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Erscheinung:09.06.2017 | Thema Solvabilität Jahreszahlen nach Einführung von Solvency II: Erste Erkenntnisse aus dem Berichtswesen nach Sparten

Die Versicherungsunternehmen haben im Mai 2017 erstmals Jahreszahlen vorgelegt. Neben dem SFCR-Bericht (Solvency and Financial Condition Report), den die Unternehmen auf der Ebene der Einzelunternehmen veröffentlichen müssen, wurden der BaFin Ergebnisse im Rahmen der quantitativen Berichterstattung übermittelt, sowie ein Bericht, der ausschließlich für die Aufsicht erstellt werden muss, der RSR (Regular Supervisory Report). Dabei haben alle berichtspflichtigen Unternehmen ihre Daten der BaFin übermittelt.

Im Folgenden werden die wesentlichen Erkenntnisse, die auf der quantitativen Berichterstattung gegenüber der BaFin beruhen, nach Sparten getrennt dargestellt.

Lebensversicherer

Zum Stichtag 31.12.2016 standen 84 Lebensversicherungsunternehmen unter Aufsicht der BaFin. Für die Berechnung der Solvabilitätskapitalanforderungen (SCR) haben 73 Lebensversicherer die Standardformel und elf Unternehmen ein (partielles) Internes Modell verwendet. Unternehmensspezifische Parameter wurden von keinem Unternehmen genutzt.

Von den 84 Lebensversicherern wenden 47 die Übergangsmaßnahmen für versicherungstechnische Rückstellungen gemäß § 352 VAG und die Volatilitätsanpassung nach § 82 VAG an. 13 Lebensversicherer nutzen ausschließlich die Übergangsmaßnahme für versicherungstechnische Rückstellungen, während acht Unternehmen als einzige Maßnahme die Volatilitätsanpassung anwenden. Die Übergangsmaßnahme für risikofreie Zinssätze gemäß § 351 VAG wird von einem Unternehmen in Kombination mit der Volatilitätsanpassung angewendet. In Summe wenden somit 56 Lebensversicherer die Volatilitätsanpassung, 60 Lebensversicherer die Übergangsmaßnahmen für versicherungstechnische Rückstellungen und ein Lebensversicherer die Übergangsmaßnahme für risikofreie Zinssätze an.

SCR- und MCR-Bedeckung

Zum 31.12.2016 konnten alle 84 Lebensversicherungsunternehmen eine ausreichende SCR-Bedeckung nachweisen. Bei mehreren Unternehmen war hierzu die Anwendung von Übergangsmaßnahmen notwendig. Die SCR-Quote der Branche (anrechenbare Eigenmittel der Branche im Verhältnis zum SCR der Branche) belief sich auf etwa 340%, wobei der Anstieg gegenüber dem Vorjahreswert von 283% u.a. auf die leichte Erholung des Zinsniveaus, den Anstieg der Aktienmärkte und die Reduzierung der Spreads zurückzuführen ist. Die Bedeckung der Mindestkapitalanforderungen (Minimum Capital Requirement, MCR) lag bei fast 800%.

Die Quoten der einzelnen Versicherungsunternehmen schwanken nach wie vor sehr stark. Die maximale Verbesserung bzw. Verschlechterung der SCR-Bedeckung gegenüber dem Vorjahr lag bei einzelnen Unternehmen bei rund 300 Prozentpunkten. Dies veranschaulicht die hohe Volatilität unter Solvency II, mit welcher Unternehmen und Aufsicht, aber auch die Öffentlichkeit adäquat umzugehen haben.

Im Berichtsjahr mussten 29 Lebensversicherungsunternehmen einen Maßnahmenplan vorlegen, da sie ohne Anwendung von Übergangsmaßnahmen zumindest zwischenzeitlich keine ausreichende SCR-Bedeckung sicherstellen konnten. Die BaFin steht mit diesen Unternehmen in engem Kontakt, um die dauerhafte Einhaltung des SCR spätestens nach Ende des Übergangszeitraums zum 31. Dezember 2031 zu gewährleisten. Die betroffenen Unternehmen müssen im Rahmen der jährlichen Fortschrittsberichte zur Entwicklung der Maßnahmen Stellung nehmen.

Aufgrund der zwischenzeitlichen Verschärfung des Niedrigzinsumfelds im Verlauf des Geschäftsjahres 2016 konnte ein Unternehmen trotz Anwendung von Übergangsmaßnahmen vorübergehend weder eine ausreichende SCR- noch MCR-Bedeckung sicherstellen. Vor diesem Hintergrund musste das betroffene Unternehmen der BaFin sowohl einen Sanierungsplan nach § 134 VAG als auch einen Finanzierungsplan nach § 135 VAG vorlegen. Durch die ergriffenen Maßnahmen konnte das Unternehmen zeitnah wieder eine ausreichende SCR- bzw. MCR-Bedeckung gewährleisten.

SCR und MCR

Das SCR ist gegenüber dem Vorjahr für die unter Aufsicht der BaFin stehenden Lebensversicherungsunternehmen von 38,4 Mrd. Euro auf ca. 35,1 Mrd. Euro zurückgegangen. Ebenso ist das MCR von 15,5 Mrd. Euro im Vorjahr auf ca. 14,5 Mrd. Euro gesunken. Für die Anwender der Standardformel, auf welche fast zwei Drittel des vorgenannten SCR entfallen, sind fast 80% der Kapitalanforderungen1) – ohne Berücksichtigung von Diversifikationseffekten – auf Marktrisiken zurückzuführen. Ein wesentlicher Anteil des SCR entfällt außerdem auf versicherungstechnische Risiken Leben (ca. 30%) und Kranken2) (ca. 20%). Dahingegen sind Gegenparteiausfallrisiken eher von untergeordneter Bedeutung. Die genannten Prozentsätze sind in der Summe größer als 100%, weil in ihnen Diversifikationseffekte, die sich reduzierend auf das Brutto-Basis-SCR auswirken, noch nicht berücksichtigt sind. Diese beliefen sich auf über 20%. Im Rahmen der SCR-Berechnung sind zudem die verlustabsorbierende Wirkung der versicherungstechnischen Rückstellung und der latenten Steuern von hoher Bedeutung.

Die auf das SCR anrechnungsfähigen Eigenmittel sind gegenüber dem Vorjahr von 108,8 Mrd. Euro auf rund 120 Mrd. Euro angestiegen, wovon etwa 95% der höchsten Eigenmittelklasse (Tier 1) zuzurechnen waren. Im Branchendurchschnitt setzen sich die Eigenmittel zu rund 65% aus der sog. Ausgleichsrücklage und zu etwa 30% aus dem Überschussfonds zusammen. Weitere nennenswerte Bestandteile zum Betrachtungsstichtag waren das Grundkapital inkl. Emissionsagio sowie nachrangige Verbindlichkeiten.

Zusammensetzung der Kapitalanlagen

Zum 31.12.2016 beliefen sich die Kapitalanlagen der Lebensversicherungsunternehmen (ohne fondsgebundene Lebensversicherungen) zu Marktwerten auf ein Volumen von über 1.000 Mrd. Euro (Day 1: 989,0 Mrd. Euro). Der überwiegende Anteil hiervon entfällt auf Anleihen, insbesondere auf Staatsanleihen und Unternehmensanleihen, Schuldverschreibungen und Pfandbriefe. Aktien und Anteile an verbundenen Unternehmen (inkl. Beteiligungen) machen etwa ein Viertel der Kapitalanlagen aus, hierzu zählen auch Investmentfonds, die die Voraussetzung einer Beteiligung nach Solvency II erfüllen. Ein wesentlicher Teil der Kapitalanlagen entfällt außerdem auf Darlehen und Hypotheken (ca. 8%) sowie auf Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW), also Investmentfonds nach der OGAW-Richtlinie (ca. 10%). Die Kapitalanlagen der Fondsgebundenen Lebensversicherung beliefen sich zum Stichtag 31.12.2016 auf rund 100 Mrd. Euro.

Schaden- und Unfallversicherer

Von insgesamt 207 Schaden-/Unfallversicherungsunternehmen fielen zum Stichtag 31.12.2016 182 unter Solvency II – Aufsicht. Dies entspricht 88,0%. Auf Basis der vorliegenden Daten haben für die Berechnung der Solvabilitätskapitalanforderungen (SCR) 165 Schaden- und Unfallversicherer die Standardformel verwendet. Dies entspricht rund 91,0% aller berichtspflichtigen Schaden-und Unfallversicherer unter Solvency II. Sechs Versicherungsunternehmen berechneten das SCR anhand eines internen Modells und neun Versicherungsunternehmen auf der Grundlage eines partiellen internen Modells. Von der gesetzlichen Möglichkeit, unternehmensspezifische Parameter in die Berechnung des SCR einfließen zu lassen, machten sieben Versicherer Gebrauch. Hierbei handelt es sich fast ausschließlich um Rechtsschutzversicherer.

SCR- und MCR-Bedeckung

Zum 31.12.2016 konnten alle 182 Schaden-Unfallversicherungsunternehmen eine ausreichende SCR-Bedeckung nachweisen. Dem Datenstand nach belief sich die SCR-Quote der Branche (anrechenbare Eigenmittel der Branche im Verhältnis zum SCR der Branche) auf rund 286,04%. Die MCR-Quote lag bei rund 846,2 %.

SCR und MCR

Das SCR der Schaden-Unfallversicherungsunternehmen ist mit 36,2 Mrd. Euro gegenüber dem Vorjahr (Day 1: 34,2 Mrd. Euro) um 5,8% gestiegen. Das MCR erhöhte sich um 5,3% auf 12,0 Mrd. € Vorjahresniveau (Day 1: 11,4 Mrd. Euro). Die beiden mit Abstand bedeutendsten Risikotreiber waren das Marktrisiko sowie das versicherungstechnische Risiko Nicht-Leben. Auf diese beiden entfielen 61,3% bzw. 52,9 % der gesamten Kapitalanforderung. Von deutlich untergeordneter Bedeutung war das versicherungstechnische Risiko Kranken (6,9%) und das Gegenparteiausfallrisiko (4,1%). Der die Kapitalanforderungen mindernde Diversifikationseffekt betrug 25,7 %.

Die deutschen Schaden- und Unfallversicherer, die unter Solvency II fallen, verfügten zum 31. Dezember 2016 über anrechnungsfähige Eigenmittel zur Bedeckung des SCR in Höhe von insgesamt 103,6 Milliarden Euro. Von diesen waren etwa 98 % der höchsten Eigenmittelklasse (Tier 1) zuzurechnen. Den überwiegenden Teil der Eigenmittel weisen die Schaden- und Unfallversicherer in der Ausgleichsrücklage aus. Zum 31. Dezember 2016 betrug der Anteil rund 87 % der Basiseigenmittel.

Zusammensetzung der Kapitalanlagen

Basierend auf den vorliegenden Daten beliefen sich die Kapitalanlagen der Schaden-Unfallversicherungsunternehmen zu Marktwerten zum 31.12.2016 auf ein Volumen von 208,6 Mrd. Euro (Day 1: 197,5 Mrd. Euro). Der überwiegende Anteil hiervon entfällt auf verbundene Unternehmen (inkl. Beteiligungen) (42,2%) und Anleihen, insbesondere Unternehmensanleihen (24,7%) sowie Staatsanleihen (9,9%). Ein wesentlicher Teil der Kapitalanlagen entfällt außerdem auf Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) oder in alternative Investmentfonds (AIF). Insgesamt machen diese ca. 14,1% der Kapitalanlagen aus.

Krankenversicherer

Insgesamt 40 Krankenversicherer sind berichtspflichtig nach Solvency II. Der überwiegende Teil verwendet die Standardformel zur Berechnung des SCR. Vier Unternehmen nutzen ein partielles oder vollständiges internes Modell.

Fünf Krankenversicherer nutzten bis Ende 2016 die Übergangsmaßnahmen für die versicherungstechnischen Rückstellungen gemäß § 352 VAG. Maßnahmenpläne gemäß § 353 VAG, die die Unternehmen einreichen müssen, wenn sich ohne Anwendung der Übergangsmaßnahmen eine Unterdeckung ergeben würde, wurden der BaFin nicht vorgelegt.

Bei allen Krankenversicherern zeigte sich zum 31.12.2016 eine Überdeckung des SCR. Die Spannbreite bei den Einzelergebnissen war relativ groß.

Die durchschnittliche SCR-Bedeckungsquote der Branche lag Ende 2016 mit 432% nur leicht unter der Bedeckungsquote zu Day 1 (436%). Schwankungen der Bedeckungsquoten ergeben sich insbesondere durch Veränderungen des Marktumfelds und der Eigenmittel, vor allem des Überschussfonds. Die Höhe der anrechnungsfähigen Eigenmittel aller Krankenversicherer betrug zum 31.12.2016 rund 25,4 Mrd. Euro, das SCR der Branche lag bei 5,9 Mrd. Euro.

Rückversicherer

Von den 33 deutschen Rückversicherungsunternehmen, die unter der Finanzaufsicht der BaFin stehen, sind 30 Rückversicherungsunternehmen berichtspflichtig nach Solvency II. Sie besaßen zum 31. Dezember 2016 Eigenmittel in Höhe von rund 209,4 Mrd. €. Die geforderte Höhe des SCR betrug zum gleichen Zeitpunkt rund 61,2 Mrd. €. Daraus ergab sich eine durchschnittliche Bedeckung des SCR von rund 342 %, was deutlich über dem Branchenschnitt lag. Im Vergleich zum Vorjahr stieg die Bedeckungsquote um 16 Prozentpunkte an. Alle Rückversicherer wiesen zum Stichtag sowohl im Hinblick auf das SCR, als auch auf das MCR eine ausreichende Bedeckung auf.

Die deutsche Rückversicherungsbranche ist sehr heterogen. Neben regionalen und international agierenden Rückversicherern beinhaltet sie auch einige Rückversicherer, die zugleich die Holdingfunktion über eine Versicherungsgruppe oder ein Finanzkonglomerat ausüben. In diesen Fällen ist die Rückversicherungstätigkeit häufig der Holdingtätigkeit nachgeordnet, was sich u.a. in einer Dominanz der Marktrisiken niederschlägt. Da es sich zudem oft um größere Holdings handelt, zeigen sich die Marktrisiken auch im Durchschnitt aller deutschen Rückversicherungsunternehmen als das bestimmende Risiko.

Fazit

Alle berichtspflichtigen Versicherer haben der BaFin ihre Daten übermittelt. Dabei hat sich erfreulicherweise gezeigt, dass ein Jahr nach Einführung von Solvency II keine unter dieses Aufsichtssystem fallende deutsche Versicherung unterdeckt ist – und dass die LTG-Maßnahmen wirken. Allerdings kann man auch nicht erwarten, dass schon alles zu 100 % umgesetzt ist. So müssen sich alle Marktteilnehmer mit dem neuen Zahlenwerk sowie den weiteren damit verbundenen Informationen vertraut machen. „Wir werden die Berichte sorgfältig lesen, und sofern Adjustierungen notwendig sind, werden wir diese vornehmen lassen“, kündigt Dr. Grund an, Exekutivdirektor Versicherungsaufsicht bei der BaFin. Zudem wird derzeit eine vertiefende Analyse aller Berichte durchgeführt. Dabei wird sich auch zeigen, ob mehr Konvergenz innerhalb Deutschlands und mit Europa notwendig und sinnvoll ist. Voraussichtlich Anfang Juli wird die BaFin eine weitere Pressemitteilung auf Basis dieser vertiefenden Analyse veröffentlichen.

Fußnoten

1) Nachfolgende Prozentsätze wurden im Verhältnis zum Brutto-Basis-SCR gemessen.

2) Unter dem versicherungstechnischen Risiko Kranken sind von Lebensversicherern die versicherungstechnischen Risiken aus Invaliditätsversicherungen wie z.B. Berufsunfähigkeits (BU)-, Erwerbsunfähigkeits- und Arbeitsunfähigkeitsversicherungen oder aus der Versicherung von Pflegebedürftigkeit zu erfassen. Bei Zusatzversicherungen kann allerdings auch eine Berücksichtigung im versicherungstechnischen Modul Leben in Frage kommen, wenn eine Entbündelung von der Hauptversicherung nicht möglich ist. Siehe hierzu auch die Auslegungsentscheidung der BaFin vom 04.12.2015 (Invaliditätsbegriff unter Solvency II sowie Zuordnung von Verpflichtungen aus Berufsunfähigkeitsversicherungen).

Zusatzinformationen

Pressemitteilung vom 09.06.2017

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