Nationales Aufsichtsrecht


Kapitel I

Allgemeine und besondere Aufsichtsthemen im Jahr 1999

1 Nationales Aufsichtsrecht

Im Berichtsjahr veröffentlichte das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen eine ganze Reihe von Rundschreiben, in denen es sich zu einzelnen Themen klarstellend äußerte.

Nach § 18 KWG müssen sich Kreditinstitute grundsätzlich die wirtschaftlichen Verhältnisse eines Kreditnehmers offenlegen lassen, sofern ein bestimmter Kreditbetrag nach Abzug eventuell vorhandener und geeigneter Sicherheit überschritten wird. Mit dem Rundschreiben 20/99 erweiterte das Bundesaufsichtsamt die Liste der in Frage kommenden Sicherheiten, so daß die Kreditinstitute nunmehr die Berücksichtigung weiterer Arten von Sicherheiten beim Aufsichtsamt beantragen können.

Rundschreiben zu § 18 KWG

Seit Inkrafttreten der 6. KWG-Novelle sind die Geschäfte der Institute entweder dem Handels- oder dem Anlagebuch zuzuordnen. Nach dieser Zuordnung entscheidet sich, welche Vorschriften des KWG und des Grundsatz I für ein Institut (Handelsbuch– oder Nichthandelsbuchinstitut) maßgeblich sind. Die Zweiteilung ist darüber hinaus von Bedeutung für die Ermittlung der Handelsbuch-Risikopositionen. Durch die Veröffentlichung des Rundschreibens 17/99 konnten die Abgrenzungskriterien für die Zuordnung der Geschäfte zum Handels- oder Anlagebuch verfeinert werden.

Abgrenzung zwischen Handels- und Anlagebuch

Weitere Rundschreiben aus dem Jahr 1999 befaßten sich beispielsweise mit dem Jahr-2000-Problem (Rundschreiben 15/99) oder der Behandlung von grundpfandrechtlich gesicherten Wertpapieren im Grundsatz I (Rundschreiben 9/99). Die gesammelten Rundschreiben aus dem Jahr 1999 sind in die Web-Site des BAKred eingestellt worden. Die Rundschreiben zu den Kreditderivaten und zur Ausgestaltung der internen Revision werden wegen ihrer besonderen Bedeutung in Kapitel I.3 ausführlich behandelt.

   

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2 Das Jahr-2000-Problem

Erfolgreicher Sprung ins nächste Jahrhundert

Die deutsche Kreditwirtschaft hat den Sprung in das 21. Jahrhundert erfolgreich bewältigt. Weder in der Silvesternacht noch in der Folgezeit mußten die Institute nennenswerte Störungen der Computersysteme melden. Damit waren die mehrjährigen Umstellungsarbeiten im deutschen Kreditgewerbe von Erfolg gekrönt.

Umstellungsarbeiten der Institute

Die Arbeiten der Institute konzentrierten sich neben der Entwicklung von Problembewältigungsstrategien auf die Anpassung der Soft- und Hardwaresysteme und die Implementierung der umgestellten Systeme. Zusätzlich zu den vorgesehenen Testläufen entwickelten die Kreditinstitute für den Ernstfall Ausfallpläne (Contingency Planning). Nach Schätzungen der Banken haben die Umstellungsarbeiten einen zweistelligen Milliardenbetrag gekostet.

Die Rolle der Bankenaufsicht

Das Bundesaufsichtsamt war zur Bewältigung des Jahr-2000-Problems auf verschiedenen Ebenen aktiv. In einem ersten Schritt versandte das BAKred Rundschreiben an die Verbände, Wirtschaftsprüfer und die Institute, um das Bewußtsein für die Jahr-2000-Problematik weiter zu intensivieren. Ferner wurden verschiedene Beiträge internationaler Gremien zur Jahr-2000-Problematik übersetzt und an die Institute weitergegeben. In diesen Gremien waren auch Mitarbeiter des BAKred vertreten. Dazu gehörte beispielsweise die beim Baseler Ausschuß für Bankenaufsicht eingerichtete Y2K-Task-Force. Schließlich initiierte das Aufsichtsamt ein Jahr-2000-Forum, das vom Zentralen Kreditausschusses (ZKA) organisiert wurde.

Danach informierte sich das Bundesaufsichtsamt gemeinsam mit der Deutschen Bundesbank in einem zweiten Schritt über den Stand der Umstellungsarbeiten bei den Instituten. Die Informationskampagne erstreckte sich über mehrere Jahre und betraf 3.600 Kreditinstitute bzw. seit dem 1. Januar 1998 rund 7.000 Finanzdienstleister. Für diese Zwecke initiierte das BAKred vier Fragebogenaktionen, die Aufschluß über den Stand der Umsetzungsarbeiten bei den Instituten geben sollten.

Einer intensiveren Beobachtung wurden 23 - international tätige - Großbanken unterzogen. Gleiches gilt auch für die Rechenzentren des Sparkassen- und des Genossenschaftssektors, die wesentliche EDV-Aufgaben für rund 2.500 angeschlossene Institute übernehmen. Die besondere Aufmerksamkeit lag daher nicht nur auf den Großbanken, sondern auch auf den zahlreichen kleineren Instituten, die für die Versorgung breiterer Bevölkerungsschichten mit Bankleistungen eine wesentliche Rolle spielen. Zu diesem Zweck führte das Aufsichtsamt in Halbjahresabständen

   

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Interviews mit Vertretern der großen Institute und der Rechenzentren über den Stand der Umstellungsarbeiten durch. Daneben wurde eine Vielzahl von informellen Gesprächen mit den Instituten, ihren Interessenvertretungen und auch Wirtschaftsprüfern geführt.

Zeichneten sich im Laufe der Fragebogenaktionen oder der durchgeführten Interviews Schwachstellen bei den Instituten ab, verlangte das Bundesaufsichtsamt die Behebung der Mängel.

Das Bundesaufsichtsamt setzte bei seinem Jahr-2000-Projekt seine Vorstellungen über eine qualitative Aufsicht vollständig um. Der Informationsgewinnung des Amtes dienten abweichend vom traditionellen Aufsichtsansatz nicht mehr nur externe Informationsquellen, wie beispielsweise die Prüfungsberichte der Wirtschaftsprüfer. Denn Informationen aus externen Quellen hätte das Aufsichtsamt zu spät erhalten, so daß eine zeitnahe Reaktion auf Defizite nicht möglich gewesen wäre. Dieser bankaufsichtliche "Time-Lag" wurde vermieden, indem das BAKred in erster Linie auf einen partnerschaftlichen Informationsaustausch zwischen Aufsicht und Instituten setzte. Der regelmäßige Gedankenaustausch mit Vorständen, Projektleitern oder Verbänden ermöglichte es dem Bundesaufsichtsamt, eigenes Know-how zu vertiefen. Dadurch konnte es die Jahr-2000-Projekte verschiedener Institute im Sinne eines "Benchmarking" vergleichen. Außerdem konnte das Aufsichtsamt - natürlich unter Wahrung der gebotenen Vertraulichkeit - Erkenntnisse von Instituten, deren Jahr-2000-Projekte schon weit fortgeschritten waren, an andere Institute weitergeben.

Diese Zusammenarbeit mit den Instituten machte es möglich, die Vorgaben des Aufsichtsamtes auf ein Minimum zu reduzieren. Sie beschränkten sich im wesentlichen auf zwei Bereiche: Die Zielvorgabe für das Abschlußdatum (30. Juni 1999) richtete sich auf den Stand der Umsetzungs- und Testarbeiten. Die Institute schafften für diese Zwecke eine separate Testumgebung, d.h. die Kundendaten wurden auf ein zweites Rechnersystem übertragen, und der Jahrhundertwechsel wurde auf diesen Rechnern simuliert. Darüber hinaus sollten die Institute im zweiten Halbjahr 1999 neue Softwaresysteme nur bei dringenden betriebswirtschaftlichen Gründen implementieren (Empfehlung einer "Frozen Zone"). Der Jahrhundertwechsel sollte möglichst mit den Softwaresystemen vollzogen werden, die im Verlauf der Vorbereitungen ausführlich getestet worden waren. Die kurzfristige Implementierung neuer Systeme hätte den Erfolg der Vorbereitungsarbeiten möglicherweise gefährden können. Auch das Bundesaufsichtsamt führte eine "Regulatory Frozen Zone" ein, indem es im zweiten Halbjahr 1999 keine IT-relevanten Regelungen erließ.

...ein Beispiel für qualitative Aufsicht

   

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Im Nachhinein erwies sich der qualitative Ansatz, in erster Linie auf den direkten Kontakt mit den Instituten zu setzen, als der einzig Richtige.

...nur ein Phantom?

Verschiedene Stellen warfen rückwirkend die Frage auf, ob die mit erheblichen Kosten verbundenen Umstellungsarbeiten der Institute angesichts der wenigen echten Jahr-2000-Probleme überhaupt gerechtfertigt waren. Hierbei darf jedoch nicht vergessen werden, daß die Institute vor Abschluß ihrer Umstellungsarbeiten einem asymmetrischen Entscheidungsproblem gegenüber standen. Die Überschätzung des Jahr-2000-Problems hätte immer zu Fehlausgaben in überschaubaren Größenordnungen geführt. Diese Kosten hätten die Institute ohne weiteres verkraften können. Dagegen hätte das Unterschätzen der Problematik im schlimmsten Fall die Existenz der Institute gefährdet. Auch weniger gravierende Umstellungsprobleme hätten vor dem Hintergrund der kritischen Beobachtung durch institutionelle Investoren, Ratingagenturen oder Kunden gerade bei den international tätigen deutschen Instituten zu erheblichen Standingverlusten geführt.

Das Fehlen spektakulärer Jahr-2000-Ereignisse darf auch nicht dazu führen, Ursache und Wirkung zu verwechseln. Es ist vor allem den intensiven Umstellungsarbeiten der Institute zu verdanken, daß keine nennenswerten Störfälle eingetreten sind. Ohne entsprechend intensive Vorbereitungen hätte es nach Einschätzung des Aufsichtsamtes durchaus zu ernsthaften Störungen im Finanzsektor kommen können. Die erheblichen Aufwendungen der Institute waren daher gut investiert. Es sollte auch nicht verkannt werden, daß ein Teil der Ausgaben für die Umstellungsaktivitäten in die Modernisierung der EDV-Systeme eingeflossen ist. Die Mittel sind daher über den Jahrhundertwechsel hinaus als vorgezogene Ersatz- oder Modernisierungsinvestitionen zum Vorteil der Institute eingesetzt worden.

Zunehmende Bedeutung der "Banken-IT"

Die Bankenaufsicht wird sich künftig verstärkt mit dem Thema "Informationstechnologie (IT) der Banken" auseinandersetzen. Die IT hat sich gerade im Bankensektor von einer reinen Hilfsfunktion zu einem Schlüsselfaktor entwickelt. Störfälle in diesem Bereich können gravierende Auswirkungen auf die Stabilität der Institute und den gesamten Zahlungsverkehr der Institute untereinander zur Folge haben. Da diesen Problemen nicht mit dem klassischen Instrumentarium der solvenzorientierten Aufsicht begegnet werden kann, muß das Bundesaufsichtsamt eigenes Know-how im IT-Bereich aufbauen. Erst dann ist die Bankenaufsicht in der Lage, frühzeitig derartige Probleme zu erkennen und entsprechende Gegenmaßnahmen einzuleiten.

   

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3 Besondere Aufsichtsthemen

3.1 Rundschreiben zur Internen Revision

Die Aufgaben der Innenrevision sind auch für die Bankenaufsicht von besonderer Bedeutung. Als institutsinternes Überwachungsorgan ist sie früher als der Abschlußprüfer oder gar die Aufsicht in der Lage, Schwachstellen in den Instituten zu erkennen und der Geschäftsleitung bekannt zu machen. Sie liefert außerdem wichtige Informationen und Erkenntnisse zur Vorbereitung der Jahresabschlußprüfung. Die Berichte über die Jahresabschlußprüfung sind wiederum eine wesentliche Erkenntnisquelle der Bankenaufsicht. Eine starke Stellung der Innenrevision ist daher nicht nur für die Institute, sondern auch für die Bankenaufsicht von Bedeutung. Insofern war es nur konsequent, den Stellenwert der internen Revision auch im Kreditwesengesetz zu verankern. Nach § 25a Abs. 1 KWG müssen die Institute daher über eine ordnungsgemäße Geschäftsorganisation und über ein angemessenes internes Kontrollverfahren verfügen. Ohne eine interne Revision ist weder eine ordnungsgemäße Geschäftsorganisation noch ein angemessenes internes Kontrollverfahren denkbar.

Das Bundesaufsichtsamt hatte bereits im Jahr 1976 eine Verlautbarung veröffentlicht, in der flexibel handhabbare Grundsätze für die Ausgestaltung der internen Revision formuliert worden waren. Seitdem sind jedoch Entwicklungen eingetreten, die eine Überarbeitung der alten Verlautbarung erforderlich machten.

Die rasanten Entwicklungen auf den Finanzmärkten haben die Banken zu einer grundsätzlichen Neuausrichtung ihrer Geschäftspolitik gezwungen. Die Institute mußten ihre inneren Strukturen an diese Entwicklungen beispielsweise durch die Errichtung moderner Risikomanagementsysteme anpassen. Davon betroffen waren auch die Aufgaben der internen Revision. Die Innenrevision entwickelt sich damit vom reinen Kontrollorgan zum integrativen Bestandteil der gesamtunternehmerischen Führung.

Die Verlautbarung aus dem Jahr 1976

Im Jahr 1999 begann das Aufsichtsamt mit der Neufassung der Anforderungen an die interne Revision. Dabei wurden unter anderem auch Beiträge internationaler Gremien berücksichtigt. Dazu zählt beispielsweise der 1998 vom Baseler Ausschuß veröffentlichte Beitrag "Framework for the Evaluation of Internal Control Systems", in dem neue Maßstäbe für die Tätigkeit der Innenrevision gesetzt wurden. Zudem suchte das Bundesaufsichtsamt frühzeitig die Diskussion mit außenstehenden Experten, z.B. Vertretern des Bankenfachausschusses des Instituts der Wirtschaftsprüfer oder des Instituts für Interne Revision.

Das neue Rundschreiben

   

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Das BAKred veröffentlichte das Rundschreiben zu den "Mindestanforderungen an die Ausgestaltung der Internen Revision der Kreditinstitute" am 17. Januar 2000.

Inhalt des Rundschreibens

Das Rundschreiben formuliert die an die neuen Entwicklungen angepaßten Grundsätze für die Revisionstätigkeit und deren Organisation. Es soll kein Revisionshandbuch sein.

Jedes Institut ist verpflichtet, eine Innenrevision einzurichten. Das gilt auch für einzelne Konzernunternehmen. Die interne Revision nimmt im Gegensatz zur internen Kontrolle ("prozeßabhängige Kontrolle") keine Überwachungsaufgaben im Tagesgeschäft wahr. Sie ist ein prozeßunabhängiges Überwachungsorgan, das im Auftrag der Unternehmensleitung tätig wird. Diese Abgrenzung bezweckt die Sicherstellung der Innenrevision als unabhängige Beurteilungsinstanz.

Das Bundesaufsichtsamt will mit diesem Rundschreiben außerdem die Verantwortung der Geschäftsleitung für die Einrichtung und Funktionsfähigkeit der Revision hervorheben und deutlich machen, wie wichtig die Unabhängigkeit der Revisionstätigkeit ist. Die Geschäftsleitung hat insbesondere zu gewährleisten, daß die Revisorenteams über umfassende Kenntnisse verfügen, die der Art ihrer Aufgabenstellung gerecht werden.

Die Prüfungsplanung und –durchführung ist auf der Basis eines risikoorientierten Prüfungsansatzes zu erstellen. Alle Bereiche einer Bank sollen grundsätzlich innerhalb von drei Jahren geprüft werden. Die Revisionsstrukturen und -prozesse sind laufend zu überprüfen (Dynamisierung), damit eine möglichst wirksame Revisionstätigkeit sichergestellt ist. Die Berichterstattung über die Prüfungsergebnisse hat zeitnah zu erfolgen, so daß gegen festgestellte Mängel möglichst schnell Maßnahmen eingeleitet werden können.

Auslagerung der Innenrevision

Schließlich regelt das Rundschreiben die Möglichkeiten und die Grenzen einer Auslagerung von Revisionstätigkeiten auf Dritte oder auf die Konzernrevision. Teilweise wird hier bereits dem noch ausstehenden Rundschreiben zum Outsourcing vorgegriffen. Eine vollständige Auslagerung der Revisionstätigkeiten wird ausschließlich kleineren Instituten zugestanden. Bei größeren Instituten sind nur Teilbereiche auslagerungsfähig. Die Einhaltung der im Rundschreiben festgelegten Anforderungen ist auch bei der Auslagerung einzelner Tätigkeiten vom Jahresabschlußprüfer darzustellen und zu beurteilen.

   

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3.2 Kreditderivate

Derivative Finanzinstrumente wurden bislang in erster Linie dazu genutzt, einzelne Marktpreisrisiken - wie beispielsweise Zinsänderungsrisiken oder Währungsrisiken - vom zugrundeliegenden Geschäft abzuspalten und diese Risiken zur Absicherung, zur Spekulation oder Arbitrage zu handeln. Durch eine neue Produktkategorie, sogenannte Kreditderivate, werden jedoch seit einiger Zeit auch Kreditrisiken losgelöst von den zugrundeliegenden bilanziellen Forderungen oder Wertpapieren handelbar.

Die Ähnlichkeit dieser Produkte mit traditionellen Sicherungsinstrumenten, wie Bürgschaften und Garantien, oder neueren Strukturen, wie der Risikoübertragung im Rahmen von ABS-Transaktionen, könnte den Eindruck vermitteln, es handele sich bei den Kreditderivaten nur um "alten Wein in neuen Schläuchen." Tatsächlich beinhalten Kreditderivate aber eine neue Qualität:

  • sie können in vielen Fällen unabhängig davon in Anspruch genommen werden, ob das dem Derivat zugrundeliegende Geschäft überhaupt gehalten wird;
  • durch den hohen Grad an Standardisierung in der vertraglichen Ausgestaltung eröffnen sich vollkommen neue Möglichkeiten zur Weitergabe von Kreditrisiken.

Alter Wein in neuen Schläuchen?

Das Bundesaufsichtsamt reagierte auf die zunehmenden Aktivitäten der Institute in diesem Bereich und veröffentlichte im Juni 1999 ein Rundschreiben zur Behandlung von Kreditderivaten im Grundsatz I und den Groß- und Millionenkreditregelungen.

Die Regelungen im Rundschreiben beziehen sich auf drei grundlegende Arten von Kreditderivaten. Von diesen Grundformen kann jedoch auch auf komplexere Kreditderivatstrukturen geschlossen werden. Zu den genannten Grundformen zählen:

Total Return Swaps,
bei denen die eine (sicherungsnehmende) Partei zu regelmäßig wiederkehrenden Zeitpunkten einen vollen Ausgleich für zwischenzeitlich eingetretene Wertverluste eines vorher festgelegten Bilanzaktivums erhält und im Gegenzug an die sicherungsgebende Partei Wertsteigerungen weiterzureichen hat.

Rundschreiben 10/99

   

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Credit Default Swaps,
bei denen die sicherungsnehmende Partei gegen einmalige oder periodische Zahlung einer Prämie eine Kreditausfallzahlung bei Eintritt eines vorher festgelegten Kreditereignisses erhält.
 
Credit Linked Notes,
die Anleihen darstellen, deren Rückzahlung sich entsprechend der Ausfallhöhe bei einem zugrunde gelegten Aktivum mindert.

Da bislang weder der Baseler Ausschuß für Bankenaufsicht noch die EU international abgestimmte Regelungen für Kreditderivate herausgegeben haben, achtete das Bundesaufsichtsamt bei dem Rundschreiben auf einen Gleichklang mit den entsprechenden Verlautbarungen ausländischer Bankaufsichtsbehörden. Die Übereinstimmung ist nach Auffassung des BAKred um so wichtiger, als es sich bei den Kreditderivate-Transaktionen um weltweit bedeutsame Geschäfte handelt. Dem Ziel gleicher internationaler Aufsichtsstandards kommt daher ein besonders hoher Stellenwert zu. So wurde beispielsweise für die Laufzeitenübereinstimmung vergleichbare Regelungen anderer Mitgliedsstaaten der EU übernommen.

Bei der Entwicklung des Rundschreibens kam es ferner darauf an, die Konsistenz der bestehenden Systematik zur Erfassung und Anrechnung der Risiken zu wahren. Das bedeutete insbesondere, daß das BAKred an Kreditderivate keine geringeren bankaufsichtlichen Anforderungen als an die bis dahin anerkannten Sicherungsinstrumente stellen wollte.

Offene Fragen

Die wesentlichste Neuerung, die mit dem Einsatz von Kreditderivaten verbunden sein dürfte, ist die Möglichkeit, Kreditrisiken aktiv zu handeln. Die Zuordnung dieser Produkte zum Handelsbuch eines Instituts stößt dabei allerdings an die Grenzen der bestehenden Systematik für die Unterlegung von Bankrisiken mit Eigenmitteln. Zum einen sind die geltenden Anrechnungssätze für Marktpreisrisiken und nicht für Kreditrisiken festgelegt worden. Zum anderen ist die Bandbreite der "möglichen Ereignisse", die unter das Marktpreisrisiko fallen, nicht mit den von Kreditderivaten besicherten Risiken vergleichbar. Grundsätzlich wirft die Anwendung der bankaufsichtlichen Eigenmittelvorschriften auf Kreditderivate konzeptionelle Fragen auf. Die Klärung dieser Fragen wird bei der gegenwärtigen Überarbeitung der internationalen Eigenkapitalstandards angestrebt. Das Bundesaufsichtsamt setzt sich dabei deutlich für eine einheitliche Vorgehensweise ein.

   

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Die Institute nutzen Kreditderivate häufig, um mit Hilfe sogenannter synthetischer Collateralised Loan Obligations das Kreditrisiko standardisierter Kreditportfolios abzugeben, ohne den Umweg über einen Forderungsverkauf im Rahmen einer ABS-Transaktion zu gehen.

In diesen Fällen überträgt ein sicherungsnehmendes Institut in einem ersten Schritt das Kreditrisiko eines standardisierten Kreditportfolios mit Hilfe eines Credit Default Swap auf eine Zweckgesellschaft. Die Zweckgesellschaft erhält dafür die vorgesehene Prämie und das sicherungsnehmende Institut bei Eintritt eines Kreditereignisses eine Ausfallzahlung. In einem zweiten Schritt emittiert die Zweckgesellschaft Credit Linked Notes, deren Rückzahlung an den Nicht-Eintritt des Kreditereignisses aus dem Credit Default Swap mit dem sicherungsnehmenden Institut gebunden ist. Das Anleiheaufkommen aus den Credit Linked Notes wird von der Zweckgesellschaft dazu verwendet, die mögliche Ausfallzahlung aus dem Credit Default Swap zu besichern. Das ursprüngliche Kreditrisiko verlagert sich somit zu den Erwerbern der Credit Linked Notes, also den Anleihegläubigern.

Diese Strukturen ermöglichen einen Transfer der Kreditrisiken in Bereiche der Volkswirtschaft, die nicht oder anders reguliert sind. Problematisch ist es, wenn Institute unterschiedliche Anrechnungsregeln für Kreditderivate im Anlage- und Handelsbuch ausnutzen, um auf diese Weise die Eigenkapitalanforderungen ohne entsprechende Risikoentlastung abzusenken.

3.3 Netting

Bei einer Netting-Vereinbarung werden gegenseitige Ansprüche und Verpflichtungen zweier Vertragsparteien über einen Rahmenvertrag miteinander verknüpft. Wird die Vertragsbeziehung wegen einer Leistungsstörung oder gar der Insolvenz eines Vertragspartners beendet, wird zum Zeitpunkt der Abwicklung lediglich der Saldo aus den Einzelvereinbarungen geschuldet. Die Attraktivität des bilateralen Netting ist darauf zurückzuführen, daß die Saldierung eine deutliche Absenkung der einzelvertraglichen Risiken zur Folge hat. Bei außerbörslich gehandelten OTC-Derivaten hat sich das Netting bereits seit längerer Zeit als effizientes Instrument zur Reduzierung von Risiken etabliert. Inzwischen gewinnt die Aufrechnung jedoch auch im Bereich der Wertpapierdarlehens- und Wertpapierpensionsgeschäfte immer mehr an Bedeutung.

Verlagerung von Kreditrisiken in nicht regulierte Bereiche

   

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Reduzierung der bankaufsichtlichen Anforderungen

Bankaufsichtlich wird der Abschluß von Nettingvereinbarungen durch erheblich verminderte Eigenkapitalanforderungen sowie Entlastungen im Großkreditbereich honoriert. Institute, die mit ihren Vertragspartnern Netting-Vereinbarungen auf der Grundlage von anerkannten Rahmenverträgen getroffen haben, dürfen bei der Berechnung der Relationen auf den in der Regel deutlich niedrigen Saldo aus den "genetteten" Einzelkontrakten abstellen. Das hat eine deutliche Senkung der Eigenkapitalkosten zur Folge.

Die bankaufsichtliche Anerkennung von Netting-Vereinbarungen wurde im Jahr 1999 durch eine Änderung der Groß- und Millionenkreditverordnung zugunsten eines formlo­sen Anzeigeverfahrens beschleunigt. Von dieser Möglichkeit haben die Institute regen Gebrauch gemacht.

Rahmenverträge im OTC-Handel

Die Bankenaufsicht kann Netting-Vereinbarungen nur berücksichtigen, wenn die Kontrakte auf der Grundlage anerkannter Rahmenverträge abgeschlossen werden. Die beiden seit längerem anerkannten Rahmenverträge, das ISDA Master Agreement von 1992 (Multicurrency Cross-Border) sowie der deutsche Rahmenvertrag für Finanztermingeschäfte, sind inzwischen auch für die Verwendung in anderen ausländischen Staaten zugelassen. Neu hinzugekommen ist der von der Association Française des Banques entwickelte Convention-Cadre AFB relative aux opérations de marché à terme 1994, kurz AFB-Vertrag genannt. Der Kreis potentieller Netting-Partner hat sich somit für die deutschen Institute vergrößert.

Nutzung der Netting-Potentiale

Das Bundesaufsichtsamt informierte sich auch 1999 vor Ort bei mehreren Banken über den Stand der technischen und praktischen Umsetzung der Berechnungsverfahren. Während einige Institute ihr Netting-Potential weitgehend ausgeschöpft haben, indem sie inzwischen nahezu alle nettingfähigen Kontrakte verrechnen, bieten sich für andere Institute künftig noch erhebliche Entlastungseffekte. Das BAKred geht davon aus, daß auch diese Banken künftig ihre Netting-Potentiale effizienter nutzen, indem geeignete EDV-Systeme implementiert und hochqualifiziertes Personal eingestellt wird.

Wertpapier-
darlehens- und
Wertpapier-
pensionsgeschäfte

Das Netting gewinnt auch im Bereich der Wertpapierdarlehens- und Wertpapierpensionsgeschäfte zunehmend an Bedeutung. Nach rasanten Steigerungsraten in den letzten Jahren hat sich in Deutschland ein voll funktionsfähiger Markt für Wertpapierdarlehens- und Wertpapierpensionsgeschäfte entwickelt. Das Marktvolumen wird auf ca. 300 Mrd. DM geschätzt. Künftig rechnet man mit weiteren Steigerungen des Transaktionsvolumens.

   

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Das Bundesaufsichtsamt unterstützt die Aktivitäten der Marktteilnehmer, die in Wertpapierdarlehens- und Wertpapierpensionsgeschäften enthaltenen Risiken durch den Abschluß von Nettingvereinbarungen zu reduzieren. Es hat daher - bislang allerdings auf den Großkreditbereich beschränkt - geeigneten Rahmenverträgen eine risikomindernde Wirkung zuerkannt. Dabei gelten ähnliche Voraussetzungen wie bei Netting-Vereinbarungen im OTC-Handel. Die Kreditinstitute müssen dem Aufsichtsamt die Vertragstexte der Rahmenverträge vorlegen und die Insolvenzfestigkeit der darin enthaltenen Netting-Klauseln durch geeignete Rechtsgutachten nachweisen. Zwar haben 1999 erst zwei Institute ihre Absicht angezeigt, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen. Das Bundesaufsichtsamt rechnet jedoch in den nächsten Jahren mit einer größeren Nachfrage. Instituten, die ihr Netting-Potential im OTC-Handel bereits weitgehend ausgeschöpft haben, bietet sich damit ein neuer Spielraum zur Risikoreduktion und zur Senkung der Eigenkapitalkosten.

3.4 Modellprüfungen

Im Jahr 1998 faßte das Bundesaufsichtsamt den Grundsatz I neu. Seither dürfen Kreditinstitute alternativ zum Standardverfahren auch eigene Risikomodelle verwenden, um die Anrechnungsbeträge für Marktrisikopositionen zu ermitteln. Die Nutzung eigener Risikomodelle ist jedoch nur dann möglich, wenn das Bundesaufsichtsamt die Eignung der Modelle auf Antrag der Institute bestätigt. Die Bestätigung setzt generell eine Eignungsprüfung der internen Modelle voraus. Bei diesen Eignungsprüfungen wird das BAKred von Mitarbeitern der Deutschen Bundesbank unterstützt.

Im Jahr 1999 stellten zwei Institute einen Antrag auf Bestätigung. Ein weiteres Kreditinstitut legte einen Antrag vor, nachdem ihm im Vorjahr nur eine befristete Zustimmung zur Verwendung eingeräumt wurde. In einem Fall mußte ein Institut einen Neuantrag stellen, weil größere Umstrukturierungsmaßnahmen im Zusammenhang mit einer Fusion dies erforderlich machten. Darüber hinaus prüfte das BAKred eine Bank, die ihr bereits bestehendes und durch das Amt bestätigtes internes Risikomodell erweitern wollte.

Außerdem führte das Bundesaufsichtsamt bei einigen Instituten Nachschauprüfungen durch. Hierbei sollte geklärt werden, ob die im Vorjahr erteilten Eignungsbestätigungen bei einer Anpassung des Multiplikationsfaktors weiterhin aufrecht erhalten werden konnten.

Anträge in 1999

Bei allen Instituten stellte das BAKred Mängel der Einhaltung der sogenannten "qualitativen Anforderungen" nach § 36 des Grundsatz I fest. Bei

Festgestellte Mängel

   

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einem Institut waren diese Mängel so gravierend, daß das BAKred die im Vorjahr befristet erteilte Eignungsbestätigung nicht erneuern konnte. Bei den übrigen Banken konnten die erkannten Mängel durch Auflagen und die Festsetzung eines höheren Multiplikationsfaktors kompensiert werden.

Acht Modellbanken

Ende 1999 durften insgesamt acht Banken ein internes Risikomodell für die Ermittlung der Anrechnungsbeträge einsetzen. Die Bandbreite der festgesetzten Zusatzfaktoren reicht von 0,1 bis 1,6 bei einem Median von 0,85. Die Zusatzfaktoren berücksichtigen neben Mängeln bei den qualitativen Anforderungen die Prognosegüte des Modells gemäß § 37 Grundsatz I und mögliche Schwächen bei der Modellierung des spezifischen Risikos. Wegen der verbesserten konzeptionellen Vorgehensweise der Institute und aufgrund ihrer Anstrengungen, moderne Risikosteuerungssysteme aufzubauen, rechnet das Bundesaufsichtsamt mit einer weiteren Verbesserung der eingesetzten internen Risikomodelle.

   

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