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Erscheinung:26.01.2017 | Thema Governance Begleitender Text zur Veröffentlichung des Rundschreibens „MaGo“

Mit dem Rundschreiben „Aufsichtsrechtliche Mindestanforderungen an die Geschäftsorganisation von Versicherungsunternehmen“ (MaGo) bündelt die BaFin ihre Erwartungen an die Ausgestaltung wesentlicher Bereiche der Geschäftsorganisation von Versicherungsunternehmen. Das Rundschreiben tritt am 1. Februar 2017 in Kraft.

Hintergrund

Ein erster Entwurf des Rundschreibens wurde mit Vertretern der Branchenverbände sowie der Landesaufsichtsbehörden im Rahmen von Workshops diskutiert. Der hieraus resultierende Entwurf des Rundschreibens wurde vom 19 Oktober 2016 bis zum 18. November 2016 öffentlich konsultiert (Konsultation 09/2016). Im Rahmen der Konsultation gingen Stellungnahmen von Branchenverbänden, Versicherungsunternehmen und Wissenschaftlern ein. Das vorliegende Rundscheiben „MaGo“ berücksichtigt die Ergebnisse der Workshops und der öffentlichen Konsultation.

Adressaten der MaGo sind alle Unternehmen, die unter Solvency II fallen. Systematisch wird das Rundschreiben an die Stelle des aufgehobenen Rundschreibens 3/2009 (VA) zu den aufsichtsrechtlichen Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk VA) treten.

Im Rundschreibens werden übergreifende Aspekte zur Geschäftsorganisation, soweit möglich ohne Wiederholungen der Anforderungen des VAG, der Delegierten Verordnung (EU) 2015/35 (DVO) und der EIOPA-Leitlinien, zusammengeführt. Insbesondere werden auch zentrale Begriffe wie „Proportionalität“ oder „Verwaltungs-, Management- oder Aufsichtsorgan“ erläutert und, neben den Ergebnissen der Workshops und der öffentlichen Konsultation, erste Erfahrungen der Aufsichtspraxis unter Solvency II berücksichtigt.

Im Vergleich zu den Veröffentlichungen der BaFin zur Vorbereitung auf und zum Start von Solvency II werden einzelne Themen im Rundschreiben ausführlicher behandelt, unter anderem:

  • Wesentliche Risiken: Konzept der unternehmensindividuellen Wesentlichkeitsgrenzen (Kapitel 5);
  • Anforderungen an unternehmensindividuelle Stresstests im Rahmen des ORSA und in anderen Bereichen des Risikomanagements (siehe auch die nachstehende Erläuterung zu Kapitel 10.3 der MaGo).

Anpassungen im Rahmen der Konsultation

Zudem hat es eine Reihe von Änderungen gegenüber den bisherigen Veröffentlichungen und der Konsultationsfassung der MaGo gegeben. Im Folgenden werden die wesentlichen Änderungen dargestellt.

Genereller Ausnahmekatalog:

Im Rahmen der Konsultation wurde zum Teil der Wunsch nach konkreten „Mindesterleichterungen“ - bis hin zu Teilbefreiungen von Anforderungen - für kleine Solvency-II-Unternehmen geäußert (zu unterscheiden von den kleinen Versicherungsunternehmen i. S. d. § 211 VAG, für die das Rundschreiben nicht gilt). Solche „Mindesterleichterungen“ widersprechen im Grunde jedoch dem Konzept einer prinzipienbasierten und risikoorientierten Regulierung. Daher wurde diesem Petitum auch nicht gefolgt. Auch nehmen solche „Mindesterleichterungen“ den Unternehmen die Flexibilität bei der Umsetzung der Vorgaben, insbesondere vor dem Hintergrund des Proportionalitätsgedankens. Daher stellt das Rundschreiben an vielen Stellen die Umsetzung dieses Gedankens deutlich heraus.

Zu Kapitel 8.1 - Aufbau- und Ablauforganisation:

Im Rundschreiben wird an einer angemessenen Trennung der Zuständigkeiten bis einschließlich der Ebene der Geschäftsleitung festgehalten. Damit wird lediglich die bisherige Verwaltungspraxis (siehe bereits MaRisk (VA)) fortgeführt. Dieser liegt der Gedanke zugrunde, dass der Aufbau von Risiken und deren Überwachung und Kontrolle grundsätzlich nicht vereinbar sind, sondern einem angemessenen internen „check and balance“ unterliegen sollen. Zur substanziellen und effektiven Umsetzung dieses Ziels ist eine hierarchische Absicherung bis zur Ebene der Geschäftsleitung zu gewährleisten. Die Trennung zwischen dem Aufbau von Risiken und deren Überwachung und Kontrolle muss in einer dem individuellen Risikoprofil angemessenen Weise erfolgen. Im Rundschreiben wird die Bedeutung des Proportionalitätsprinzips in diesem Kontext nunmehr deutlicher herausgestellt und damit den Interessen risikoärmerer Unternehmen Rechnung getragen.

Zu Kapitel 8.2 - Interne Überprüfung des Governance-Systems:

Dem Wunsch nach einer flexibleren Auslegung des § 23 Abs. 2 VAG wurde entsprochen. Es wird keine jährliche Bewertung der Geschäftsorganisation durch die Geschäftsleitung mehr erwartet. Der Turnus der Bewertung ist vielmehr entsprechend dem Risikoprofil festzulegen.

Zu Kapitel 9.1 - Allgemeine Anforderungen an Schlüsselfunktionen und Stellung im Unternehmen:

a. In Umsetzung der europäischen Vorgaben untersteht die intern verantwortliche Person für eine Schlüsselfunktion, sofern es sich nicht um einen Geschäftsleiter handelt, allein den Weisungen der gesamten Geschäftsleitung bzw. des zuständigen Geschäftsleiters. Der Argumentation, wonach es regelmäßig nicht erforderlich sei, dass die intern verantwortliche Person für eine Schlüsselfunktion auch disziplinarisch direkt an die Geschäftsleitung angebunden ist, kann nicht gefolgt werden.

Zwar ist es nicht zwingend erforderlich, dass die Schlüsselfunktionen aufbauorganisatorisch direkt unter der Geschäftsleitungsebene angesiedelt sind. Bezüglich der Wahrnehmung der Schlüsselfunktion darf jedoch allein die Geschäftsleitung der intern verantwortlichen Person, sofern es sich nicht um einen Geschäftsleiter handelt, Weisungen erteilen. So wird die Unabhängigkeit und die hervorgehobene Stellung der Schlüsselfunktion gewährleistet. Dementsprechend berichten die Schlüsselfunktionen auch direkt an die Geschäftsleitung (Art. 268 Abs. 1 DVO).

b. Aufgrund der im Rahmen der Konsultation eingegangenen Stellungnahmen wurden die entsprechenden Hinweise dahingehend flexibilisiert, dass ein Geschäftsleiter im Einzelfall „insbesondere“ dann zugleich intern verantwortliche Person für eine Schlüsselfunktion sein kann, wenn diese Gestaltung dem Risikoprofil angemessen ist. Es bleibt somit bei der Erleichterung für Unternehmen mit schwächer ausgeprägtem Risikoprofil. Darüber hinaus ist die Gestaltung nunmehr auch bei Unternehmen mit stärker ausgeprägtem Risikoprofil nicht von vornherein ausgeschlossen.

c. Eine Person kann weiterhin nur nach Maßgabe des Proportionalitätsprinzips intern verantwortliche Person für mehrere unterschiedliche Schlüsselfunktionen sein (Bündelung von Schlüsselfunktionen). Das Proportionalitätsprinzip gilt umfassend bei der Organisationsgestaltung unter Solvency II und ergibt sich außerdem für die Bündelung von Schlüsselfunktionen aus dem Erwägungsgrund 32 der Solvency-II-Richtlinie (Bündelung bei kleineren und weniger komplexen Unternehmen).

Zu Kapitel 10.3 - Unternehmensindividuelle Stresstests:

Aufgrund von Anregungen im Rahmen der Konsultation unterscheidet das Rundschreiben nunmehr deutlich zwischen unternehmensindividuellen Stresstests im Rahmen des ORSA und in anderen Bereichen des Risikomanagements. Die Unternehmen müssen im Rahmen des ORSA nach Maßgabe des § 27 Abs. 3 Satz 2 VAG stets unternehmensindividuelle Stresstests durchführen. Darüber hinaus sind auch in anderen Bereichen des Risikomanagements unternehmensindividuelle Stresstests nach Maßgabe des Artikels 259 Abs. 3 DVO durchzuführen, allerdings nur, soweit dies sachgerecht ist.

Die Forderung, EIOPA-Stresstests als unternehmensindividuelle Stresstests zu akzeptieren, konnte jedoch nicht pauschal übernommen werden. Bei den EIOPA-Stresstests handelt es sich um standardisierte Stresstests. Diese bilden, wie von der Branche dabei immer wieder vorgetragen wurde, in vielen Fällen wesentliche unternehmensindividuelle Risikotreiber nicht angemessen ab. Jedoch lässt die Formulierung der MaGo die Möglichkeit zu, den EIOPA-Stresstest im Einzelfall als unternehmensindividuellen Stresstest zu nutzen, vorausgesetzt, dieser ist für das Unternehmen angemessen.

Zudem eröffnet der Hinweis auf das Proportionalitätsprinzip die Möglichkeit, unternehmensindividuelle Stresstests unterschiedlich detailliert auszugestalten. Risikoärmere Unternehmen können beispielsweise auf einfach durchzuführende Sensitivitätsanalysen (Veränderung nur eines Parameters) zurückgreifen und müssen keine Szenarioanalysen (Veränderung mehrerer Parameter) durchführen.

Zu Kapitel 11 - Anforderungen an die Geschäftsorganisation in Bezug auf Eigenmittel:

Bei den Governance-Anforderungen in Bezug auf Eigenmittel erfolgten keine inhaltlichen Änderungen. Als Ergebnis der Konsultation wurden jedoch fast alle Passagen gestrichen, in denen im Zusammenhang mit Governance-Regelungen auf quantitative Regelungen Bezug genommen wurde, um wunschgemäß quantitative Regelungen möglichst nicht anzusprechen.

Hinsichtlich der Ausführungen zu zusätzlichen Eigenmitteln oberhalb des SCR war ein Verzicht auf die Erwähnung „quantitativer Anforderungen“ allerdings nicht möglich, weil sich hier die Governance-Anforderung als zwingend logische Folge der Ausgestaltung der quantitativen Anforderungen ergibt: ein Unternehmen muss unternehmensindividuell ermittelte ausreichende Eigenmittel vorhalten, um durch die Volatilität des SCR bedingte kurzfristig mögliche Schwankungen seines SCR auffangen zu können und nicht gegen die Verpflichtung zur jederzeitigen Einhaltung der aufsichtsrechtlichen Kapitalanforderungen zu verstoßen. Diese Eigenmittel stellen keine zusätzlichen Kapitalanforderungen dar, sondern dienen allein der Sicherstellung der ununterbrochenen Einhaltung der jeweils regulär berechneten Kapitalanforderungen.

Zu Kapitel 13.4 - Ausgliederung wichtiger Funktionen und Versicherungstätigkeiten:

Dem Hinweis in der Konsultation, dass die Vorlage sämtlicher Unterlagen zu anzeigepflichtigen Ausgliederungen in deutscher Sprache zu einem unverhältnismäßigen Aufwand bei den betroffenen Unternehmen führen würde, ist mit einer Anpassung des entsprechenden Passus Rechnung getragen worden.

Die Vorgabe bleibt zwar bei dem Grundsatz, alle beizufügenden Unterlagen in der Regel in deutscher Sprache einzureichen. Dieser Grundsatz kann aber flexibel umgesetzt werden. So können die Unterlagen nach Rücksprache mit dem zuständigen Fachreferat auch in englischer Sprache vorgelegt werden. Falls erforderlich, kann die BaFin zu einem späteren Zeitpunkt von dem Unternehmen eine autorisierte Übersetzung anfordern.

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