BaFin - Navigation & Service

Erscheinung:02.11.2012 08:26 Uhr | Thema Mitarbeiter-/Beschwerderegister „Das Beraterregister funktioniert nicht wie die Flensburger Verkehrssünderkartei“

Interview mit BaFin-Exekutivdirektor Karl-Burkhard Caspari

Am 1. November 2012 ist das neue Beraterregister an den Start gegangen. Es soll Anleger besser vor Falschberatung schützen. Das bei der BaFin geführte Register sammelt Informationen wie etwa Kundenbeschwerden über Anlageberater. Die Aufsicht kann damit risikoorientierter und schneller auf Mängel reagieren.

Einzelne Banken, ihre Angestellten und Arbeitnehmerverbände sehen das neue Register jedoch kritisch. Sie fürchten unter anderem, dass Anlageberater allein wegen einer großen Zahl von Beschwerden vorschnell sanktioniert werden könnten. Mit diesem und anderen Missverständnissen räumt BaFin-Exekutivdirektor Karl-Burkhard Caspari im Interview auf.

Herr Caspari, Anlageberater haben die Sorge, durch das Beraterregister zum „gläsernen Berater“ zu werden. Kann jetzt jedermann sehen, wann und wo ein Berater beschäftigt war, welche Ausbildung er hat und wie oft sich Kunden über ihn beschwert haben?

Caspari: Nein, diese Sorge braucht niemand zu haben. Von einem „gläsernen Berater“ zu sprechen, ist aus zwei Gründen falsch. Erstens: Das Mitarbeiter- und Beschwerderegister ist eine interne Datenbank der BaFin. Dritte haben keinen Einblick. Zweitens: Informationen über die Qualifikation der Berater werden dort gar nicht gespeichert.

Welche Informationen werden denn in der Datenbank gespeichert?

Der Familienname, der Geburtsname, die Vornamen und der Geburtstag und -ort des Beraters. Gespeichert wird auch, an welchem Tag der Berater mit der anzeigepflichtigen Tätigkeit begonnen und wann er sie beendet hat. Außerdem muss das Wertpapierdienstleistungsunternehmen uns melden, wer der zuständige Vertriebsbeauftragte ist.

Was ist mit den Beschwerden?

Wenn sich Privatkunden beschwert haben, speichern wir das Datum, an dem die Beschwerde beim Wertpapierdienstleistungsunternehmen eingegangen ist, und die Organisationseinheit, zu der der Berater zu diesem Zeitpunkt gehörte oder für die er hauptsächlich tätig war.

Außerdem speichern wir die Identifikationsnummer des Beraters, die die BaFin vergibt. Was wir darüber hinaus speichern, sind Verwarnungen bzw. Tätigkeitsuntersagungen gemäß § 34d Absatz 4 Wertpapierhandelsgesetz (WpHG), die gegenüber dem Berater oder aufgrund dessen Tätigkeit gegen das Unternehmen ergangen sind.

Warum werden auch Beschwerden gespeichert, die nicht berechtigt waren?

Es stimmt in der Tat, dass wir auch über Beschwerden informiert werden müssen, die der Berater oder sein Arbeitgeber für unberechtigt halten. Die BaFin erfährt aber nur, dass überhaupt eine Beschwerde an einem bestimmten Tag eingegangen ist. Der konkrete Vorwurf oder die Beschwerde selbst werden uns zunächst nicht übermittelt. Grundsätzlich gehen wir davon aus, dass die reine Zahl der Beschwerden ein Indiz dafür sein kann, dass tatsächlich ein Fehlverhalten vorliegt. Darum gehen wir der Sache nach, wenn wir sehen, dass sich Anleger über einen Berater oder Vertriebsbeauftragten besonders häufig beschweren.

Wie gehen Sie dabei vor?

Der erste Schritt wäre, bei dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen nähere Informationen über die Beschwerden anzufordern. Ergeben sich dann konkrete Anhaltspunkte dafür, dass gegen das Wertpapierhandelsgesetz verstoßen worden sein könnte, prüfen wir weiter nach – zum Beispiel, indem wir vor Ort in der Filiale persönlich mit dem Anlageberater und dem zuständigen Vertriebsbeauftragten sprechen.

Muss ein Berater mit einem Berufsverbot rechnen, wenn eine bestimmte Zahl von Beschwerden gegen ihn erhoben worden ist?

Das Mitarbeiter- und Beschwerderegister funktioniert nicht wie die Flensburger Verkehrssünderkartei. Nur weil gegen einen Anlageberater eine bestimmte Zahl von Beschwerden vorliegt, wird die BaFin ihn nicht verwarnen oder seinem Arbeitgeber untersagen, ihn für eine gewisse Zeit weiter in der Anlageberatung einzusetzen.

Die Punkte in Flensburg stehen für ein Fehlverhalten. Das gilt für die Beschwerden in der BaFin-Datenbank gerade nicht. Denn, wie gesagt: Beschwerden sind auch dann zu melden, wenn das Wertpapierdienstleistungsunternehmen sie für unberechtigt hält. Geht eine Beschwerde ein, heißt das für uns darum nicht automatisch, dass sich ein Berater oder ein Unternehmen falsch verhalten hat. Um das beurteilen zu können, müssen wir uns erst mit dem konkreten Inhalt einer Beschwerde auseinandersetzen.

Werden Anlageberater angehört, bevor die BaFin ein Tätigkeitsverbot ausspricht?

Selbstverständlich. Bevor wir einem Wertpapierdienstleistungsunternehmen für einen Zeitraum von bis zu zwei Jahren untersagen, einen bestimmten Mitarbeiter in der Anlageberatung einzusetzen, geben wir auch dem betroffenen Berater Gelegenheit zur Stellungnahme.

Aber wir sehen eine solche Untersagungsanordnung ohnehin als ultima ratio. Der Gesetzgeber will, dass die BaFin nur in sehr schwerwiegenden Fällen zu diesem Mittel greift, etwa wenn Kundeninteressen eklatant verletzt oder elementare Pflichten missachtet werden. Uns stehen auch mildere Mittel zur Verfügung, zum Beispiel die Verwarnung, die wir unmittelbar an den Anlageberater richten können.

Richtet die BaFin mit dem Mitarbeiter- und Beschwerderegister nicht den Fokus auf das schwächste Glied in der Kette? Kommt jetzt zum Vertriebsdruck auch noch der „Beschwerdedruck“?

Richtig ist, dass der Blick stärker als bisher auf die Anlageberatung und damit auch auf den Anlageberater gerichtet wird. Im Fokus steht aber der gesamte Vertrieb. Das Wertpapierhandelsgesetz stellt seit April 2011 besondere Anforderungen an Vertriebsvorgaben. Und seit Anfang November 2012 müssen Wertpapierdienstleistungsunternehmen nicht nur die Sachkunde ihrer Anlageberater, sondern auch die ihrer Vertriebsbeauftragten an den Bestimmungen der WpHG-Mitarbeiteranzeigeverordnung messen. Neben den Anlageberatern sind jetzt auch die Vertriebsbeauftragen der BaFin anzuzeigen.

Die BaFin wird außerdem schauen, ob sich die Beschwerden bei einzelnen Vertriebsbeauftragten besonders häufen. Und in jedem Fall wird sie sich für die betrieblichen Hintergründe interessieren. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Hat sich ein Anlageberater falsch verhalten, und liegt das an organisatorischen Mängeln, dann wird die BaFin auch Maßnahmen gegen das Wertpapierdienstleistungsunternehmen und dessen Leitung ergreifen. Wenn sich dagegen ein Anlageberater bewusst über interne Richtlinien hinwegsetzt und womöglich seine Vorgesetzten täuscht, dann muss er durchaus mit Sanktionen durch die BaFin rechnen.

Nach dem, was Sie bisher gesagt haben, ist so manche Sorge der Betroffenen hinfällig. Trotzdem hat eine Volksbank Verfassungsbeschwerde gegen das Beratungsregister eingelegt. Wie erklären Sie sich das?

Ich werde mich nicht zu der Verfassungsbeschwerde äußern. Die BaFin wird sich auf ihren Auftrag konzentrieren, die nun gesetzliche Regelung in die Praxis umzusetzen.

Wie schon besprochen, basieren viele Sorgen allein auf Missverständnissen. Darum klärt die BaFin seit gut zwei Jahren umfassend über das Thema auf: Wir haben zahlreiche Gespräche mit Vertretern der Kreditindustrie und der Arbeitnehmerverbände geführt, Vorträge für beteiligte Interessengruppen gehalten und mehr als 500 Anfragen beantwortet. Auf unserer Internetseite haben wir einen eigenen Bereich zum Thema eingerichtet und auch im BaFinJournal schon ausführlich darüber berichtet.

Hinweis

Der Beitrag gibt den Sachstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung im BaFinJournal wieder und wird nicht nachträglich aktualisiert. Bitte beachten Sie die Allgemeinen Nutzungsbedingungen.

Zusatzinformationen

Fanden Sie den Beitrag hilfreich?

Wir freuen uns über Ihr Feedback

Es hilft uns, die Webseite kontinuierlich zu verbessern und aktuell zu halten. Bei Fragen, für deren Beantwortung wir Sie kontaktieren sollen, nutzen Sie bitte unser Kontaktformular. Hinweise auf tatsächliche oder mögliche Verstöße gegen aufsichtsrechtliche Vorschriften richten Sie bitte an unsere Hinweisgeberstelle.

Wir freuen uns über Ihr Feedback