Exekutivdirektor Dr. Thorsten Pötzsch zum Anlegerschutzstärkungsgsetz
„Transparenz als roter Faden“
Dr. Pötzsch
Das Anlegerschutzstärkungsgesetz sorgt für besseren Durchblick auf dem grauen Kapitalmarkt. Transparenz ziehe sich wie ein roter Faden durch das gesamte Gesetz, konstatiert Dr. Thorsten Pötzsch im Interview mit dem BaFinJournal. Dadurch werde es für Anlegerinnen und Anleger einfacher, selbstbestimmte Entscheidungen zu treffen, erläutert der BaFin-Exekutivdirektor, der derzeit auch kommissarisch die Wertpapieraufsicht der BaFin leitet.
Herr Dr. Pötzsch, was können Anlegerinnen und Anleger vom Anlegerschutzstärkungsgesetz erwarten?
Dass sie besser geschützt werden. Und zwar vor allem dadurch, dass der Gesetzgeber für mehr Transparenz auf dem grauen Kapitalmarkt sorgt. Transparenz zieht sich wie ein roter Faden durch das gesamte Gesetz. Das ist aus meiner Sicht auch der richtige Ansatzpunkt. Denn auf diese Weise macht der Gesetzgeber es Anlegerinnen und Anlegern leichter, selbstbestimmt zu entscheiden, was sie mit ihrem Geld machen. Stärkerer Schutz heißt dabei nicht, dass der Gesetzgeber Anleger aus der Verantwortung entlässt.
Anleger können aber auf dem grauen Kapitalmarkt immer noch Schiffbruch erleiden.
Ja, das kann weiterhin passieren. Anleger müssen sich immer vor Augen halten, dass sich Vermögensanlagen anders entwickeln können, als ein Emittent es plant und prognostiziert. Dieses Risiko haben Sie bei jeder Anlage am Kapitalmarkt. Je höher die versprochene Rendite, desto höher das Risiko. Und noch etwas kommt hinzu: Wir können noch so viel regulieren und noch so viel kontrollieren: Kriminelles Handeln werden wir nie komplett ausschließen können.
Hätte man Graumarktprodukte dann nicht generell verbieten sollen?
Es stellt sich immer die Frage der Verhältnismäßigkeit. Ein Generalverbot aller Graumarktprodukte ginge möglicherweise schon in Richtung Bevormundung.
Apropos Verbot: Zumindest Blindpool-Konstruktionen dürfen Anlegern künftig nicht mehr angeboten werden, von wenigen Ausnahmen abgesehen. Ist das noch Schutz oder ist das schon Bevormundung?
Wir wandeln immer auf einem schmalen Grat, wenn es um die Abgrenzung von Schutz und Bevormundung geht. Hier ist diese Gratwanderung aber gelungen, hier geht es tatsächlich um Schutz – und zwar um Schutz, der Eigenverantwortung ermöglicht und stärkt. Gerade private Anlegerinnen und Anleger sollten im Vorhinein wissen, in welche Projekte sie ihr Geld investieren. Und das können sie nicht, wenn man sie im Unklaren lässt.
Es gibt das alte Sprichwort, man solle eine Katze nicht im Sack kaufen. Genau das hat hier massenhaft stattgefunden. Es gab eine enorme Wissensasymmetrie zwischen Anbietern und Anlegern. Die ließ sich nur durch das Blindpool-Verbot beseitigen. Hier bin ich wieder beim roten Faden Transparenz: Der Gesetzgeber verbietet Anlegern nicht, in Projekte zu investieren, die üblicherweise durch Blindpool-Konstruktionen finanziert wurden. Er ermöglicht ihnen stattdessen, sich ein Bild von diesen Projekten zu machen. So können sie besser abwägen, ob es für sie sinnvoll ist, darin zu investieren. Anders ausgedrückt: Anleger werden in die Lage versetzt, mündige Entscheidungen zu treffen.
Es gibt sicher Anleger, die sich gar nicht so intensiv mit einer Vermögensanlage beschäftigen wollen. Oder die sagen: Das ist mir zu kompliziert. Die sollten dann auch besser die Finger von solchen Produkten lassen. Jeder sollte nur die Risiken eingehen, die er abschätzen und tragen kann.
Stichwort „Eigenvertrieb“: Was bringt es Anlegern, dass künftig nur noch Wertpapierdienstleister und Finanzanlagenvermittler Vermögensanlagen vertreiben dürfen?
Einen besseren Schutz, und zwar aus folgendem Grund: Wer seine eigenen Vermögensanlagen vertreibt, verfolgt in erster Linie seine eigenen wirtschaftlichen Interessen. Und die können sich mit den Interessen der Anleger beißen. Wertpapierdienstleistungsunternehmen und Finanzanlagenvermittler vertreiben nicht ihre eigenen Vermögensanlagen, sondern eine Vielzahl von Vermögensanlagen unterschiedlicher Anbieter.
Das ist aber nicht alles: Wertpapierdienstleistungsunternehmen stehen unter Aufsicht der BaFin, und sie haben die nötige Sachkunde, um Anleger zu beraten, und zwar zugeschnitten auf deren Bedürfnisse. Hinzu kommt, dass sie Transparenz- und Verhaltenspflichten erfüllen müssen, die Anlegerinnen und Anleger schützen sollen. Auch Finanzanlagenvermittler werden beaufsichtigt, nämlich von den Gewerbeaufsichtsämtern bzw. den Industrie- und Handelskammern.
Aber noch einmal: Das Anlegerschutzstärkungsgesetz stärkt zwar den Anlegerschutz. Komplette Sicherheit in allen Lebenslagen bietet das Gesetz aber nicht. Das wäre auch schlicht unmöglich.
Manche Emittenten müssen bald einen unabhängigen Dritten einsetzen, der die Verwendung der Anlegergelder prüft. Was versprechen Sie sich davon?
Ein weiteres, spürbares Plus an Anlegerschutz. Dass künftig zum Beispiel bei Direktinvestments in Sachgüter die Verwendung der Mittel von einem unabhängigen Dritten kontrolliert werden soll, schafft auch mehr Transparenz. Bislang mussten Anleger darauf vertrauen, dass ihr investiertes Geld ordnungsgemäß verwendet wird. Jetzt werden sie besser nachvollziehen können, ob ihr Geld wirklich für den angegebenen Zweck eingesetzt wird.
Eine letzte Frage: Prospektprüfung und Produktintervention werden nun bei den Vermögensanlagen miteinander verbunden. Was ändert sich dadurch?
Lassen Sie mich das kurz erläutern: Wir haben bei den Vermögensanlagen auf der einen Seite die Prospektbilligung. Dazu prüfen wir Prospekte im gesetzlich vorgegebenen Umfang, sprich: Wir prüfen ihre Kohärenz, Vollständigkeit und Verständlichkeit. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Auf der anderen Seite haben wir das Instrument der Produktintervention. Wir können beispielsweise ein Produkt verbieten oder dessen Vertrieb einschränken, wenn erhebliche Bedenken für den Anlegerschutz bestehen. Wir haben zum Beispiel dafür gesorgt, dass finanzielle Differenzkontrakte (Contracts for Difference – CFD) in Deutschland nur eingeschränkt an Kleinanleger vermarktet, vertrieben und verkauft werden dürfen (siehe BaFinJournal August 2019).
Bislang liefen beide Verfahren unabhängig voneinander. Erfüllte ein Prospekt die gesetzlichen Anforderungen, war er also kohärent, vollständig und verständlich, mussten wir ihn billigen, Punkt. Es spielte überhaupt keine Rolle, ob wir gleichzeitig geprüft haben, ob wir das Produkt zum Beispiel würden verbieten müssen, weil erhebliche Bedenken für den Anlegerschutz bestehen.
In derartige Situationen werden wir nun nicht mehr kommen. Wir prüfen weiterhin bei Vermögensanlagenprospekten nur Kohärenz, Vollständigkeit und Verständlichkeit. Künftig wird aber das Prospektverfahren ausgesetzt, sobald wir Anhaltspunkte für Anlegerschutzbedenken haben. Wir werden das Verfahren grundsätzlich solange anhalten, bis wir abschließend geprüft haben, ob wir Produktinterventionsmaßnahmen ergreifen müssen. Und wenn wir ein Produkt verbieten, stoppen wir natürlich die Prospektbilligung.
Für Wertpapierprospekte nach der EU-Prospektverordnung gelten diese Regelungen allerdings nicht, weil es sich dabei um unmittelbar geltendes europäisches Recht handelt und nationale Gesetzgeber hier keinen eigenen gesetzgeberischen Spielraum haben.
Die neuen Mechanismen bei Vermögensanlagen begrüße ich sehr, weil sie dazu beitragen, dass unser Aufsichtshandeln effektiver wird. Und dass man es besser nachvollziehen kann.
Herr Dr. Pötzsch, wir danken Ihnen für das Interview!