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Erscheinung:30.08.2016 | Thema Zulassung Betrieb des Rückversicherungsgeschäfts im Inland durch Versicherer mit Sitz in Drittstaat

Auslegungsentscheidung zu Aspekten des Betriebs des Rückversicherungsgeschäfts durch Versicherungsunternehmen mit Sitz in einem Drittstaat

Einleitung

Versicherungsunternehmen (Erst- und Rückversicherungsunternehmen) aus einem Drittstaat, d. h. einem Staat, der nicht Mitgliedstaat der Europäischen Union oder ein Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ist, müssen eine Erlaubnis besitzen und in Deutschland eine Niederlassung errichten, wenn sie in Deutschland das Erst- oder Rückversicherungsgeschäft betreiben wollen. Die Anforderungen an einen Antrag sowie die Niederlassung ergeben sich insbesondere aus §§ 68 und 69 VAG.

Eine Ausnahme für Versicherungsunternehmen, die in Deutschland ausschließlich das Rückversicherungsgeschäft betreiben wollen, ist in § 67 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 VAG geregelt. Eine Erlaubnis sowie eine Niederlassung sind danach nicht erforderlich, wenn das Erst- oder Rückversicherungsunternehmen eines Drittstaats von seinem Sitz aus im Inland ausschließlich das Rückversicherungsgeschäft betreibt und die Europäische Kommission gemäß Artikel 172 Abs. 2 oder 4 der Richtlinie 2009/138/EG entschieden hat, dass die Solvabilitätssysteme für Rückversicherungstätigkeiten von Unternehmen in diesem Drittstaat dem in dieser Richtlinie beschriebenen System gleichwertig sind.

Die folgenden Ausführungen beziehen sich nur auf den Betrieb des Rückversicherungsgeschäfts durch Versicherungsunternehmen aus einem Drittstaat.

Auswirkungen auf Alt- und Neugeschäft

Die Regelungen in §§ 67 ff. VAG in Bezug auf Unternehmen aus einem Drittstaat sind seit dem 01.01.2016 in Kraft. Die bis zum 31.12.2015 geschlossenen Rückversicherungsverträge können erlaubnisfrei durchgeführt und abgewickelt werden. Setzt die Verlängerung der Rückversicherung zwischen dem inländischen Versicherungsunternehmen und dem Versicherungsunternehmen aus dem Drittstaat eine vertragliche Vereinbarung zwischen den Vertragsparteien (insbesondere über die wesentlichen Bestandteile wie Deckungsumfang oder Prämie) voraus, ist für den nach dem 01.01.2016 abgeschlossenen Rückversicherungsvertrag die Erlaubnispflicht nach § 67 Abs. 1 S. 1 VAG bzw. die Ausnahme in § 67 Abs. 1 S. 2 VAG maßgeblich. Dieser Aspekt ist bei den jährlichen Erneuerungen von Rückversicherungsverträgen zu berücksichtigen.

Ausnahmen von der Erlaubnispflicht

Der Betrieb des Rückversicherungsgeschäfts im Inland erfasst nicht nur rechtsgeschäftliches Handeln, sondern auch bereits die wesentlichen zum Vertragsschluss führenden Schritte sowie die Vertragsdurchführung. Entscheidend ist dabei, ob sich das Versicherungsunternehmens aus einem Drittstaat zielgerichtet an den inländischen Markt (z.B. durch Werbung mit konkreten Produkten, auf den inländischen Markt abzielende Internetauftritte, auf den Abschluss von Rückversicherungsverträgen gerichtete Kundenbesuche von Mitarbeitern des Versicherungsunternehmens aus einem Drittstaat) richtet, um Rückversicherungsverträge gegenüber inländischen Versicherungsunternehmen anzubieten oder entsprechende Geschäfte anzubahnen.

Dieser Fall liegt auch dann vor, wenn sich das Versicherungsunternehmen aus einem Drittstaat über Vermittler mit Sitz im In- oder Ausland an inländische Versicherungsunternehmen wendet oder Angebote an den inländischen Markt über Vermittler im In- und Ausland adressiert. Insoweit ist zu beachten, dass auch ein Vermittler im Ausland Vermittlertätigkeiten im Inland (beispielsweise durch Beteiligung am Vertragsabschluss oder Zeichnung des Vertrages selbst, Mithilfe bei der Vertragsdurchführung, Platzierung von konkreten Informationen zu angebotenen Rückversicherungslösungen etc.) tätigen kann.

Von einem Betrieb im Inland ist auch dann auszugehen, wenn sich ein Versicherungsunternehmen aus einem Drittstaat durch fortlaufende Vertragsschlüsse mit inländischen Versicherungsunternehmen zielgerichtet an den deutschen Markt wendet.

Die Erlaubnispflicht nach § 67 Abs. 1 S. 1 VAG gilt jedoch nicht, wenn der Rückversicherungsvertrag im Korrespondenzwege zustande kommt. Eine erlaubnisfreie „Korrespondenzversicherung“ liegt bei Rückversicherungsgeschäften vor, wenn auf Initiative eines Versicherungsunternehmens mit Sitz im Inland auf dem Korrespondenzweg ein Rückversicherungsvertrag mit einem Versicherungsunternehmen mit Sitz im Ausland zustande kommt, ohne dass auf Seiten einer Vertragspartei ein geschäftsmäßig handelnder Vermittler mit Sitz im Inland oder ein geschäftsmäßig handelnder Vermittler mit Sitz im Ausland, der Vermittlertätigkeit im Inland entfaltet, mitwirkt.

Entscheidend ist hier zunächst, dass die Initiative auf Abschluss eines Rückversicherungsvertrags vom inländischen Versicherungsunternehmen ausgehen muss. Eine derartige Eigeninitiative liegt allerdings dann nicht mehr vor, wenn die Initiative des inländischen Versicherungsunternehmens auf Aktivitäten des Versicherungsunternehmens aus einem Drittstaat beruht, die einen Betrieb im Inland darstellen.

Eine weitere wesentliche Voraussetzung ist, dass der Rückversicherungsvertrag auf dem Korrespondenzwege zustande kommt. Davon ist auszugehen, wenn sich die Vertragsparteien der üblichen Kommunikationsmethoden wie Telefon, Telefax, E-Mail oder Post bedienen.

Dem inländischen Versicherungsunternehmen bleibt bei Beachtung der Grundsätze für den Betrieb im Inland die Möglichkeit, auf Grundlage eigener Initiative, einen Dritten zur Vorbereitung bzw. zum Abschluss eines Rückversicherungsvertrages zu bevollmächtigen. Dies gilt insbesondere für Fälle, bei denen sich ein inländisches Versicherungsunternehmen an einen Vermittler mit Sitz im In- oder Ausland wendet, um mit einem bestimmten Versicherungsunternehmen mit Sitz im Drittstaat in Kontakt zu treten, das nach den genannten Kriterien kein Geschäft im Inland betreibt. Ein Betrieb im Inland ist jedoch anzunehmen, wenn sich der Vermittler mit Sitz im In- und Ausland im Auftrag des inländischen Versicherungsunternehmens mit Vertragsangeboten an ein Versicherungsunternehmen aus einem Drittstaat wendet, mit dem fortlaufende Geschäftsbeziehungen bestehen, oder dieses Versicherungsunternehmen aus einem Drittstaat durch sonstige regelmäßige Aktivitäten in Bezug auf andere inländische Versicherungsunternehmen zielgerichtet den inländischen Markt anspricht.

Des Weiteren ist die Beratung des inländischen Versicherungsunternehmens durch einen Dritten bei der Konzeption eines Rückversicherungskonstrukts unter Einbeziehung von Versicherungsunternehmen aus Drittstaaten möglich, sofern sich ein Versicherungsunternehmen aus einem Drittstaat über den Dritten nicht zielgerichtet an den inländischen Markt wendet.

Betrieb des Rückversicherungsgeschäfts vom Sitz aus

Unter den Voraussetzungen des § 67 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 VAG darf ein Versicherungsunternehmen aus einem Drittstaat erlaubnisfrei Rückversicherungsgeschäft im Inland betreiben. Maßgeblich ist insoweit die Gleichwertigkeitsentscheidung gemäß Artikel 172 Abs. 2 oder 4 der Richtlinie 2009/138/EG. Anknüpfungspunkt der Gleichwertigkeitsentscheidung sind die in Titel I der Richtlinie 2009/138/EG normierten Regelungen. Die Entscheidungen der Europäischen Kommission nach Art. 227 oder Art. 260 der Richtlinie 2009/138/EG sind im Hinblick auf § 67 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 VAG nicht maßgeblich.

In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass der Vertragsschluss und die Vertragsdurchführung durch ein Versicherungsunternehmen aus einem Drittstaat unter Beteiligung einer Niederlassung mit Sitz in einem anderen Staat, der Mitgliedstaat der Europäischen Union bzw. ein Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ist, oder einem anderen Drittstaat nicht zulässig ist.

Aspekte des Risikomanagements und der Berechnung der Solvabilitätskapitalanforderung

Die Versicherungsunternehmen müssen den Risiken angemessen Rechnung tragen, die durch Rückversicherungsbeziehungen mit Versicherungsunternehmen aus Drittstaaten entstehen. Das Risikomanagementsystem hat sämtliche Risiken des Versicherungsunternehmens und gemäß § 26 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 VAG insbesondere die Rückversicherung und andere Risikominderungstechniken zu umfassen. Dies schließt auch Rückversicherungsverträge mit Versicherungsunternehmen aus einem Drittstaat ein. In diesem Zusammenhang sind insbesondere auch die Bonität des Versicherungsunternehmens aus einem Drittstaat zu beurteilen sowie die spezifischen Rechts- und Ausfallrisiken zu betrachten.

Die Versicherungsunternehmen prüfen darüber hinaus, ob die besonderen Voraussetzungen für die Berücksichtigungsfähigkeit von Rückversicherungsverträgen mit Versicherungsunternehmen aus einem Drittstaat als Risikominderungstechnik bei der Ermittlung der Basissolvenzkapitalanforderung auf Grundlage von Art. 211 Abs. 1 und 2 der Delegierten Verordnung (EU) 2015/35 der Kommission vom 10.10.2014 erfüllt sind.

Eingriffsbefugnisse und strafrechtliche Folgen

Die in- und ausländischen Versicherungsunternehmen haben zu beachten, dass die Aufsichtsbehörde unter den in § 308 Abs. 1 S. 1 VAG genannten Voraussetzungen auch gegenüber einem Versicherungsunternehmen aus einem Drittstaat die sofortige Einstellung des Geschäftsbetriebs und die unverzügliche Abwicklung dieser Geschäfte anordnen kann.

Die Befugnisse der Aufsichtsbehörde nach § 308 Abs. 1 VAG bestehen nach Maßgabe des § 308 Abs. 4 VAG auch gegenüber dem Unternehmen und den in § 308 Abs. 3 VAG genannten Personen, bei dem oder denen feststeht oder Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das Unternehmen oder die Personen in die Anbahnung, den Abschluss oder die Abwicklung dieser Geschäfte einbezogen ist oder sind; dies gilt insbesondere gegenüber Unternehmen, die für ein Unternehmen im Sinne des § 308 Abs. 1 VAG Verträge abschließen oder vermitteln, und Unternehmen, die für ein solches Unternehmen Funktionen oder Tätigkeiten wahrnehmen.

Des Weiteren ist zu beachten, dass der Betrieb oder die Aufnahme des Rückversicherungsgeschäfts ohne Erlaubnis nach § 67 Abs. 1 S. 1 VAG sowohl in der vorsätzlichen als auch in der fahrlässigen Begehungsweise einen Straftatbestand erfüllt, der eine Freiheitsstrafe vorsieht (§ 331 Abs. 1 und 3 VAG).

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