Erscheinung:26.06.2004 | Geschäftszeichen BA 15 - GS 2061 - 8/04 | Thema Eigenmittel Basel II: Internationale Konvergenz der Eigenkapitalmessung und Eigenkapitalanforderungen - das überarbeitete Rahmenwerk
Internationale Konvergenz der Eigenkapitalmessung und Eigenkapitalanforderungen
Sehr geehrte Damen und Herren,
die Präsidenten der Bankaufsichtsbehörden und der Zentralnotenbanken der Länder der Zehnergruppe haben am 26.06.2004 der Veröffentlichung des überarbeiteten Rahmenwerks zur Internationalen Konvergenz der Eigenkapitalmessung und Eigenkapitalanforderung, das allgemein als Basel II bezeichnet wird, zugestimmt. Damit hat der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht einen über fünfjährigen Verhandlungsprozess abgeschlossen, an dessen Ende ein Rahmenwerk steht, das wegweisend für die Solvenzaufsicht über Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute sein wird.
Das neue Rahmenwerk samt einer Übersicht der wesentlichen Änderungen gegenüber dem Dritten Konsultationspapier von April 2003 ist auf der Website der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (www.bis.org) zugänglich. Über die Internetauftritte der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (www.bafin.de) und der Deutschen Bundesbank (www.bundesbank.de) ist ebenfalls ein Zugriff möglich. Die Deutsche Bundesbank beabsichtigt darüber hinaus, Ihnen in Kürze eine informelle deutsche Übersetzung des Rahmenwerks zur Verfügung zu stellen.
Auch wenn das Basel II-Rahmenwerk sich genau wie der Baseler Akkord von 1988 zunächst nur an die international aktiven Banken wendet, so gewinnt es durch die gleichgerichteten Arbeiten der EU-Kommission zumindest auf EU-Ebene Bedeutung für alle Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsinstitute. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht begrüßt dies, da die neuen Regelungen durch ihre risikosensitive Ausrichtung eine wichtige Stärkung der Stabilität des Finanzsystems bewirken werden.
Durch die Möglichkeit, die Ermittlung der bankaufsichtlichen Eigenkapitalanforderung künftig auf die Ergebnisse bankinterner Risikomessverfahren zu stützen, liefert das neue Rahmenwerk einen wichtigen Anreiz zur Verbesserung der bankinternen Risikomess- und steuerungsverfahren. Dabei sehe ich es als besonderen Vorteil an, dass mit dem einfacheren der auf internen Ratings basierenden Ansätze, dem so genannten Basis-IRBA, insbesondere vor dem Hintergrund der möglichen Nutzung von Pool-Lösungen eine für viele Institute erreichbare Eintrittsstufe geschaffen wurde.
Die erhebliche Bedeutung, die der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht der Stärkung der bankinternen Risikomanagementverfahren beimisst, kommt insbesondere im Rahmen der so genannten zweiten Säule des neuen Rahmenwerks, dem bankaufsichtlichen Überprüfungsverfahren, zum Ausdruck. Mit den Anforderungen der Säule II ist den Instituten abverlangt, geeignete Risikomess- und steuerungsverfahren einzusetzen, um die für sie adäquate, ihrem Gesamtrisikoprofil angemessene Kapitalausstattung zu bestimmen. Hierbei sind auch die in Säule I nicht erfassten Risiken zu berücksichtigen. Die Bankenaufsicht ist durch die Baseler und Brüsseler Vorgaben in der Pflicht, fortlaufend zu überprüfen, ob im Hinblick auf die Komplexität des Geschäfts und unter Berücksichtigung des Gesamtrisikoprofils die von einem Institut eingesetzten Verfahren und die darauf aufsetzende Kapitalausstattung und Allokation angemessen sind. Es erscheint mir wichtig zu betonen, dass sich für Institute, die auf den Einsatz fortgeschrittener bankinterner Verfahren zur Bemessung der Eigenkapitalanforderungen der Säule I verzichten wollen, die durch die Säule II im Rahmen der laufenden bankaufsichtlichen Überprüfung aufgeworfenen Fragen mit besonderer Dringlichkeit stellen werden.
Folgende Änderungen des neuen Rahmenwerks gegenüber dem Dritten Konsultationspapier des Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht vom April 2003 möchte ich kurz hervorheben (die entsprechenden Fundstellen im neuen Rahmenwerk sind als Lesehilfe durch Klammerzusatz kenntlich gemacht):
Der Baseler Ausschuss hat die Zulassung der fortgeschritteneren Verfahren für das Kreditrisiko (fortgeschrittener IRBA) und das operationelle Risiko (Advanced Measurement Approach - AMA) um ein Jahr auf Ende 2007 verschoben. Die Zeiträume für die Parallelrechnungen nach dem neuen Rahmenwerk und den gegenwärtigen Regelungen sowie die Mindesteigenkapitalanforderungen wurden entsprechend angepasst. (Rn 46 - 49, 263, 659)
Der Baseler Ausschuss hat sich ferner dafür entschieden, die Mindesteigenkapitalanforderungen im internen Rating-Ansatz (IRBA) nunmehr allein auf unerwartete Verluste zu beziehen. Damit wurde schließlich eine bereits seit langem durch die deutsche Kreditwirtschaft und Bankenaufsicht erhobene Forderung erfüllt.
Diese Änderung bedingt allerdings auch einige Anpassungen beim haftenden Eigenkapital. Neben dem Eliminieren der allgemeinen Wertberichtigungen als Ergänzungskapitalbestandteil ist darüber hinaus der Gesamtbetrag der Risikovorsorge für ausgefallene und nicht ausgefallene Kredite mit dem Gesamtbetrag der erwarteten Verluste für diese Kredite zu vergleichen. Eine Ausnahme bilden hier Beteiligungs- und Verbriefungspositionen. Der Differenzbetrag zwischen Risikovorsorge und erwarteten Verlusten wird durch eine Anpassung des Eigenkapitals berücksichtigt. (Rn 43, 212 und Teil 2 Abschnitt III.G)
Die Anforderungen an die eigenen Schätzwerte der Institute für die Verlusthöhe bei Ausfall (LGD - loss given default), die bei Nutzung des fortgeschrittenen IRBA bzw. des IRBA für das Mengengeschäft benötigt werden, wurden mit dem Ziel der Klarstellung eingehend überarbeitet. Danach verbleibt es bei der Anforderung, dass LGD-Schätzwerte in den Fällen, in denen es bedeutsam sein kann, die Verlustsituation in einer Rezession widerspiegeln müssen. Der Baseler Ausschuss beabsichtigt im Rahmen einer neuen Arbeitsgruppe praktische Fragen, die sich bei der Implementierung in Bezug auf die Schätzung der LGDs ergeben, zu klären. (Rn 465, 468 - 471)
In Hinblick auf die Berücksichtigung von Kreditrisikominderungstechniken im Standardansatz und im Basis-IRBA hat der Baseler Ausschuss die Berücksichtigungsmöglichkeit von Kreditderivaten ausgeweitet: Auch wenn das vertraglich vereinbarte Kreditereignis nicht die Restrukturierung der zugrunde liegenden Verbindlichkeit umfasst, ist nun eine anrechnungsmindernde Berücksichtigung vorgesehen, jedoch mit einem Abschlag von 40 %. (Rn 192)
Für das Forderungsportfolio der qualifizierten revolvierenden Forderungen des Mengengeschäfts (qualifying revolving retail exposures) hat der Baseler Ausschuss die Assetkorrelation einheitlich auf 4 % festgesetzt. (Rn 329) Für die Abgrenzung dieses Portfolios zum "übrigen Mengengeschäft" (other retail exposures) wird außerdem nicht mehr auf statistische Maßzahlen Bezug genommen. (Rn 234)
Für Verbriefungen mit Klauseln, die eine vorzeitige Tilgung von Verbriefungstranchen auslösen können (early amortisation provisions), wurde die Berücksichtigung nicht ausgeschöpfter Linien spezifiziert. Die Kreditkonversionsfaktoren für Verbriefungen von Krediten des Mengengeschäfts, die mit solchen Klauseln versehen sind, wurden angepasst. (Rn 590 - 605, 643)
Für nicht extern geratete Verbriefungspositionen, insbesondere Liquiditätsfazilitäten, aus "Asset-backed Commercial Paper (ABCP) Programms" ermöglicht der neu geschaffene Internal Assessment Approach (IAA) Instituten, die zur Nutzung des IRBA zugelassen sind, eine risikobezogene Bemessung der Eigenkapitalanforderungen. Die Institute können das fehlende externe Rating durch ihre eigene Kreditbeurteilung ersetzen, wenn im Rahmen eines ABCP Programms mindestens ein Commercial Paper emittiert wird, das mit einem den Anforderungen entsprechenden externen Rating versehen ist, und die Kreditbeurteilung des Instituts analog der Kreditbeurteilung einer anerkannten externen Rating-Agentur erfolgt. Ferner muss die Verbriefungsposition zumindest bei Emission eine gute Kreditqualität aufweisen. (Rn 609, 619 - 622)
In Bezug auf die Behandlung operationeller Risiken nach den fortgeschritteneren Verfahren (Advanced Measurement Approach - AMA) hat der Baseler Ausschuss Grundsätze für die Behandlung international aktiver Institutsgruppen aufgestellt, die unter anderem die Kapitalallokation auf einzelne Tochtergesellschaften regeln, wenn der AMA auf Gruppenbasis ermittelt wird. (Rn 656 - 658)
Auch aber nicht nur in diesem Zusammenhang stehen die Vorschläge des Baseler Ausschusses in Bezug auf die internationale Zusammenarbeit und Abgrenzung der Verantwortlichkeiten im Rahmen des bankaufsichtlichen Überprüfungsverfahrens. Der Ausschuss ist bestrebt, unbeschadet der Verantwortlichkeit der national zuständigen Aufsichtsbehörden Doppelarbeit und zusätzliche Belastungen für international tätige Bankengruppen durch verbesserte Kooperation zwischen den Aufsichtsbehörden so weit wie möglich einzudämmen. (Rn 780 - 783)
Wie bekannt, wird sich der Baseler Ausschuss mit einigen eng umgrenzten Sachfragen auch nach Verabschiedung des neuen Rahmenwerks weiter befassen. So prüft der Ausschuss die Möglichkeit, den bisherigen Substitutionsansatz bei der Anrechnung von Garantien und Kreditderivaten im Rahmen der Kreditrisikominderungstechniken, durch Berücksichtigung von Ausfallkorrelationen zwischen Sicherungsgeber und Kreditnehmer zu verbessern. Außerdem werden einige "handelsbuchbezogene" Themen, wie z. B. die Anerkennung interner Messverfahren für die Bestimmung des Potential Future Exposure bei OTC-Derivaten, in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe mit der International Organization of Securities Commissions (IOSCO) diskutiert.
Darüber hinaus steht die im Rahmenwerk vorgenommene Kalibrierung der Eigenkapitalanforderung für das Kreditrisiko noch unter dem Vorbehalt einer Überprüfung im Rahmen des für 2006 vorgesehenen Parallellaufs. Die Entscheidung des Baseler Ausschuss, die aus dem IRBA resultierende Kapitalanforderung allein auf die unerwarteten Verlusten zu basieren, und die damit einhergehende und vorstehend erwähnte Anpassung der Eigenkapitalbasis durch Berücksichtigung der Differenz zwischen erwarteten Verlusten und Risikovorsorge haben auf der Grundlage der im Rahmen der Dritten Quantitativen Auswirkungsstudie (QIS 3) erhobenen Daten nur ein grobes Abschätzen der Eigenkapitaleffekte zugelassen. Danach müsste der sich aus den IRBA ergebende Anrechnungsbetrag für Kreditrisiken mit dem Faktor 1,06 multipliziert werden, um auf G 10 Ebene im Durchschnitt dasselbe Eigenkapital zu fordern, das unter den geltenden Regelungen zum Einhalten der Mindesteigenkapitalanforderung erforderlich ist.
Der Baseler Ausschuss entwickelt derzeit Erhebungsbögen, mit deren Hilfe hinreichende Daten aus dem zum Jahresende 2005 einsetzenden Parallellauf gewonnen werden können, um das Erfordernis einer Rekalibrierung im Jahr 2006 zu ermitteln. Diese Erhebungsbögen werden gleichzeitig die Grundlage für nationale Auswirkungsstudien (QIS 4) sein, die bereits vor dem Parallellauf durchgeführt werden. Die nationalen Auswirkungsstudien verlängern nicht nur die Datenbasis in ihrer zeitlichen Dimension, sondern ermöglichen auch, eine unbeabsichtigte Fehlkalibrierung frühzeitig auf zu decken. Die deutsche Bankenaufsicht beabsichtigt daher ebenso wie einige andere EU-Staaten eine solche Studie durchzuführen und hofft auf eine mindestens so rege Beteiligung deutscher Institute wie in den vorangegangenen Studien. Nur so lassen sich empirisch abgesicherte Argumente für Sachdiskussionen im Baseler Ausschuss insbesondere zu der möglicherweise erforderlichen Rekalibrierung gewinnen und mit dem gebotenen Nachdruck vorbringen.
Mit der Veröffentlichung des überarbeiteten Rahmenwerks zur Internationalen Konvergenz der Eigenkapitalmessung und Eigenkapitalanforderung ist ein bedeutender Meilenstein auf dem Weg zu einer unbedingten Risikoorientierung der bankaufsichtlichen Regularien und der bankaufsichtlichen Praxis erreicht. Für den Gedankenaustausch und die Unterstützung durch die deutsche Kreditwirtschaft in den zahlreichen die Verhandlungen begleitenden Zusammenkünften möchte ich mich an dieser Stelle nochmals bedanken. Dabei hoffe ich sehr, dass das nun vorliegende Rahmenwerk für die deutschen Institute ein zusätzlicher Ansporn sein wird, die im internationalen Vergleich weit fortgeschrittenen Arbeiten zur Einführung verbesserter Risikomess- und steuerungsverfahren zügig zu Ende zu führen.
Die BaFin wird ihrerseits die Arbeiten an dem nationalen Umsetzungsprojekt mit Hochdruck vorantreiben. Ein Kernbestandteil dieses Projekts ist die gemeinsame Arbeit mit Vertretern der Verbände und Institutsexperten im Arbeitskreis "Umsetzung Basel II" und in den Fachgremien, die diesem Arbeitskreis zuarbeiten. Die Fortsetzung und Intensivierung des Dialogs in diesem gemeinsam geschaffenen institutionellen Rahmen ist bereits Teil der Neuen Aufsicht, die im Sinne der angestrebten Risikoorientierung auf den Wissenstransfer und Gedankenaustausch mit den Instituten angewiesen ist. Ich darf Sie abschließend dazu einladen, uns auf diesem Weg auch weiterhin zu unterstützen.
Mit freundlichen Grüßen
Bauer