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Erscheinung:16.07.2013 17:46 Uhr | Thema Mitarbeiter-/Beschwerderegister Anlageberatung: Beratungsprotokoll und Mitarbeiter- und Beschwerderegister in der Aufsichtspraxis

In der Regulierung der Anlageberatung hat sich in den vergangenen Jahren sehr viel getan. Dabei spielte nicht nur der Umstand eine Rolle, dass die Beratung zu Wertpapieranlagen eine besonders vertrauensempfindliche Dienstleistung ist. Da sie sehr komplex ist, ist sie zudem anfällig für Fehler und hat daher ein erhebliches Schadenspotenzial – etwa für Privatkunden, die ihre Altersvorsorge auf Grundlage von Anlageberatungen organisieren. Dies hat den Gesetzgeber veranlasst zu handeln.

Anfang 2010 führte er die Pflicht für Wertpapierdienstleistungsunternehmen ein, ein Beratungsprotokoll zu erstellen. Im November 2012 trat zudem die gesetzliche Grundlage für das Mitarbeiter- und Beschwerderegister in Kraft. Beide Regelungen beinhalten Instrumente, die sich für die Praxis der Aufsichtstätigkeit als bedeutsam erwiesen haben.

Beratungsprotokoll

Seit dem 1. Januar 2010 müssen Wertpapierdienstleistungsunternehmen über jede Anlageberatung für Privatkunden ein schriftliches Protokoll anfertigen (§ 34 Absatz 2a Wertpapierhandelsgesetz – WpHG). Als Anlageberatung definiert das WpHG die Abgabe von persönlichen Empfehlungen, die sich auf Geschäfte mit bestimmten Finanzinstrumenten beziehen, an Kunden, sofern die Empfehlung auf eine Prüfung der persönlichen Umstände des Anlegers gestützt oder als für ihn geeignet dargestellt wird.

Das Beratungsprotokoll muss grundsätzlich Informationen über den Anlass der Beratung, die Dauer des Beratungsgesprächs, die persönliche Situation des Kunden, dessen Anlageinteressen sowie die Empfehlungen des Bankberaters und deren Gründe enthalten. Nach dem Gespräch muss der Berater das Protokoll unterzeichnen und dem Kunden unverzüglich aushändigen.

Beweismittel und Aufsichtsinstrument

Die Einführung des Beratungsprotokolls hatte zum Ziel, die Rechte des Bankkunden zu stärken. Zuvor stand in streitigen Fällen die Aussage des Kunden gegen die Aussage des Anlageberaters. Nun liegt dem Kunden eine schriftliche Darstellung des Beratungsgesprächs vor. Sie kann ein Beweismittel sein, wenn er einen Anspruch auf Schadensersatz wegen Falschberatung auf zivilrechtlichem Wege durchsetzen möchte, denn die Beweislast liegt in der Regel beim Bankkunden.

Außerdem erleichtert das Protokoll der BaFin die Aufsicht über Beratungsgespräche. Es ist zu einer unverzichtbaren Informationsquelle geworden. Seine Bedeutung hat noch weiter zugenommen, seit im Mitarbeiter- und Beschwerderegister Beschwerden zu einzelnen Anlageberatern gesammelt werden: Die BaFin erhält dank der Beratungsprotokolle Informationen auch zu den Beratungsgesprächen, die den Beschwerden zugrundeliegen.

Fehlerhafte Protokolle

Die Umsetzung der neuen Anforderungen bereitete einigen Wertpapierdienstleistungsunternehmen zu Beginn Schwierigkeiten. Die BaFin stieß bei Untersuchungen beispielsweise auf mangelhafte Vorlagen, mangelnde IT-Unterstützung und fehlerhaft ausgefüllte Vorlagen. Auch fehlten mitunter Freitextfelder. Die BaFin hat aufgrund der Verstöße bisher vier Bußgeldbescheide in Höhe von jeweils 10.000 Euro erlassen. Derzeit sind noch 30 Verfahren nach dem Gesetz für Ordnungswidrigkeiten anhängig.

In Reaktion auf die Ergebnisse der Untersuchungen hat die BaFin im Juni 2011 ein Modul in das Rundschreiben zu den Mindestanforderungen an die Compliance-Funktion und die weiteren Verhaltens-, Organisations- und Transparenzpflichten nach §§ 31 ff. WpHG für Wertpapierdienstleistungsunternehmen (MaComp) aufgenommen. Das Modul legt die Anforderungen an das Beratungsprotokoll aus und soll so Unsicherheiten am Markt hinsichtlich des Inhalts der Dokumentation beheben.

Inzwischen hat sich die Qualität der Beratungsprotokolle zwar verbessert. Noch immer treten jedoch Probleme auf. Einzelne Banken verwenden etwa standardisierte Textbausteine; einige Berater nutzen die Freitextfelder noch nicht ausreichend. Dadurch lässt sich oft nur unzureichend nachvollziehen, was tatsächlich bei der Anlageberatung geschehen ist. Die BaFin wirkt diesen Problemen entgegen. So untersucht sie bei Vor-Ort-Besuchen regelmäßig die Qualität von Beratungsprotokollen. Bestellte Prüfer kontrollieren bei Regelprüfungen zudem, ob die Unternehmen organisatorische Vorkehrungen getroffen haben, um Beratungsprotokolle ordnungsgemäß erstellen und zur Verfügung stellen zu können. Ergeben sich wesentliche Unregelmäßigkeiten, schreitet die BaFin mit Verwaltungsmaßnahmen ein – notfalls erlässt sie auch Bußgeldbescheide.

Kunden müssen mitwirken

Um die Qualität von Beratungsprotokollen dauerhaft zu verbessern, ist jedoch auch der Anleger gefordert. Denn das Beratungsprotokoll kann seinen Zweck nur erfüllen, wenn der Kunde das Protokoll prüft. Nur wenn die Inhalte des Gesprächs, das meist ohne Zeugen stattfindet, ausreichend wiedergegeben sind, erhöht dies die Chance des Kunden, seine Ansprüche durchzusetzen. Stellt er fest, dass Inhalte fehlen oder falsch wiedergegeben wurden, sollte er vom Berater verlangen, das Protokoll zu ändern beziehungsweise zu ergänzen.

Weitere Hinweise zum Thema Anlageberatung finden Bankkunden im FlyerAnlageberatung – Was Sie als Kunde beachten sollten“, den die BaFin auf ihrer Internetseite veröffentlicht hat.

Mitarbeiter- und Beschwerderegister

Anlageberatung kann nur funktionieren, wenn die Kunden Vertrauen haben. Die Finanzkrise hat dieses Vertrauen jedoch erschüttert, da sie Schwächen in der Anlageberatung offenbart hat. Als wesentliche Ursachen hat der Gesetzgeber Defizite in der Qualifikation der Mitarbeiter und den nachteiligen Einfluss von Vertriebsinteressen identifiziert.

Er reagierte mit der Einführung des § 34d WpHG, der zum 1. November 2012 in Kraft getreten ist. Wertpapierdienstleistungsunternehmen sind nun verpflichtet, für bestimmte Aufgaben nur noch Mitarbeiter mit einer einheitlichen Mindestqualifikation einzusetzen. Diese Mitarbeiter müssen zudem an eine Datenbank – das Mitarbeiter- und Beschwerderegister – gemeldet werden. Geht es um Anlageberater, müssen außerdem Beschwerden von Privatkunden angezeigt werden, die sich auf die Tätigkeit der Berater beziehen.

Anlageberater, Vertriebs- und Compliance-Beauftragte

Von dem neuen Aufsichtsregime über die Anlageberatung sind neben Anlageberatern weitere Mitarbeitergruppen betroffen, nämlich Vertriebsbeauftragte und Compliance-Beauftragte. Es handelt es sich dabei um Mitarbeiter, denen der Gesetzgeber maßgeblichen Einfluss auf die Qualität der Anlageberatung beimisst. An der Auswahl der betroffenen Personen wird deutlich, dass der Gesetzgeber vermutet, dass Missstände in der Anlageberatung nicht ausschließlich in der Person des Anlageberaters zu verorten sind. Stattdessen bringt er zum Ausdruck, dass der Grund für Mängel in der Anlageberatung auch betriebliche Schwächen der Vertriebsorganisation sein können. Insbesondere die Einführung des Begriffs „Vertriebsbeauftragter“, der im Gesetz bislang nicht vorkam, verdeutlicht diesen regulatorischen Ansatz. Damit dürfte die häufig geäußerte Besorgnis, das Fehlverhalten eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens könne auf einen einzelnen Anlageberater abgewälzt werden, weiterhin unbegründet sein.

Die BaFin hat sich intensiv auf die neue Aufgabe vorbereitet. Der Schwerpunkt lag dabei auf der Einrichtung der technischen Infrastruktur, ein weiterer auf der Fortbildung der zuständigen Beschäftigten. Sie werden in einem anerkannten Weiterbildungsprogramm für Anlageberater zum Financial Planner ausgebildet. Institute und Anlageberater werden somit auf Seiten der BaFin auf Aufseher treffen, die mit den Einzelheiten der Anlageberatung gut vertraut sind.

BaFin geht Häufungen von Beschwerden nach

Die BaFin prüft die eingetroffenen Anzeigen auf Auffälligkeiten. Dabei stehen ungewöhnliche Häufungen von Beschwerdeanzeigen im Fokus. Sind weitere Nachforschungen erforderlich, untersucht die BaFin den Sachverhalt. Dazu besuchen Aufseher zum Beispiel Filialen und führen Gespräche mit Beratern. Seit dem Start des Registers am 1. November 2012 wurden institutsgruppenübergreifend bereits rund 80 Filialen besucht.

Dadurch sammelt die BaFin kontinuierlich Eindrücke aus der Beratungspraxis. So hat sich beispielweise aus den ersten Besuchsreihen ergeben, dass sich Anlageempfehlungen in Einzelfällen noch immer deutlich an Vertriebsvorgaben orientieren. Vor diesem Hintergrund ist der Kundennutzen einzelner Anlageempfehlungen in einzelnen Fällen erklärungsbedürftig. Die BaFin verfolgt dies weiter. Anlageberater und Vertriebsbeauftragte werden daher auch künftig damit zu rechnen haben, dass die BaFin Empfehlungen oder Vertriebsentscheidungen mit Blick auf den Kundennutzen hinterfragt.

Von ihren neuen Instrumenten der Aufsicht über die Anlageberatung hat die BaFin bislang noch keinen Gebrauch gemacht. Neben Bußgeldern sieht das WpHG unter anderem eine Verwarnung des Instituts und des Mitarbeiters oder sogar die Untersagung des Mitarbeitereinsatzes für bis zu zwei Jahre vor.

Weitere Regulierung zu erwarten

Unstreitig ist die Beratung von Privatanlegern aufwändiger geworden. Allerdings werden nicht nur an den Anlageberater, sondern auch an den Kunden höhere Anforderungen gestellt. Dieser ist nun aufgefordert, das Protokoll aufmerksam zu überprüfen und sich so gut zu informieren, dass er sein Recht auf gute Beratung tatsächlich einfordern und von der Sachkunde seines Beraters profitieren kann.

Die Einführung des Beratungsprotokolls und das Inkrafttreten der Vorschriften zur Mitarbeiterqualifikation und Anzeigepflicht dürften nur vorläufige Höhepunkte in der Regulierung der Anlageberatung gewesen sein. Die Umrisse weiterer Regulierungsprojekte zeichnen sich bereits deutlich am Horizont ab, etwa die Einführung einer weiteren Art der Anlageberatung, der Honorar-Anlageberatung.

Hinweis

Der Beitrag gibt den Sachstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung im BaFinJournal wieder und wird nicht nachträglich aktualisiert. Bitte beachten Sie die Allgemeinen Nutzungsbedingungen.

Autor: Marion Michel, Dr. Chan-Jae Yoo / BaFin

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