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Erscheinung:21.06.2021 | Thema Verbraucherschutz Allgemeinverfügung bezüglich Zinsanpassungsklauseln bei Prämiensparverträgen

Maßnahme nach § 4 Abs. 1a Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz

Sehr geehrte Damen und Herren,

hiermit ergeht folgende Allgemeinverfügung:

  1. Ich ordne an, alle betroffenen Verbraucherinnen und Verbraucher, mit denen ein langfristiger Prämiensparvertrag mit uneingeschränktem einseitigem Leistungsbestimmungsrecht bezüglich des Vertragszinses abgeschlossen wurde, über die Unwirksamkeit der darin enthaltenen Zinsanpassungsklausel sowie das Fehlen einer allgemeinverbindlichen gerichtlichen ergänzenden Vertragsauslegung zu unterrichten und dies zu verbinden mit

    a) der unwiderruflichen Zusage, eine noch zu erwartende zivilgerichtliche ergänzende Vertragsauslegung zur Basis einer Nachberechnung der bisherigen Zinsberechnung seit Vertragsbeginn zu machen,

    oder

    b) dem Angebot der Vereinbarung einer sachgerechten, die Vorgaben des BGH aus dem Urteil vom 13.04.2010 – XI ZR 197/09 berücksichtigenden Zinsanpassungsklausel im Rahmen eines individuellen Änderungsvertrages.

    Die Unterrichtung muss mindestens enthalten:

    - die im jeweiligen Vertrag verwendete unwirksame Zinsanpassungsklausel mit uneingeschränktem einseitigem Leistungsbestimmungsrecht bezüglich des Vertragszinses,

    - die Erläuterung, dass der BGH diese Art von Klauseln mit Urteil vom 17.02.2004 – XI ZR 140/03 für unwirksam erklärt hat,

    - die Erläuterung, dass dadurch eine Lücke im Vertrag hinsichtlich der Zinsvereinbarung entstanden ist und zur Schließung dieser Lücke

    entweder der Vertrag ergänzend ausgelegt werden muss, jedoch zur Frage, wie dies zu erfolgen hat, noch keine allgemeinverbindliche gerichtliche ergänzende Vertragsauslegung existiert, diese jedoch zu erwarten ist,

    oder eine individuelle Vereinbarung getroffen werden kann,

    - die Erläuterung, dass als Reaktion auf das Urteil des BGH vom 17.02.2004 – XI ZR 140/03 von Seiten des Kreditinstituts für das Bestandsgeschäft einseitig neue Zinsparameter bestimmt wurden,

    - die Erläuterung, dass aufgrund der unwirksamen Klausel unter Umständen Zinsen in zu geringer Höhe gezahlt wurden.

  2. Die Maßnahme nach Ziffer 1. ist durchzuführen von Kreditinstituten i.S.d. § 1 Abs. 1 des Kreditwesengesetzes (KWG), die gegenüber Verbraucherinnen und Verbrauchern in langfristigen Prämiensparverträgen ein uneingeschränktes einseitiges Leistungsbestimmungsrecht zugunsten des Kreditinstituts bezüglich des Vertragszinses vereinbart haben. Dies betrifft Verträge zwischen 1990 und 2010, unabhängig davon, ob der Vertrag mittlerweile bankseitig gekündigt wurde.

  3. Die Maßnahme gilt nicht bei Verträgen mit Verbraucherinnen und Verbrauchern, sofern bereits eine Einigung über die Vertragsanpassung hinsichtlich der Zinsnachberechnung erzielt wurde.


  4. Die Maßnahme nach Ziffer 1 ist binnen 12 Wochen nach Bekanntgabe umzusetzen.

  5. Die Allgemeinverfügung wird am 21.06.2021 öffentlich bekannt gemacht und gilt zwei Wochen nach der öffentlichen Bekanntmachung als bekannt gegeben.

A. Sachverhalt

Von den 1990er Jahren bis Anfang der 2000er Jahre boten viele Banken und Sparkassen ihren Kundinnen und Kunden langfristige Prämiensparverträge mit variablem Zinssatz an. Unter dem Begriff „Prämiensparvertrag“ ist eine langfristige Sparform mit variabler Verzinsung zu verstehen, bei der Sparer regelmäßige Sparraten erbringen, wobei das Kreditinstitut hierauf keinen Anspruch hat. Die Verträge sehen vor, dass das Institut dem Kunden zusätzlich zum Zins eine Prämie bzw. einen Bonus zahlt. Sie ist nach der Vertragslaufzeit gestaffelt und beträgt je nach konkreter Vertragsgestaltung bis zu 50 oder sogar 100 Prozent der auf den Vertrag eingezahlten jährlichen Sparleistung.

In der Praxis ähnelten sich diese Verträge branchenweit stark. Typischerweise verwendeten die Kreditinstitute in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) Zinsanpassungsklauseln, die ihnen einräumten, über Änderungen der vertraglich vorgesehenen Verzinsung mit unbegrenzt einseitigen Ermessensspielräumen zu entscheiden. Die Klauseln lauteten etwa: „Die Bank/Sparkasse zahlt ... den durch Aushang bekanntgegebenen Zins“ oder „die Spareinlage wird variabel, z.Zt. mit ... % verzinst“.

Derartige Klauseln erklärte der Bundesgerichtshof (BGH) allerdings in einer Reihe von Urteilen seit 2004 für unwirksam. Das Gericht hielt die Klauseln für nicht ausreichend transparent. Die Sparer könnten damit weder mögliche Zinsänderungen kalkulieren noch Anpassungen nachprüfen. In seiner grundlegenden Entscheidung vom 17.02.2004 urteilt der BGH (XI ZR 140/03), bei langfristig angelegten Sparverträgen sei eine formularmäßige Zinsänderungsklausel unwirksam, die dem Kreditinstitut eine inhaltlich unbegrenzte Zinsänderungsbefugnis einräume. Dies verstoße gegen § 308 Nr. 4 BGB.

Der Entscheidung vom 17.02.2004 XI ZR 140/03 liegt ein sogenannter Combi-Sparvertrag zugrunde. Es handelt sich dabei um einen unbefristeten Sparvertrag, bei welchem die Erbringung eines Sparbeitrags, eine laufende Zinszahlung sowie unter bestimmten Voraussetzungen eine jährliche Prämie vereinbart ist. Angesichts des Langfrist-Charakters der Combi-Sparverträge hatte der BGH eine völlig unbegrenzte Zinsänderungsbefugnis des Kreditinstituts für die laufenden Zinszahlungen der betroffenen Sparer für nicht zumutbar gehalten. Maßgeblich für die Entscheidung des BGH war also allein der Langfrist-Charakter des Sparvertrages, nicht jedoch die konkrete inhaltliche Ausgestaltung der jährlichen Prämie.

Die der BaFin heute vorliegenden Eingaben von Verbraucherinnen und Verbrauchern sowie von den Kreditinstituten gesondert erhobenen Informationen lassen den Schluss zu, dass die Kreditinstitute unter dem Eindruck der BGH Entscheidung vom 17.02.2004 in der Folgezeit neue Zinsanpassungsklauseln für das Neugeschäft mit Verbraucherinnen und Verbrauchern entwickelt haben. Nach dem auf einer Auswertung der bei der BaFin eingegangenen Verbraucherbeschwerden und der in diesen Verfahren eingeholten Stellungnahmen der betroffenen Kreditinstitute beruhenden Eindruck dürfte die Phase der Umsetzung dieser BGH-Rechtsprechung im Neugeschäft im Wesentlichen von 2004 bis 2006, in zwei Fällen bis 2010, abgeschlossen gewesen sein.

Auf das Bestandsgeschäft, welches die beanstandete unwirksame Ausgangsklausel weiterhin enthielt, haben diese Kreditinstitute nach eigenen Angaben gegenüber der BaFin ihre jeweiligen, für das Neugeschäft entwickelten Klauseln faktisch übertragen. Die Kreditinstitute haben die Bestandsverträge aufgrund einseitiger Entscheidung bei der weiteren Zinsberechnung den für das Neugeschäft entwickelten Grundsätzen unterworfen. Sie haben mithin rein faktisch in der Praxis eine einseitig festgelegte Zinsanpassungsklausel angewendet. Dies geschah ausweislich der bisherigen Ausführungen verschiedener Kreditinstitute im Rahmen einer marktweiten Abfrage sowie in zahlreichen Beschwerdeverfahren und insbesondere aufgrund der in dieser Hinsicht eindeutigen Aussagen der Vertreter der Verbände der Kreditwirtschaft ohne Abschluss einer individuellen Änderungsvereinbarung mit der jeweiligen Kundin bzw. dem jeweiligen Kunden. Die betroffenen Verbraucherinnen und Verbraucher wurden auch nicht über die Unwirksamkeit der ursprünglich vereinbarten Klausel und deren Ersetzung durch eine Klausel nach Wahl des jeweiligen Kreditinstituts unterrichtet. Die Kreditinstitute haben faktisch durch Anwendung einer selbstgegebenen Klausel in unzulässiger Weise eigenmächtig in das Vertragsgefüge eingegriffen. Auch dies haben Kreditinstitute bereits im Vorfeld dieser Allgemeinverfügung in diversen Beschwerdeverfahren und einer gesonderten Erhebung eingeräumt. Es ist davon auszugehen, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher im Bestandsgeschäft über diese Änderung in keiner Weise unterrichtet wurden. Dies wurde insbesondere im Verlauf des Runden Tisches am 25.11.2020 deutlich. Die Kreditinstitute haben die Zinsansprüche im Bestandsgeschäft seinerzeit auch nicht anhand der neu eingeführten Parameter rückwirkend ab Vertragsbeginn nachberechnet.

Für diese Allgemeinverfügung sind die Fälle des so beschriebenen Bestandsgeschäfts maßgeblich.

Im Anschluss an die BGH-Entscheidung vom 17.02.2004 (XI ZR 140/03) beriefen sich betroffene Verbraucherinnen und Verbraucher in verschiedenen Zivilverfahren auf die Unwirksamkeit der Zinsanpassungsklauseln in den mit ihnen abgeschlossenen Sparverträgen und machten die Zahlung weiterer Zinsbeträge geltend.

Der Bundesgerichtshof hat im Rahmen dieser Verfahren (Urteil vom 13.04.2010 – XI ZR 197/09; 21.12.2010 – XI ZR 52/08 und 14.03.2017 –XI ZR 508/15) Anforderungen an die Gestaltung von Zinsanpassungsklauseln für Sparverträge aufgestellt, die für die ergänzende Vertragsauslegung im Hinblick auf die teilweise Unwirksamkeit der ursprünglich vereinbarten Zinsanpassungsklausel maßgeblich sind. Der Entscheidung lag ein Sparvertrag über ein so genanntes S-Versicherungssparen mit einer Laufzeit von zwanzig Jahren zugrunde. Vereinbart war eine variable Verzinsung mit einseitiger Zinsanpassungsbefugnis zugunsten des Kreditinstituts sowie die Zahlung einer Prämie auf die eingezahlten Sparbeiträge, die am Ende der Gesamtdauer des Vertrages ausgezahlt werden sollte. Die Zinsänderungsklausel wurde als unwirksam angesehen, weil sie nicht das erforderliche Mindestmaß an Kalkulierbarkeit möglicher Zinsänderungen aufwies. Die in der Entscheidung genannten Anforderungen an eine ergänzende Vertragsauslegung richten sich an den Kriterien des Erfordernisses der Vorhersehbarkeit und Kontrollierbarkeit von Zinsänderungen aus und sind damit übertragbar.

Im Einzelnen:

  • Die Klauseln müssen die Bindung an einen der Vertragslaufzeit entsprechenden, aussagekräftigen Referenzzinssatz, einen Anpassungsschwellenschwert sowie konstant wiederkehrende Prüfungs- und Anpassungszeitpunkte vorsehen.

  • Der Referenzzinssatz muss der konkreten Vereinbarung möglichst nahekommen. Dabei hat es der BGH für Prämiensparverträge als allein interessengerecht angesehen, einen Referenzzinssatz für langfristige Spareinlagen heranzuziehen. Einen konkreten, in den Zinsstatistiken der Deutschen Bundesbank veröffentlichten Zins hat der BGH jedoch nicht benannt.

  • Grundsätzlich müssen Zinsanpassungsklauseln eine Anpassungsschwelle enthalten, ab der eine Zinsänderung vorzunehmen ist, und einen Anpassungszeitraum, nach dem eine Überprüfung der Anpassungsschwelle erfolgen muss. Speziell für Verträge, deren Zinsanpassungsklauseln wegen des Fehlens des erforderlichen Mindestmaßes an Kalkulierbarkeit unwirksam sind, hat der BGH aber ausgeführt, es könne interessengerecht sein, dass eine Anpassungsschwelle ganz entfalle und wie bei einer Zinsgleitklausel jede Veränderung des Referenzzinssatzes auch zu einer Veränderung des Vertragszinses führe.

  • Die Zinsänderung muss ferner das Äquivalenzprinzip beachten. Der BGH formuliert dabei, dass der anfängliche relative Abstand des Vertragszinses zum Referenzzins über die gesamte Vertragslaufzeit gewahrt bleiben müsse. Erhöhungen und Senkungen des Referenzzinssatzes seien gleichermaßen umzusetzen.

Zu der Frage, wie die betroffenen Kreditinstitute dabei vorzugehen haben, führt der BGH (XI ZR 197/09) aus: Die durch die teilweise Unwirksamkeit der Zinsänderungsklausel entstandene Lücke im Vertrag ist durch ergänzende Vertragsauslegung (§§ 133, 157 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB) zu schließen; ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des Bankkunden nach § 316 BGB kommt ebenso wenig in Betracht wie ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht der Bank nach § 315 Abs. 1 BGB (Leitsatz b)). Das Gericht hat die maßgeblichen Änderungsparameter selbst zu bestimmen (Auszug aus Leitsatz c)). Die vom Berufungsgericht vorgenommene ergänzende Vertragsauslegung unterliegt der selbständigen und uneingeschränkten Nachprüfbarkeit durch das Revisionsgericht, weil formularmäßige Zinsänderungsklauseln typische Vereinbarungen sind, bei deren Unwirksamkeit im Interesse der Rechtssicherheit eine allgemeinverbindliche ergänzende Vertragsauslegung unabhängig von den Besonderheiten des konkreten Einzelfalls sachlich geboten ist (Leitsatz d)).

Der BGH hat in dieser, wie auch in seinen weiteren Entscheidungen (IX ZR 52/08 und XI ZR 508/15) den jeweiligen Rechtsstreit an die Vorinstanz zur Entscheidung über die ergänzende Vertragsauslegung zurückverwiesen. Entscheidungen hierzu sind nicht bekannt geworden, so dass davon auszugehen ist, dass diese Verfahren durch Vergleiche der Parteien endeten. Eine rechtskräftige Entscheidung über eine allgemeinverbindliche ergänzende Vertragsauslegung unabhängig von den Besonderheiten des konkreten Einzelfalls durch ein Gericht existiert damit bislang nicht.

Den inhaltlichen Vorgaben des BGH an eine im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung anzuwendende Zinsanpassungsklausel genügen die von den Kreditinstituten faktisch im Bestandsgeschäft zugrunde gelegten Klauseln nicht:

  • So findet sich in der Praxis die Kopplung zu 100 % an den 3-Monats-Euribor, unterschiedliche Zeitreihen in unterschiedlichsten Gewichtungen, gängig ist eine Mischung 30 % 3-Monats-Euribor und 70 % 10-Jahreszins.

  • Am weitesten verbreitet ist ein Anpassungsintervall von 3 Monaten, das längste bekannt gewordene Anpassungsintervall ist 6 Monate.

  • Als Anpassungsschwelle werden vielfach Werte von 0,10 % bis 0,50 % angewendet.

  • Das Modell des relativen Abstandes wird in der Praxis überwiegend nicht umgesetzt. Lediglich fünf der von der BaFin angeschriebenen Kreditinstitute setzen einen relativen Abstand um. Zugrunde gelegt wird in der Praxis also fast ausschließlich ein absoluter Abstand zwischen Referenzzins und Vertragszins.

Nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Einführung der zivilprozessualen Musterfeststellungsklage vom 12. Juli 2018 haben verschiedene Verbraucherschutzorganisationen entsprechende Klagen gegen Kreditinstitute mit dem Ziel erhoben, die inhaltlichen Anforderungen an eine Zinsanpassungsklausel im Wege ergänzender Vertragsauslegung gerichtlich klären zu lassen. So gibt es derzeit vor dem Oberlandesgericht Dresden (OLG Dresden) Musterfeststellungsklagen gegen sechs Sparkassen: Stadt- und Kreissparkasse Leipzig (Az. 5 MK 1/19), Erzgebirgssparkasse (Az. 5 MK 2/19), Sparkasse Zwickau (Az. 5 MK 1/20), Sparkasse Vogtland (Az. 5 MK 2/20, Urteil vom 31.03.2021), Sparkasse Meißen (Az. 5 MK 3/20, Urteil vom 31.03.2021) und Sparkasse Muldental (Az. 5 MK 4/20). Zwei weitere Feststellungsklagen gegen die Sparkasse Nürnberg sind beim Bayerischen Obersten Landesgericht (Az. 101 MK 1/20) und eine gegen die Saalesparkasse beim Oberlandesgericht Naumburg (Az. 5 MK 1/20) anhängig. Einzelne Revisionsverfahren sind anhängig. Eine Entscheidung des BGH steht noch aus.

Weitere Verbraucherschutzorganisationen sind mittels Abmahnungen erfolgreich gegen einzelne Kreditinstitute vorgegangen.

Seit etwa 2017 beenden Kreditinstitute die hier in Rede stehenden Verträge durch Kündigung. Der Bundesgerichtshof hat am 14.05.2019 entschieden, dass Kreditinstitute langfristige Prämiensparverträge unter Umständen kündigen dürfen, wenn die versprochenen Prämien gezahlt worden sind (Az. XI ZR 345/18). Unter dem Eindruck dieser BGH-Rechtsprechung leiteten betroffene Kreditinstitute die Kündigung ganzer Vertragsjahrgänge zur Bestandsbereinigung ein.

Die BaFin erreichten seit dem Jahr 2018 zunehmend Verbrauchereingaben zu der hier vorliegenden Thematik, worin die Verbraucherinnen und Verbraucher die BaFin um Unterstützung bitten. Die BaFin hörte zu den einzelnen Eingaben das jeweils betroffene Institut im Rahmen einzelner Beschwerdeverfahren an und hat sich der Thematik im Rahmen ihres Mandats für den kollektiven Verbraucherschutz angenommen. Mittlerweile liegen der BaFin 247 Rückläufe betroffener Kreditinstitute auf entsprechende Auskunftsersuchen der BaFin vor (Stand 06.05.2021). Der Vertragstypus „langfristige Prämiensparverträge mit Zinsanpassungsklausel“ war im Zeitraum zwischen den erstmaligen Vereinbarungen ab den 1990er Jahren bis Anfang der 2000er Jahre als branchenüblich anzusehen. Die BaFin hat deshalb Anlass zu der Annahme, dass über die ihr bekanntgewordenen Institute hinaus weitere Institute in diese Thematik involviert sein dürften und die Thematik nicht einzelinstitutsbezogen zu klären sein dürfte.

Die BaFin hat Anfang 2019 zunächst mit dem am stärksten von der Problematik betroffenen Verband Deutscher Sparkassen und Giroverband (DSGV) Kontakt aufgenommen und bilaterale Gespräche zu der Thematik geführt. Es konnte keine Einigung über eine sachgerechte Vorgehensweise erzielt werden.

Im Februar 2020 veröffentlichte die BaFin in ihrem „BaFin Journal“ einen Artikel unter der Überschrift „Zinsanpassungsklausel unwirksam! Und jetzt …?“, in welchem sie darauf hinwies, dass Banken ihre Kunden über unwirksame Zinsklauseln in Prämiensparverträgen informieren und ihnen angemessene Lösungen anbieten sollten. Auf der Grundlage der zu dieser Thematik ergangenen Rechtsprechung sollten betroffene Institute aus Sicht der BaFin – soweit nicht bereits geschehen – von sich aus auf ihre Kunden zugehen und diese über die Unwirksamkeit der bislang von ihnen verwendeten Klauseln informieren. Das Ziel sollte sein, angemessene Lösungen unter Beachtung der bereits vom BGH aufgestellten Grundsätze zu finden. Die Rechtsprechung zu ignorieren und die unwirksamen Klauseln bewusst kommentarlos weiterzuverwenden, sehe die BaFin dagegen als Missstand (§ 4 Absatz 1a Satz 3 FinDAG), bei dem sie eingreifen könne.

Weitere, in der Folgezeit bei der BaFin eingehende Verbrauchereingaben zeigten jedoch, dass die betroffenen Kreditinstitute den tragenden Ausführungen dieser Veröffentlichung nicht nachkamen. Darauf wiesen die Verbraucherinnen und Verbraucher in ihren Eingaben an die BaFin hin. Die betroffenen Kreditinstitute reagierten ausweislich der Verbrauchereingaben durchweg abweisend. Mit fortschreitendem Zeitablauf berufen sich die Kreditinstitute in zunehmendem Maße auf Verjährung bezüglich eines geltend gemachten Nachzahlungsanspruches.

Dies veranlasste die BaFin, ein Gespräch mit den Verbänden der Kreditwirtschaft und verschiedenen Verbraucherschutzorganisationen zu initiieren, den sogenannten „Runden Tisch“.

Am 25.11.2020 fand der Runde Tisch auf Einladung der BaFin statt. Teilnehmende waren neben der BaFin Vertreterinnen und Vertreter der Verbraucherzentrale Bundesverband und dreier Verbraucherzentralen, Vertreter des DSGV, des Bundesverbandes deutscher Banken (BdB), des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR), des Bundesverbandes Öffentlicher Banken Deutschlands (VÖB), Vertreterinnen und Vertreter des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) und des Bundesministerium der Finanzen (BMF) sowie eine Vertreterin der Wissenschaft.

Auch in der Diskussion beim Runden Tisch kam keine den Missstand beseitigende Lösung zustande. Die anwesenden Verbände der Kreditwirtschaft vertraten die Ansicht, die Institute würden sich rechtskonform verhalten. Konkret wurde über einen Vergleichsvorschlag der BaFin diskutiert, der neben einer Kundenunterrichtung auch einen Verzicht auf die Einrede der Verjährung bis zum rechtskräftigen Abschluss anhängiger Musterfeststellungsverfahren vorgesehen hatte. Damit sollte der Status quo bis zur Entscheidung des BGH eingefroren werden, da andernfalls eine Vielzahl von Verbraucherinnen und Verbrauchern verjährungshemmende Maßnahmen hätten ergreifen müssen.

Am 02.12.2020 veröffentlichte die BaFin einen Aufruf an die Verbraucherinnen und Verbraucher, ihre Prämiensparverträge sorgfältig zu überprüfen. Viele ältere Verträge enthielten Zinsanpassungsklauseln, mit denen Kreditinstitute die zugesicherte Verzinsung einseitig abändern könnten. Derartige Klauseln seien laut BGH (XI ZR 140/03 aus 2004) unwirksam. Wichtig sei, dass betroffene Sparer jetzt selbst aktiv auf ihre Institute zugehen und sich erläutern ließen, welche Klausel ihr Vertrag ganz konkret enthalte.

Am 29.01.2021 veröffentlichte die BaFin einen Entwurf für eine Allgemeinverfügung mit Gelegenheit zur Stellungnahme nach § 28 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) bis zum 26.02.2021. Insgesamt sind bei der BaFin hierauf 24 Rückmeldungen eingegangen. Dabei handelt es sich nicht um Stellungnahmen von Beteiligten gemäß § 13 VwVfG Bund. Es handelt sich dabei um Äußerungen von nicht im Rechtssinne Beteiligten: zwei Branchenverbänden, 13 Verbraucherschutzorganisationen, einem Kreditsachverständigen sowie acht Bürgerinnen und Bürgern. Die beiden Branchenverbände sprachen sich gegen die Maßnahmen aus, die übrigen Rückmeldungen sprachen sich insgesamt für den Erlass einer Maßnahme aus.

B. Begründung

Die Maßnahme wird wie folgt begründet:

Die BaFin ist nach § 4 Absatz 1a Satz 2 FinDAG befugt, gegenüber den Instituten und anderen Unternehmen, die nach dem Kreditwesengesetz (…) beaufsichtigt werden, alle Anordnungen zu treffen, die geeignet und erforderlich sind, um verbraucherschutzrelevante Missstände zu verhindern oder zu beseitigen, wenn eine generelle Klärung im Interesse des Verbraucherschutzes geboten erscheint.

1. Rechtsgrundlage § 4 Abs. 1a FinDAG

Ermächtigungsgrundlage für die Allgemeinverfügung ist § 4 Abs. 1a Satz 2 FinDAG.

§ 4 Abs. 1a FinDAG wurde im Jahr 2015 mit dem Kleinanlegerschutzgesetz geschaffen, trat mit Wirkung vom 10.07.2015 in Kraft und dient der Verbesserung des Schutzes der Verbraucher. Mit dieser Ermächtigungsgrundlage hat der Gesetzgeber bewusst das aufsichtliche Ziel des kollektiven Verbraucherschutzes bei der Aufgabenerfüllung durch die BaFin gesetzlich verankert. Als Ausfluss dieser Zielsetzung hat die BaFin zugleich die Aufgabenstellung übertragen bekommen, im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgaben, die Einhaltung verbraucherschützender Normen zu überwachen und bei Verstößen die einen verbraucherschutzrelevanten Missstand darstellen, aufsichtlich tätig zu werden.

Der Gesetzgeber hat in der Gesetzesbegründung zu § 4 Abs. 1a FinDAG ausdrücklich dargelegt, dass allen Aufsichtsbereichen der BaFin mit der Ermächtigungsgrundlage des § 4 Abs. 1a FinDAG gleichermaßen die Aufsicht über die Einhaltung sowohl öffentlich-rechtlicher als auch zivilrechtlicher verbraucherschützender Rechtsvorschriften ermöglicht wird (BT-Drs. 18/3994, S. 36, 37). Durch die Nutzung der Befugnis aus § 4 Abs. 1a FinDAG beseitigt die BaFin vorliegend im Rahmen der ihr zustehenden Aufsichtsbefugnisse einen verbraucherschutzrelevanten Missstand gegenüber den Kreditinstituten.

Nach der Gesetzesbegründung soll die BaFin auch in Fällen einschreiten können, in denen sie Kenntnis von systematischen oder gewichtigen Verstößen gegen verbraucherschützende Rechtsvorschriften erhält und in absehbarer Zeit kein höchstrichterliches Urteil zu erwarten ist (BT-Drs. 18/3994, S. 36, 37). Ein Abwarten bis zu einer möglichen Entscheidung des BGH ist nicht erforderlich. Dies würde auch dem präventiven Charakter der Norm widersprechen. Losgelöst hiervon steht auch nach dem Erlass einer Maßnahme durch die BaFin allen Vertragsparteien, Verbraucherverbänden, Schutzvereinigungen, Wettbewerbern etc. weiterhin die Möglichkeit von Klagen auf dem Zivilrechtsweg offen.

Nach § 4 Abs. 1a FinDAG kann die BaFin nach pflichtgemäßem Ermessen gegenüber den nach dem Kreditwesengesetz, dem Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz, dem Versicherungsaufsichtsgesetz, dem Wertpapierhandelsgesetz, dem Kapitalanlagegesetzbuch sowie nach anderen Gesetzen beaufsichtigten Instituten und Unternehmen alle Anordnungen treffen, die geeignet und erforderlich sind, um verbraucherschutzrelevante Missstände zu verhindern oder zu beseitigen, wenn eine generelle Klärung im Interesse des Verbraucherschutzes geboten erscheint. Diese Voraussetzungen sind erfüllt:

2. Verbraucherschutzrelevanter Missstand

Ein Missstand ist gemäß § 4 Absatz 1a Satz 3 FinDAG ein erheblicher, dauerhafter oder wiederholter Verstoß gegen ein Verbraucherschutzgesetz, der nach seiner Art oder seinem Umfang die Interessen nicht nur einzelner Verbraucherinnen oder Verbraucher gefährden kann oder beeinträchtigt. Nach der Gesetzesbegründung liegt ein Missstand insbesondere dann vor, wenn ein Institut (…) eine einschlägige Entscheidung des Bundesgerichtshofes zur Anwendung einer zivilrechtlichen Norm mit verbraucherschützender Wirkung nicht beachtet (BT-Drucksache 18/3994, Seite 36).

Gegenstand dieser Verfügung sind sog. langfristige Prämiensparverträge. Unter dem Begriff „Prämiensparvertrag“ verstehe ich einen langfristigen Sparvertrag mit variabler Verzinsung und regelmäßiger Sparleistung. Dabei zahlt das Kreditinstitut den Sparern zusätzlich zum Zins eine Prämie bzw. einen Bonus auf die vertragsgemäß erbrachten Sparleistungen. Derartige Produkte werden unter unterschiedlichen Bezeichnungen vertrieben, auf die Produktbezeichnung kommt es daher nicht an.

In der Praxis ähnelten sich diese Verträge branchenweit stark. Die Kreditinstitute verwendeten in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) Zinsanpassungsklauseln, die ihnen einräumten, über Änderungen der vertraglich vorgesehenen Verzinsung mit unbegrenzt einseitigen Ermessensspielräumen zu entscheiden. Derartige Klauseln erklärte der Bundesgerichtshof (BGH) allerdings in einer Reihe von Urteilen seit 2004 für unwirksam. Der Missstand liegt in der einseitigen Ersetzung dieser Klauseln durch die Kreditinstitute.

a) Verstoß gegen ein Verbraucherschutzgesetz

Der für ein Eingreifen der BaFin erforderliche Gesetzesverstoß liegt in einer Verletzung der Regelung des § 306 BGB.

aa) Verbraucherschutzgesetz

Es handelt sich um ein Verbraucherschutzgesetz im Sinne des § 4 Abs. 1 a Satz 3 FinDAG.

Nach der Gesetzesbegründung des Kleinanlegerschutzgesetzes vom 11.02.2015 sind Verbraucherschutzgesetze solche Gesetze, die dem Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher dienen. „Eine Norm „dient“ dem Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher, wenn der Verbraucherschutz ihr eigentlicher Zweck ist. Die Norm kann auch anderen Zwecken dienen; es genügt aber nicht, wenn der Verbraucherschutz in der Norm nur untergeordnete Bedeutung hat oder nur eine zufällige Nebenwirkung ist“ (BT-Drucksache 18/3994, S. 37). Der Verbraucherschutz muss hingegen nicht der einzige und ausschließliche Zweck der Norm sein.

§ 306 BGB befindet sich systematisch im Abschnitt des BGB über die Gestaltung rechtsgeschäftlicher Schuldverhältnisse durch Allgemeine Geschäftsbedingungen, der die Regelungen von § 305 BGB bis § 310 BGB umfasst.

Nach § 306 Abs. 2 BGB gilt für Vertragsbestimmungen, welche unwirksam sind, dass sich der Inhalt des Vertrags nach den gesetzlichen Vorschriften richtet. Mangels konkreter gesetzlicher Vorgaben zu Zinsanpassungsklauseln in langfristigen Prämiensparverträgen wäre nach § 306 BGB in Verbindung mit §§ 133, 157 BGB eine ergänzende Vertragsauslegung vorzunehmen.

Nach § 310 Abs. 3 BGB finden die Regelungen der §§ 305 bis 310 BGB ausdrücklich bei Verträgen zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher (Verbraucherverträge) Anwendung. Damit sind diese Regelungen jedenfalls auch verbraucherschützend. Die Prämiensparverträge wurden auch an Verbraucherinnen und Verbraucher vertrieben. Bei den §§ 305 ff. BGB handelt es sich um Verbraucherschutzgesetze i.S.d. § 4 Abs. 1a FinDAG. Denn es ist für ein Verbraucherschutzgesetz i.S.d. § 4 Abs. 1a FinDAG nicht erforderlich, dass ein Gesetz ausschließlich dem Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher dient. Ferner ist der Verbraucherschutz seit dem Gesetz zur Änderung des früheren AGBG (BT-Drs. 13/2713), mit dem die Richtlinie 93/13/EWR umgesetzt wurde, ausdrücklich Zweck der AGB-Kontrolle (Grüneberg in: Palandt, BGB, 79 Aufl. 2020, Überbl. v. § 305, Rn 9, § 310 Rn 7 und 8). Nach dem Schutzzweck der §§ 305 ff. BGB sollen diese verhindern, dass der AGB-Verwender, der die Vertragsgestaltungsfreiheit allein in Anspruch nimmt, den anderen Teil unter Abbedingung des dispositiven Rechts unangemessen benachteiligt.

bb) Verstoß

Gegen die verbraucherschützende Regelung des § 306 BGB haben Kreditinstitute verstoßen, indem sie zur Beseitigung der aufgetretenen Vertragslücke einseitig eine für das Neugeschäft konzipierte Zinsanpassungsklausel auf das Bestandsgeschäft übertragen haben, obwohl keine vertragliche Einigung mit den Verbrauchern und Verbraucherinnen über ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht der Kreditinstitute vorlag und eine gerichtliche ergänzende Vertragsauslegung nicht existierte. Alternativ hätte eine die entstandene Vertragslücke schließende Individualvereinbarung mit den Betroffenen abgeschlossen werden können. Derartige Individualvereinbarungen haben die betroffenen Kreditinstitute jedoch nicht geschlossen. Zudem haben sie die betroffenen Verbraucherinnen und Verbraucher nicht über die Unwirksamkeit der ursprünglich vereinbarten Zinsanpassungsklausel und die Notwendigkeit ihrer Ersetzung durch eine den Vorgaben des BGH entsprechende AGB-Klausel informiert. Sie haben eine von ihnen für angemessen erachtete Klausel einseitig zur Grundlage der weiteren Zinsberechnung gemacht.

(1) Die Verwerfung einer seinerzeit weitgehend branchenüblichen Zinsanpassungsklausel durch den BGH in 2004 (XI ZR 140/03) führte dazu, dass die ursprünglich vereinbarten Zinsanpassungsklauseln insoweit lückenhaft wurden. Diese Lücken haben die betroffenen Kreditinstitute nach ihrer Ansicht dadurch vermeintlich geschlossen, indem sie eine für das Neugeschäft entwickelte neue Zinsanpassungsklausel inhaltsgleich auf das von der BGH-Rechtsprechung in 2004 (XI ZR 140/03) betroffene Bestandsgeschäft angewandt haben, obwohl sie dazu nicht berechtigt waren. Dies geschah ausweislich der Ausführungen verschiedener Kreditinstitute in zahlreichen Beschwerdeverfahren und insbesondere aufgrund der in dieser Hinsicht eindeutigen Aussagen der Vertreter der Verbände der Kreditwirtschaft beim Runden Tisch der BaFin am 25.11.2020 ohne Abschluss einer individuellen Änderungsvereinbarung mit dem jeweiligen Kunden. Die betroffenen Verbraucherinnen und Verbraucher wurden auch nicht über die nach der Rechtsprechung des BGH bestehende Unwirksamkeit der ursprünglich vereinbarten Klausel und deren Ersetzung durch eine Klausel nach Wahl des jeweiligen Kreditinstituts unterrichtet. Die Kreditinstitute haben faktisch durch Einführung und Anwendung einer selbstgegebenen Klausel in unzulässiger Weise eigenmächtig in das Vertragsgefüge eingegriffen.

Hierzu halten sich die Kreditinstitute ausweislich der diesbezüglich eindeutigen Aussagen der Vertreter der Verbände der Kreditwirtschaft bis heute für berechtigt.

Die infolge der Rechtsprechung des BGH in 2004 (XI ZR 140/03) aufgetretene Lücke im Prämiensparvertrag konnte jedoch – abgesehen von Individualvereinbarungen – ausschließlich durch eine gerichtliche ergänzende Vertragsauslegung geschlossen werden.

Dies folgt aus den zivilrechtlichen Grundsätzen zum Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen, wonach der Verwender von AGB im Falle von deren Unwirksamkeit nicht privilegiert werden darf. Dies beschreibt der BGH ausführlich in seiner Entscheidung vom 13.04.2010 (XI ZR 197/09), Randnummern 19 und 20: Dem Kreditinstitut könne im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung kein Leistungsbestimmungsrecht nach § 315 Abs. 1 BGB zugebilligt werden. Das einseitige Leistungsbestimmungsrecht des Klauselverwenders entfalle mit Unwirksamkeit der Klausel ersatzlos. Die Beklagte, mithin auch alle übrigen Kreditinstitute, konnten daher nicht einseitig die Parameter für die Zinsanpassung festlegen. Vielmehr habe das Gericht im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung die maßgeblichen Parameter selbst zu bestimmen. Die vom Berufungsgericht vorgenommene ergänzende Vertragsauslegung unterliege der selbständigen und uneingeschränkten Nachprüfung durch das Revisionsgericht. Formularmäßige Zinsänderungsklauseln der vorliegenden Art seien – ähnlich wie die AGB-Sparkassen – typische, deutschlandweit verbreitete Vereinbarungen, bei deren Unwirksamkeit im Interesse der Rechtssicherheit eine allgemeinverbindliche ergänzende Vertragsauslegung unabhängig von den Besonderheiten des konkreten Einzelfalls sachlich geboten sei.

Eine solche allgemeinverbindliche, gerichtliche ergänzende Vertragsauslegung, die den Kreditinstituten erlaubt hätte, sich bei der weiteren Vertragsabwicklung auf sie zu berufen, existiert bis heute nicht. Dies beruht darauf, dass entsprechende Individualprozesse offenbar nicht mit einem entsprechenden Urteil endeten. Es darf vermutet werden, dass die Parteien der jeweiligen Rechtsstreitigkeiten sich verglichen haben. Auch die aktuell anhängigen Musterfeststellungsverfahren haben noch keine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung erbracht.

Es wurde von den Kreditinstituten sowie den Vertretern der Verbände der Kreditwirtschaft informell im Vorfeld der Anhörung zu dieser Maßnahme auch eingeräumt, dass die Kreditinstitute seinerzeit eine Klausel, welche unter dem Eindruck der Rechtsprechung zu Zinsanpassungsklauseln für das Neugeschäft entwickelt worden war, faktisch und einseitig auf das von der Unwirksamkeit der Zinsanpassungsklausel betroffene Bestandsgeschäft angewandt haben.

Dies bekräftigen die von verschiedenen Kreditinstituten im Rahmen diverser von der BaFin geführten Beschwerdeverfahren und Verfahren zur Sachverhaltsaufklärung gewonnenen Erkenntnisse. Demnach habe es keine ergänzende Vertragsauslegung im Hinblick auf die Bestandsverträge, welche die unzulässige Zinsanpassungsklausel enthielten, gegeben. Dies hätte vorausgesetzt, dass am Inhalt der Bestandsverträge und an der Interessenlage der Vertragspartner der Bestandsverträge angeknüpft worden wäre, um für diese Verträge eine angemessene Zinsanpassung zu erzielen. Es fand auch keine Unterrichtung der betroffenen Bestandskunden über die geänderte Grundlage für die Zinsanpassung statt.

Darauf, dass es bis heute keine gerichtliche, allgemeinverbindliche ergänzende Vertragsauslegung gibt, kommt es für die Beurteilung dieses Vorgehens als Verstoß gegen ein Verbraucherschutzgesetz nicht an. Den Kreditinstituten wäre rechtmäßiges Alternativverhalten möglich gewesen. So hätten sie die Vertragslücke durch individualvertragliche Abreden schließen können. Zwar ist nicht zu verkennen, dass dieses Vorgehen einen erheblichen Aufwand bei den betroffenen Kreditinstituten verursacht hätte, jedoch wäre ihnen dies zumutbar gewesen. Als Klauselverwender hatten sie die Unwirksamkeit der ursprünglich vereinbarten Zinsanpassungsklausel zu vertreten und müssen sich die Konsequenzen dieser Unwirksamkeit entgegenhalten lassen.

Zwar haben die Kreditinstitute rein tatsächlich ihre Zinsanpassung geändert, indem sie die für das Neugeschäft unter dem Eindruck der 2004-er Entscheidung (XI ZR 140/03) konzipierte Zinsanpassungsklausel auf das Bestandsgeschäft ausdehnten. Hierzu waren sie aber zivilrechtlich insoweit nicht berechtigt, als ihnen das hierfür erforderliche einseitige Leistungsbestimmungsrecht nicht zustand. Das einseitige Leistungsbestimmungsrecht entfällt mit Unwirksamkeit der Klausel ersatzlos (vgl. BGH-Urteil vom 13.04.2010 – XI ZR 197/09, Rz. 19).

Erforderlich für die Schließung der dadurch aufgetretenen Vertragslücke war die ergänzende Vertragsauslegung nach §§ 133, 157 BGB. Diese obliegt allein den hierzu berufenen Gerichten.

Nach bisherigen Erkenntnissen der BaFin berücksichtigten die Kreditinstitute bei den von ihnen vorgenommen Anpassungen der Zinsänderungsklauseln die Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher nicht ausreichend, sondern schlossen die Lücke im Vertrag durch Übertragung einer für das Neugeschäft gedachten Klausel auf das Bestandsgeschäft. Mithin erfolgte die Lückenschließung folglich gerade nicht nach einer Abwägung der Interessen der Vertragspartner der betroffenen Bestandsverträge, sondern aufgrund einer Kalkulation für das Neugeschäft.

Hingegen ergibt sich die Notwendigkeit der ergänzenden Vertragsauslegung durch die Gerichte aus den Ausführungen des BGH in seinem Urteil vom 13.04.2010 – XI ZR 197/09, wonach das beklagte Kreditinstitut infolge der Unwirksamkeit der Zinsanpassungsklausel nicht einseitig die Parameter festlegen durfte, die es seiner Neuberechnung zugrunde gelegt habe. Vielmehr habe das angerufene Gericht im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung die maßgeblichen Parameter selbst zu bestimmen (BGH a.a.O. Rz. 19). Dies gelte insbesondere, wenn die ursprünglich vereinbarten Zinsanpassungsklauseln keine ausdrückliche Begrenzung der von dem jeweiligen Kreditinstitut in Anspruch genommenen Befugnis enthielten, den Zinssatz zu ändern. Entsprechende Klauseln sind unwirksam (BGH-Urteil vom 17.02.2004, XI ZR 140/03). Diese Grundentscheidung des BGH (Urteil vom 17.02.2004, XI ZR 140/03) zur Unwirksamkeit des einseitigen Leistungsbestimmungsrechts liefe hingegen leer, wenn den Kreditinstituten gestattet wäre, die Zinsanpassung gleichwohl einseitig mittels Klauselersetzung vorzunehmen.

(2) Ergänzend kommt hinzu, dass nach dem Kenntnisstand der BaFin unter den abgefragten Kreditinstituten keines bekannt ist, welches in Prämiensparverträgen eine den Maßstäben der höchstrichterlichen Rechtsprechung (Urteil vom 13.04.2010 – XI ZR 197/09; 21.12.2010 – XI ZR 52/08 und 14.03.2017 – XI 508/15) in allen Punkten wirksame Zinsanpassungsklausel tatsächlich verwendet. Gleichwohl teilen die Institute durchgängig mit, die entsprechenden Zinsberechnungen korrekt im Sinne der Rechtsprechung vorgenommen zu haben bzw. vorzunehmen. Dies ist indes nicht der Fall.

In der Praxis werden regelmäßig Mischungen unterschiedlicher Zeitreihen in unterschiedlichen Gewichtungen verwendet; vielfach verwendet wird eine Mischung 30 % 3-Monats-Euribor und 70 % 10-Jahreszins. Es werden vielfach die vorgenannten beiden Zeitreihen kombiniert, in der Praxis vorzufinden sind jedoch Mischungen aus 4 oder gar 7 Zeitreihen. In einem Fall war der Vertragszins zu 100 % an den 3-MonatsEuribor gekoppelt. Der BGH (XI ZR 197/09, Rz. 23) führt dagegen aus, es sei allein interessengerecht, einen Referenzzins für langfristige Spareinlagen heranzuziehen.

Am weitesten verbreitet in der Praxis ist ein Anpassungsintervall von 3 Monaten, das längste im Rahmen der Untersuchung der BaFin bekannt gewordene Anpassungsintervall ist 6 Monate. Nach den Ausführungen des BGH ist es jedoch sachgerecht, die Vereinbarung monatlicher Anpassungen vorzunehmen, da der den Monatsberichten der Deutschen Bundesbank zu entnehmende Referenzzins monatlich veröffentlicht werde (BGH XI ZR 197/09, Rz. 25). Soweit die Kreditinstitute ein längeres als ein 1-monatiges Anpassungsintervall zugrunde legen, weichen sie hiermit in der Praxis von den geschilderten Grundsätzen des BGH ab.

Als Anpassungsschwelle werden in der Praxis vielfach Werte von 0,10 % bis 0,50 % angewendet. Der BGH (XI ZR 197/09, Rz. 24) führt dagegen aus, dass es wegen des weiten Ermessens der Vertragsparteien bei Festlegung einer Anpassungsschwelle auch interessengerecht sein könne, dass sie ganz entfalle und wie bei einer Zinsgleitklausel jede Veränderung des Referenzzinses auch zu einer Veränderung des Vertragszinses führe. Dass in der Literatur ein Schwellenwert von 0,1 Prozentpunkten als angemessen angesehen werde, möge bei der Inhaltskontrolle entsprechender Klauseln von Bedeutung sein, besage aber nichts für die Frage, was die Parteien in Kenntnis der Vertragslücke vereinbart hätten. Es sei interessengerecht, im Wege der Vertragsauslegung davon auszugehen, dass jede Veränderung des Referenzzinses ohne Erreichen einer bestimmten Anpassungsschwelle zu einer Veränderung des Vertragszinses führe (BGH XI ZR 197/09, Rz. 25). Als mit dieser Rechtsprechung vereinbar anzusehen sind Anpassungsschwellen von 0 % bis 0,05 %, der überwiegende Teil der befragten Kreditinstitute wendet jedoch Anpassungsschwellen von 0,10 % bis 0,50 % an.

Bei der Zinsänderung muss das Äquivalenzprinzip beachtet werden. Erhöhungen und Senkungen des Referenzzinssatzes sind gleichermaßen umzusetzen. Der BGH nimmt für Vertragskonstellationen, bei denen das ursprünglich vereinbarte einseitige Leistungsbestimmungsrecht des Klauselverwenders wegen Unwirksamkeit der Klausel ersatzlos entfallen ist, an, dass der anfängliche relative Abstand zwischen Vertragszins und Referenzzins über die gesamte Vertragslaufzeit beizubehalten ist (BGH XI ZR 197/09, Rz. 27). Dies entspreche den Interessen der Parteien und der Struktur eines langfristigen Sparvertrags. Das Modell des relativen Abstandes wird in der Praxis überwiegend nicht umgesetzt. Lediglich fünf der von der BaFin angeschriebenen 247 Kreditinstitute setzen einen relativen Abstand um. Zugrunde gelegt wird in der Praxis also fast ausschließlich ein absoluter Abstand zwischen Referenzzins und Vertragszins.

Im Ergebnis enthalten die ursprünglich abgeschlossenen Verträge keine den Vorgaben des BGH entsprechenden Zinsanpassungsklauseln. Auch eine einvernehmliche Vereinbarung einer wirksamen Zinsanpassungsklausel zwischen den beiden Vertragspartnern ist nicht erfolgt. Da den Kreditinstituten nach dem BGH kein einseitiges Zinsänderungsrecht zusteht, ist für die Zinsberechnung der entsprechenden Sparverträge keine wirksame Grundlage ersichtlich. Damit liegt ein Verstoß gegen ein Verbraucherschutzgesetz vor.

b) Erheblicher, dauerhafter oder wiederholter Verstoß

Die einseitige Klauselersetzung, welche in der jährlich wiederkehrenden Zinsberechnung ihren Ausdruck findet, ist ein erheblicher, wiederholter oder dauerhafter Verstoß gegen die verbraucherschützenden Rechtsvorschriften des § 306 BGB.

Der Verstoß ist erheblich, da die Kreditinstitute den für sie unzulässigen Weg der einseitigen Klauselersetzung nutzten, obwohl ohne gerichtliche ergänzende Vertragsauslegung nur eine übereinstimmende Individualvereinbarung mit den hier jeweils betroffenen Verbrauchern und Verbraucherinnen möglich wäre, um eine wirksame Zinsanpassungsklausel in rechtlich zulässiger Weise zu vereinbaren. Die Kreditinstitute konnten sich dabei auch nicht auf eine allgemeinverbindliche gerichtliche ergänzende Vertragsauslegung berufen, da eine solche bislang nicht existiert. Dieses einseitige Vorgehen ist auch deshalb als erheblich zu bewerten, weil es einen Verstoß gegen allgemeine Regelungen des AGB-Rechts darstellt, deren Geltung vom BGH in seinen Entscheidungen bekräftigt und erläutert wurde. Der Rechtsverstoß wurde mithin bewusst in Kauf genommen.

Der Verstoß ist auch dauerhaft, da die einseitig von den Kreditinstituten für die Gestaltung der Vertragsbeziehung entwickelten Zinsanpassungsklauseln bis heute zur Berechnungsgrundlage der Zinsgutschriften dienen. Eine Beseitigung dieses Zustandes hat seitens der Kreditinstitute nicht, etwa durch nachträgliche individualvertragliche Regelung, stattgefunden. Dementsprechend dauert der Verstoß bis heute an.

Schließlich ist der Verstoß wiederholt, weil die Kreditinstitute bei der bei jedem Rechnungsabschluss erneut erfolgenden Zinsberechnung auf Basis der einseitig ersetzten Klausel handeln.

c) Beeinträchtigung der Interessen nicht nur einzelner Verbraucherinnen und Verbraucher nach Art oder Umfang des Verstoßes

Die einseitige Klauselersetzung beeinträchtigt auch nicht nur die Interessen einzelner Verbraucherinnen und Verbraucher, sondern betrifft sämtliche Verbraucherinnen und Verbraucher, die zwischen 1990 und 2010 einen langfristigen Prämiensparvertrag mit einer Zinsanpassungsklausel abgeschlossen hatten, welche infolge der BGH-Rechtsprechung aus 2004 als von Anfang an unwirksam anzusehen ist (BGH-Urteil vom 17.02.2004 (XI ZR 140/03)). In gleicher Weise sind auch diejenigen Verbraucherinnen und Verbraucher betroffen, mit denen Kreditinstitute auch zeitlich nach dem Urteil vom 17.02.2004 einen langfristigen Prämiensparvertrag abschlossen, der bezüglich der Zinsanpassungsklausel ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht zugunsten des Kreditinstituts vorsah, also Verträge im Neugeschäft vor Umstellung der Zinsklausel.

Die ursprünglich vorhandenen Vertragskonstruktionen, inklusive der darin enthaltenen Zinsvereinbarungen, wurden durch die eigenmächtige Übertragung von nicht den BGH-Vorgaben entsprechenden Zinsanpassungsklauseln für Neuverträge auf Bestandsverträge beseitigt. Dadurch beeinträchtigen die Kreditinstitute zugleich die kollektiven Verbraucherinteressen ihrer betroffenen Bestandskunden. Da die Kreditinstitute den mehrfachen Aufforderungen der BaFin nicht nachkamen, diese unwirksame und gesetzeswidrige Praxis abzustellen und dies vor einer höchstrichterlichen Entscheidung des BGH auch nicht beabsichtigen, dauert der Verstoß immer noch an.

Die Allgemeinverfügung schützt die Verbraucherinteressen aller Verbraucher und Verbraucherinnen der betroffenen Kreditinstitute, deren langfristige Prämiensparverträge eine infolge der BGH-Rechtsprechung als unwirksam zu qualifizierende Zinsanpassungsklausel enthalten. Folglich dient diese Allgemeinverfügung nicht nur dem Schutz einzelner Verbraucher und Verbraucherinnen, sondern einer Vielzahl von Verbrauchern und Verbraucherinnen bei einer Vielzahl von betroffenen Kreditinstituten.

3. Missstände verhindern oder beseitigen

Die BaFin kann nach § 4 Abs. 1a FinDAG Maßnahmen ergreifen, um einen bereits eingetretenen Missstand zu beseitigen oder einen drohenden Missstand zu verhindern. Dies ist vorliegend der Fall. Mit der Allgemeinverfügung wird dem bestehenden Missstand der einseitigen Klauselersetzung durch die adressierten Kreditinstitute in Bezug auf eine teilweise unwirksame Zinsanpassungsklausel in Bestandskundenverträgen entgegengetreten.

4. Generelle Klärung im Interesse des Verbraucherschutzes geboten

Bezüglich des genannten verbraucherschutzrelevanten Missstandes ist eine generelle Klärung im Interesse aller Verbraucherinnen und Verbraucher geboten. Die BaFin kann eingreifen, wenn eine generelle Klärung im Interesse des Verbraucherschutzes geboten erscheint. Hat die BaFin einen Verstoß gegen ein Verbraucherschutzgesetz festgestellt, der die Interessen nicht nur einzelner Verbraucherinnen und Verbraucher beeinträchtigt, so ist ihr Einschreiten geboten. Die Betroffenheit einer Mehrheit von Verbraucherinnen und Verbrauchern von einem Verstoß begründet die Notwendigkeit zum Einschreiten. Der Hinweis, wonach eine generelle Klärung geboten erscheinen muss, dient vor allem dazu, die Bedeutung der kollektiven Dimension des Verstoßes zu betonen.

Einen Verstoß gegen verbraucherschützende Normen durch die betroffenen Kreditinstitute hat die BaFin festgestellt. Von diesem Verstoß sind nicht nur einzelne Verbraucherinnen und Verbraucher betroffen. Vielmehr sind gleichermaßen all diejenigen Verbraucherinnen und Verbraucher betroffen, die zum 17.02.2004 als Bestandskunden aufgrund eines langfristigen Prämiensparvertrages in Vertragsbeziehung zu Kreditinstituten standen und von der unzulässigen einseitigen Leistungsbestimmung betroffen waren bzw. sind. In gleicher Weise sind auch diejenigen Verbraucherinnen und Verbraucher betroffen, mit denen Kreditinstitute auch zeitlich nach dem Urteil vom 17.02.2004 einen langfristigen Prämiensparvertrag abschlossen, der bezüglich der Zinsanpassungsklausel ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht zugunsten des Kreditinstituts vorsah und denen gegenüber eine einseitige Klauselersetzung stattgefunden hat. Derartige Verträge könnte es nach derzeitigem Kenntnisstand bis 2010 noch gegeben haben.

Dieser Verstoß lässt eine generelle Klärung durch die BaFin geboten erscheinen. Denn in Beschwerdeverfahren haben Kreditinstitute gegenüber der BaFin erklärt, der Überzeugung zu sein, die einseitig vorgegebene Zinsanpassungsklausel in betroffenen Bestandsverträgen anwenden zu dürfen. Ferner haben sich auch die Vertreter der Kreditwirtschaft beim Runden Tisch in diesem Sinne geäußert und die Kreditinstitute selber anstelle des Gerichts zu einer ergänzenden Vertragsauslegung befugt gesehen.

Diesen Erklärungen kommt angesichts der in dieser Hinsicht eindeutigen Entscheidung des BGH zu der Frage, wie die betroffenen Kreditinstitute im Hinblick auf ihre unwirksame Zinsanpassungsklausel vorzugehen haben, besonderes Gewicht zu. Denn der BGH (XI ZR 197/09) führte aus, dass die durch die teilweise Unwirksamkeit der Zinsänderungsklausel entstandene Lücke im Vertrag durch ergänzende Vertragsauslegung (§§ 133, 157 BGB) zu schließen sei; ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht der Bank nach § 315 Abs. 1 BGB komme nicht in Betracht. Die sowohl durch praktisches Verhalten als auch durch Erklärungen dokumentierte Missachtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung gebietet eine generelle Klärung durch die BaFin.

Dies wird auch gestützt durch die Gesetzesbegründung zu § 4 Abs. 1 a FinDAG (BT Drucks 18/3994, Seite 36). Denn ohne die inter-partes-Wirkung höchstrichterlicher Entscheidungen in Frage zu stellen, hat der Gesetzgeber eindeutig seine Erwartungshaltung an die beaufsichtigten Institute und Unternehmen zum Umgang mit höchstrichterlicher Rechtsprechung klargestellt. Der Gesetzgeber hat hierbei seine generelle Erwartung formuliert, dass Kreditinstitute höchstrichterliche Entscheidungen kontinuierlich auswerten und ihre eigene Praxis oder ihre Vertragsgestaltung danach ausrichten, sofern die Entscheidung als einschlägig anzusehen ist.

Der Umgang mit der infolge der Rechtsprechung zu Zinsanpassungsklauseln bei Prämiensparverträgen aufgetretenen Vertragslücke und der Umgang mit den Vorgaben der Rechtsprechung zur Behandlung der Vertragslücke waren und sind Gegenstand erheblichen Schriftwechsels mit vielen Kreditinstituten sowohl in individuellen Einzelfällen als auch abstrakter Art. Auch mit den Verbänden der Kreditwirtschaft wurde die Thematik diskutiert. Bislang hat keines der Kreditinstitute von sich aus von dem rechtswidrigen Vorgehen Abstand genommen. Verhaltensänderungen sind bislang nur in vereinzelten Fällen, z.B. unter dem Druck von erfolgreichen Abmahnungen seitens einer Verbraucherschutzeinrichtung eingetreten.

Die Verbände gaben beim Runden Tisch zu erkennen, dass sie die bisherige Rechtsprechung zu den Anforderungen an eine Zinsanpassungsklausel für „verfehlt“ halten. Weder die bisherige Rechtsprechung zu einem relativen Abstand zwischen Referenzzins und Vertragszins noch die Rechtsprechung zu den Anforderungen an einen geeigneten Referenzzins würden fortgesetzt werden. In der Praxis könnten die Kreditinstitute eine ergänzende Vertragsauslegung ohnehin nur einseitig umsetzen.

Es ist daher nicht zu erwarten, dass sie nunmehr ihren Mitgliedsinstituten empfehlen werden, diese zu befolgen. Der BGH hat die alleinige Zuständigkeit für eine ergänzende Vertragsauslegung bei den Zivilgerichten angesiedelt. Zu der Frage, wie die betroffenen Kreditinstitute dabei vorzugehen haben, führt der BGH (XI ZR 197/09) aus: Die durch die teilweise Unwirksamkeit der Zinsänderungsklausel entstandene Lücke im Vertrag ist durch ergänzende Vertragsauslegung (§§ 133, 157 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB) zu schließen; ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des Bankkunden nach § 316 BGB kommt ebenso wenig in Betracht wie ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht der Bank nach § 315 Abs. 1 BGB (Leitsatz b)). Das Gericht hat die maßgeblichen Änderungsparameter selbst zu bestimmen (Auszug aus Leitsatz c)). Die vom Berufungsgericht vorgenommene ergänzende Vertragsauslegung unterliegt der selbständigen und uneingeschränkten Nachprüfbarkeit durch das Revisionsgericht, weil formularmäßige Zinsänderungsklauseln typische Vereinbarungen sind, bei deren Unwirksamkeit im Interesse der Rechtssicherheit eine allgemeinverbindliche ergänzende Vertragsauslegung unabhängig von den Besonderheiten des konkreten Einzelfalls sachlich geboten ist (Leitsatz d)). Liegt eine allgemeinverbindliche ergänzende Vertragsauslegung durch ein Gericht vor, so können sich die Kreditinstitute bei ihrem weiteren Vorgehen darauf berufen. Die Allgemeinverbindlichkeit der gerichtlichen Entscheidung bildet die Basis für die weitere Zinsberechnung. Eine solche allgemeinverbindliche gerichtliche ergänzende Vertragsauslegung gibt es bislang aber nicht. Es gibt auch keine Berechtigung der einzelnen Kreditinstitute, selber eine ergänzende Vertragsauslegung vorzunehmen. Allein möglich sind nur Individualvereinbarungen.

Die Verbände erwarten zwar, dass der BGH in noch ausstehenden Entscheidungen im Rahmen von Musterfeststellungsverfahren seine bisherige Rechtsprechung zu den Anforderungen an eine Zinsanpassungsklausel für langfristige Prämiensparverträge aufgeben werde. Sie sehen darin offenbar eine nachträgliche Legitimierung des von ihnen gewählten Verfahrens. Dem liegt wohl der Gedanke zugrunde, über den Mangel des eigenmächtigen Vorgehens bei der Bestimmung einer Zinsanpassungsklausel könne man hinweggehen, wenn sich im Nachhinein die gewählte Zinsanpassungsklausel inhaltlich als angemessen erweisen sollte.

Ein derartiger Umgang mit aktueller BGH-Rechtsprechung ist nicht tolerierbar. Mit dem AGB-Recht werden den AGB-Verwendern weitreichende Rechte gegenüber Verbraucherinnen und Verbrauchern zur Gestaltung der Vertragsverhältnisse eingeräumt. Dieses einseitige Privileg wird durch eine gerichtliche Klauselkontrolle begrenzt. Erweist sich – wie hier – eine Klausel als unwirksam, so ist der Klauselverwender zu besonderer Verantwortung im Umgang mit der verworfenen Klausel berufen. Hierzu gehört in der vorliegenden Konstellation ein rechtmäßiger Umgang bei der Schließung der Vertragslücke. Ein einseitiges Vorgehen war den Kreditinstituten nach der Rechtsprechung gerade verwehrt (BGH XI ZR 197/09). Rechtmäßiges Alternativverhalten hätte in dem Abschluss von Individualverträgen gelegen.

An der Bewertung des einseitigen Vorgehens der Kreditinstitute als rechtswidrig würde sich auch dadurch im Nachhinein nichts ändern, falls der BGH – wie von den betroffenen Kreditinstituten prognostiziert – zu einer ergänzenden Vertragsauslegung käme, die inhaltlich mit den Vorstellungen der Kreditinstitute übereinstimmt. Eine Heilung des Mangels im bisherigen Vorgehen der Kreditinstitute kann die ausstehende Entscheidung nicht rückwirkend bewirken. Der Mangel im Verfahren steht selbständig neben einem Mangel beim Inhalt der Klausel, so dass eine generelle Klärung im Interesse des Verbraucherschutzes geboten ist.

5. Geeignetheit und Erforderlichkeit als Tatbestandsmerkmale

Die Allgemeinverfügung ist geeignet und erforderlich, um den Missstand zu beseitigen.

Die Verfügung ist geeignet, den Missstand zu beseitigen.

Durch die im Tenor der Allgemeinverfügung genannten Maßnahmen wird den erheblichen, dauerhaften und wiederholten Verstößen in Form der einseitigen Klauselersetzung für die Zinsberechnung in langfristigen Prämiensparverträgen von Verbrauchern und Verbraucherinnen, mit denen seit den 1990er Jahren bis etwa 2010 die vom BGH (2004) beanstandete Klausel vereinbart wurde, entgegengewirkt.

Die Verfügung ist erforderlich; ein milderes Mittel ist nicht ersichtlich. Die betroffenen Institute haben gegenüber der BaFin, auch über deren Spitzenverbände, immer wieder deutlich gemacht, dass sie ihr Vorgehen für rechtmäßig halten und dieses nicht ändern werden. Eine Einigung außerhalb dieses Verwaltungsverfahrens war somit nicht möglich. Weitere nicht förmliche oder sonstige gleichermaßen geeignete, mildere Mittel sind nicht ersichtlich.

Kein milderes Mittel ist insbesondere die bloße Feststellung der Rechtwidrigkeit der ursprünglich vereinbarten Zinsanpassungsklausel. Diese Feststellung hat der BGH in seiner Rechtsprechung 2004 bereits getroffen. Überdies ist damit der Missstand nicht behoben, welcher in den zur Beseitigung der Unwirksamkeit ergriffenen unzulässigen, einseitigen und inhaltlich nicht an der Rechtsprechung des BGH vom 13.04.2010 – XI ZR 197/09 ausgerichteten Zinsanpassung und der fehlenden Unterrichtung der Verbraucher und Verbraucherinnen über die Unwirksamkeit der ursprünglich vereinbarten Zinsanpassungsklausel liegt. Eine Unterrichtung der Betroffenen über den Missstand durch die BaFin würde sich in einer bloßen Information erschöpfen müssen und ist damit kein gleichermaßen geeignetes, milderes Mittel, weil dem Missstand nicht in gleicher Weise entgegengewirkt würde. Überdies könnte die BaFin nicht sicherstellen, dass eine von ihr veranlasste Information alle betroffenen Verbraucherinnen und Verbraucher erreicht.

6. Ermessen

Der Erlass der Maßnahme erfolgt in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens und ist auch verhältnismäßig. Die Maßnahme richtet sich an die richtigen Adressaten. Entsprechend § 4 Abs. 1a FinDAG kann die BaFin alle Maßnahmen gegenüber den von dieser Allgemeinverfügung betroffenen und von ihr beaufsichtigten Instituten und Unternehmen erlassen, um verbraucherschutzrelevante Missstände zu verhindern oder zu beseitigen

a) Zur Missstandsbeseitigung geeignet

Der Erlass der Maßnahme ist geeignet, den vorliegenden Verstoß gegen § 306 BGB als Verbraucherschutzgesetz zu beseitigen und dient damit dem kollektiven Verbraucherschutz als legitimem Zweck. Mit dieser Maßnahme verfolgt die BaFin das ihr nach § 4 Abs. 1a FinDAG auferlegte Ziel des kollektiven Verbraucherschutzes. Nach § 4 Abs. 1a Satz 1 FinDAG ist die BaFin innerhalb ihres gesetzlichen Auftrags auch dem Schutz der kollektiven Verbraucherinteressen verpflichtet.

Durch die mit dieser Maßnahme angestrebte Unterrichtung aller betroffenen Verbraucherinnen und Verbraucher über die Unwirksamkeit der vereinbarten Zinsanpassungsklausel sowie über das Fehlen einer allgemeinverbindlichen gerichtlichen ergänzenden Vertragsauslegung, verbunden mit der unwiderruflichen Zusage, eine noch zu erwartende zivilgerichtliche ergänzende Vertragsauslegung zur Basis einer Nachberechnung der bisherigen Zinsberechnung zu machen oder verbunden mit einem sachgerechten, aus den Vorgaben des BGH (XI ZR 197/09) abgeleiteten Alternativangebot im Rahmen eines individuellen Änderungsvertrages, wird der hier aufgetretene Missstand, wonach Kreditinstitute in unzulässiger Weise einseitig in die Vertragsbeziehung eingegriffen haben, beseitigt. Hierdurch wird für die Gesamtheit der betroffenen Verbraucherinnen und Verbraucher Transparenz geschaffen und einer endgültigen Lösung des Sachverhalts der Boden bereitet, indem die Kreditinstitute sich entweder auf Verhandlungen über zulässige Individualvereinbarungen einlassen oder verbindlich zusagen, eine noch zu erwartende zivilgerichtliche ergänzende Vertragsauslegung zur Basis einer Nachberechnung der bisherigen Zinsberechnung zu machen.

b) Zur Missstandsbeseitigung erforderlich

Ein milderes Mittel kommt nicht in Betracht, da die Vertreter der Verbände der Kreditwirtschaft im Rahmen des zuvor durchgeführten nichtförmlichen Verfahrens, Runder Tisch am 25.11.2020, eindeutig und unmissverständlich erklärt haben, an ihrer andersgearteten Rechtsposition festzuhalten. Die Verbandsposition insbesondere des hauptbetroffenen Verbandes DSGV findet ihren Ausdruck u.a. in den Äußerungen der Kreditinstitute zu Auskunftsersuchen, die die BaFin zu der vorliegenden Thematik eingeholt hat, und in ihren Ausführungen zu diversen Einzelbeschwerden wie auch im Rahmen der im Vorfeld dieser Allgemeinverfügung durchgeführten Abfrage bei mittlerweile 247 Kreditinstituten. Im Kern verweisen diese sinngemäß darauf, sich zwar an die Grundsätze der BGH-Rechtsprechung aus 2004 (XI ZR 140/03) zu halten, dabei jedoch die Rechtsprechung aus 2010 (XI ZR 197/09) nicht zu berücksichtigen, weil sie diese Entscheidungen als „unzutreffend“ erachten. Im Rahmen der Anhörung sind keine anderslautenden Stellungnahmen der Kreditinstitute eingegangen. Es sind aber gerade die Maßgaben des BGH 2010 (XI ZR 197/09) zur ergänzenden Vertragsauslegung, welcher der BGH im Zusammenhang mit unwirksamen Zinsanpassungsklauseln in Prämiensparverträgen in 2010 ausformuliert und deren Einhaltung die BaFin anstrebt.

Im Verlauf des Runden Tisches am 25.11.2020 hat sich erwiesen, dass eine einvernehmliche Lösung nicht erzielt werden konnte. Nicht-förmliche Mittel waren fruchtlos und sind damit ausgeschöpft.

Nach der Gesetzesbegründung zu § 4 Abs. 1 a FinDAG (BT Drucksache18/3994, S. 36) liegt ein Missstand insbesondere dann vor, wenn ein Institut oder Unternehmen im Sinne des Satzes 2 eine einschlägige Entscheidung des Bundesgerichtshofes zur Anwendung einer zivilrechtlichen Norm mit verbraucherschützender Wirkung nicht beachtet. Für eine Auswahl unter den einschlägigen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zur Anwendung zivilrechtlicher Normen danach, ob deren Anwendung dem Normadressaten auf Basis eigener Rechtsansichten richtig oder unrichtig erscheint, ist dabei kein Raum. Die betroffenen Kreditinstitute sind mithin nicht berechtigt, die Rechtsprechung des BGH 2010 (XI ZR 197/09) eigenmächtig als nicht umzusetzend zu behandeln. Dies gilt umso mehr, als der BGH seine Grundsätze zur allein dem Gericht obliegenden ergänzenden Vertragsauslegung in seinen Folgeentscheidungen (Urteile vom 21.12.2010 – XI ZR 52/08 und 14.03.2017 – XI 508/15) ersichtlich fortgeführt hat.

aa) „Zuwarten“ als milderes Mittel?

Das bloße Zuwarten auf noch zu erwartende BGH-Entscheidungen betreffend die verschiedenen Musterfeststellungsklagen, insbesondere der Verbraucherzentrale Sachsen, ist kein gleich gut geeignetes milderes Mittel.

Zwar ist insoweit bereits in vier Musterfeststellungsverfahren gegen die Stadt- und Kreissparkasse Leipzig, gegen die Erzgebirgssparkasse, gegen die Sparkasse Zwickau und gegen die Sparkasse Meißen (Entscheidungen des Oberlandesgerichts Dresden (5 MK 1/19, 5 MK 2/19, 5 MK 1/20 und 5 MK 3/20) Revision eingelegt und diese Verfahren mittlerweile beim BGH anhängig. Mit diesen Verfahren soll im Wege der Musterfeststellungsklage Klarheit über die konkreten inhaltlichen Anforderungen an eine Zinsanpassungsklausel für langfristige Prämiensparverträge herbeigeführt werden. Ein Zuwarten auf noch zu erwartende BGH-Entscheidungen betreffend die verschiedenen Musterfeststellungsklagen ist kein gleich gut geeignetes milderes Mittel, weil die Bindungswirkung der zu erwartenden Urteile lediglich die beklagten Kreditinstitute betrifft. Diese Allgemeinverfügung richtet sich jedoch an den bestimmbaren Kreis aller betroffenen Kreditinstitute.

Die mit dieser Allgemeinverfügung angeordnete Maßnahme der Unterrichtung der betroffenen Verbraucherinnen und Verbraucher zielt auf den hier festgestellten Missstand beruhend auf dem damaligen einseitigen Vorgehen der Kreditinstitute. Sie haben trotz Fehlens eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts die Parameter ihrer Zinsanpassung einseitig festgelegt und hierüber auch keine Individualvereinbarungen abgeschlossen. Dieser Missstand besteht als eigenständiger Missstand neben den inhaltlichen Mängeln der faktisch vorgenommenen Zinsanpassung, gemessen an der Rechtsprechung des BGH aus 2010.

Überdies ist ungewiss, wann mit einer Entscheidung des BGH gerechnet werden kann und wann eine Entscheidung letztlich rechtskräftig wird. Ein Zuwarten verlängert die Dauer des Missstandes, da dadurch die Unterrichtung der Verbraucherinnen und Verbraucher über den Missstand verzögert würde.

Die BaFin ist daher nicht gehalten, ihr Tätigwerden vorläufig zurückzustellen.

bb) Feststellung der Rechtswidrigkeit der Ursprungsklausel als milderes Mittel?

Die bloße Feststellung der Rechtswidrigkeit der ursprünglich in Prämiensparverträgen verwendeten Klausel durch die BaFin, welche aufgrund der BGH-Rechtsprechung aus 2004 (XI ZR 140/03) anzunehmen ist, ist für sich genommen kein gleich gut geeignetes milderes Mittel. Die Konsequenzen dieser BGH-Entscheidung aus 2004 sind in der Kreditwirtschaft im Wesentlichen als nicht streitig anzusehen. Mit einer auf die bloße Feststellung der Rechtswidrigkeit der Ursprungsklausel beschränkten Maßnahme ist der Verstoß, der hier in der eigenmächtigen Umsetzung einer Klauseländerung liegt, indes nicht behoben.

In der Allgemeinverfügung ist ergänzend angeordnet, ein konkretes Vertragsangebot zu unterbreiten oder sich unwiderruflich der zu erwartenden gerichtlichen ergänzenden Vertragsauslegung zu unterwerfen. Die bloße Feststellung der Rechtswidrigkeit der Ursprungsklausel bleibt dahinter zurück und begegnet dem festgestellten Missstand nicht in gleicher Weise wie die geplante Allgemeinverfügung.

cc) Unterrichtung durch Dritte als milderes Mittel?

Eine Unterrichtung der betroffenen Verbraucherinnen und Verbraucher durch Verbraucherschutzorganisationen oder durch die BaFin ist ebenfalls kein gleich geeignetes milderes Mittel. Mangels vorhandener Vertragsunterlagen kann eine Unterrichtung, wie sie die BaFin in ihrem BaFin-Journal-Artikel von Februar 2020 und dem Verbraucheraufruf am 02.12.2020 vorgenommen hat, lediglich in öffentlicher Weise über das Internet erfolgen. Derartige Informationen Dritter können nur die Transparenz erhöhen, den eigentlichen Mangel lassen sie unberührt. Ein Vertragsangebot könnte die BaFin naturgemäß nicht unterbreiten. Die BaFin braucht sich auch nicht darauf verweisen zu lassen, selber anstelle der ihrer Aufsicht unterliegenden Kreditinstitute zu handeln. Auch ist mit generellen Veröffentlichungen im Internet nicht gewährleistet, dass alle tatsächlich betroffenen Verbraucherinnen und Verbraucher diese Information erreicht.

Auch ist eine Information der Verbraucher und Verbraucherinnen aus den Medien kein milderes Mittel. Auch eine solche Information kann bestenfalls die Transparenz erhöhen, nicht aber den Mangel beseitigen. Es ist zudem nicht davon auszugehen, dass Verbraucher und Verbraucherinnen mittlerweile ausreichend u.a. aus den Medien informiert sind. Eine aktive Information seitens des jeweiligen Kreditinstituts an seine Vertragspartner über die Unwirksamkeit der vereinbarten Zinsanpassungsklausel hat es nicht gegeben und wurde bislang auch nicht vorgetragen.

Weitere nicht förmliche Mittel oder sonstige mildere Mittel stehen nicht zur Verfügung, sodass die hier angeordnete Maßnahme erforderlich ist. Insbesondere sind der im Vorfeld dieser Maßnahme stattgefundene Meinungsaustausch und die informellen Möglichkeiten erfolglos geblieben.

c) Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne

Der Erlass dieser Allgemeinverfügung ist auch angemessen und damit verhältnismäßig im engeren Sinne. Eine Maßnahme ist angemessen, wenn das mit ihr verfolgte Ziel in seiner Wertigkeit nicht außer Verhältnis zur Intensität des Eingriffs steht. Das kollektive Verbraucherschutzinteresse überwiegt vorliegend das Interesse der betroffenen Institute.

Vorliegend haben Kreditinstitute infolge der Rechtsprechung des BGH in 2004 (Urteil vom 17.02.2004 (XI ZR 140/03)) Kenntnis erlangt, dass ihre Zinsanpassungsklauseln in langfristigen Prämiensparverträgen insoweit unwirksam sind, als ihnen ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht nicht zusteht. Die Kreditinstitute haben sodann neue Klauseln für das Neugeschäft entwickelt und diese einseitig auf das Bestandsgeschäft übertragen. Dieses einseitige Vorgehen war rechtswidrig und diese Rechtswidrigkeit hat der BGH in 2010 festgestellt (Urteil vom 13.04.2010 – XI ZR 197/09). Korrigiert haben die Kreditinstitute, die ganz überwiegend zwischen 2004 und 2006 von der in 2004 verworfenen Zinsanpassungsklausel Abstand genommen haben, ihr unrichtiges einseitiges Vorgehen nicht. Sie haben mithin in Kenntnis der entgegenstehenden BGH-Rechtsprechung aus 2010 entschieden, eine Regelung zur Zinsanpassung in den betroffenen Prämiensparverträgen einseitig vorzugeben oder einseitig entwickelte Parameter der Zinsberechnung fortzusetzen. Sie haben damit eine ihnen nicht zustehende einseitige Klauselersetzung durchgeführt. Diese Vorgehensweise ist – wie dargelegt – rechtswidrig. Eine solche Vorgehensweise ist nicht schutzwürdig, da den Kreditinstituten durch den Zivilrechtsrahmen Grenzen gesetzt sind, die sie nicht zum Nachteil der Verbraucherinnen und Verbraucher verletzen dürfen.

Vorliegend überwiegt das kollektive Verbraucherschutzinteresse. Denn der Gesetzgeber hat einen Missstand im kollektiven Verbraucherschutz gerade darin gesehen, dass ein Missstand, also ein Verstoß gegen ein Verbraucherschutzgesetz, dann vorliegt, wenn ein Institut (…) eine einschlägige Entscheidung des Bundesgerichtshofes zur Anwendung einer zivilrechtlichen Norm mit verbraucherschützender Wirkung nicht beachtet (BT-Drucksache 18/3994, Seite 36). Damit hat der Gesetzgeber dem kollektiven Verbraucherschutzinteresse besonderes Gewicht beigemessen und der diesbezüglichen Rechtsprechung eine hohe Wirkmacht zugeschrieben. Der Gesetzgeber ist ersichtlich davon ausgegangen, dass BGH-Entscheidungen zu verbraucherschützenden Regelungen weit über die Parteien des Rechtsstreits hinaus in den beteiligten Verkehrskreisen zu beachten sind. Von Gewicht ist dabei, dass der hier festgestellte Missstand durch eine Vielzahl von Kreditinstituten in gleichartiger Art und Weise herbeigeführt wurde. Soweit die betroffenen Kreditinstitute ihre Neugeschäft-Klausel einseitig auf das Bestandsgeschäft übertrugen, handelten sie rechtswidrig und diesen Missstand hielten sie auch angesichts der Rechtsprechung in 2010 weiter aufrecht. Für die Gesamtheit der Verbraucher ist ein korrekter Umgang mit den Vorgaben des AGB-Rechts – hier zur ergänzenden Vertragsauslegung bei Klauselunwirksamkeit – von besonderer Bedeutung. Die Verbraucherinnen und Verbraucher sind gegenüber dem Klauselverwender strukturell unterlegen und darauf angewiesen, dass Klauselverwender die ihnen mit dem AGB-Recht eingeräumten Handlungsoptionen rechtmäßig ausüben. Daher kommt ihren Interessen bei Rechtsverstößen der Klauselverwender eine höhere Bedeutung bei als den Interessen der Klauselverwender an einer Fortdauer des Missstandes.

Das öffentliche Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher in ihrer Gesamtheit am Schutz vor einem unrechtmäßigen Umgang mit unwirksamen AGB-Regelungen durch den oder die Klauselverwender ist schutzwürdig und geht dem rein wirtschaftlichen Interesse der Kreditinstitute an der Aufrechterhaltung des rechtswidrigen Zustandes vor.

Vorliegend nimmt die BaFin gerade keinen Eingriff in die grundrechtlich geschützte Position der Kreditinstitute zur Preisgestaltung von langfristigen Prämiensparverträgen vor, da Entscheidungen im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung der Zivilrechtsprechung vorbehalten sind. Die Allgemeinverfügung ist nicht darauf gerichtet, konkrete inhaltliche Vorgaben zu den Parametern einer durch ergänzende Vertragsauslegung zu bestimmenden Zinsanpassungsklausel für langfristige Sparverträge zu machen. Das hier angeordnete Verlangen nach einem zivilrechtlich und AGB-rechtlich konformem Umgang mit einschlägiger BGH-Rechtsprechung zu Zinsanpassungsklauseln greift nicht in die grundrechtlich geschützte Position zur Preisgestaltung ein. Denn die Vorgaben des Zivilrechts setzen den Rahmen, innerhalb dessen sich die betroffenen Kreditinstitute letztlich bei ihrer Preisgestaltung gegenüber den Verbraucherinnen und Verbrauchern bewegen dürfen. Den betroffenen Kreditinstituten sind jedoch durch die §§ 305 ff. BGB und die hierzu ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung des BGH Grenzen gesetzt, die sie nicht zum Nachteil der Verbraucherinnen und Verbraucher verletzen dürfen.

Die Anordnung, die Unterrichtung der betroffenen Verbraucherinnen und Verbraucher mit der unwiderruflichen Zusage, eine noch zu erwartende zivilgerichtliche ergänzende Vertragsauslegung zur Basis einer Nachberechnung der bisherigen Zinsberechnung zu machen, zu verbinden oder ein der bisherigen Rechtsprechung konformes Alternativangebot im Rahmen eines individuellen Änderungsvertrages zu unterbreiten, ist angemessen.

Angesichts der Rechtswidrigkeit der ursprünglich vereinbarten Zinsanpassungsklausel hätte es den Kreditinstituten oblegen – mangels bisher vorliegender gerichtlich vorgenommener ergänzender Vertragsauslegung – den Abschluss individualvertraglicher Änderungsabreden als rechtmäßiges Alternativverhalten anzustreben. Das Verlangen der Nachholung eines zu Unrecht unterlassenen Verhaltens ist angemessen. Die hierzu von der BaFin eingeräumte Maßnahmenalternative, eine unwiderrufliche Zusage abzugeben, eine noch zu erwartende zivilgerichtliche ergänzende Vertragsauslegung zur Basis einer Nachberechnung der bisherigen Zinsberechnung zu machen, soll den Kreditinstituten Gelegenheit geben, sich auf eine aktuelle gerichtliche und damit allgemeinverbindliche ergänzende Vertragsauslegung zu berufen. Damit wäre letztlich gesetzeskonformes Verhalten hergestellt.

Die Anordnung der BaFin bezieht sich nach Nummer 2 der Allgemeinverfügung auch auf gekündigte Verträge. Denn auch bezüglich der gekündigten Verträge liegt der hier beschriebene Missstand vor. Eine institutsseitige Kündigung von Prämiensparverträgen beseitigt den Missstand nicht, hebt ihn nicht auf oder macht ihn ungeschehen. Eine Differenzierung innerhalb der gekündigten Verträge danach, ob eventuelle zivilrechtliche Nachberechnungs- und Nachzahlungsansprüche des jeweils einzelnen Verbrauchers bereits der Einrede der Verjährung ausgesetzt sind oder nicht und damit im Individualrechtsstreit möglicherweise nicht mehr erfolgreich durchgesetzt werden können, ist nicht vorzunehmen. Auch die Verjährung eines solchen Anspruchs lässt, wie die Kündigung, den festgestellten Missstand unberührt. Mit der Unterrichtungsverfügung soll den Verbraucherinnen und Verbrauchern ermöglicht werden, unabhängig von der Rechtsauffassung der Kreditinstitute das Bestehen von Ansprüchen prüfen lassen zu können. Es kann nicht den Kreditinstituten überlassen bleiben, durch eine einseitige Entscheidung über den Eintritt der Verjährung den Kreis der zu unterrichtenden Verbraucherinnen und Verbraucher selbst zu bestimmen. Lediglich dort, wo bereits individuelle einvernehmliche Lösungen der beteiligten Parteien herbeigeführt werden konnten, ist ein Eingreifen der BaFin nicht mehr angemessen, weil dem Missstand bereits individuell begegnet wurde.

Ein Einschreiten der BaFin aufgrund dieses bei einer Vielzahl betroffener Kreditinstitute anzutreffenden unzulässigen Vorgehens ist hingegen geboten, da das öffentliche Interesse am kollektiven Verbraucherschutz den mit der unzulässigen einseitigen Preisgestaltung einhergehenden wirtschaftlichen Interessen vorgeht. Dies betrifft gerade die Belange der von der BaFin zu schützenden Verbraucherinnen und Verbraucher, vor rechtswidrigen einseitigen Vertragseingriffen geschützt zu werden. Die Ziele der BaFin im kollektiven Verbraucherschutz umfassen gerade die Überwachung der Rechtmäßigkeit institutsseitiger kollektiver Eingriffe in Bestandsverträge.

7. Umsetzungsfrist

Bereits vor Erlass dieser Allgemeinverfügung war den Kreditinstituten die Rechtsprechung des BGH zu den Zinsanpassungsklauseln bei langfristigen Sparverträgen bekannt. Seitens der BaFin wurde mit den Kreditinstituten bereits im Vorfelde der Allgemeinverfügung über eine einvernehmliche Lösung gesprochen. Diese konnte im Laufe der letzten 3 Jahre nicht erzielt werden.

Eine Frist von 12 Wochen ab Bekanntgabe der Allgemeinverfügung ist verhältnismäßig, weil eine intensive Vorbefassung mit den einschlägigen Rechtsfragen in den einzelnen Kreditinstituten stattgefunden haben dürfte, insbesondere dann, wenn sie sich gegenüber der BaFin auf deren Ersuchen hin bereits geäußert haben. Im Übrigen ist solchen Kreditinstituten, die bislang weder von Beschwerdeverfahren noch von Auskunftsersuchen der BaFin betroffen waren, die Fragestellung spätestens seit Veröffentlichung der Anhörung bekannt.

Die notwendige Entscheidungsfindung innerhalb der Kreditinstitute sowie die Unterrichtung ihrer betroffenen Vertragspartner muss zügig erfolgen. Nach Einschätzung der BaFin ist es den Betroffenen möglich, die mit dieser Allgemeinverfügung einhergehenden Anforderungen innerhalb einer Umsetzungsfrist von 12 Wochen ab Bekanntgabe umzusetzen. Eine Unterrichtung einer Vielzahl von Verbraucherinnen und Verbrauchern zu einem bestimmten Sachverhalt erfolgt durch Kreditinstitute regelmäßig und sollte sich auch unter Beachtung der für die Unterrichtung im Tenor vorgegebenen Aspekte binnen 12 Wochen inhaltlich wie technisch umsetzen lassen.

8. Öffentliche Bekanntgabe

Die Bekanntmachung der Allgemeinverfügung erfolgt am 21.06.2021 auf der Internetseite der BaFin. Die Bekanntgabe der Allgemeinverfügung erfolgt in öffentlicher Form, weil diese Bekanntgabe ausdrücklich vorgesehen ist (vgl. § 41 Absatz 4 Satz 1 VwVfG i.V.m. § 17 Absatz 2 FinDAG). Die Möglichkeit der öffentlichen Bekanntmachung im Sinne von § 41 Absatz 4 Satz 1 VwVfG auf der Internetseite der BaFin ergibt sich aus § 17 Absatz 2 Satz 2 FinDAG. Der Verwaltungsakt gilt zwei Wochen nach der ortsüblichen Bekanntmachung als bekannt gegeben (§ 41 Absatz 4 Satz 3 VwVfG).

Rechtsbehelfsbelehrung

Gegen diese Allgemeinverfügung kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Widerspruch bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht in Bonn oder Frankfurt am Main erhoben werden.

Mit freundlichen Grüßen

gez. Dr. Thorsten Pötzsch

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