BaFin - Navigation & Service

Erscheinung:09.04.2020, Stand:geändert am 17.03.2022AUSGELAUFEN: Wie wenden BaFin und Deutsche Bundesbank die EBA-Leitlinien EBA/GL/2020/02 an?

Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) hatte am 02.04.2020 Leitlinien zu allgemeinen Zahlungsmoratorien veröffentlicht. Die BaFin hatte die Leitlinien am 03.04.2020 in ihre Verwaltungspraxis übernommen. Die EBA hatte diese Leitlinien zum 30.09.2020 auslaufen lassen. Die BaFin hatte hierüber am 22.09.2020 auf ihrer Webseite informiert .

Am 02.12.2020 hat die EBA unter dem Eindruck der zweiten Welle der Corona-Pandemie die Leitlinien wieder reaktiviert. Die BaFin hat hierüber am gleichen Tag unterrichtet.

Die Leitlinien sind am 31.03.2021 wieder ausgelaufen. Nach dem 31.03.2021 kann daher kein allgemeines Zahlungsmoratorium mehr angezeigt werden. Zudem kann eine Zahlungsentlastung nur dann unter ein allgemeines Zahlungsmoratorium fallen, wenn der Schuldner sie bis zum 31.03.2021 erhalten hat.

Zur Anwendung der Leitlinien hatten BaFin und Deutsche Bundesbank folgende Hinweise gegeben:

Nach den Leitlinien in der am 02.12.2020 geänderten Fassung darf eine neue Zahlungsentlastung für ein Darlehen – einschließlich ggf. bereits schon gewährter Zahlungsentlastungen für das Darlehen – nur innerhalb von insgesamt neun Monaten fällige oder zukünftig fällig werdende Zahlungen betreffen. Zudem fordert die EBA die Institute auf, ihren Aufsichtsbehörden darzulegen, wie sie beurteilen wollen, ob es unwahrscheinlich ist, dass ein Schuldner seine Verpflichtungen gegenüber dem Institut in voller Höhe begleichen wird (Rn 17(bis)). Auf diese Weise soll sich die Aufsicht ein Bild machen können, wie ein Institut insbesondere folgende Anforderung nach Rn 14 umgesetzt hat: „14. Während der gesamten Laufzeit des Moratoriums sollten die Institute bei der Beurteilung, ob es unwahrscheinlich ist, dass dem Moratorium unterliegende Schuldner ihre Verbindlichkeiten begleichen werden, die für solche Beurteilungen üblichen Richtlinien und Praktiken verwenden.“

Rn 17(bis) bezieht sich ausdrücklich nur auf „Schuldner, die einem allgemeinen gesetzlichen Moratorium oder Moratorium ohne Gesetzesform gemäß Absatz 14 unterliegen.“ Die Anforderung gilt auch für Zahlungsmoratorien, die Institute schon zwischen dem 02.04.2020 und dem 30.09.2020 angezeigt haben. Sie betrifft aber ausdrücklich nicht Darlehen, die aktuell (Stichtag 01.01.2021) keinem allgemeinen Zahlungsmoratorium mehr unterliegen. Dabei gilt ein Darlehen per 01.01.2021 nur dann als einem allgemeinen Zahlungsmoratorium unterliegend, wenn die um den Stichtag herum vorgesehenen Zahlungen niedriger sind als ohne das allgemeine Zahlungsmoratorium. Beispiel: Nach dem deutschen gesetzlichen Moratorium konnte der Schuldner eines Verbraucherdarlehensvertrags nach § 3 Abs. 1 zu Art. 240 EGBGB verlangen, dass die Zahlungen, die zwischen dem 01.04.2020 und dem 30.06.2020 fällig waren, gestundet werden. Damit sind die um den Stichtag 01.01.2021 herum vorgesehenen Zahlungen nicht niedriger als ohne dieses allgemeine Zahlungsmoratorium. Das Darlehen gilt daher in diesem Sinne zum 01.01.2021 als nicht diesem allgemeinen Zahlungsmoratorium unterliegend, obwohl nach dem 01.01.2021 noch hinausgeschobene Zahlungen fällig werden können, da etwa im Falle des § 3 Abs. 5 zu Art. 240 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) sämtliche vertraglichen Zahlungen um drei Monate hinausgeschoben werden.

Die deutschen Institute, die nicht direkt von der Europäischen Zentralbank (EZB) beaufsichtigt werden, gehen für die Darlehen, die in diesem Sinne zum 31.12.2020 einem allgemeinen Zahlungsmoratorium unterliegen, für die Anzeige nach Rn 17(bis) in folgenden Schritten vor:

  1. Das Institut vergewissert sich für die betreffenden Schuldner, dass es für die Beurteilung, ob es unwahrscheinlich ist, dass der Schuldner seine Verbindlichkeiten begleichen wird, die Richtlinien und Praktiken verwendet, die für ein ähnliches Darlehen, das nicht einem allgemeinen Zahlungsmoratorium unterliegt, üblich sind. (vgl. Rn 14 der Leitlinien EBA/GL/2020/02). Für ein Darlehen, das einem allgemeinen Zahlungsmoratorium unterliegt, prüft es dabei die Unwahrscheinlichkeit des Begleichens der Verbindlichkeiten auf der Grundlage der nach letztem Stand vorgesehenen Zahlungen, der sich aus der Anwendung des allgemeinen Zahlungsmoratoriums ergibt. (vgl. Rn 16 der Leitlinien)
  2. Fall A:
    Schritt 1. ergibt für einen Schuldner, dass das Institut für die Beurteilung, ob es unwahrscheinlich ist, dass der Schuldner seine Verbindlichkeiten begleichen wird, tatsächlich die Richtlinien und Praktiken verwendet, die für ein ähnliches Darlehen, das nicht einem allgemeinen Zahlungsmoratorium unterliegt, üblich sind. Für die Schuldner bzw. Schuldnergruppe (z.B. bezeichnet durch den Anwendungsbereich eines Risikoklassifizierungssystems), für die dies gilt, teilt das Institut diesen Sachverhalt der Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbank und dem Fachaufsichtsreferat der BaFin mit, die das Institut betreuen.
    Fall B:
    Schritt 1. ergibt für einen Schuldner ein anderes Ergebnis als in Fall A bezeichnet. Für die Schuldner, für die dies der Fall ist, übermittelt das Institut der Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbank und dem Fachaufsichtsreferat der BaFin einen Plan, „in dem das Verfahren, die Informationsquellen und die Zuständigkeiten im Zusammenhang mit der Beurteilung, ob es unwahrscheinlich ist, dass Schuldner, die einem allgemeinen gesetzlichen Moratorium oder Moratorium ohne Gesetzesform gemäß Absatz 14 unterliegen, ihre Verbindlichkeiten begleichen werden, dargelegt sind.“ (vgl. Rn 17(bis)

Über die Veröffentlichung dieser FAQ auf der BaFin-Webseite wird die BaFin an die Organisatoren der Zahlungsentlastungsentlastungsinitiativen ohne Gesetzesform herantreten, die in folgender FAQ aufgeführt sind: „Welche Zahlungsentlastungsinitiativen hat die BaFin bei der EBA als allgemeines Zahlungsmoratorium nach Rn 10 der EBA-Leitlinien EBA/GL/2020/02 angezeigt?“ Die BaFin wird dabei die Organisatoren bitten, die teilnehmenden Institute der jeweiligen Zahlungsentlastungsinitiative auf ihre Verpflichtung nach Rn 17(bis) der geänderten Leitlinien EBA/GL/2020/02 aufmerksam zu machen und auf das in dieser FAQ beschriebene Verfahren hinzuweisen.

Die Rückmeldungen nach dem Verfahrensschritt 2. (Fall A oder Fall B). erbittet die BaFin bis zum 31.03.2021.

Für Zahlungsentlastungsinitiativen, die der BaFin im Zuge der Reaktivierung der Leitlinien EBA/GL/2020/02 angezeigt werden, hat sich die BaFin folgende Verwaltungspraxis gebildet:

  1. Notwendige Voraussetzung dafür, dass eine Zahlungsentlastungsinitiative nicht als neue Zahlungsentlastungsinitiative, sondern als Modifikation eines vorangegangenen allgemeinen Zahlungsmoratoriums gilt, ist, dass die Abgrenzung der einbezogenen Risikopositionen ähnlich ist wie die des vorangegangenen allgemeinen Zahlungsmoratoriums (Rn 14 des „Background and rationale“ der Leitlinien EBA/GL/2020/15). Dies ist insbesondere dann nicht der Fall, wenn durch eine Einschränkung des Kreises der teilnehmen Institute die Menge der einbezogenen Risikopositionen wesentlich reduziert wird oder auch bei den einzelnen Instituten durch die Herausnahme einzelner Kreditarten oder Schuldnergruppen aus dem Anwendungsbereich oder die Hereinnahme einzelner Kreditarten oder Schuldnergruppen in den Anwendungsbereich der Zahlungsentlastungsinitiative die Abgrenzung der einbezogenen Risikopositionen verändert wird. Wenn eine Zahlungsentlastungsinitiative als neue Zahlungsentlastungsinitiative eingestuft wird, dann ist die Übergangsregelung in Rn 20 der EBA/GL/2020/02 (in der Fassung der EBA/GL/2020/15) nicht anwendbar. Es könnte aber auch dann noch der Fall sein, dass Institute vor der Anzeige faktisch schon an der neuen Zahlungsentlastungsinitiative – einschließlich der Beschränkung der Zahlungsentlastungen auf maximal neun Monate – teilgenommen haben.
  2. Zahlungsentlastungen, die ein Institut im Zeitraum 01.10.2020 bis 01.12.2020 gewährt haben, können nur dann unter ein allgemeines Zahlungsmoratorium fallen, wenn das Institut die Zahlungsentlastung im Rahmen einer Zahlungsentlastungsinititiative gewährt hat, die sämtliche Anforderungen der Leitlinien EBA/GL/2020/02 erfüllt. Eine tatsächlich einzelfallbezogen gewährte Zahlungsentlastung kann – wie bei zwischen 02.04.2020 und 30.09.2020 angezeigten allgemeinen Zahlungsmoratorien - nicht als Teil eines allgemeinen Zahlungsmoratoriums aufgefasst werden, selbst wenn sie formal den Bedingungen des allgemeinen Zahlungsmoratoriums für die Änderung der vorgesehenen Zahlungen entspricht.

Ein Bespiel für ein allgemeines Zahlungsmoratorium sind die „Regelungen zum Darlehensrecht“ nach Artikel 240 § 3 (1) des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche (EGBGB).

Soweit ein Zahlungsmoratorium ein finanzielles Zugeständnis an die teilnehmenden Schuldner enthält, ist dies für seine Einstufung als allgemeines Zahlungsmoratorium unschädlich, selbst wenn das finanzielle Zugeständnis für das kreditgebende Institut zu einem Barwertverlust von mehr als 1% führt.

Die Anforderungen nach Rn 17 c) und e) der Leitlinien EBA/GL/2020/02 verpflichten ein Institut, der zuständigen Aufsichtsbehörde Informationen zur Gesamtheit der Schuldner und Risikoposition zu übermitteln, die im Anwendungsbereich eines allgemeinen Zahlungsmoratoriums ohne Gesetzesform sind. Für sämtliche allgemeine Zahlungsmoratorien muss ein Institut ferner nach Rn 19 a) der Leitlinien EBA/GL/2020/02 die Schuldner oder Risikopositionen identifizieren, für die das jeweilige allgemeine Zahlungsmoratorium angeboten wurde. Diese Pflichten gelten als erfüllt, wenn das Institut die genannten Informationen für eine Gesamtheit von Schuldnern bzw. Risikopositionen übermittelt bzw. vorhält, die die betreffenden Schuldner bzw. Risikopositionen nach Einschätzung des Instituts umfasst, aber ggf. noch weitere Schuldner bzw. Risikopositionen enthält. Die BaFin beanstandet es also z.B. nicht, wenn ein Institut für die Identifizierung der Risikopositionen, für die das gesetzliche allgemeines Zahlungsmoratorium nach Artikel 240 § 3 EGBGB angeboten wurde, eine Abgrenzung wählt, die über die Risikopositionen hinaus geht, für die dem Institut klar ist, dass der betreffende Schuldner „aufgrund der durch Ausbreitung der COVID-19-Pandemie hervorgerufenen außergewöhnlichen Verhältnisse Einnahmeausfälle hat, die dazu führen, dass ihm die Erbringung der geschuldeten Leistung nicht zumutbar ist.“ (Art. 240 §3 (1) Satz 1 EGBGB.
Die Verwaltungspraxis der BaFin für die Bearbeitung von Zahlungsentlastungsinitiativen stellt sich wie folgt dar:

Ein Moratorium ohne Gesetzesform durchläuft ein zweistufiges Anzeigeverfahren:

  1. Teilnehmende Institute (oder ein für sie handelnder Organisator, z.B. ein Institutsverband) zeigen der BaFin eine Zahlungsentlastungsinitiative nach Rn 17 der Leitlinien an.
  2. Wenn die Zahlungsentlastungsinitiative nach Einschätzung der BaFin die Tatbestandsvoraussetzungen nach Rn 10 der Leitlinien erfüllt, zeigt die BaFin ihrerseits der EBA die Zahlungsentlastungsinitiative als Moratorium ohne Gesetzesform nach Rn 18 der Leitlinien an.

Regelmäßig nehmen sowohl bedeutende Institute (significant institutions – SI) als auch weniger bedeutende Institute (less significant institutions – LSI) gemeinsam an einem allgemeinen Zahlungsmoratorium teil. Die BaFin leitet daher ihre Anzeigen an die EBA auch der Europäischen Zentralbank zu. Ferner veröffentlicht die BaFin eine deutschsprachige Fassung ihrer Anzeige in der Antwort auf die FAQ „Welche Zahlungsentlastungsinitiativen hat die BaFin bei der EBA als allgemeines Zahlungsmoratorium nach Rn 10 der EBA-Leitlinien EBA/GL/2020/02 angezeigt?“ auf ihrer Webseite. Die BaFin erwartet von den Instituten, die an einem allgemeinen Moratorium ohne Gesetzesform teilnehmen, dass sie ihre Zahlungsentlastungsinitiative auch ihrerseits öffentlich kommunizieren (z.B. auf der Webseite des Instituts).

Vor seiner Anzeige an die BaFin hält der Organisator einer Zahlungsentlastungsinitiative regelmäßig Rücksprache mit der BaFin und der Deutschen Bundesbank zu der Frage, inwieweit eine ins Auge gefasste Zahlungsentlastungsinitiative die Tatbestandsvoraussetzungen nach Rn 10 der EBA-Leitlinien EBA/GL/2020/02 erfüllt. Die Verwaltungspraxis, die die BaFin hierzu in Zusammenarbeit mit der EBA entwickelt hat, basiert auf folgender Wahrnehmung der Zielrichtung der Leitlinien:
In der COVID-19-Krise ergreifen Staaten und Institute Entlastungsmaßnahmen, die für eine große Gruppe von Schuldnern gelten, die auf der Grundlage weit gefasster Kriterien vorab festgelegt wurde. Dies dient dem Zweck, den betreffenden Schuldnern insbesondere über Liquiditätsengpässe hinweg zu helfen. Idealerweise würde das Institut mit jedem Schuldner eine einzelfallbezogene Lösung aushandeln und dabei auch einzelfallbezogen einschätzen, wie wahrscheinlich es ist, dass ein Schuldner seine Verbindlichkeiten gegenüber dem Institut in voller Höhe erfüllt. Wenn bei einem Institut eine große Zahl von Schuldnern von der Krise betroffen ist, ist ein solches einzelfallbezogenes Vorgehen kurzfristig ggf. nicht für alle betroffenen Schuldner möglich. Die Leitlinien stellen daher klar, wie eine solche Zahlungsentlastungsinitiative insbesondere im Hinblick auf die Einstufung als Stundungsmaßnahme nach Art. 47b CRR und die Ausfalldefinition nach Art. 178 CRR zu werten ist.

Die Tatbestandsvoraussetzungen nach Rn 10 der Leitlinien sind so gestaltet, dass das Institut keine Gewissheit haben kann, ob nicht auch solche Schuldner eine finanzielle Entlastung erhalten, die trotz ihrer finanziellen Einbußen im Zuge der COVID-19-Krise wahrscheinlich ihre Verbindlichkeiten in voller Höhe begleichen können. Vor diesem Hintergrund stellen die Leitlinien klar, dass eine finanzielle Entlastung, die ein Schuldner im Rahmen eines allgemeinen Zahlungsmoratoriums erhält, für sich genommen nicht als Stundungsmaßnahme nach Art. 47b CRR oder als krisenbedingte Restrukturierung nach Art. 178 (3) d) CRR zu werten ist. (Rn 11).

Rein hypothetisch wäre es denkbar, dass ein Institut im Nachhinein beurteilt, ob ein Schuldner zu dem Zeitpunkt des Moratoriums wahrscheinlich in der Lage gewesen wäre, seine Verbindlichkeiten gegenüber dem Institut in voller Höhe zu begleichen. In der Praxis dürfte eine solche Ex-post-Betrachtung schon von den IT-technischen Voraussetzungen her nicht durchführbar sein. Zudem wäre eine solche Ex-post-Betrachtung für das Institut ohne praktischen Wert, denn das Institut geht für sein Risikomanagement zweckmäßigerweise von der wahrgenommenen aktuellen Lage des Schuldners aus. Daher enthalten die Leitlinien folgende pragmatische Festlegung: Ein Institut beurteilt, ob ein Ausfall nach Art. 178 CRR oder eine Stundungsmaßnahme nach Art. 47b CRR vorliegt, nach den Zahlungsverpflichtungen des Schuldners gegenüber dem Institut, wie sie sich nach Maßgabe des allgemeinen Zahlungsmoratoriums (z.B. unter Berücksichtigung einer Stundung) darstellen. (Rn 13, 16)
Dieser Zielrichtung der Leitlinien entsprechend sind die Tatbestandsvoraussetzungen nach Rn 10 der Leitlinien so gestaltet, dass einzelfallbezogene Lösungen nicht als Teil eines allgemeinen Zahlungsmoratoriums gelten. So hält Rn 10 b) insbesondere fest, dass „die Kriterien für den Anwendungsbereich des Moratoriums es dem Schuldner ermöglichen sollten, das Moratorium ohne Prüfung seiner Kreditwürdigkeit in Anspruch zu nehmen“.

Die Verwaltungspraxis der BaFin zu einigen konkreten Fallgestaltungen stellt sich daher wie folgt dar:

  1. Notwendige Voraussetzung dafür, dass ein Schuldner eine Stundung nach § 3 Abs. 1 zu Art. 240 EGBGB in Anspruch nehmen kann, ist, dass er „aufgrund der durch Ausbreitung der COVID-19-Pandemie hervorgerufenen außergewöhnlichen Verhältnisse Einnahmeausfälle hat, die dazu führen, dass ihm die Erbringung der geschuldeten Leistung nicht zumutbar ist“. Der Schuldner legt dem Institut dar, dass er diese Voraussetzungen erfüllt. Das Institut prüft ggf. die Angaben des Schuldners auf Plausibilität. Der Stundungszeitraum ist im Gesetz abschließend geregelt. Der Satz „Soweit er (= der Schuldner) die Zahlungen vertragsgemäß weiter leistet, gilt die in Satz 1 geregelte Stundung als nicht erfolgt.“ macht deutlich, dass es allein die Entscheidung des Schuldners ist, ob er trotz Inanspruchnahme der Stundung noch (Teil-)Zahlungen erbringt. Im Ergebnis liegt die Initiative sowohl für die Inanspruchnahme der Stundung wie auch für etwaige Zahlungen auf gestundete Beträge vor Ablauf der Stundungsfrist allein beim Schuldner. Das Institut prüft zwar ggf. die Plausibilität der Angaben des Schuldners, handelt aber nicht in einer Weise einzelfallbezogen, die einer Kreditwürdigkeitsprüfung nahekäme. Daher gelten die vom Gesetzgeber verfügten Stundungen nach § 3 Abs. 1 zu Art. 240 EGBGB als gesetzliches Zahlungsmoratorium im Sinne der Leitlinien.
  2. Im Falle einer abweichenden Vereinbarung nach § 3 Abs. 2 zu Art. 240 EGBGB ist zu vermuten, dass das Institut die Vereinbarung mit dem Schuldner unter Berücksichtigung von dessen spezifischen wirtschaftlichen Verhältnissen trifft, sofern die abweichende Vereinbarung nicht im Rahmen eines Zahlungsmoratoriums ohne Gesetzesform getroffen wird. Abgesehen von dem genannten Ausnahmefall gilt eine abweichende Vereinbarung nach § 3 Abs. 2 zu Art. 240 EGBGB daher nicht als im Rahmen eines allgemeinen Zahlungsmoratoriums getroffen.
  3. Mehrere Institute kommunizieren gemeinsam, dass jeder Schuldner aus einer großen Gruppe zwischen verschiedenen finanziellen Entlastungen wählen kann (z.B. Stundung von Tilgungszahlungen für 9 Monate, nach Wahl des Kunden auch kürzer). Eine solche Wahlmöglichkeit des Schuldners ist vereinbar mit den Anforderungen nach Rn 10 b) der Leitlinien EBA/GL/2020/02 und mithin mit einer Einstufung der Zahlungsentlastungsinitiative als allgemeines Zahlungsmoratorium.
  4. Mehrere Institute kommunizieren gemeinsam einer großen Gruppe von Schuldnern einen Rahmen, in dem sie bereit sind, mit einem Schuldner finanzielle Entlastungen zu vereinbaren (z.B. Stundung von Tilgungszahlungen für bis zu 9 Monate). Die Entscheidung über den konkret zu vereinbarenden finanzielle Entlastung liegt hier nicht allein beim Schuldner. Es ist anzunehmen, dass sich ein Institut ein Bild von der konkreten wirtschaftlichen Lage eines Schuldners macht, bevor es mit ihm – um im Beispiel zu bleiben – über die konkrete Dauer einer Stundung spricht. Die konkrete Stundungsvereinbarung gilt daher als einzelfallbezogene Regelung. Eine Zahlungsentlastungsinitiative, die lediglich einen Rahmen gibt, in dem Institut und Schuldner Vereinbarungen über finanzielle Entlastungen der Schuldner treffen, gilt daher nicht als allgemeines Zahlungsmoratorium.
  5. Mehrere Institute kommunizieren gemeinsam, dass a) jedes Institut aus einem gemeinsamen Rahmen für ähnliche Angebote für finanzielle Entlastungen ein konkretes Angebot wählt und b) das jeweilige Institut jedem Schuldner aus einer großen Gruppe innerhalb seines konkreten Angebots die alleinige Entscheidung zwischen verschiedenen finanziellen Entlastungen überlässt. Eine solche Wahlmöglichkeit des Schuldners ist vereinbar mit den Anforderungen nach Rn 10 b) der Leitlinien EBA/GL/2020/02 und mithin mit einer Einstufung der Zahlungsentlastungsinitiative als allgemeines Zahlungsmoratorium. Beispiel: Die Institute X und Y zeigen gemeinsam eine Zahlungsentlastungsinitiative an, die eine Stundung von Tilgungszahlungen für bis zu 12 Monate vorsieht. Abgesehen von der Dauer erfolgen die Stundungen in gleicher Weise. Institut X schöpft den gemeinsamen Rahmen voll aus und bietet Stundungen für bis zu 12 Monate an. Institut Y bietet nur Stundungen bis zu 9 Monaten an. Beide Institute bieten im Rahmen eines gemeinsamen allgemeinen Zahlungsmoratoriums „ähnliche Entlastungsmaßnahmen“ (Rn 10 a) der Leitlinien EBA/GL/2020/02) an.
  6. Mehrere Institute nehmen faktisch schon an einem allgemeinen Zahlungsmoratorium nach Rn 10 der Leitlinien EBA/GL/2020/02 teil, bevor sie das Zahlungsmoratorium der BaFin anzeigen und öffentlich kommunizieren. Die faktische Teilnahme der Institute an dem später angezeigten und öffentlich kommunizierten Zahlungsmoratorium, einschließlich der Einhaltung der weiteren Voraussetzungen nach Rn 10 der Leitlinien EBA/GL/2020/02, ergibt sich aus einschlägigen internen Arbeitsanweisungen des jeweiligen Instituts. Zahlungsentlastungen, die die Institute ab Erlass der einschlägigen internen Arbeitsanweisung anbieten, gelten ab dem Zeitpunkt, ab dem das Institut seine einschlägige interne Arbeitsanweisung in Kraft gesetzt hat, als im Zuge des allgemeinen Zahlungsmoratoriums gewährt. Beispiel: Die Institute X und Y zeigen wieder gemeinsam eine Zahlungsentlastungsinitiative an, die eine Stundung von Tilgungszahlungen für bis zu 12 Monate vorsieht. Abgesehen von der Dauer erfolgen die Stundungen wieder in gleicher Weise. Institut X schöpft ab der Anzeige den gemeinsamen Rahmen voll aus und bietet Stundungen für bis zu 12 Monate an. Institut Y bietet ab der Anzeige nur Stundungen bis zu 9 Monaten an.
    Institut X und Y bieten den im Moratorium benannten Kundengruppen vor der Anzeige generell (also nicht im Rahmen einzelfallbezogener Lösungen) laut ihren jeweiligen einschlägigen internen Arbeitsanweisungen Folgendes an:
    a) X bietet Stundungen bis zu 12 Monaten an, Y bietet Stundungen bis zu 9 Monaten an: Sämtliche von X und Y generell angebotenen Stundungen fallen unter das später gemeinsam angezeigte allgemeine Zahlungsmoratorium.
    b) X bietet Stundungen bis zu 6 Monaten an, Y bietet Stundungen bis zu 12 Monaten an: Die von X generell angebotenen Stundungen fallen unter das später gemeinsam angezeigte allgemeine Zahlungsmoratorium. Y nimmt dagegen erst ab der Anzeige an dem allgemeinen Zahlungsmoratorium teil.
    Der formale Grund für die Handhabung unter b) ist folgender: Xs Stundungsangebot über bis zu 6 Monate kann als Teil der später angezeigten Zahlungsentlastungsinitiative gelten, da X durch die Anzeige die angebotenen Stundungszeiträume lediglich ausgeweitet hat. Ys Stundungsangebot über bis zu 12 Monate ist dagegen nicht Teil der Zahlungsentlastungsinitiative, da Y ab der Anzeige nicht mehr generell Stundungen bis zu 12 Monate, sondern nur noch bis zu 9 Monate anbietet.
    Praktische Konsequenz: Sämtlichen Stundungen, die X im Rahmen seines generellen Stundungsangebots von vor der Anzeige (= bis 6 Monate) gewährt hat, fallen unter das allgemeine Zahlungsmoratorium. Dagegen fällt keine der Stundungen, die Y im Rahmen seines generellen Stundungsangebots von vor der Anzeige (= bis 12 Monate) gewährt hat, unter das allgemeine Zahlungsmoratorium. Ys Stundungen von vor der Anzeige werden also so behandelt, als hätte Y sie einzelfallbezogen gewährt. Selbst eine vor der Anzeige im Rahmen des – laut internen Arbeitsanweisungen – generellen Angebots „Stundung bis zu 12 Monaten“ gewährte Stundung über 6 Monate fällt nicht unter das später angezeigte allgemeine Zahlungsmoratorium.
    Die Handhabung unter b) erscheint erforderlich, um einer willkürlichen Einbeziehung von Stundungen in ein später angezeigtes allgemeines Zahlungsmoratorium vorzubeugen. Würde Y anzeigen, dass es Stundungen bis 12 Monate gewährt, würden aber sämtliche von ihm generell angebotene Stundungen unter das Moratorium fallen. Sprich: Voraussetzung dafür, dass Ys vor der Anzeige generell gewährte Stundungen unter das allgemeine Zahlungsmoratorium gefasst werden, ist, dass Y sein gemäß interner Arbeitsanweisung eröffnetes generelles Angebot nach der Anzeige aufrechterhält. Dies erscheint zumutbar.

Eine Zahlungsentlastungsinitiative sieht vor, dass die Schuldner Nebenabreden (Covenants) für die Dauer der Stundung nicht einzuhalten brauchen. Rn 10 c) der Leitlinien sieht vor: „... die sonstigen Bestimmungen und Bedingungen des Darlehensvertrags, z. B. der Zinssatz, sollten nicht geändert werden.“ Im Wortsinne erscheint diese Tatbestandsvoraussetzung nicht durchführbar, denn die Wirkungen eines allgemeinen Zahlungsmoratoriums auf einen Vertrag können in dem Vertrag selbst nicht vorhergesehen werden. Vielmehr kann ein allgemeines Zahlungsmoratorium, gerade weil es keine einzelfallbezogene Vertragsanpassung vorsehen kann, zu einer Lücke im Vertrag führen. Diese Lücke ist unvermeidlich bei der Anwendung des Vertrags zu füllen. Das Aussetzen von Nebenabreden für die Dauer einer Stundung ist dazu eine Möglichkeit. Sie steht einer Einstufung der Zahlungsentlastungsinitiative als allgemeines Zahlungsmoratorium nicht entgegen.

Ein Institut hat mehreren Instituten Bürgschaften für bestimmte von diesen Instituten gewährte Kredite gewährt. Es gewinnt diese Institute dafür, ihren Schuldnern Stundungen auf die verbürgten Kredite zu gewähren. Das bürgende Institut verlangt aber, dass die teilnehmenden Institute jedem Schuldner eines verbürgten Darlehens auch eine Stundung auf ein unverbürgtes Darlehen an diesen Schuldner gewähren (soweit vorhanden). In dieser Konstellation kann die Stundung des verbürgten Darlehens das darlehensgebende Institut veranlassen, mit dem Kreditnehmer auf der Grundlage einer Kreditwürdigkeitsprüfung über die Einzelheiten der Stundung eines nicht verbürgten Darlehens zu verhandeln. Diese Kreditwürdigkeitsprüfung ist Folge, nicht Voraussetzung der Stundung des verbürgten Kredits. Die Stundung der verbürgten Kredite ist daher bei Einhaltung der übrigen Voraussetzungen ein Moratorium ohne Gesetzesform, die Stundung des nicht verbürgten Kredits dagegen eine einzelfallbezogene Maßnahme.

Die Institute, die an einem Moratorium ohne Gesetzesform teilnehmen, zeigen dies an und ermitteln dazu die in Rn 17 der Leitlinien aufgeführten Informationen. Die Institute können der BaFin und der Deutschen Bundesbank vorab formlos mitteilen, dass sie an dem Moratorium teilnehmen. Diese Mitteilung kann dabei auch über den Organisator eines Zahlungsmoratoriums erfolgen, z.B. einen Verband. Die vollständige Anzeige erfolgt mit dem Formblatt mit dem Titel "Anzeige nach Absatz 17 der EBA-Leitlinien 2020/02" (siehe auf der verlinkten Seite unter Buchstabe A) beim Fachaufsichtsreferat der BaFin und bei der zuständigen Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbank, soweit die Anzeige nicht wiederum gesammelt über den Organisator erfolgt. Institute, die zuvor formlos ihre Teilnahme mitgeteilt haben, ergänzen diese formlose Mitteilung bitte durch eine Anzeige per Formblatt.

Kartellrechtliche Fragen im Zusammenhang mit allgemeinen Zahlungsmoratorien sind nicht Gegenstand der Arbeit der BaFin.

Fanden Sie den Beitrag hilfreich?

Wir freuen uns über Ihr Feedback

Es hilft uns, die Webseite kontinuierlich zu verbessern und aktuell zu halten. Bei Fragen, für deren Beantwortung wir Sie kontaktieren sollen, nutzen Sie bitte unser Kontaktformular. Hinweise auf tatsächliche oder mögliche Verstöße gegen aufsichtsrechtliche Vorschriften richten Sie bitte an unsere Hinweisgeberstelle.

Wir freuen uns über Ihr Feedback