Thema Eigenmittel Drei Jahre Solvency II
Beitrag aus dem Jahresbericht 2018 der BaFin
Das europäische Aufsichtsregime Solvency II stand und steht weiterhin – wie geplant – auf dem Prüfstand (siehe Infokasten). Drei Jahre nach seinem Inkrafttreten Anfang 2016 übersteigen nach Ansicht der BaFin die Fortschritte, die Solvency II mit sich gebracht hat, die Bremseffekte, die ihm unterstellt werden. Kritiker bemängeln, dass es zu aufwändig sei, den Berichtspflichten nachzukommen, oder dass kleinere Versicherer benachteiligt würden.
Auf einen Blick:Solvency-II-Review
Im Rahmen des 2018 angelaufenen Solvency-II-Reviews hat die Europäische Kommission eine Überarbeitung der Delegierten Verordnung vorgelegt, die Durchführungsbestimmungen zu Solvency II enthält. Den Empfehlungen der Europäischen Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung EIOPA (European Insurance and Occupational Pensions Authority) zum Zinsänderungsrisiko übernahm die Kommission dabei nicht. Das Zinsänderungsrisiko soll nun Gegenstand des Gesamtüberprüfungsprozesses im Jahr 2020 (Review 2020) sein. Die BaFin hält es weiterhin für dringend geboten, das Zinsänderungsrisiko anzupassen, und unterstützt daher den Vorschlag von EIOPA. Die geänderte Fassung der Delegierten Verordnung sieht vor, verschiedene Risikofaktoren zu rekalibrieren. Vorgesehen sind auch Vereinfachungen für einzelne Risikomodule wie das Gegenparteiausfallrisiko, was die BaFin begrüßt. Die Kommission hat die geänderte Delegierte Verordnung am 8. März 2019 dem Europäischen Rat und dem Europäischen Parlament vorgelegt. Diese haben dann ein dreimonatiges Widerspruchsrecht.
Review 2020
Zu den Bestandteilen von Solvency II, welche die EU-Kommission ab 2020 überprüfen muss, gehören die langfristigen Garantien und Maßnahmen gegen Aktienrisiken, die Methoden, Annahmen und Standardparameter, die bei der Berechnung der Solvenzkapitalanforderung (Solvency Capital Requirement – SCR) nach der Standardformel verwendet werden, sowie die Vorschriften und Praxen der Aufsichtsbehörden zur Berechnung der Mindestkapitalanforderung (Minimum Capital Requirement – MCR). Außerdem wird der Nutzen einer verstärkten Gruppenaufsicht und eines verstärkten Kapitalanlagemanagements innerhalb einer Gruppe geprüft. Einen entsprechenden Call for Advice hat die EU-Kommission an EIOPA gerichtet.
Dazu sagte Dr. Frank Grund, Exekutivdirektor Versicherungs- und Pensionsfondsaufsicht: „Der Kritik will ich Positives entgegenhalten: Die Gesamtheit der aus dem Solvency and Financial Condition Report (SFCR), dem Regular Supervisory Reporting (RSR) sowie dem Own Risk and Solvency Assessment (ORSA) bestehenden Berichtspflichten zwingt Versicherungsunternehmen dazu, sich mit den wesentlichen Merkmalen ihres Schaffens auseinanderzusetzen – mit ihren Kunden, ihrer Governance und ihrem Risikoprofil.“
Pauschaler Vorwurf
Auch der Unverhältnismäßigkeitsvorwurf sei ihm zu pauschal, führte Grund aus. Die Herausforderung, die Solvency II für die Unternehmen darstelle, sei differenziert zu betrachten. Der Hintergrund: Solvency II gilt nur für Versicherer, die gewisse Schwellenwerte erreichen. Das Prinzip der doppelten Proportionalität besagt zudem, dass bei der Regulierung und bei deren Anwendung in der aufsichtlichen Praxis die Art, der Umfang und die Komplexität des Risikos eines Unternehmens zu berücksichtigen sind. Auch auf Seiten des beaufsichtigten Unternehmens sollen der Aufwand zur Erfüllung regulatorischer Vorschriften und das eigene Risikoprofil in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen.
Vorteile für den europäischen Markt
Die Errungenschaft von Solvency II für den europäischen Markt besteht nach Ansicht von Grund darin, dass das Risikomanagement von Versicherern gestärkt und die Anforderungen daran europaweit vereinheitlicht worden seien. Zugegebenermaßen sei aber nicht alles perfekt. Einzelne Berichtspflichten zum Beispiel könnten durchaus vereinfacht und vom Umfang her reduziert werden.
Er unterstütze auch die im Rahmen des SCR-Reviews ausgesprochene Empfehlung von EIOPA an die EU-Kommission, das Zinsänderungsrisiko neu zu bewerten (siehe Infokasten „Review 2020“). Die aktuelle Standardformel kenne keine negativen Zinsen und habe sich damit sowohl von der Realität als auch von den internen Modellen entfernt. Sollte der Gesetzgeber beim Solvency-II-Review eine Kapitalentlastung für langfristiges Geschäft einführen, um dadurch zum Beispiel Anlagen in Nachhaltigkeitsprojekte zu fördern, müsse aus Aufsichtsperspektive sichergestellt sein, dass oberster Maßstab immer das richtige Risikomanagement bleibt.