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Erscheinung:01.08.2012 00:00 Uhr | Thema Mitarbeiter-/Beschwerderegister

Neue Regeln für die Anlageberatung: Das Mitarbeiter- und Beschwerderegister

Als gesicherte Erfahrung aus der Finanzmarktkrise gilt die Erkenntnis, dass der Schutz der Anleger vor Falschberatung verbessert werden muss. Die Vielzahl der in den letzten Jahren erhobenen Falschberatungsvorwürfe gab Anlass zur Sorge, dass die Anlageberatung im Wertpapiergeschäft zu stark von Absatzinteressen beeinflusst wird.

In der Öffentlichkeit wurde kontrovers darüber diskutiert, ob beim Vertrieb von Wertpapieren im Wege der Anlageberatung das Gebot der anlegergerechten Beratung noch ausreichend zur Geltung kommt. Darüber hinaus stellte sich die Frage, ob sich die heterogene Qualifikation der Anlageberater im Markt nachteilig auf die Qualität der Beratung auswirkt.

Neuer Aufsichtsrahmen für die Anlageberatung

Der Gesetzgeber hat diese Aspekte aufgegriffen. Mit Verabschiedung des Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetzes (AnsFuG) hat er der öffentlichen Forderung nach einem besseren Schutz vor Falschberatung Rechnung getragen und ein von Fachwelt und Öffentlichkeit viel beachtetes Regelungsmodell vorgelegt. Die für die Anlageberatung besonders wesent-liche Vorschrift des § 34d Wertpapierhandelsgesetz (WpGH) soll am 1. November 2012 in Kraft treten.

Danach sind Wertpapierdienstleistungsunternehmen künftig dazu verpflichtet, nur noch ausreichend qualifizierte Vertriebsmitarbeiter einzusetzen. Darüber hinaus müssen die Wertpapierdienstleistungsunternehmen Informationen über die Mitarbeiter in einer Datenbank anzeigen, die die BaFin intern führt (Mitarbeiter- und Beschwerderegister).

Bei den neuen Pflichten handelt es sich um einen Paradigmenwechsel. Die Informationen sollen die BaFin in die Lage versetzen, die Praxis der Anlageberatung künftig risikoorientiert und vertieft zu beobachten. Die BaFin verspricht sich davon einen umfassenden Einblick in den praktischen Alltag der Vertriebsorganisation von Wertpapierdienstleistungsunternehmen.

Einheitliche Mindestqualifikation für Vertriebspersonal

Der Gesetzgeber vertritt die Ansicht, dass eine einheitliche Mindestqualifikation der handelnden Personen den zentralen Ansatz für die Verbesserung des Anlegerschutzes darstellt.

An die Mitarbeiter, die in der Lage sind, Einfluss auf die Qualität der Anlageberatung zu nehmen, stellt er sowohl fachliche als auch persönliche Anforderungen. Sie müssen nicht nur eine besondere „Sachkunde“ besitzen, sondern auch das Merkmal der „Zuverlässigkeit“ erfüllen. Die Sachkunde beschreibt die fachliche Fähigkeit des Anlageberaters, eine Anlageempfehlung gegenüber einem Kunden auszusprechen. Er muss insbesondere Kenntnisse in Themen der Kundenberatung und in den rechtlichen und fachlichen Grundlagen der Anlageberatung nachweisen, aber auch mit deren Anwendung in der Praxis vertraut sein. Das Merkmal der Zuverlässigkeit skizziert die charakterliche Eignung des Mitarbeiters, in der Anlageberatung tätig zu sein. Als nicht zuverlässig gilt zum Beispiel eine Person, die kurz vor Aufnahme der Tätigkeit rechtskräftig und einschlägig verurteilt wurde.

Blick hinter die Kulissen: Vertriebsstrukturen im Fokus

Die Neuregelungen nehmen diejenigen Personen in den Fokus, von deren Tätigkeit die Qualität der Anlageberatung abhängt. Das sind zum einen die Anlageberater selbst, die die Anlageempfehlung gegenüber dem Kunden aussprechen. Im modernen Wertpapiervertrieb sind jedoch auch weitere Personen in der Lage, gestaltenden Einfluss auf die Anlageberatung zu nehmen. Der neue Aufsichtsrahmen wirkt daher auch auf die Unternehmensbereiche hinter den Kulissen ein. Die neuen Vorschriften gelten dementsprechend auch für die Mitarbeiter, die Vertriebsvorgaben für die Anlageberatung ausgestalten, umsetzen oder überwachen (Vertriebsbeauftragte). Auch sie müssen besonderen fachlichen und persönlichen Anforderungen genügen. Diese Regelung berücksichtigt den in der Praxis weit verbreiteten Umstand, dass Anlageberatung auf Grundlage von Vertriebsvorgaben erfolgt.

Die im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens in den betroffenen Kreisen geäußerte Sorge, die neue Aufsicht über die Anlageberatung führe zu einer „einseitigen Kriminalisierung“ der Anlageberater, ist daher unbegründet. Vielmehr ist die Beaufsichtigung des ordnunsgemäßen Verhaltens hinter den Kulissen ebenso integraler Bestandteil des neuen Regimes wie die des Beraterverhaltens im Kundengespräch.

Anzeigepflicht gegenüber der BaFin

Die Unternehmen müssen die einzelnen Mitarbeiter zusammen mit weiteren aufsichtsrelevanten Informationen (zum Beispiel Anzahl der Beschwerden) gegenüber der BaFin anzeigen. Dazu registrieren sie sich bei einem technischen Meldeportal. Die Informationen werden von der BaFin in einem Mitarbeiter- und Beschwerderegister zusammengeführt und verwertet.

Die Informationen aus der Datenbank werden die Aufseher der BaFin in die Lage versetzen, die Aufsicht über die Anlageberatung risikoorientiert durchzuführen und zeitnah zu reagieren. So könnten zum Beispiel eine ungewöhnliche Häufung von Beschwerden oder eine hohe Fluktuation von Anlageberatern oder Vertriebsbeauftragten Hinweise auf Pflichtverstöße liefern. Auf Grundlage dieser Erkenntnisse wird die BaFin weitere Aufsichtshandlungen durchführen, beispielsweise Gespräche mit den betroffenen Beratern. Der Gesetzgeber hat die Bedeutung von Filialbesuchen ausdrücklich hervorgehoben.

Zudem soll die aktive Registrierung der Mitarbeiter durch die Wertpapierdienstleistungsunternehmen disziplinierend auf die Institute wirken, indem sie ihnen die Bedeutung der Mitarbeiterauswahl und ihre Verantwortung vor Augen führt. Einzelheiten zu den Anforderungen an die Mitarbeiter sowie Details zum Anzeigeverfahren enthält die WpHG-Mitarbeiteranzeigeverordnung (WpHGMaAnzVO).

Sanktionen

Verstöße gegen die Vorschrift können Verwarnungen, Bußgeldverfahren und – als Ultima Ratio – auch befristete Beschäftigungsuntersagungen nach sich ziehen. Die weitreichenden Konsequenzen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer verdeutlichen die Bedeutung, die der Gesetzgeber dem Fehlverhalten im Bereich der Organisations- und Verhaltenspflichten beimisst.

Vorbereitungen auf Hochtouren

Nicht nur in der Kreditwirtschaft, sondern auch bei der BaFin laufen die Vorbereitungen auf das neue Gesetz auf Hochtouren. Die BaFin hat eigens eine Arbeitsgruppe gebildet. Diese steuert und koordiniert die erforderlichen Maßnahmen und ist darüber hinaus auch Forum für sämtliche Auslegungsfragen in Bezug auf die neuen Vorschriften, die von der Kreditwirtschaft, der Fachöffentlichkeit oder einzelnen Bürgern an die BaFin herangetragen werden. Sie ist unter der E-Mail-Adresse beraterregister@bafin.de zu erreichen und steht für alle Fragen im Zusammenhang mit dem Mitarbeiter- und Beschwerderegister zur Verfügung.

Wesentlicher Bestandteil der Vorbereitungen ist die Einrichtung der technischen Infrastruktur, die die Abgabe von automatisierten Massenanzeigen erlauben soll. Mit Blick auf das Inkrafttreten der Vorschriften am 1. November 2012 soll die Datenbank mit ausreichendem zeitlichen Vorlauf freigeschaltet werden, um Belastungsspitzen zu vermeiden. Die Arbeitsgruppe steht im ständigen Dialog mit Vertretern der Kreditwirtschaft, um die Institute schon vor Inkrafttreten der Vorschriften bei der Umsetzung der neuen Pflichten zu unterstützen.

Praxisnahe Fortbildung für BaFin-Mitarbeiter

Der Verwaltungsrat der BaFin hat ihr eigens für diese Aufgabe Personal zugebilligt, das sich bereits intensiv auf das Inkrafttreten der Regelungen vorbereitet. Unter anderem nehmen Aufseher an einer Fortbildung eines für Anlageberater konzipierten Zertifizierungsprogramms teil. Sie sollen sich so einen realitätsnahen Eindruck von den Umständen der Anlageberatung verschaffen. Die Weiterbildung der BaFin-Beschäftigten auf Grundlage einer Anlageberaterqualifikation folgt dem Leitbild einer Aufsicht auf Augenhöhe.

Um dem Informationsbedürfnis der Industrie und Öffentlichkeit Rechnung zu tragen, hat die BaFin auf ihrer Internetseite einen gesonderten Bereich mit allen relevanten Informationen zum Thema eingerichtet.

„Die Kundeninteressen rücken noch stärker in den Mittelpunkt“

Interview mit Christian Bock, Leiter der Arbeitsgruppe "Mitarbeiter- und Beschwerderegister" bei der BaFin

Herr Bock, am 1. November 2012 tritt mit § 34d Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) die letzte Vorschrift des Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetzes in Kraft. Waren die Anleger bislang nicht ausreichend geschützt?

Auch die bereits bestehenden Vorschriften des Wertpapierhandelsgesetzes haben selbstverständlich schon die schützenswerte Stellung des Kunden beachtet. Schließlich ist der Grundsatz der Interessenwahrung zugunsten des Kunden nicht neu. Er ist der dominierende Gedanke in den §§ 31 ff. WpHG.

Neu ist allerdings, dass der Kunde in der Anlageberatung besonders berücksichtigt wird, seine Interessen rücken noch stärker in den Mittelpunkt. Gerade in der Krise haben Kritiker der Industrie häufig vorgeworfen, dass Anlageberater – denen die Kunden meist einen erheblichen Vertrauensvorschuss gewähren – ihre Empfehlungen zu wenig an den Kundeninteressen ausrichteten. Stattdessen waren die Anlageempfehlungen provisionsorientiert – so lautete der Vorwurf.

Inwiefern wird sich das mit den neuen Regelungen ändern?

Die Unternehmen müssen ihre Vertriebsmitarbeiter künftig zusammen mit bestimmten Informationen bei der BaFin anzeigen. Außerdem dürfen sie nur noch ausreichend qualifizierte Mitarbeiter einsetzen: Die Personen müssen sachkundig und zuverlässig sein. Diese Regeln gelten nicht nur

für Anlageberater, sondern auch für die Vertriebsbeauftragten. Das sind die Personen, die Vertriebsvorgaben für die Anlageberatung gestalten, bislang aber nicht einzeln sichtbar agierten. Das wird sich künftig ändern. Gleiches gilt auch für Compliance-Beauftragte.

Die WpGH-Mitarbeiteranzeigeverordnung enthält detaillierte Anforderungskataloge zur Sachkunde der Anlageberater, Vertriebs- und Compliance-Beauftragten. Wenn nun ein Institut feststellt, dass ein Mitarbeiter nicht über die nötige fachliche Kompetenz verfügt, muss es reagieren und die betroffene Person beispielsweise nachschulen.

Ob und wie ein Institut organisatorisch gewährleistet, dass nur ausreichend qualifizierte Anlageberater zum Einsatz kommen, werden wir regelmäßig überprüfen.

Was genau wird im neuen Mitarbeiter- und Beschwerderegister gespeichert?

In der Datenbank speichert die BaFin künftig Informationen über die anzeigepflichtigen Personen. Das sind alle Mitarbeiter, die mit der Anlageberatung betraut sind. Aber auch Vertriebsbeauftragte und Compliance-Beauftragte sind davon betroffen.

Bei Anlageberatern wird die BaFin neben den allgemeinen Informationen auch nachhalten, wie viele Beschwerden gegen sie erhoben wurden. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Kunden bei Unregelmäßigkeiten sehr aufmerksam sind. Wenn es in bestimmten Bereichen zu besonders vielen Beschwerden kommt, könnte das auf Schwachstellen in der Vertriebsorganisation hinweisen.

Wie läuft das technische Verfahren ab?

Es ist vorgesehen, dass die Institute die Informationen, die sie anzeigen müssen, direkt in die Datenbank bei der BaFin einpflegen. Es handelt sich um ein webbasiertes Verfahren, bei dem bestimmte technische Spezifika zu berücksichtigen sind. Einzelheiten dazu haben wir auf der Internetseite der BaFin veröffentlicht.

Damit sie Anzeigen vornehmen können, müssen die Institute bestimmte Mitarbeiter benennen, so genannte Melder. Diese Melder müssen im Vor
feld von der BaFin zugelassen werden. Wichtig ist, dass die Institute sie mit einer entsprechenden Vollmacht ausstatten. Wir werden häufig gefragt, ob die BaFin eine Mustervollmacht zur Verfügung stellt. Das können wir leider nicht tun. Es gelten hierfür die allgemeinen Regeln des Bürgerlichen Rechts.

Für die Vorbereitung haben wir aber auf der Webseite umfangreiches Material zur Verfügung gestellt. Dort haben wir neben allgemeinen Informationen auch Rundschreiben und ein Fachinformationsblatt veröffentlicht. Bei Fragen zum technischen Verfahren helfen die Technischen FAQ rund um das Anzeigeverfahren.

Müssen die Unternehmen auch solche Beschwerden gegenüber der BaFin anzeigen, die unberechtigt waren oder zurückgenommen wurden?

Ja, auch diese Beschwerden müssen angezeigt werden. Der Gesetzgeber betrachtet Kundenbeschwerden als wichtigen Risikoindikator. Dahinter steckt die Idee, dass man an der reinen Zahl der Beschwerden die Wahrscheinlichkeit für ein bestimmtes Risiko ableiten kann. Würden die Institute selbst entscheiden, dass ein bestimmter Teil der eingegangenen Beschwerden nicht berechtigt ist, und diese daraufhin nicht anzeigen, würde das die Aussagekraft dieses Risikoindikators beeinträchtigen.

Was beinhaltet die so genannte Alte-Hasen-Regelung?

Die Alte-Hasen-Regelung ist eine Erleichterung für langjährige Anlageberater. Sie legt fest, dass Personen, die mindestens seit dem 1. Januar 2006 einer anzeigepflichtigen Tätigkeit nachgehen und innerhalb einer Übergangsperiode bei der BaFin angezeigt werden, automatisch als sachkundig gelten. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass man auch durch langjährige Berufserfahrung Sachkunde erlangen kann. Um in den Genuss der Vermutungsregel zu kommen, müssen die Betroffenen laut Gesetz ununterbrochen als Anlageberater tätig sein. Kürzere Unterbrechungen von maximal zwölf Monaten sind aber nach Auslegung der BaFin unschädlich.

Die Alte-Hasen-Regelung gilt aber nur für die Sachkunde. Die Zuverlässigkeit, also die charakterliche Eignung, ist auch bei langjährigen Vertriebsmitarbeitern zu überprüfen.

Hinweis

Der Beitrag gibt den Sachstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung im BaFinJournal wieder und wird nicht nachträglich aktualisiert. Bitte beachten Sie die Allgemeinen Nutzungsbedingungen.

Autor: Dr. Chan-Jae Yoo, BaFin

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