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Erscheinung:20.12.2016 | Geschäftszeichen VA 52-I 2510-2016/0006 Aspekte der Vergütung (Art. 275 DVO (EU) 2015/35)

Auslegungsentscheidung zu Aspekten der Vergütung im Rahmen der Vorgaben des Art. 275 DVO (EU) 2015/35

1. Einleitung

Die in Art. 275 DVO (EU) 2015/35 aufgestellten Anforderungen an Vergütungsleitlinien und Vergütungspraktiken gelten für alle Erst- und Rückversicherungsunternehmen, die dem Aufsichtsregime Solvabilität II unterfallen. Der sich an Erst- und Rückversicherer richtende Art. 275 DVO (EU) 2015/35 sieht keine erhöhten Anforderungen an sog. bedeutende Erst- und Rückversicherungsunternehmen vor. Somit gelten gleiche Vorgaben für eine Vielzahl von Erst- und Rückversicherungsunternehmen, die sich u.a. hinsichtlich des Geschäftsmodells und des damit verbundenen Risikos sowie der Vergütungsleitlinien und Vergütungspraktiken deutlich voneinander unterscheiden. Aufgrund der somit bestehenden großen Bandbreite an unterschiedlichen Vergütungsleitlinien und Vergütungspraktiken ist bei der Beurteilung der von den Erst- und Rückversicherungsunternehmen aufgestellten Vergütungsleitlinien und Vergütungspraktiken dem Proportionalitätsprinzip in besonderem Maße Bedeutung zuzumessen, was nicht zuletzt durch die ausdrückliche Erwähnung des Proportionalitätsprinzips in Art. 275 Absatz 3 DVO (EU) 2015/35 seinen Ausdruck findet. Proportionalität bemisst sich nicht ausschließlich anhand der Größe der Unternehmen, sondern an der Art, dem Umfang und der Komplexität der mit dem Geschäftsmodell verbundenen Risiken. Die Anwendung des Proportionalitätsprinzips bedeutet nicht, dass aufgrund dieses Prinzips lediglich eine Absenkung der Anforderungen gerechtfertigt werden kann. Vielmehr kann das Proportionalitätsprinzip auch umgekehrt zum Tragen kommen, in dem es den Einsatz strengerer Anforderungen erfordert, um der Art, dem Umfang und der Komplexität der mit dem Geschäftsmodell verbundenen Risiken gerecht zu werden.

2. Festlegungen für alle Mitarbeiter des Unternehmens

Erst- und Rückversicherungsunternehmen sind verpflichtet Vergütungsleitlinien und Vergütungspraktiken für das Unternehmen als Ganzes festzulegen, Art. 275 Abs. 1 (a) und (c) DVO (EU) 2015/35. Daraus folgt, dass sich die betroffenen Erst- und Rückversicherungsunternehmen in ihren jeweiligen Vergütungsleitlinien und Vergütungspraktiken mit der Vergütung und den Vergütungsanreizen für alle Mitarbeiter des Unternehmens auseinandersetzen müssen. In diesem Zusammenhang sind auch bestehende tarifliche Vereinbarungen zu beachten.

Daneben sind die Unternehmen verpflichtet, spezifische Vergütungsvereinbarungen mit Vorstandsmitgliedern, Personen die das Unternehmen tatsächlich leiten, Schlüsselfunktionsinhabern und Mitarbeitern, deren Tätigkeit das Risikoprofil des Unternehmens maßgeblich beeinflussen, zu vereinbaren.

Insgesamt dürfen die allen Mitarbeitern zusammen gewährten Vergütungen die Fähigkeit der Unternehmen zur Aufrechterhaltung einer angemessenen Kapitalausstattung nicht gefährden (Leitlinien zum Governance-System, LL 9 1.38).

3. Fixvergütung für Vorstandsmitglieder, Personen die das Unternehmen tatsächlich leiten, Schlüsselfunktionsinhaber und Mitarbeitern, deren Tätigkeit das Risikoprofil des Unternehmens maßgeblich beeinflussen

Die spezifischen Vergütungsvereinbarungen mit Vorstandsmitgliedern, Personen die das Unternehmen tatsächlich leiten, Schlüsselfunktionsinhabern und Mitarbeitern, deren Tätigkeit das Risikoprofil des Unternehmens maßgeblich beeinflussen, müssen nicht zwangsläufig eine Aufteilung der Vergütung in einen festen und einen variablen Vergütungsbestandteil vorsehen. Vielmehr ist eine reine Fixvergütung zulässig, wenn damit keine Fehlanreize in Hinblick auf eine unangemessene Steigerung der Risikoneigung und die Eingehung unverhältnismäßiger Risiken verbunden ist.

4. Festlegung zum „wesentlichen Teil“ der variablen Vergütung

Art. 275 Abs. 2 (c) DVO (EU) 2015/35 verlangt, dass dann, wenn die Vergütungssysteme für die unter 3. genannten Personen sowohl feste als auch variable Bestandteile vorsehen, die Zahlung eines wesentlichen Teils des variablen Vergütungsbestandteils nur gestreckt über einen Zeitraum von mindestens 3 Jahren ausgezahlt werden darf. Bei der Festlegung, was als „wesentlicher Teil“ der variablen Vergütung anzusehen ist, ist zu berücksichtigen, dass Art. 275 DVO (EU) 2015/35 keine erhöhten Anforderungen an die Ausgestaltung der Vergütungssysteme bedeutender Unternehmen vorsieht. Eine Unterscheidung zwischen bedeutenden und „nicht bedeutenden“ Unternehmen erfolgt nicht.

Daher sieht es der Geschäftsbereich Versicherungsaufsicht als angemessen an, den „wesentlichen Teil“ der variablen Vergütung bei Personengruppen unterhalb des Vorstands mit mindestens 40% und für Personen auf Vorstandsebene auf mindestens 60% der variablen Vergütung zu beziffern. Dabei ist zu beachten, dass abhängig von der Stellung, den Aufgaben und den Tätigkeiten eines Mitarbeiters oder Geschäftsleiters sowie von der Höhe der variablen Vergütung und den Risiken, die ein Mitarbeiter oder Geschäftsleiter begründen kann, sich die Untergrenze des zurückzubehaltenden Anteils der variablen Vergütung erhöhen kann.

Jedes Unternehmen hat eigenständig zu prüfen, ob das Proportionalitätsprinzip die Anwendung der Vorgaben für die gestreckte Auszahlung eines wesentlichen Teils der variablen Vergütung auch bei Mitarbeitergruppen außerhalb der Gruppen der Vorstandsmitglieder, Personen die das Unternehmen tatsächlich leiten, Schlüsselfunktionsinhaber und Mitarbeitern, deren Tätigkeit das Risikoprofil des Unternehmens maßgeblich beeinflussen erforderlich macht, wenn das Verhältnis des variablen Vergütungsbestandteils zum festen Vergütungsbestandteil besonders hoch ist. Einer solchen Vergütungsvereinbarung liegt nämlich in der Regel ein entsprechend hohes Risiko zu Grunde.

5. Freigrenze für die Zurückbehaltung des „wesentlichen Teils“ der variablen Vergütung

Aufgrund der Inhomogenität der dem Aufsichtsregime Solvabilität II unterfallenden Unternehmen, auch im Hinblick auf die angewandten Vergütungsleitlinien und Vergütungspraktiken, bedürfen die mit der Festlegung des wesentlichen Teils des variablen Vergütungsbestandsteils verbundenen organisatorischen und verwaltungsmäßigen Belastungen einer Korrektur durch das Proportionalitätsprinzip.

Einer gestreckten Auszahlung bedarf der „wesentliche Teil“ der variablen Vergütung dann nicht, wenn er den Betrag von 35.000,- € oder 20% des festen Vergütungsbestandteils, bezogen auf eine 100%-ige Erfüllung der Zielvereinbarung, nicht überschreitet. Besteht die Möglichkeit durch eine Übererfüllung der vereinbarten Ziele einen höheren Betrag oder Prozentsatz als Bonus zu verdienen, so bedarf auch der den Betrag oder Prozentsatz übersteigende Bonus keiner gestreckten Auszahlung.

Überschreitet der vereinbarte variable Vergütungsbestandteil den Betrag von 35.000,- € oder 20% der Festvergütung bezogen auf eine 100%-ige Erfüllung der Zielvereinbarung, so unterliegt der gesamte wesentliche Teil der variablen Vergütung der gestreckten Auszahlung. Maßgeblich ist somit nicht der tatsächlich verdiente variable Vergütungsbestandteil, sondern die Höhe des vereinbarten variablen Vergütungsbestandteils.

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