verschärfung der Aufsicht. Durch das Gesetz zur Änderung des Versicherungsaufsichtsgesetzes vom 30. März 1931 wurde das Gesetz über die privaten Versicherungsunternehmungen umgestaltet. Die "materielle Staatsaufsicht" wurde erweitert und vertieft, und die Bausparkassenaufsicht eingeführt. Die Aufsichtsbehörde nannte sich fortan "Reichsaufsichtsamt für das Versicherungs- und Bausparwesen", während das umgestaltete Aufsichtsgesetz von nun an Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) hieß.

Die Machtübernahme der Nationalsozialisten im Jahr 1933 brachte auch für die Versicherungsaufsicht tief greifende Veränderungen mit sich. Im Jahre 1939 geriet die Aufsichtsbehörde vollends unter nationalsozialistischen Einfluss. 1943 übertrug man dem Amt die Aufsicht über alle privaten Versicherungsunternehmen und die Fachaufsicht über die öffentlich-rechtlichen Versicherungsanstalten. Von da an trug die Behörde den Namen "Reichsaufsichtsamt für das Versicherungswesen".

Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges brach die einheitliche Versicherungsaufsicht zusammen. Das Reichsaufsichtsamt existierte nicht mehr, und die Besatzungsmächte übernahmen die Verantwortung für die Versicherungsaufsicht. Aber schon Ende 1945 begann man mit dem Wiederaufbau der Versicherungsaufsicht. Auch wenn die Besatzungsmächte dabei unterschiedliche Konzeptionen verfolgten, waren die Aufsichtsämter der westlichen Besatzungszonen doch bestrebt, der Versicherungswirtschaft zu helfen, die größten Notstände zu beseitigen. Grundlage der Aufsicht war das inzwischen veraltete Versicherungsaufsichtsgesetz. Die Lebensversicherer waren am stärksten von den Kriegsfolgen und der damit verbundenen Vernichtung von Vermögensgegenständen betroffen. Die Sachversicherer rangen mit den Kriegsschäden. Die Aufsichtsbehörden leisteten in der Situation vor allem einen stabilisierenden Beitrag, unter anderem auch, indem sie Sonderbeauftragte in diejenigen Versicherungsunternehmen entsandten, die durch die Verlagerung ihres Sitzes und den Verlust ihrer Mitarbeiter nicht mehr ordnungsgemäß funktionierten.

Der nächste tiefe Einschnitt in die gesamte Volkswirtschaft folgte mit der Währungsreform am 20. Juni 1948. Nachdem bereits die Inflation von 1922/23 die Lebensgrundlagen eines großen Teils der Bevölkerung vernichtet hatte, verloren Angehörige derselben Generation ein weiteres Mal nahezu ihre gesamten Ersparnisse. Auch alle auf Reichsmark lautenden Forderungen an Versicherungsunternehmen wurden im Verhältnis 1:10 abgewertet. Die verbliebenen Aktiva der Versicherer reichten aber dennoch bei weitem nicht aus, um alle Verpflichtungen aus den umgestellten Versicherungsverträgen zu decken. Die Militärregierungen gewährten den Versicherern darum per Gesetz Ausgleichsforderungen gegen die Länder - insgesamt in Höhe von 3,1 Mrd. DM. Ohne diese Forderungen wäre der Ruin nahezu aller Versicherer besiegelt gewesen.

Die Zersplitterung der Versicherungsaufsicht im Nachkriegsdeutschland wurde als störend empfunden. In der Diskussion um die Neuregelung war unstreitig, dass das VAG weiter gelten sollte; Uneinigkeit herrschte indes darüber, ob auch öffentlich-rechtliche Versicherer der Aufsicht unterliegen sollten. Am 4. August 1951 trat schließlich das Gesetz über die Errichtung eines Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungs- und Bausparwesen (BAV) in Kraft. Das BAV nahm am 1. April 1952 seine Arbeit in Berlin auf - übrigens als erste Bundesbehörde mit Sitz in diesem Bundesland. Es war zuständig für die Aufsicht über die privaten Versicherungsunternehmen und die öffentlich-rechtlichen Wettbewerbsversicherungsunternehmen, die über den Bereich eines Bundeslandes hinaus tätig sind.

Die ersten beiden Jahrzehnte nach der Gründung des BAV waren im Vergleich zu den ersten Nachkriegsjahren eine ruhige Zeit. Die Grundkonzeption der Versicherungsaufsicht blieb erhalten: Ihr oberstes Ziel blieb der Schutz der Versicherten. Daneben rückte das reibungslose Funktionieren der Branche und dementsprechend eine angemessene Kapitalausstattung der Versicherer weiter ins Blickfeld der Aufsicht.

Die Gesetzgebung der 50er und 60er Jahre brachte nur wenige wirklich bedeutsame Änderungen für die Versicherungsaufsicht. Nachhaltig auf die Arbeit des BAV wirkte sich allein das im Januar 1958 in Kraft getretene Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen aus, das die Zuständigkeit für Kartellabreden bei Versicherern auf die Kartellbehörde übertrug.

Zu Beginn des Jahre 1973 wanderten die Bausparkassen mit Inkrafttreten des Gesetzes über Bausparkassen aufsichtsrechtlich unter das Dach des damaligen Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen. Damit schrumpfte nicht nur die Zuständigkeit, sondern auch der Name der Behörde - und zwar auf "Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen".

Das heutige Aufsichtsrecht beruht in weiten Teilen auf Entwicklungen auf europäischer Ebene, die seit Mitte der 70er Jahre die deutschen Normen und damit auch die Aufgaben und die Arbeitsweise des BAV prägten.

In den 70er und frühen 80er Jahren erfolgten zwei grundlegende Veränderungen durch die EG-Schadenversicherungsrichtlinie und EG-Lebensversicherungsrichtlinie. Im Zuge teilweiser Harmonisierung der nationalen aufsichtsrechtlichen Vorschriften wurden für Unternehmen mit Sitz in den Mitgliedsstaaten die Voraussetzungen für die Errichtung von Niederlassungen und schließlich auch für die Versicherungstätigkeit im so genannten Dienstleistungsverkehr wesentlich erleichtert. Mit der Versicherungsbilanzrichtlinie aus 1991 und den Dritten Richtlinien für die Schaden- und die Lebensversicherung aus 1992 wurde auf europäischer Ebene das Aufsichtsrecht nahezu vereinheitlicht. 1994 führte dies zu einem Binnenmarkt im Versicherungswesen.

Die wichtigste Änderung stellt die Einführung des Sitzlandprinzips dar. Ein Unternehmen mit Sitz in einem Mitgliedstaat der EU bzw. einem anderen Vertragsstaat des EWR wird für seine gesamte Geschäftstätigkeit im EWR hauptsächlich von der Heimatbehörde beaufsichtigt, diese erteilt die Zulassung und führt auch die laufende Finanzaufsicht in alleiniger Verantwortung. Die Rechtsaufsicht teilt sie sich allerdings mit den Behörden des jeweiligen Staates.

Im Rahmen der Deregulieung im Jahre 1994 wurden mit der Abschaffung jeder Vorabgenehmigung der Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) und der Tarife weitere Meilensteine der Neugestaltung des VAG beschlossen; außerdem wurde die Verpflichtung zur Aktionärskontrolle von Versicherungsunternehmen begründet.

Mit dem Bonn-Berlin-Gesetz von 1994 war der Umzug des BAV von der neuen Hauptstadt nach Bonn beschlossen worden. Erste Schritte in Richtung Bonn hatte das BAV im August 1999 mit der Eröffnung ihrer dortigen Außenstelle gemacht. Ende Oktober 2000 verlagerte die Behörde endgültig ihren Sitz an den Rhein.

Zur Bündelung der Aufsichtsaktivitäten in einer Allfinanzaufsichtsbehörde wurde das BAV zum 1. Mai 2002 mit den Bundesaufsichtsämtern für das Kreditwesen (BAKred) und den Wertpapierhandel (BAWe) zur Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) mit Sitz in Bonn verschmolzen.

Nach intensiven Vorarbeiten, die sich über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren erstreckten, trat zum 1. Januar 2016 mit Solvency II ein europaweit einheitliches Aufsichtssystem in Kraft. Es steht damit am Endpunkt eines Harmonisierungsprozesses, der nach der Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft 1956 in Gang gesetzt wurde. Die Solvency-II-Richtlinie (Richtlinie 2009/138/EG) führt weiterentwickelte Solvabilitätsanforderungen für Versicherer ein, denen eine ganzheitliche Risikobetrachtung zugrunde liegt, und stellt marktwertorientierte Bewertungsvorschriften für Vermögenswerte und Verbindlichkeiten auf. Auf diese Weise soll das Risiko der Insolvenz eines Versicherers verringert werden.

Ein zentrales Wesensmerkmal des neuen Aufsichtsregimes ist die prinzipienbasierte Herangehensweise. In einem prinzipienbasierten System gibt der Gesetzgeber weitgehend keine konkreten Regeln vor, sondern formuliert Prinzipien, die jeweils eine bestimmte Zielrichtung verfolgen. Diese Prinzipien haben zunächst einen generellen, für alle Unternehmen allgemeingültigen Charakter, die ihnen Umsetzungsspielräume belässt. Die Anwendung der Prinzipien erfordert eine individuelle Prüfung des Einzelfalls.

Ein weiteres wesentliches Merkmal von Solvency II ist der Proportionalitätsgrundsatz als Ausdruck des allgemeinen Verhältnismäßigkeitsprinzips. Durch den Proportionalitätsgrundsatz sollen die individuellen Besonderheiten der Versicherungsunternehmen angemessener berücksichtigt werden, so dass sich daraus insbesondere für mittlere und kleinere Versicherungsunternehmen Erleichterungen ergeben können.

In den Anwendungsbereich der Solvency-II-Richtlinie fallen sowohl Erst- als auch Rückversicherer unabhängig von ihrer Rechtsform. Ausgenommen sind Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung und Sterbekassen. Kleine Versicherer, deren jährliche verbuchte Bruttoprämieneinnahmen kleiner als fünf Mio. Euro oder deren versicherungstechnische Bruttorückstellungen weniger als 25 Mio. Euro betragen, müssen grundsätzlich die Regeln von Solvency II ebenfalls nicht anwenden.

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