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Erscheinung:02.11.2012 00:00 Uhr | Thema Hochfrequenzhandel

Neue Regeln für den Hochfrequenzhandel

Die Bedeutung des elektronischen Handels hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Grund hierfür sind die schnelle Weiterentwicklung der Informationstechnologie und der wachsende Wettbewerb zwischen Finanzplätzen.

Immer häufiger kommen beim elektronischen Handel Programme zum Einsatz, bei denen ein Computeralgorithmus nach vorgegebenen Regeln selbstständig Entscheidungen trifft und die zugehörigen Auftragsparameter entsprechend diesen Regeln bestimmt, anpasst und übermittelt (algorithmischer Handel). Einige der algorithmischen Handelsprogramme sind in der Lage, innerhalb kürzester Zeitabstände eine große Zahl von Kauf- oder Verkaufsaufträgen zu generieren, zu ändern oder zu löschen. Man spricht in diesem Zusammenhang vom so genannten Hochfrequenzhandel. Marktteilnehmer, die solch einen Hochfrequenzhandel betreiben, gehen in der Regel nur kurzfristig Positionen in Finanzinstrumenten ein.

Der Hochfrequenzhandel hat die Geschwindigkeit und die Komplexität des Handels erhöht. Damit sind Risiken verbunden: Es kann beispielsweise zu einem hohen Orderaufkommen kommen, das die Handelssysteme stark belasten kann. Auch kann es vorkommen, dass Algorithmen auf Marktereignisse reagieren und dadurch weitere Algorithmen auslösen, die gegebenenfalls wiederum Algorithmen auslösen (Kaskadeneffekt), wodurch die Volatilität steigt.

Um die potenziellen Risiken des algorithmischen Hochfrequenzhandels einzudämmen, hat die Bundesregierung Ende September den Entwurf eines Hochfrequenzhandelsgesetzes (HFT-Gesetz) verabschiedet. Bundesrat und Bundestag müssen sich vor der endgültigen Verabschiedung noch mit dem Entwurf befassen. Dieser Beitrag gibt einen Überblick über den Inhalt der geplanten Regelungen.

Hochfrequenzhändler werden unter Aufsicht gestellt

Hochfrequenzhändler, die derzeit weder als Kreditinstitut noch als Finanzdienstleistungsinstitut unter der Aufsicht der BaFin stehen, benötigen in Zukunft eine Erlaubnis der BaFin. Bisher unterliegen Hochfrequenzhändler keiner Erlaubnispflicht, wenn sie ausschließlich auf eigene Rechnung mit Finanzinstrumenten handeln und weder Finanzdienstleistungen erbringen noch Bankengeschäfte betreiben.

Die zukünftige Erlaubnispflicht soll nicht nur für Hochfrequenzhändler gelten, die als Handelsteilnehmer zum Handel an einem Handelsplatz zugelassen sind, sondern auch für solche Unternehmen, denen Handelsteilnehmer einen direkten elektronischen Zugang zum Handelsplatz gewähren. Ein direkter elektronischer Zugang liegt vor, wenn ein Handelsteilnehmer einer anderen Person gestattet, seine Kennung (Handels-ID) für die direkte elektronische Übermittlung von Aufträgen an den Handelsplatz zu nutzen. Ein ungefilterter Zugang, bei dem der Auftrag nicht die Vorhandelskontrollen des Handelsteilnehmers durchläuft, ist unzulässig.

Die Erlaubnispflicht wird über die geplante Ausweitung des Begriffs des Eigenhandels in § 1 Absatz 1a Satz 2 Nummer 4 Kreditwesengesetz (KWG) eingeführt. Sofern ein Unternehmen seinen Sitz in einem anderen EU- oder EWR-Staat hat und dort eine Zulassung besitzt, die auch den Handel für eigene Rechnung umfasst, benötigt es aufgrund des Europäischen Passes im Einklang mit der europäischen Finanzmarktrichtlinie (MiFID) keine zusätzliche Erlaubnis in Deutschland.

Effektive System- und Risikokontrollen

Wertpapierdienstleistungsunternehmen, Kapitalanlagegesellschaften und selbstverwaltende Investmentaktiengesellschaften, die algorithmischen Handel betreiben, müssen nach dem Gesetzentwurf ihre Handelssysteme so ausgestalten, dass es nicht zu Marktstörungen kommt. Das wird § 33 Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) n.F. vorschreiben, auf den der ebenfalls noch entsprechend zu ergänzende § 9a Investmentgesetz (InvG) verweisen wird. Unter algorithmischem Handel ist der Handel mit Finanzinstrumenten zu verstehen, bei dem ein Computeralgorithmus die einzelnen Auftragsparameter automatisch bestimmt. Auftragsparameter sind insbesondere die Entscheidung über die Einleitung eines Auftrags, über dessen Zeitpunkt, Preis und Qualität sowie darüber, wie der Auftrag nach seiner Einreichung mit eingeschränkter oder ganz ohne menschliche Beteiligung bearbeitet werden soll. Ausgenommen von der Definition des algorithmischen Handels sind solche Systeme, die nur zur Weiterleitung von Aufträgen an einen oder mehrere Handelsplätze oder zur Bestätigung von Aufträgen verwendet werden.

Die Unternehmen, die algorithmischen Handel betreiben, müssen insbesondere sicherstellen, dass

  • ihre Handelssysteme belastbar sind, über ausreichende Kapazitäten verfügen und angemessenen Handelsschwellen und Handelsobergrenzen unterliegen,
  • keine fehlerhaften Aufträge übermittelt werden und eine Funktionsweise des Handelssystems vermieden wird, durch die Störungen auf dem Markt verursacht werden können,
  • ihre Handelssysteme nicht für einen Zweck verwendet werden können, der gegen Marktmissbrauchsvorschriften oder Vorschriften des Handelsplatzes verstößt.

Ferner müssen die Unternehmen über wirksame Notfallvorkehrungen verfügen, um mit unvorhergesehen Störungen im Handelssystem umgehen zu können. Sie müssen ihre Systeme vollständig überprüfen und ordnungsgemäß überwachen. Schließlich müssen sie jede Änderung von Computeralgorithmen dokumentieren, die sie zum Handel verwenden.

Bestimmte Handelspraktiken sind Marktmanipulation

Einige Handelspraktiken, die beim algorithmischen Handel angewendet werden können, stellen potenziell eine Marktmanipulation dar. Die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA (European Securities and Markets Authority) veröffentlichte im Februar 2012 Leitlinien zu Systemen und Kontrollen für Handelsplattformen, Wertpapierfirmen und zuständige Behörden in einem automatisierten Handelsumfeld, in denen sie unter anderem folgende problematische Fälle nennt:

  • Quote-Stuffing: Eingabe einer großen Zahl von Aufträgen und/oder Auftragsstornierungen oder -aktualisierungen, um die anderen Handelsteilnehmer zu verunsichern, deren Prozesse zu verlangsamen und die eigene Strategie zu verschleiern.
  • Momentum Ignition: Eingabe von Aufträgen oder einer Auftragsserie mit der Absicht, einen Trend auszulösen oder zu verschärfen und andere Handelsteilnehmer zu ermutigen, den Trend zu beschleunigen oder zu erweitern, um eine Gelegenheit für die Auflösung oder Eröffnung einer Position zu einem günstigen Preis zu schaffen.
  • Layering und Spoofing: Übermittlung mehrerer Aufträge, die häufig auf der einen Seite des Orderbuchs nicht sichtbar sind, mit der Absicht, ein Geschäft auf der anderen Seite des Orderbuchs auszuführen. Nachdem das Geschäft abgeschlossen ist, werden die manipulativen Aufträge entfernt.

Die Marktmanipulations-Konkretisierungsverordnung (MaKonV) stellt in Zukunft ausdrücklich klar, dass bestimmte Handelspraktiken, die mit Hilfe von Computeralgorithmen ausgeführt werden, als Marktmanipulation anzusehen sind. Dabei ist es unerheblich, ob die Strategie im Wege des algorithmischen Handels oder des Hochfrequenzhandels ausgeführt wird. Gemäß § 3 Absatz 1 Nummer 4 MaKonV n.F. können Kauf- oder Verkaufsaufträge Anzeichen für falsche bzw. irreführende Signale sein, die per Algorithmus an einen Markt übermittelt und nicht in Handelsabsicht getätigt werden, sondern um

  • das Funktionieren des Handelssystems zu stören oder zu verzögern,
  • Dritten die Ermittlung echter Kauf- oder Verkaufsaufträge im Handelssystem zu erschweren oder
  • einen falschen oder irreführenden Eindruck hinsichtlich des Angebots eines Finanzinstruments oder der Nachfrage danach zu erwecken.

Auch können sie auf ein künstlich herbeigeführtes Preisniveau hinweisen.

Auch Handelsplätze müssen Vorkehrungen treffen

Börsen und multilaterale Handelssysteme (Multilateral Trading-Facilities – MTFs) müssen geeignete Vorkehrungen treffen, um auch bei erheblichen Preisschwankungen eine ordnungsgemäße Ermittlung des Börsenpreises sicherzustellen. In Deutschland enthalten die Börsenordnungen teilweise bereits entsprechende Regelungen, um etwa bei Volatilität den Handel kurzfristig unterbrechen, das Marktmodell kurzfristig wechseln und Limitsysteme installieren zu können, die die Handelsteilnehmer, die mit der Preisfeststellung betraut sind, zur Einhaltung festgelegter Volumen- und Preisschwellen verpflichten. § 24 Börsengesetz (BörsG) wird sie zukünftig verpflichtend vorschreiben.

Ferner sollen Börsenträger und MTF-Betreiber für die übermäßige Nutzung der Handelsplatzsysteme separate Entgelte verlangen, insbesondere wenn unverhältnismäßig viele Auftragseingaben, -änderungen und -löschungen erfolgen. Ziel dieser geplanten Ergänzung der § 17 BörsG und § 31f WpHG ist es, Gefahren durch den Hochfrequenzhandel für die Systemstabilität und die Marktintegrität zu reduzieren. Denn durch die hohe und schnelle Eingabe, Änderung und Löschung von Ordern kann die Börseninfrastruktur belastet werden.

Das Gesetz räumt den Börsen bei der Ausgestaltung der Entgelte einen Ermessensspielraum ein, vor allem um die Belange der Handelsteilnehmer, die mit der Preisfeststellung betraut sind, berücksichtigen zu können. Die Entgelte müssen allerdings so ausgestaltet sein, dass einer übermäßigen Nutzung der Systeme und deren negativen Auswirkungen auf die Systemstabilität wirksam begegnet wird.

Order-Transaktions-Verhältnis und Mindestpreisänderungsgrößen

Zudem sollen die Handelsteilnehmer nach dem Gesetzentwurf über einen neuen § 26a BörsG verpflichtet werden, ein angemessenes Verhältnis zwischen ihren Auftragseingaben, -änderungen und -löschungen und den tatsächlich ausgeführten Geschäften zu gewährleisten (angemessenes Order-Transaktions-Verhältnis). Auch das soll Risiken für den ordnungsgemäßen Börsenhandel vermeiden. Ein angemessenes Order-Transaktionsverhältnis liegt insbesondere dann vor, wenn es aufgrund der Liquidität des betroffenen Finanzinstruments, der konkreten Marktlage oder der Funktion des handelnden Unternehmens wirtschaftlich nachvollziehbar ist. Nähere Bestimmungen zum angemessenen Order-Transaktions-Verhältnis muss die Börsenordnung treffen. Für MTFs können nähere Bestimmungen zur Höhe der Entgelte und zu einem angemessenen Order-Transaktions-Verhältnis durch Rechtsverordnung erlassen werden.

Weiterhin sieht der Gesetzentwurf vor, dass Börsen, MTFs und systematische Internalisierer eine angemessene Größe der kleinstmöglichen Preisänderung für die gehandelten Finanzinstrumente festlegen. Dazu sollen § 26a neu in das BörsG eingefügt und §§ 31f und 32c WpHG entsprechend ergänzt werden. Hintergrund dieser Regelung ist der Trend zu immer kleineren Mindestpreisänderungsgrößen (Minimum Tick-Sizes). Die Reduzierung von Mindestpreisänderungsgrößen hat wegen der verstärkten Aktivität von Hochfrequenzhändlern dazu geführt, dass Aufträge immer häufiger in Kleinstorders aufgespalten wurden. Denn Hochfrequenzhändler profitieren aufgrund ihrer hohen Handelsvolumina bereits von kleinsten Kursschwankungen. Dadurch hat sich das Order-Transaktions-Verhältnis erhöht. Ferner können sich zu kleine Mindestpreisänderungsgrößen negativ auf den Preisfindungsmechanismus auswirken. Bei der Festlegung der angemessenen Mindestpreisänderungsgröße können die einschlägigen Selbstregulierungsinitiativen des Verbands der europäischen Börsen (Federation of European Securities Exchanges – FESE), das Marktmodell des entsprechenden Handelsplatzes und die Zusammensetzung der Handelsteilnehmer berücksichtigt werden.

Elektronische Kennzeichnung von Algorithmus-Handel

Bei der Überwachung des täglichen Handelsgeschehens können die Handelsüberwachungsstellen nicht erkennen, ob ein bestimmter Auftrag durch einen Algorithmus erzeugt wurde. Ebenso wenig ist es möglich, einzelne Aufträge einem bestimmten Handelsalgorithmus zuzuordnen, wenn ein Handelsteilnehmer mehrere Algorithmen nutzt. Eine eindeutige Zuordnung ist jedoch erforderlich, um einen fehlerhaft eingestellten oder programmierten Algorithmus eindeutig, zeitnah und ohne haftungsrechtliche Risiken vom Handel an der Börse auszuschließen und so Risiken für die Börseninfrastruktur zu verhindern.

Daher sieht der Gesetzentwurf vor, § 16 Absatz 2 BörsG zu ergänzen, um eine elektronische Kenntlichmachung von algorithmisch generierten Orders einzuführen (Flagging).

Auskunftsbefugnisse für die Aufsicht

Schließlich sollen BaFin, Börsenaufsichtsbehörden und Handelsüberwachungsstellen laut Gesetzentwurf ein spezielles Auskunftsrecht erhalten, um eine bessere Überwachung der Unternehmen zu ermöglichen, die algorithmischen Handel betreiben. Dazu sollen § 4 WpHG und § 3 BörsG entsprechend ergänzt
werden.

Die Aufsichtsbehörden können künftig Informationen über den algorithmischen Handel und die für diesen Handel eingesetzten Systeme anfordern. Insbesondere können sie eine Beschreibung der algorithmischen Handelsstrategien und Einzelheiten zu den Handelsparametern oder der Handelsobergrenzen anfordern, denen das System unterliegt. Zudem kann die Börsenaufsichtsbehörde die Nutzung einer bestimmten algorithmischen Handelsstrategie untersagen, wenn Verstöße gegen börsenrechtliche Vorschriften und Anordnungen vorliegen, oder um Missstände zu beseitigen, die die ordnungsgemäße Durchführung des Börsenhandels beeinträchtigen können.

Europäische und internationale Entwicklungen

Nicht nur in Deutschland wird die Regulierung des Hochfrequenzhandels vorangetrieben. Auf europäischer Ebene gibt es neben den bereits erwähnten Leitlinien von ESMA auch im Rahmen der Überarbeitung der MiFID Vorschläge von Seiten der Kommission für Regelungen zum Hochfrequenzhandel.

Bereits im Oktober 2011 hatte sich auch die Inter-nationale Vereinigung der Wertpapieraufsichtsbehörden IOSCO (International Organization of Securities Commissions) mit dem elektronischen Handel beschäftigt. Auf der Grundlage eines G-20-Mandats veröffentlichte sie einen Bericht über die Auswirkungen technologischer Änderungen auf die Marktintegrität und -effizienz.

Hinweis

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Autor: Birgit Ortkemper, BaFin

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