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Erscheinung:23.12.2016 | Geschäftszeichen BA 55-FR 2232-2016/0001 | Thema Eigenmittel Allgemeinverfügung: Anordnung von Eigenmittelanforderungen für Zinsänderungsrisiken im Anlagebuch

Allgemeinverfügung der BaFin zur Abwehr von Gefahren für die Sicherheit der Finanzmarktstabilität und zur Umsetzung des gebundenen Ermessens in § 10 Absatz 3 Satz 2 Nr. 1 KWG für alle Kreditinstitute, die nicht nach Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 der direkten Aufsicht der Europäischen Zentralbank unterliegen

1. Hiermit lege ich für Kreditinstitute gemäß der Legaldefinition in Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 soweit sie auch in den Anwendungsbereich des Rundschreibens 11/2011 (BA)1) fallen, zusätzliche Eigenmittelanforderungen für Zinsänderungsrisiken im Anlagebuch fest. Die Anforderungen gelten grundsätzlich auf Einzelinstituts- und nicht auf Gruppenebene. Eine Ausnahme gilt für Kreditinstitute, die von der Ausnahmeregelung bezüglich der Ermittlung und Sicherstellung der Risikotragfähigkeit, Festlegung von Strategien, Einrichtung von Prozessen zur Identifizierung, Beurteilung, Steuerung, Überwachung und Kommunikation von Risiken nach § 2a KWG (Gruppen-Waiver) Gebrauch machen. Da diese Institute die Zinsänderungsrisiken auf Anwendungsebene des Gruppen-Waivers steuern, sind die Anforderungen aus dieser Allgemeinverfügung auf Gruppenebene zu beachten, wie es den in meinem Rundschreiben 11/2011 (BA) getroffenen Regelungen entspricht.

2. Nach Artikel 92 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 (CRR) muss ein Kreditinstitut zu jedem Zeitpunkt eine harte Kernkapitalquote von 4,5%, eine Kernkapitalquote von 6% und eine Gesamtkapitalquote von 8% einhalten. Zu dieser Gesamtkapitalquote muss das Institut einen aus der Tabelle abzuleitenden Zuschlag für Zinsänderungsrisiken im Anlagebuch addieren.

Ausgangspunkt für die Bestimmung des Eigenmittelzuschlags für das Zinsänderungsrisiko im Anlagebuch sind die Auswirkungen einer plötzlichen und unerwarteten Zinsänderung auf den Barwert der mit einem Zinsänderungsrisiko behafteten Geschäfte, die sich zum Zeitpunkt der Berechnung im Bestand des Anlagebuchs eines Kreditinstituts befinden. Hinsichtlich der Zinsänderung wird auf die beiden Szenarien einer Parallelverschiebung der Zinsstrukturkurve um 200 Basispunkte nach oben bzw. unten (sog. Baseler Zinsschock) abgestellt.2)

Die höchste sich ergebende negative Barwertänderung wird ins Verhältnis zum Gesamtrisikobetrag nach Artikel 92 Abs. 3 CRR (RWA) gesetzt. Auf diese Weise lässt sich anhand der folgenden Tabelle sodann die individuell von einem Institut für die Unterlegung von Zinsänderungsrisiken erforderlichen zusätzlichen Eigenmittel in Prozentpunkten ermitteln, welche die einzuhaltende Gesamtkapitalquote nach Artikel 92 Abs. 1 Buchstabe c) CRR entsprechend erhöhen.3)


Tabelle
Höchste negative Barwertänderung (+/- 200 BP)/RWA
0% -0,75% > 0,75% - 2,75%> 2,75% - 3,75% >3,75% - 4,75%> 4,75%
Eigenmittelzuschlag in Prozentpunkten0% 0,6%1,4%1,9%2,6%

3. Die Pflicht für diesen Zuschlag entfällt für ein Institut,

(a) soweit bereits eine Kapitalfestsetzung im Rahmen des bankaufsichtlichen Überprüfungs- und Bewertungsprozesses (Supervisory Review and Evaluation Process, SREP) nach Umsetzung der Leitlinien der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde EBA für den SREP erfolgt und ein gesonderter bestandskräftiger oder ein mit Widerspruch behafteter, jedoch sofort vollziehbarer Bescheid ergangen ist oder

(b) sobald ein zukünftig erteilter Bescheid bestandskräftig wird, bzw. trotz eines Widerspruchs sofort vollziehbar wird.

4. Sollte ein Institut, dass in den Anwendungsbereich dieser Allgemeinverfügung fällt, d. h. noch nicht im Rahmen des SREP geprüft wurde, freie Vorsorgereserven nach § 340f HGB bzw. § 26a KWG a.F. aufweisen, die nicht bereits den regulatorischen Eigenmitteln hinzu gerechnet sind, dürfen diese Reserven für die Unterlegung des Eigenmittelzuschlags für das Zinsänderungsrisiko im Anlagebuch berücksichtigt werden. Die auf diese Weise für Zinsänderungsrisiken im Anlagebuch reservierten freien Vorsorgereserven nach § 340f HGB bzw. § 26a KWG a.F. dürfen nicht für die Abdeckung weiterer Risiken genutzt werden. Dies ist von den Instituten intern geeignet sicherzustellen und zu dokumentieren. Sollten freie Vorsorgereserven vorhanden sein, die den Zuschlag für das Zinsänderungsrisiko im Anlagebuch übersteigen, kann die zusätzliche Eigenmittelanforderung auf 0% sinken.

5. Das Institut hat den individuellen Eigenmittelzuschlag zur Unterlegung des Zinsänderungsrisikos erstmals zum nächsten Meldestichtag des aufsichtlichen Zinsschocks per 31.12.2016 zu berechnen. Danach hat die Berechnung des Eigenmittelzuschlags analog zur Ermittlung des Zinsschocks quartalsweise zu erfolgen und ist künftig kontinuierlich bei den regulatorischen Eigenkapitalmeldungen zu berücksichtigen. Die um den Zuschlag für das Zinsänderungsrisiko gegebenenfalls erhöhte Gesamtkapitalquote ist jederzeit einzuhalten. Sollte das Institut die um den Zuschlag für das Zinsänderungsrisiko erhöhte Gesamtkapitalquote nicht einhalten, ist dies den zuständigen Fachaufsehern unverzüglich mitzuteilen. Die derzeit gültigen aufsichtlichen Meldepflichten ändern sich nicht.

Begründung

ad 1.

Der europäische Richtliniengeber hat in seiner Richt-linie 2013/36/EU (CRD IV) in Artikel 104 Absatz 1 Buchstabe a) den nationalen Aufsichtsbehörden vorgegeben, in gewissen Fällen erhöhte Eigenmittelanforderungen anzuordnen. Der deutsche Gesetzgeber hat diese Regelung in § 10 Absatz 3 Satz 2 KWG umgesetzt. Buchstabe b) in Artikel 104 Absatz 2 CRD IV ist in § 10 Absatz 3 Satz 2 Nr. 1 KWG umgesetzt.

Demnach ordnet die Bundesanstalt zusätzliche Eigenmittelanforderungen an, wenn Risiken oder Risikoelemente nicht durch die Eigenmittelanforderungen nach der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 (CRR) und nach der Solvabilitätsverordnung (SolvV) vom 06.12.2013 abgedeckt sind. Unter diese Risiken fällt insbesondere das Zinsänderungsrisiko im Anlagebuch.

§ 10 Absatz 3 Satz 3 KWG ermächtigt die BaFin, Anordnungen einheitlich zu treffen, sofern es sich um Institute handelt, „die nach Einschätzung der Bundesanstalt ähnliche Risikoprofile aufweisen, ähnlichen Risiken ausgesetzt sein könnten oder für das Finanzsystem ähnliche Risiken begründen“.

Da die Allgemeinverfügung diejenigen Institute betrifft, die Zinsänderungsrisiken im Anlagebuch eingehen, ist die zweite Tatbestandsvoraus-setzung („ähnlichen Risiken ausgesetzt“) erfüllt. Hierbei verstehe ich diese Tatbestandsvoraussetzung dahingehend, dass es nur darauf ankommt, ob ein Institut ein bestimmtes Risiko eingeht. Voraussetzung für eine einheitliche Anordnung ist jedoch nicht, dass die Institute Zinsänderungsrisiken im Anlagebuch in ähnlicher Höhe eingehen, denn für eine einheitliche Anordnung für Institute mit Risiken in ähnlicher Höhe gibt es einen eigenen Tatbestand („ähnliche Risikoprofile aufweisen“).

Eines der grundlegenden Risiken von Kreditinstituten liegt in der Fristentransformation. Banken refinanzieren sich auch über kurzfristige Mittel (z. B. über Sichteinlagen) und legen diese mittel- und langfristig festverzinslich an. Es handelt sich eindeutig um ein Risiko, da Fristeninkongruenz dazu führt, dass eine Änderung der Marktzinsen den wirtschaftlichen Wert des Eigenkapitals der Kreditinstitute beeinflusst. Die Unterlegung dieses Risikos ist auch dann erforderlich, wenn die Fristentransformation über die Eigenanlage bewusst gesteuert wird, wovon im Regelfall auszugehen ist.

In der Gewinn-und Verlustrechnung können sich Ergebnisminderungen in Folge von Zinsänderungen ergeben. Da sich Zinserträge auf mittelfristige Sicht tendenziell nur moderat verändern, dagegen aber z. B. die Zinsaufwendungen bei einem Anstieg der Marktzinsen signifikant steigen können, würde sich das künftige Zinsergebnis verringern. Je nach Höhe des Zinsanstieges kann das Zinsergebnis auch negativ werden – und das für mehrere Folgeperioden.

ad 2.

Die gewählte Form der Anordnung stellt sicher, dass die Zinsänderungsrisiken im Anlagebuch auf der Basis der vom jeweiligen Institut für den Baseler Zinsschock berechneten Werte in angemessener Höhe mit Eigenmitteln abgedeckt sind.
Obschon § 10 Absatz 3 Satz 2 KWG kein Entschließungsermessen mehr zulässt, ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Dies geschieht im vorliegenden Fall schon dadurch, dass die Höhe der zusätzlichen Eigenmittelanforderung von der Höhe der Zinsänderungsrisiken im Anlagebuch abhängt. Überdies bleibt die grundsätzliche Methodenfreiheit der Institute bei der Ermittlung des Zinsänderungsrisikos im Anlagebuch bestehen. Das Rundschreiben 11/2011 (BA) enthält Vorgaben für die Berechnung des Zinsänderungsrisikos im Anlagebuch, die es den Instituten erlauben, ihre individuelle Risikosituation bei der Messung des Zinsänderungsrisikos im Anlagebuch einfließen zu lassen.

Die Zuschläge in der Tabelle ergeben sich aus folgenden Erwägungen:

Der für die Berechnung der Zinsänderungsrisiken verwendete Baseler Standardschock kann, vor allem im aktuellen Niedrigzinsumfeld, auch gewisse Stressanteile enthalten. Insofern erscheint es verhältnismäßig und angemessen, die Methodik dieser Allgemeinverfügung an die Kapitalfestsetzungsregeln des LSI-SREP anzulehnen und im Durchschnitt nur etwa die Hälfte des mit dem Baseler Zinsschock ermittelten barwertigen Verlusts mit regulatorischen Eigenmitteln zu unterlegen.

Hinsichtlich der Kategorisierung der fünf Spalten wurde bei der Bestimmung des Zuschlags für das Zinsänderungsrisiko für alle deutschen Kreditinstitute, die nicht der direkten Aufsicht der EZB unterliegen, der jeweilige Quotient aus der höchsten negativen Barwertveränderung bei einer Zinsveränderung um +/- 200 Basispunkte und den risikogewichteten Aktiva errechnet. Dann wurde die sich daraus ergebende statistische Verteilung der Koeffizienten in Segmente aufgeteilt. Die Höhe der Kapitalfestsetzung je Zelle ist im Ergebnis so kalibriert, dass der Zuschlag im Durchschnitt über alle Institute nicht mehr als die Hälfte der negativen Barwertveränderung des Baseler Zinsschocks (+/- 200 Basispunkten) abdeckt.

Mit dem beschriebenen Vorgehen wird erreicht, dass der Effekt aus dem Zinsänderungsrisiko in einer vergleichbaren Weise berücksichtigt wird und zu starke (zufällige) Schwankungen deutlich abgemildert werden, so dass ein an dem aktuellen Niedrigzinsumfeld orientiertes Ergebnis erzielt werden kann.

ad 3.

Institute, für die eine Kapitalfestsetzung im SREP erfolgt ist, fallen nicht bzw. nicht mehr in den Anwendungsbereich dieser Allgemeinverfügung, da das Zinsänderungsrisiko in diesem Fall aufsichtlich bewertet und in der Eigenmittelanforderung berücksichtigt ist. Dadurch wird eine Doppelanrechnung vermieden.

ad 4.

Der Fonds für allgemeine Bankrisiken nach § 340g HGB, sowie der nach § 340e Absatz 4 HGB gesondert auszuweisenden Betrag, sind Teil des harten Kernkapitals. Die freien Vorsorgereserven nach § 340f HGB und § 26a KWG a.F. unterscheiden sich von dem Fonds für allgemeine Bankrisiken nach § 340g HGB dadurch, dass das Institut sie nicht veröffentlicht. Unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten übt die Bundesanstalt ihr Auswahlermessen bei der Unterlegung des Zuschlags für Zinsänderungsrisiko im Anlagebuch dahingehend aus, dass die freien Vorsorgereserven nach § 340f HGB und § 26a KWG a.F. bei der Ermittlung der zusätzlichen Eigenmittelanforderungen für das Zinsänderungsrisiko im Anlagebuch abgezogen werden dürfen. Diese Vorgehensweise führt die bisherige Aufsichtspraxis in Bezug auf die Unterlegung von Zinsänderungsrisiken im Anlagebuch mit § 340f HGB Vorsorgereserven fort. Soweit das Institut hiervon Gebrauch macht, ist von den Instituten intern geeignet sicherzustellen, dass sie nicht zur Abdeckung weiterer Risiken verwendet werden, und dies im Hinblick auf die jederzeitige Überprüfbarkeit zu dokumentieren.

ad 5

Die Wahl des Stichtags an dem die um den Zuschlag für das Zinsänderungsrisiko gegebenenfalls erhöhte Gesamtkapitalquote erstmals einzuhalten ist, richtet sich nach der bereits existierenden Pflicht zur Berechnung der Zinsänderungsrisiken im Anlagebuch auf Basis des Baseler Zinsschocks und zur Meldung der so berechneten Zinsänderungsrisiken zum Quartalsende.

Rechtsbehelfsbelehrung

Gegen diese Allgemeinverfügung kann innerhalb eines Monats nach seiner Bekanntgabe Widerspruch erhoben werden. Der Widerspruch ist schriftlich oder zur Niederschrift einzulegen bei der

Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin)
Graurheindorfer Straße 108
53117 Bonn.

Mit freundlichen Grüßen

Raimund Röseler

Fußnoten

1) Sollte eine Neufassung des Rundschreibens 11/2011 (BA) erfolgen, so gilt die Definition des Anwenderkreises der Neufassung.

2) Für die Berechnung der Höhe der Zinsänderungsrisiken gelten die aufsichtlichen Vorgaben des RS 11/2011 (BA). Institute haben den höheren barwertigen Verlust einer plötzlichen und unerwarteten Zinsänderung (± 200 BP Parallelverschiebung) in Euro zu messen. Sollte eine Neufassung des RS erfolgen, ist die Berechnung anzupassen.

3) So ergibt sich z.B. für ein Institut dessen Quotient aus negativer Barwertänderung und RWAs bei 3% liegt eine einzuhaltende Gesamtkapitalquote von 8%+1,4%=9,4%

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