Unerlaubt betriebene Geschäfte


Kapitel V

Verfolgung unerlaubt betriebener Bank- und Finanzdienstleistungsgeschäfte

Das Bundesaufsichtsamt geht gegen Unternehmen vor, die ohne Erlaubnis Bank- oder Finanzdienstleistungsgeschäfte betreiben. Durch die Ausdehnung der Aufsicht auf Finanzdienstleistungsinstitute im Rahmen der 6. KWG-Novelle hat sich das Arbeitsaufkommen des Amtes in diesem Bereich erheblich vergrößert. Das hängt insbesondere damit zusammen, daß nunmehr auch große Teile des sogenannten "Grauen Kapitalmarktes" der Überwachung durch das BAKred unterstellt sind.

Die Zahl der Fälle, in denen das Bundesaufsichtsamt wegen des Verdachts auf verbotene oder unerlaubt betriebene Bank- oder Finanzdienstleistungsgeschäfte tätig wurde, hat sich im Jahr 1999 weiter erhöht. Das Aufsichtsamt hat in 822 neuen Verfahren Ermittlungen durchgeführt.

Ferner erließ das Bundesaufsichtsamt in den 20 aufgelisteten Fällen förmliche Bescheide gemäß § 37 KWG zur Untersagung und Abwicklung unerlaubt betriebener Geschäfte.

Statistik

   

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Unerlaubt betriebene Geschäfte


Unternehmen bekannte Anzahl der Anleger Bekanntes Anlagevolumen in DM
Herr Henkel, Berlin nicht bekannt nicht bekannt
Herr von Maravic, Berlin nicht bekannt nicht bekannt
fsbg-OHG, Berlin ca. 2.000 25 Mio
Pro-Wert-Vermögensverwaltungs GmbH, 94496 Ortenburg 31 714.000
Roland Kühn, 61250 Usingen ca. 1700 ca. 31 Mio
Signature Equities Agency GmbH, Düsseldorf ca. 2.000 ca. 40 Mio
Wolfgang Neider, Berlin ca. 600 ca. 10 Mio
     
Rendite e.V. 533 3.144.960,00
Detlef R. Kroner,
Vorstand der KVV AG, Birlenbach
nicht bekannt nicht bekannt
  nicht bekannt nicht bekannt
Advance Invest AG nicht bekannt nicht bekannt
RMP Vermögensberatungs GmbH, München ca. 1000 Mio-Höhe
Securenta Göttinger Immobilien- und Vermögensanlagen AG nicht bekannt nicht bekannt
  nicht bekannt nicht bekannt
Göttinger Gruppe Vermögens- und Finanzholding KGaA nicht bekannt nicht bekannt
E + Russia Capital Asset Management & Beteiligungs AG 280 nicht bekannt
Concepta Versicherungs- und Bausparvermittlungs GmbH ca.1000 nicht bekannt
Philip v. Trotha nicht bekannt nicht bekannt
Wonsei AG 198 1.585.626,00
Ulf Macheleidt 4 ca.26.000,00
Norbert Schittke 11 ca.20.000,00
   

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Unerlaubt betriebene Geschäfte


In drei Fällen bestellte das Aufsichtsamt Insolvenzverwalter zur Abwicklung der Unternehmen, um den besonderen Sachverstand dieser Spezialisten zu nutzen.

Aufgrund mangelnder Kooperation und erfahrungsgemäß unzureichender Buchführung der betroffenen Unternehmen ist regelmäßig ein aufwendiger Schriftwechsel des Insolvenzverwalters mit den Anlegern notwendig geworden, um ausreichendes Datenmaterial zur Feststellung der Gläubigeransprüche zu erhalten. Auch bei sorgfältigstem Vorgehen kann nicht ausgeschlossen werden, daß Anleger und deren Ansprüche unbekannt bleiben. Die aufwendige Klärung der Vermögenslage und die Sicherung vorhandener Vermögenswerte durch die Einsetzung eines Abwicklers bieten auch keine Gewähr dafür, daß die Anleger ihr angelegtes Kapital zurückerhalten. Das Bundesaufsichtsamt befüchtet, daß auch künftig bei der Mehrzahl der betroffenen Unternehmen nur noch ein geringer Teil der entgegengenommenen Anlegergelder vorhanden ist.

In 22 Fällen wickelten die Unternehmen freiwillig die von ihnen betriebenen Geschäfte ab, um einer förmlichen Verfügung des Aufsichtsamtes nach § 37 KWG zuvorzukommen. Betroffen waren ca. 1.400 Verträge mit einem dem Bundesaufsichtsamt bekannt gewordenen Gesamtvolumen in Höhe von rund 27 Mio. DM.

Bestellung von Insolvenzverwaltern

Die Verfolgung unerlaubt betriebener Geschäfte zog zahlreiche Rechtsbehelfsverfahren nach sich, in denen die Verfügungen des Aufsichtsamtes angefochten wurden. Das BAKred hatte 57 Widerspruchs- und Verwaltungsstreitverfahren zu bearbeiten.

Zahlreiche Rechts-
behelfsverfahren

Soweit Unternehmen erlaubnispflichtige Bank- oder Finanzdienstleistungsgeschäfte betreiben wollen, werden Eintragungen in öffentliche Register nur dann vorgenommen, wenn dem Registergericht die Erlaubnis des BAKred im Einzelfall tatsächlich nachgewiesen ist (§ 43 Abs. 1 KWG). Das Aufsichtsamt nimmt daher in Registerverfahren zur Notwendigkeit einer Erlaubnis nach dem KWG und zur Führung bankaufsichtsrechtlich geschützter Bezeichnungen Stellung. Bei undeutlichen Formulierungen von Unternehmensgegenständen (beispielsweise "Vermögensverwaltung"), klärt das BAKred, welche Geschäftstätigkeiten tatsächlich damit gemeint sind. Die Aufklärung ist oftmals außerordentlich schwierig, insbesondere dann, wenn die Unternehmen keine hinreichend konkreten Informationen über ihre Geschäfte erteilen. Anfragen und Stellungnahmen in diesem Bereich nahmen im Jahr 1999 erneut erheblich zu (insgesamt 639 Fälle).

Stellungnahmen zu Registerverfahren

   

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Unerlaubt betriebene Geschäfte


Erweiterung des Einlagenbegriffes

Die Ausdehnung des Einlagenbegriffes im Rahmen der 6. KWG-Novelle führte zu verstärkten Aktivitäten des Aufsichtsamtes. Bei der Definition des Begriffs "Einlagengeschäft" ist klargestellt worden, daß grundsätzlich jede Annahme rückzahlbarer Gelder des Publikums - auch eine solche ohne Zinsvergütung - als ein erlaubnispflichtiges Bankgeschäft gilt. Somit sind auch Unternehmen des "Grauen Kapitalmarktes" aufsichtspflichtig, die als Anlageform stille Beteiligungen anbieten. Stille Beteiligungsverträge mit Verlustbeteiligung gelten allerdings nicht als Einlagengeschäft, da bei diesen die Rückzahlbarkeit der entgegengenommenen Gelder durch die Teilnahme am Verlust eingeschränkt ist.

Zunahme von Anlagen mit Verlustbeteiligung

Das Bundesaufsichtsamt beobachtete, daß Anbieter des grauen Kapitalmarkts verstärkt dazu übergehen, Beteiligungen mit Verlustteilnahme anzubieten. Gleichzeitig wird aber durch in Aussicht gestellte Mindestverzinsungen bzw. Ausschüttungen der Charakter der Geldanlage als Risikobeteiligung relativiert. Die Klauseln in den Beteiligungsverträgen sind häufig überraschend, widersprüchlich und weichen von den Versprechungen in den Prospekten und Broschüren ab. Dieser Umstand erschwert die bankaufsichtliche Bewertung der Geschäfte.

Ratierliche Auszahlung von Auseinandersetzungs-
guthaben

Eine Besonderheit von Anlageangeboten des grauen Kapitalmarkts ist die "Verrentung" von Auseinandersetzungsguthaben aus stillen Beteiligungen. Dem Anleger wird dabei die Möglichkeit geboten, das bei Beendigung des Beteiligungsvertrages fällige Auseinandersetzungsguthaben über einen bestimmten Zeitraum ratierlich ausgezahlt zu erhalten. Die mit diesen Anlageformen verbundenen Risiken werden häufig durch Aussagen kaschiert, die dem Anleger eine sichere "Zusatzrente" im Alter suggerieren. Das Bundesaufsichtsamt wertet die "Verrentung" der Auseinandersetzungsguthaben als Einlagengeschäft. Es untersagte deshalb der Göttinger Gruppe im Oktober 1999 die ratierliche Auszahlung von Auseinandersetzungsguthaben.

Day-Trading-Center

Die verstärkte Verwendung elektronischer Medien stellt die Aufsicht vor schwierige Aufgaben. Vor allem im Finanzdienstleistungssektor findet die Nutzung elektronischer Datenübertragung über vernetzte Rechner oder auch unmittelbar durch den Anleger über zwischengeschaltete Dienstleistungsunternehmen zunehmend Verbreitung.

Beim Day-Trading nutzen private Anleger mit Hilfe des Internets professionelle Börsenhandels- und Informationssysteme (Order-Routing-Systeme) zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren und Terminprodukten in Echtzeit zu sogenannten "Realtime-Kursen". Day-Trading kann vom heimischen PC über eine Direktbank betrieben werden. Die Kunden können aber auch die Dienste von spezialisierten Day-Trading-Centern in Anspruch

   

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Unerlaubt betriebene Geschäfte


nehmen. Im Jahr 1999 wurde in Deutschland erstmals ein Day-Trading-Center eingerichtet. Day-Trading-Center vermieten Anlegern einen EDV-Arbeitsplatz mit Internetzugang. Gleichzeitig vermitteln sie ihren Kunden eine Geschäftsbeziehung zu einer Wertpapierfirma, die zum elektronischen Handel mit Wertpapieren oder anderen Finanzprodukten an einer Börse zugelassen ist. Die Wertpapierfirma stellt den Anlegern ihre Handelssoftware an den gemieteten Arbeitsplätzen im Day-Trading-Center zur Verfügung und wickelt die getätigten Börsengeschäfte über die von den Anlegern bei ihr unterhaltenen Konten und Depots ab. Die Day-Trading-Center erbringen in der Regel gewerbsmäßig Finanzdienstleistungen in der Form der Anlagevermittlung. Sie sind daher auch der Aufsicht unterstellt.

Da Day-Trading inzwischen auch vom heimischen PC aus problemlos über eine Direktbank betrieben werden kann, ist zu erwarten, daß die Bedeutung der Day-Trading-Center eher ab- als zunehmen wird.

   

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