BaFin - Navigation & Service

Erscheinung:01.11.2010 Schreiben der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht zur Anlageberatung gegenüber Interessenten

Sehr geehrte Damen und Herren,

mir liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass Wertpapierdienstleistungsunternehmen § 34 Abs. 2 a des Gesetzes über den Wertpapierhandel (WpHG) insoweit unzureichend beachten, als sie bei Anlageberatungen im Sinne des § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 9 WpHG gegenüber Interessenten keine Ausfertigung des Beratungsprotokolls zur Verfügung stellen. Unter Interessenten verstehe ich Privatkunden, die vor Erbringung der Anlageberatung noch keine Geschäftsverbindung zu dem beratenden Wertpapierdienstleistungsunternehmen unterhalten haben und im Anschluss an die Anlageberatung kein auf der Beratung beruhendes Geschäft abschließen.

Aus diesem Anlass möchte ich Ihnen mit diesem Schreiben die Pflicht zu der Anfertigung von schriftlichen Beratungsprotokollen und der Zurverfügungstellung der Ausfertigung des Beratungsprotokolls erläutern. Des Weiteren möchte ich darauf hinweisen, dass ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen angemessene und wirksame organisatorische Vorkehrungen zur Einhaltung der Pflicht zu der Anfertigung des Protokolls und der Zurverfügungstellung der Ausfertigung des Protokolls bei Anlageberatungen auch bei Interessenten vorhalten sowie die Angemessenheit und Wirksamkeit dieser organisatorischen Vorkehrungen überwachen und regelmäßig bewerten muss. Hierzu im Einzelnen:

I) Pflicht zur Anfertigung eines Beratungsprotokolls

Nach § 34 Abs. 2 a Satz 1 WpHG muss ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen über jede Anlageberatung bei einem Privatkunden ein schriftliches Protokoll anfertigen. Diese Pflicht besteht unabhängig davon, ob es zu einem Geschäftsabschluss kommt, der auf der Beratung beruht. Diese Pflicht gilt auch für Interessenten.

Aus der in § 34 Abs. 2 a Satz 1 WpHG genannten Formulierung „jede Anlageberatung“ wird unmissverständlich deutlich, dass es keine Einschränkung bei der Pflicht zur Anfertigung des schriftlichen Protokolls gibt.

Darüber hinaus möchte ich darauf hinweisen, dass eine Protokollpflicht auch dann besteht, wenn etwa ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen nicht die erforderlichen Informationen vom Kunden eingeholt hat und dennoch ein konkretes Finanzinstrument empfiehlt.

II) Zurverfügungstellung eines Beratungsprotokolls

Nach § 34 Abs. 2 a Satz 2, Halbsatz 2 WpHG ist dem Kunden zudem eine (unterzeichnete) Ausfertigung des Protokolls unverzüglich nach Abschluss der Anlageberatung, jedenfalls vor einem auf der Beratung beruhenden Geschäftsabschluss, in Papierform oder auf einem anderen dauerhaften Datenträger zur Verfügung zu stellen. Diese Pflicht besteht unabhängig davon, ob es zu einem Geschäftsabschluss kommt, der auf der Beratung beruht. Diese Pflicht gilt auch für Interessenten.

III) Treffen von angemessenen und wirksamen organisatorischen Vorkehrungen

Die in § 33 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 WpHG geregelten allgemeinen organisatorischen Anforderungen an Wertpapierdienstleistungsunternehmen beinhalten die Pflicht, angemessene und wirksame organisatorische Vorkehrungen zur Einhaltung der Pflicht zu der Anfertigung des schriftlichen Protokolls und der Zurverfügungstellung der Ausfertigung des Protokolls bei Anlageberatungen gegenüber Interessenten vorzuhalten. Zudem schreibt § 33 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 WpHG Wertpapierdienstleistungsunternehmen vor, die Angemessenheit und Wirksamkeit dieser organisatorischen Vorkehrungen zu überwachen und regelmäßig zu bewerten sowie die erforderlichen Maßnahmen zur Beseitigung von Unzulänglichkeiten zu ergreifen. Die organisatorischen Vorkehrungen müssen darauf ausgerichtet sein, sicherzustellen, dass die Pflicht zu der Anfertigung des schriftlichen Protokolls und der Zurverfügungstellung der Ausfertigung des Protokolls bei Anlageberatungen gegenüber Interessenten eingehalten wird. Diese organisatorischen Vorkehrungen müssen zudem die Durchführung wirksamer und effektiver Überwachungshandlungen im Hinblick auf die Einhaltung der Pflichten aus § 34 Abs. 2 a WpHG bei Anlageberatungen gegenüber Interessenten vorsehen. Zu den Überwachungshandlungen gehören regelmäßige Kontrollhandlungen durch die operativen Bereiche selbst, z.B. durch das Backoffice oder den Filialleiter, sowie die regelmäßig risikobasiert erfolgende Überwachung dieser Kontrollhandlungen durch die Compliance-Funktion, vgl. hierzu AT 6 Tz. 2 des Rundschreibens 4/2010 – Mindestanforderungen an die Compliance-Funktion und die weiteren Verhaltens-, Organisations- und Transparenzpflichten nach §§ 31 ff. WpHG für Wertpapierdienstleistungsunternehmen (MaComp).

Sowohl von den organisatorischen Vorkehrungen, als auch von den Überwachungshandlungen sind nach § 34 Abs. 1 WpHG Aufzeichnungen zu erstellen.

Um die Überwachungshandlungen im Zusammenhang mit der Anlageberatung gegenüber Interessenten zu ermöglichen, ist es erforderlich, neben der Protokollierung von Anlageberatungen im Sinne des WpHG gegenüber Interessenten (Definition s.o.) auch Gespräche über Geldanlagen in Finanzinstrumenten mit potentiellen Neukunden, die letztlich nicht zu einer Anlageberatung, d.h. einer Empfehlung eines konkreten Finanzinstruments geführt haben, zu dokumentieren. Unter potentiellen Neukunden verstehe ich hier natürliche oder juristische Personen, die zum Zeitpunkt des Gesprächs über Geldanlagen in Finanzinstrumenten noch keine Geschäftsverbindung zum gesprächsführenden Wertpapierdienstleistungsunternehmen unterhalten haben. Aus der Dokumentation der Gespräche über Geldanlagen in Finanzinstrumenten mit potentiellen Neukunden muss sich nachvollziehbar ergeben, dass keine Anlageberatung im Sinne des WpHG stattgefunden hat. Diese Dokumentation kann insbesondere in Listen, Terminkalendern, entsprechenden Vermerken in Kundendatensätzen oder in Vermerken über die Befragung von mit der Anlageberatung betrauten Mitarbeitern erfolgen.

Ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen muss mir ferner den Zugriff auf diese Aufzeichnungen ermöglichen.

Die Nichtanfertigung oder die nicht rechtzeitige Anfertigung des Protokolls nach § 39 Abs. 2 Nr. 19 a WpHG sowie die Nichtzurverfügungstellung oder die nicht rechtzeitige Zurverfügungstellung der Ausfertigung des Protokolls nach § 39 Abs. 2 Nr. 19 b WpHG sind bußgeldbewehrt.

Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag

Fanden Sie den Beitrag hilfreich?

Wir freuen uns über Ihr Feedback

Es hilft uns, die Webseite kontinuierlich zu verbessern und aktuell zu halten. Bei Fragen, für deren Beantwortung wir Sie kontaktieren sollen, nutzen Sie bitte unser Kontaktformular. Hinweise auf tatsächliche oder mögliche Verstöße gegen aufsichtsrechtliche Vorschriften richten Sie bitte an unsere Hinweisgeberstelle.

Wir freuen uns über Ihr Feedback