Thema Sanierung/Abwicklung Abwicklungsplanung
Beitrag aus dem Jahresbericht 2018 der BaFin
Verglichen mit anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) ist die deutsche Bankenlandschaft überdurchschnittlich vielfältig: Aus Sicht der BaFin als NAB umfasst sie per Ende 2018 insgesamt 1.436 Kreditinstitute1 (ohne CRR-Wertpapierfirmen), für die eine Abwicklungsplanung erstellt werden muss. Davon fielen in die direkte Zuständigkeit des SRB 392 dieser Institute, da sie entweder der direkten Aufsicht der EZB unterlagen oder in der Eurozone grenzüberschreitend tätig waren. Müsste eines dieser Institute abgewickelt werden, wäre das SRB unter Mitwirkung der BaFin zuständig für die entsprechenden Beschlüsse. Deren Umsetzung wiederum obliegt der BaFin. Was die verbleibenden 1.397 in Deutschland ansässigen Institute betrifft, so fallen Abwicklungsplanung und Anwendung von Abwicklungsmaßnahmen in den primären Zuständigkeitsbereich der BaFin als nationaler Abwicklungsbehörde. Zu dieser Gruppe von Instituten gehören die weniger bedeutenden Institute, die LSIs, die nicht grenzüberschreitend aktiv sind, sowie Finanzmarktinfrastrukturen mit Bankerlaubnis, die wegen ihrer Funktion als systemisch bedeutend gelten. Hinzu kommen signifikante Tochterunternehmen von Drittstaatsunternehmen. Für diese erstellt die BaFin Abwicklungspläne, deren Umfang sich nach der systemischen Relevanz der Institute und sonstigen qualitativen Kriterien richtet.
Ziel der Abwicklungsplanung ist es, die Abwicklungsfähigkeit des betroffenen Instituts herzustellen und zu gewährleisten. Dieses Ziel verfolgt die nationale Abwicklungsbehörde sowohl für SIs – in Zusammenarbeit mit dem SRB – als auch in alleiniger Verantwortung für LSIs. Einen besonderen Schwerpunkt legt die BaFin neben der Erstellung und Aktualisierung der Abwicklungspläne darauf, die Abwicklungsplanung weiterzuentwickeln. Dabei geht es insbesondere darum, Abwicklungsinstrumente zu operationalisieren und die Krisenbereitschaft der Institute und der Behörden zu verbessern, aber auch die internationale Zusammenarbeit zu stärken sowie operative Prozesse zu optimieren.
Fachkonferenz zur Bankenabwicklung
Am 30. Oktober 2018 lud die BaFin erstmals zu einer Fachkonferenz über das Thema Bankenabwicklung ein. Die Veranstaltung richtete sich in erster Linie an Vertreter von Instituten, die in primärer Verantwortung der BaFin liegen. Exekutivdirektor Dr. Thorsten Pötzsch begrüßte 180 Vertreter von Kreditinstituten, Verbänden und weiteren Institutionen der Finanzbranche am BaFin-Standort Frankfurt am Main.3 Die Konferenz sollte auch dazu dienen, bei den Teilnehmern das Bewusstsein dafür zu schärfen, die Abwicklungsfähigkeit stärker in die strategischen Überlegungen der Institute einzubeziehen. Die Paneldiskussion – unter anderem mit Repräsentanten von Verbänden, des SRM und des SSM – sowie verschiedene Fachvorträge widmeten sich aktuellen Themen der Abwicklungsplanung, der Abwicklungsinstrumente sowie der Frage, wie Hindernisse für eine Abwicklung identifiziert und aus dem Wege geschafft werden können.
Wesen der Abwicklungsplanung
Die Abwicklungsplanung beschränkt sich nicht darauf, einen Abwicklungsplan aufzustellen und zu aktualisieren. Eine ihrer Kernaufgaben besteht darin, die Abwicklungsfähigkeit der Institute zu bewerten (siehe Grafik „Von der Abwicklungsplanung zur Abwicklungsfähigkeit“). Am Anfang der Abwicklungsplanung stehen daher eine strategische Analyse des Instituts sowie die Aufgabe, das öffentliche Interesse an einer Abwicklung einzuschätzen (Public Interest Assessment – PIA). Auf Basis dieser Ergebnisse werden in den nächsten Schritten individuelle Abwicklungsstrategien und die dazugehörigen Abwicklungsinstrumente definiert, mögliche Abwicklungshindernisse identifiziert und auf deren Beseitigung hingearbeitet. Eine vollständige Implementierung des Abwicklungsregimes umfasst:
- die Festlegung der institutsspezifischen MREL
- (wenn erforderlich) die Anordnung, Abwicklungshindernisse beiseitezuräumen
- (wenn erforderlich) die Anordnung von Abwicklungsmaßnahmen
Grafik: Von der Abwicklungsplanung zur Abwicklungsfähigkeit
Der Abwicklungsplan stellt dabei eine Momentaufnahme der Abwicklungsplanung dar. Er ist ein standardisiertes, auf die Besonderheiten des Instituts zugeschnittenes Dokument, das die beteiligten Behörden im Abwicklungsfall als Vorlage nutzen, um Abwicklungsstrategien umzusetzen bzw. anzupassen. Die Abwicklungsplanung fungiert insofern als präventive Vorbereitung aller beteiligten Parteien auf mögliche Krisenszenarien. Sie erhöht zudem die Krisenfestigkeit der Institute, reduziert die Kosten der Abwicklung und wirkt dadurch systemstabilisierend.
Abwicklungsstrategie
Die Ausarbeitung einer angemessenen individuellen Abwicklungsstrategie steht im Mittelpunkt einer jeden Abwicklungsplanung. Bei der Auswahl von Abwicklungsstrategien berücksichtigt die Abwicklungsbehörde die übergeordneten Abwicklungsziele und wählt die am besten geeignete Strategie4 aus, um diese Ziele zu erreichen. Die Abwicklungsstrategie basiert daher auf den Erkenntnissen, die sich aus der Prüfung des PIA ergeben. Folgende Abwicklungsziele liegen den Strategieüberlegungen zugrunde:
- Sicherung der Kontinuität kritischer Funktionen
- Vermeidung erheblicher negativer Auswirkungen auf die Finanzstabilität
- Schutz öffentlicher Mittel
- Schutz der Einleger, die unter das Einlagensicherungsgesetz (EinSiG) fallen
- Schutz der Anleger, die unter das Anlegerentschädigungsgesetz (AnlEntG) fallen
- Schutz der Gelder und Vermögenswerte der Kunden
Um adäquate Abwicklungsstrategien zu definieren, spielen neben der Prüfung, ob sie überhaupt operativ umsetzbar sind, auch finanzielle, rechtliche und operationelle Risiken nach der Reorganisation des betreffenden Instituts eine wichtige Rolle. Zu berücksichtigen sind außerdem wichtige Einzelaspekte der Abwicklungsplanung wie etwa der Reorganisationsplan als gesetzliche Anforderung nach einer Gläubigerbeteiligung durch einen Bail-in, die Kommunikation mit dem Ziel, das Vertrauen des Marktes wiederherzustellen sowie die Liquiditätsplanung und -steuerung im Krisenfall.
Planungszyklus 2018
Jeder Planungszyklus basiert auf Leitlinien und festgelegten Schwerpunkten. Diese sind notwendig, um zum einen eine hohe Qualität und Operationalisierbarkeit der Abwicklungspläne zu erreichen und zum anderen eine konsistente und wettbewerbsgerechte Abwicklungsplanung für Institute zu implementieren. Im Jahr 2018 haben die IRTs die Inhalte der Abwicklungspläne weiter harmonisiert. Die stetige Weiterentwicklung der SRM-Grundsätze zu verschiedenen Themen hat die Qualität der Abwicklungspläne deutlich gesteigert. Dies betrifft insbesondere die Grundsätze zu kritischen Funktionen, zu den Mindestanforderungen an Eigenmittel und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten (MREL), zum Zugang zu FMIs sowie zur Kontinuität des Geschäftsbetriebs in der Abwicklung. Priorisierung und Umfang der Abwicklungsplanung orientieren sich dabei an der Systemrelevanz des jeweiligen Instituts oder ggf. sonstigen qualitativen Kriterien.
Institute unter primärer Verantwortung des SRB
Bei 24 SRB-Instituten erarbeiten das SRB und die BaFin im jeweiligen IRT gemeinsam die Abwicklungsplanung. Darüber hinaus arbeitete die BaFin bei 15 ausländischen Institutsgruppen unter primärer Verantwortung des SRB mit. Im Zuge des Brexits werden voraussichtlich einige ausländische Institute aus dem Zuständigkeitsbereich der BaFin in die Zuständigkeit des SRB übergehen.
Im Rahmen des iterativen Planungszyklus ist zu unterscheiden zwischen Instituten mit Abwicklungskollegium und solchen ohne, und zwar abhängig von der Präsenz in Mitgliedstaaten, die nicht an der Bankenunion teilnehmen. Der Planungszyklus für Institute ohne Abwicklungskollegium, der im Januar 2018 begonnen hatte, wurde in wesentlichen Teilen zum Ende des Berichtsjahres abgeschlossen. Für Institute mit einem Abwicklungskollegium ist der Prozess der Abwicklungsplanung im September 2018 angelaufen. Die Arbeiten für diese Institute werden plangemäß bis in das zweite Halbjahr 2019 reichen.
Institute unter primärer Verantwortung der BaFin
2018 hat die BaFin für insgesamt 604 nicht grenzüberschreitende (im Sinne der SRM-Verordnung) weniger bedeutende Institute Abwicklungsplanentwürfe erstellt. Bei 603 dieser LSIs ist aufgrund der derzeitigen Risikoeinschätzung ein ordentliches Insolvenzverfahren als mögliche Abwicklungsstrategie vorgesehen. Daneben entwickelte die BaFin für weitere weniger signifikante Institute erste präferierte Abwicklungsstrategien.
Fußnoten:
- 1 Die Gesamtzahl berücksichtigt nicht die Zweigstellen ausländischer Banken und Finanzdienstleister wie Wohnungsunternehmen mit Spareinrichtung, da diese Institute nicht im Verantwortungsbereich der NAB liegen.
- 2 Die Liste der Banken kann über die Webseite des SRB aufgerufen werden: https://srb.europa.eu/en/content/banks-under-srbs-remit.
- 3 Einen ähnlichen Austausch mit dem Bankensektor hat das SRB mit seinem jährlichen „Industry Dialogue“ in Brüssel etabliert.
- 4 Vgl. Operationalisierung der Abwicklungsinstrumente.