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Erscheinung:02.05.2013 08:32 Uhr | Thema Eigenmittel CRD IV - Capital Requirements Directive IV

Das Regulierungspaket zur Umsetzung von Basel III ist in der Europäischen Union ab 2014 anzuwenden. BaFin-Exekutivdirektor Raimund Röseler im Interview: „Künftige Krisen verhindern“

Regulierungspaket zur Umsetzung von Basel III

Am 17. April 2013 hat das Europäische Parlament den kombinierten Richtlinien- und Verordnungsvorschlag CRD IV/CRR (Capital Requirements Directive IV / Capital Requirements Regulation) angenommen. Der Rat hatte bereits am 27. März 2013 zugestimmt. Damit wird das Regelwerk, das unter anderem Basel III in europäisches Recht umsetzt, voraussichtlich ab dem 1. Januar 2014 zur Anwendung kommen.

Das CRD-IV-Paket soll für eine quantitativ und vor allem qualitativ bessere Eigenmittelausstattung der Institute sorgen und wird erstmals EU-weit harmonisierte Liquiditätsanforderungen stellen. Mit CRD IV und CRR wird darüber hinaus ein „Single Rule Book“ geschaffen. Es harmonisiert das europäische Bankenaufsichtsrecht, sorgt für einen einheitlichen Rechtsrahmen im europäischen Binnenmarkt und verhindert regulatorische Arbitrage. Dennoch haben die Mitgliedstaaten gewisse Freiheiten bei der Berücksichtigung makroprudenzieller oder systemischer Risiken, um den nationalen Besonderheiten Rechnung tragen zu können, beispielsweise dem Verhältnis der Gesamtwirtschaft zur Entwicklung der Kreditvergaben. Das CRD-IV-Paket gilt für alle Einlagenkreditinstitute in der EU sowie für alle Wertpapierfirmen, zum Teil aber nicht in vollem Umfang.

Anforderungen an die Institute

Die Verordnung CRR ist unmittelbar anwendbar und richtet sich überwiegend direkt an die Institute. Sie enthält die quantitativen Anforderungen und Offenlegungspflichten nach Basel III, die bis dato als Umsetzung von Basel II in der bisherigen CRD und ihren Anhängen festgeschrieben waren. Die CRR regelt beispielsweise die Eigenmitteldefinition, die Mindesteigenmittel- und die Liquiditätsanforderungen. Die Verordnung gibt erstmals ein Verfahren zur Berechnung und Meldung einer Verschuldungsquote (Leverage-Ratio) vor, auf dessen Grundlage die zuständigen Aufsichtsbehörden ein Institut überprüfen und beurteilen können. Ab 2015 werden die Institute die Verschuldungsquote auch veröffentlichen müssen. Eine europaweit harmonisierte Höchstverschuldungsquote soll Anfang 2018 festgelegt werden. Derzeit ist noch nicht absehbar, ob diese als bindendes risikounabhängiges Maß neben die dann bereits geltenden risikobasierten Mindesteigenmittelanforderungen treten (Säule I) oder vielmehr im Rahmen des aufsichtlichen Überprüfungsprozesses (Supervisory Review-and-Evaluation-Process – SREP) eines Instituts anzuwenden sein wird (Säule II).

Die Verordnung ist wesentlicher Bestandteil des Single Rule Book: Da sie unmittelbar gilt, ist sichergestellt, dass in den Mitgliedstaaten künftig weitgehend einheitliche Regeln zur Anwendung kommen. Abgesehen von eng umgrenzten Ausnahmen gibt es für die nationalen Aufsichtsbehörden keine Wahlrechte mehr. Die wenigen in der Verordnung verbliebenen Wahlrechte sind zeitlich begrenzt.

Qualitative Vorschriften

Die Richtlinie CRD IV, die die einzelnen Mitgliedstaaten noch umsetzen müssen, umfasst die Regelungen, die sich an die nationalen Aufsichtsbehörden richten oder es erfordern, dass diese tätig werden. Dies sind neben Regelungen zur aufsichtlichen Zusammenarbeit insbesondere die qualitativen Vorschriften der Säule II zur unternehmensinternen Beurteilung der Kapitaladäquanz (Internal-Capital-Adequacy-Assessment-Process – ICAAP) und zum SREP.

Hinzu kommen Regelungen zum Erlaubnisverfahren, zur Anteilseignerkontrolle und zu den aufsichtlichen Maßnahmen und Sanktionen. Diese sind mit der CRD IV harmonisiert worden. Bisher wichen die Maßnahmen- und Sanktionsregimes innerhalb der EU stark voneinander ab. Künftig steht den nationalen Aufsichtsbehörden EU-weit ein einheitliches Mindestinstrumentarium zur Verfügung. Zudem ist der Bußgeldkatalog vereinheitlicht worden.

Corporate Governance und Managerboni

Auch die Governance-Vorschriften sind mit der CRD IV überarbeitet worden. In der Finanzkrise waren Mängel in der internen Risikosteuerung der Institute sichtbar geworden. Kernelement der neuen Regelungen ist eine intensivere Überwachung der Risiken durch die Geschäftsleiter und die Verwaltungs- oder Aufsichtsräte. Auch der unternehmerischen Risikosteuerungsfunktion und der Nachhaltigkeit der Geschäftsstrategie kommt eine größere Bedeutung zu. Ferner werden strengere Anforderungen an die Zusammensetzung und Qualifikation der Geschäftsleitung und der Verwaltungs- oder Aufsichtsräte gestellt.

Die Richtlinie sieht zudem eine Deckelung der variablen Vergütung von Bankmanagern vor. Die Boni sollen die fixen Bestandteile des Gehalts nicht übersteigen dürfen – es sei denn, die Hauptversammlung einer Bank stimmt dem mit qualifizierter Mehrheit zu. Dann darf die variable Vergütung maximal doppelt so hoch sein wie das Festgehalt. Die EBA wird qualitative und quantitative Kriterien für die Identifizierung der Risk-Taker erarbeiten, für die diese Regelung gelten soll.

Technische Standards

Ergänzt werden CRD IV und CRR durch mehr als 100 technische Regulierungsstandards, technische Durchführungsstandards und Leitlinien. So hat die Europäische Kommission das Mandat, verbindliche Regulierungs- oder Durchführungsstandards zu erlassen, die von der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde EBA (European Banking Authority) zu entwickeln sind. Diese kann darüber hinaus Leitlinien erarbeiten, die insbesondere für die Umsetzung der Richtlinie Bedeutung haben, jedoch nicht verbindlich sind. Ziel ist eine einheitliche Anwendung von CRD IV und CRR in allen Mitgliedstaaten.

Nationale Umsetzung

Die Verordnung CRR ist unmittelbar anwendbar, muss also nicht umgesetzt werden. Allerdings muss das bestehende nationale Recht um alle konkurrierenden oder der Verordnung entgegenstehenden Vorschriften bereinigt werden. Dies betrifft in Deutschland vor allem das Kreditwesengesetz (KWG) sowie die Solvabilitätsverordnung (SolvV) und die Groß- und Millionenkreditverordnung (GroMiKV).

Die CRD IV hingegen muss per Gesetz in nationales Recht überführt werden. Sie wirkt sich ebenfalls auf das KWG und die SolvV aus sowie auf die Institutsvergütungsverordnung (InstitutsVergV). Die Konzernabschlussüberleitungs-Verordnung (KonÜV) und die Zuschlagsverordnung werden aufgehoben.

Für die Änderungen des KWG aufgrund der CRR und der Umsetzung der CRD IV hat die deutsche Bundesregierung im August 2012 einen Gesetzesentwurf vorgelegt (CRD-IV-Umsetzungsgesetz). Dieser soll außerdem das nationale Meldewesen modernisieren: Die neuen Meldevorschriften werden künftig schwerpunktmäßig in der Finanzinformationen-Verordnung (FinaV) geregelt, die die Monatsausweisverordnung (MonAwV) ersetzen wird. Der Gesetzesentwurf wird derzeit auf Grundlage der finalen Texte von CRD IV und CRR überarbeitet. Wann das Gesetz in Kraft treten wird, richtet sich danach, wann Richtlinie und Verordnung erstmals anzuwenden sein werden.

Ende 2012 konsultierte das Bundesfinanzministerium außerdem die Entwürfe der erforderlichen Änderungsverordnungen für die SolvV, die GroMiKV und die MonAwV bzw. FinaV sowie den Entwurf für die neue Solvabilitätsverordnung für Wohnungsbaugesellschaften mit Spareinlage (WumS-SolvV).

Verzögerter Start

Ursprünglich sollten die Regelungen von CRD IV und CRR bereits vom 1. Januar 2013 an angewendet werden. Die Europäische Kommission hatte ihren Vorschlag im Juli 2011 veröffentlicht. Der Rat, die Kommission und das Europäische Parlament konnten die Trilog-Verhandlungen über die endgültige Fassung des Regulierungspakets 2012 jedoch nicht mehr abschließen. Als neuer Anwendungszeitpunkt wird nunmehr der 1. Januar 2014 angestrebt. Dafür ist es erforderlich, dass das Regelungswerk im Amtsblatt der Europäischen Union bis zum 30. Juni 2013 veröffentlicht wird. Geschieht dies erst danach, verschiebt sich der Start auf den 1. Juli 2014. Bevor CRD IV und CRR veröffentlicht werden können, müssen unter anderem noch die finalen Papiere erstellt und diese vom Europäischen Parlament und dem Rat angenommen werden.

BaFin-Exekutivdirektor Raimund Röseler: „Künftige Krisen verhindern“

Herr Röseler, machen Basel III und das europäische CRD-IV-Paket die Bankenwelt wirklich stabiler?

Raimund Röseler

Exekutivdirektor Bankenaufsicht, Raimund Röseler © frank-beer.com / BaFin Raimund Röseler

Ja, da bin ich ganz sicher. Die Finanzkrise hat uns allen deutlich vor Augen geführt, wo es bei den Banken entscheidende Schwachstellen gab. Vor allem die Eigenmittelausstattung war in einigen Fällen quantitativ, aber auch qualitativ unzureichend. Ganz elementare Defizite gab es auch, was Liquidität und Corporate Governance angeht. Basel III und das CRD-IV-Paket setzen genau an diesen zentralen Stellschrauben an, um das aufsichtliche Instrumentarium zu verbessern. Institute müssen ihre Schwachstellen nun ausbessern.

Um es ganz klar zu sagen: Bessere Regulierung allein macht das Bankensystem noch nicht widerstandsfähiger. Mindestens genauso wichtig ist, dass wir unsere Aufsichtspraxis anpassen. Die Bankenaufsicht muss sich künftig stärker mit der Analyse der Geschäftsmodelle, mit der Beurteilung der Risikomanagementsysteme und den Kontrollmechanismen in den Banken befassen. Diese qualitativen Aspekte werden für die Bankenaufsicht immer wichtiger. Hier sind wir sicher auf einem guten Weg, aber sicher auch noch nicht da angekommen, wo wir letztlich hingelangen wollen.

Was sind aus Ihrer Sicht die größten Errungenschaften von Basel III bzw. CRD IV?

Sie adressieren die genannten Schwachstellen angemessen. Als Bankaufseher kann ich es nur unterstützen, dass Institute künftig mehr Eigenmittel vorhalten müssen. Ebenso entscheidend ist, dass die Eigenmittel im Fall der Fälle ihre ureigene Funktion, die Abfederung von Verlusten, auch tatsächlich erfüllen. Die Regelwerke fokussieren darum stärker auf das harte Kernkapital.

Eins will ich aber betonen: Für den verantwortungsvollen Umgang mit Risiken sind vor allem die Institute und deren Kontrollorgane verantwortlich. Darum sind die Vorgaben zur Corporate Governance so wichtig. Vor allem sollen die Aufsichtsräte der Institute ihrer Kontrollfunktion besser gerecht werden als bisher. Ob das tatsächlich passiert, werden wir genau überprüfen.

Das CRD-IV-Paket setzt allerdings nicht nur Basel III um, sondern geht darüber hinaus. Warum?

Bei der Entwicklung von Basel III hatte man vor allem die großen, international tätigen Institute vor Augen. Das CRD-IV-Paket gilt dagegen für alle Kreditinstitute in der EU. Es geht also um eine sehr heterogene Gruppe. Diesem Aspekt trägt das europäische Regelwerk Rechnung. Gerade dem sehr vielschichtigen deutschen Bankenmarkt kommt es zugute, dass etwa die Definition der Kernkapitalbestandteile rechtsformneutral ausgestaltet ist.

Das CRD-IV-Paket, und hier vor allem das Single Rulebook, harmonisiert darüber hinaus die Bankenaufsicht in der EU. Das ist auch dringend erforderlich, denn unser Ziel muss es sein, ein Level-Playing-Field in Europa zu schaffen. Europaweit einheitliche Standards zu haben, wird uns helfen, künftige Krisen zu vermeiden. In der Vergangenheit haben sich manche Staaten offenbar einen viel zu großen Bankenmarkt herangezüchtet – und dabei auch ein gewisses Regulierungsdumping betrieben. Ein eher zweifelhaftes Instrument der Standortpolitik. Und das, obwohl die europäischen Richtlinien eigentlich für Einheitlichkeit sorgen sollten. Darum ist nun mit der CRR eine Verordnung geschaffen worden, die direkt greift.

Und wie sind aus Ihrer Sicht die neuen Eingriffs- und Sanktionsvorschriften zu bewerten?

Wenn das CRD-IV-Paket vorrangig eine EU-weite Harmonisierung der Bankenaufsicht zum Ziel hat, ist es nur folgerichtig, dass dies auch die Eingriffs- und Sanktionsrechte der Aufsichtsbehörden umfasst. Bankenaufsicht spielt sich nun einmal nicht nur in sonnigen Phasen ab. Gerade in den Momenten, in denen Institute – und manchmal auch ganze Volkswirtschaften – am Abgrund stehen, müssen wir in der Lage sein, in kürzester Zeit äußerst schwierige und weitreichende Entscheidungen zu treffen. Und dies selbstverständlich nicht nur auf nationaler Ebene, sondern auch in Abstimmung mit allen relevanten europäischen Akteuren. Damit das funktioniert, müssen wir uns EU-weit einig sein, welche Instrumente wir brauchen und wie wir sie anwenden.

Aus der Kreditwirtschaft sind allerdings immer wieder Klagen über das neue Regelwerk zu hören: Es sei zu komplex und treffe auch die Falschen, nämlich Banken, die nicht zur Finanzkrise beigetragen haben.

Das CRD-IV-Paket ist in der Tat enorm umfangreich. Hier wäre sicherlich in vielen Bereichen weniger mehr. Für die Zukunft sehe ich hier auch noch Optimierungspotenzial. Dennoch: Bankenaufsicht ist und bleibt eine hochkomplexe Materie.

Es ist auch richtig, dass die neuen Anforderungen sich nicht nur an solche Banken richten, die zur Finanzkrise beigetragen haben. Es gibt aber gute Gründe dafür, die Regelungen auf alle Institute anzuwenden. Ziel ist es ja, künftige Krisen zu verhindern – und die werden sicher anders verlaufen als die letzte. Die Institute werden belastet, daran besteht kein Zweifel. Das ist aber der Preis, den wir für einen stabileren Bankensektor zu zahlen haben. Und wenn ich mir überlege, wie teuer die letzte Krise für den Steuerzahler war, ist dieser Preis nicht zu hoch.

Die CRD IV tritt nun ein Jahr später in Kraft als geplant. Ist das ein Problem?

Sicherlich hätte ich es gerne gesehen, wenn sie planmäßig verabschiedet worden wäre. Dennoch ziehe ich eine etwas spätere, dafür aber inhaltlich ausgegorene Lösung einem Schnellschuss vor, den wir dann mühsam nachbessern müssten. Im Übrigen haben wir von deutscher Seite die zusätzliche Zeit dazu genutzt, unsere Hausaufgaben zu machen. Das Umsetzungsgesetz ist vorbereitet, was uns eine rasche und vergleichsweise reibungslose Einführung ermöglicht.

Mehr Details zur CRD IV

Die CRD IV/CRR ist ein grundlegendes und umfassendes Regelwerk. Das BaFinJournal wird darum in den nächsten Monaten wichtige Inhalte in gesonderten Beiträgen beleuchten.

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