BaFin - Navigation & Service

Erscheinung:31.10.2013 | Thema Mitarbeiter-/Beschwerderegister BaFin-Exekutivdirektor: Regelungen zu Anlageberatung und Beschwerderegister zu Unrecht in der Kritik

Interview mit Karl-Burkhard Caspari

Die Regulierung der Anlageberatung hat sich in den vergangenen Jahren stark verändert – nicht immer zum Gefallen der Institute und Berater. In der Kritik stehen vor allem die Regelungen zum Beratungsprotokoll und zum Mitarbeiter- und Beschwerderegister. Zu Recht? Karl-Burkhard Caspari, Exekutivdirektor der Wertpapieraufsicht der BaFin, nimmt im Interview mit dem BaFinJournal Stellung.

Herr Caspari, warum beschäftigt sich die BaFin mit der Anlageberatung?

Wer sich das Thema näher anschaut, wird schnell feststellen, dass Anlageberatung eine Dienstleistung ist, bei der es in hohem Maße um Vertrauen geht. Man vertraut einem Anlageberater seine sehr persönlichen Informationen an, etwa zu seinen Vermögensverhältnissen und seiner persönlichen Risikoneigung. Teile der Industrie sind dem Vertrauen der Anleger nicht immer gerecht geworden, wie wir in der Vergangenheit gesehen haben. Der Gesetzgeber hatte also guten Grund, den Anleger besser zu schützen.

Der Industrie scheint das zu weit zu gehen. Immer wieder klagt sie vor allem über die Pflicht, ein Beratungsprotokoll anzufertigen. Ist die Kritik berechtigt?

Nein, aus unserer Sicht nicht. Die Einführung der Protokollierungspflicht Anfang 2010 hat für die Institute und die Anlageberater eine erhebliche Umstellung bedeutet. Das ist uns bewusst. Doch ich bin der Meinung, dass die Vorteile die Nachteile überwiegen – und zwar für alle Beteiligten. Zugleich wurde im gesetzlich vorgegebenen Rahmen darauf geachtet, den Aufwand so gering wie möglich gehalten: Wenn den Instituten bereits Unterlagen vorliegen, zum Beispiel WpHG-Bögen, dann dürfen sie bei der Protokollierung auf diese verweisen.

Was spricht denn für die Protokollierungspflicht?

Der Kunde bekommt nun erstmals eine Darstellung der Aspekte, die der Anlageempfehlung zugrundeliegen. Das ist für ihn ein entscheidender Vorteil. Der Kunde kann anhand des Protokolls die Vorschläge des Anlageberaters nachvollziehen. Das funktioniert natürlich nur, wenn der Kunde darauf achtet, dass alle Punkte, die ihm wichtig sind, ins Protokoll aufgenommen wurden. Denn nur er ist beim Beratungsgespräch dabei.

Wir Aufseher können anhand des Protokolls die Beratungssituation nachvollziehen. Mit den anderen Informationen, die uns vorliegen, etwa aus den WpHG-Prüfungen, ist es uns möglich, uns einen konkreten Eindruck von der Anlageberatung zu verschaffen. Das versetzt uns in die Lage zu bewerten, ob die Beratung ordnungsgemäß verlaufen ist.

Und wir erhalten sogar positives Feedback von der Industrie. Viele der Anlageberater, die wir vor Ort sprechen, empfinden das Beratungsprotokoll inzwischen als positiv und hilfreich, da es den Beratungsprozess strukturiere.

Und doch ist immer wieder zu hören, die Anlageberatung sei durch die Dokumentationspflicht unverhältnismäßig erhöht worden. Können Sie das bestätigen?

Ich denke, da wird ein wenig übertrieben. Sicher, die Dokumentationspflicht hat das Geschäft mit der Anlageberatung verändert. Und natürlich ist uns bewusst, dass der Aufwand für die Beratung gestiegen ist. Ein Beratungsprotokoll bedeutet zusätzliche Arbeit. Aber nach unserem Eindruck verursachen die gesetzlichen Vorschriften keinen unverhältnismäßigen Aufwand.

Einige Institute scheinen das aber so zu empfinden.

Das mag sein, aber den Aufwand, den diese Institute kritisieren, schaffen sie zum Teil selbst. Viele Institute dokumentieren mehr Inhalte als gesetzlich gefordert. Ein Beispiel ist die Unterschrift des Kunden. Das WpHG verlangt diese nicht. Dennoch bestehen einige Institute darauf – und zwar aus zivilrechtlichen Gründen. Das erhöht natürlich den Verwaltungsaufwand. Ich gebe Ihnen ein weiteres Beispiel: Manche Institute nutzen die Möglichkeit nicht, bei der Protokollierung auf bereits vorhandene Informationen – etwa Informationen zu Einkommens- und Vermögensverhältnissen – zu verweisen. Dadurch dokumentieren sie Angaben mehrmals und machen die Protokolle ohne Not umfangreicher.

Könnte die Dokumentationspflicht dazu führen, dass bald keine Anlageberatung mehr angeboten wird?

Diese Sorge halte ich für nicht berechtigt. Ob ein Institut die Anlageberatung anbietet oder sich daraus zurückziehen will, hängt von einer Vielzahl unternehmerischer Entscheidungen und Marktbedingungen ab. Die Dokumentationspflicht ist hierbei nur ein Einzelaspekt. Man sollte ihn nicht unter-, aber auch nicht überbewerten.

Auch das Mitarbeiter- und Beschwerderegister sorgt in der Industrie nach wie vor für Unmut. Warum müssen Wertpapierdienstleistungsunternehmen alle Beschwerden über Anlageberater bei der BaFin melden – egal, ob diese berechtigt sind oder nicht? Ist das Register eine Art Verkehrssünderkartei für Anlageberater?

Der Gesetzgeber wollte verhindern, dass die Institute eine Vorauswahl treffen.

Was brächte es uns Aufsehern, wenn uns die Institute nur die Beschwerden melden müssten, die aus ihrer Sicht oder der des Anlageberaters berechtigt sind?

Der Gesetzgeber wollte eben keine „Sünderkartei“ schaffen. Dieser Vergleich wird immer wieder herangezogen, aber er hinkt. (Siehe auch Interview im BaFinJournal 11/2012) Um es noch einmal klar zu sagen: In der Verkehrssünderkartei steht hinter jedem Eintrag ein rechtskräftig festgestelltes Fehlverhalten. Wird der BaFin eine Beschwerde gemeldet, sagt das dagegen nur aus, dass sich ein Anleger beschwert hat. Ob zu Recht oder nicht, ist eine ganz andere Frage. Denn eine Wertung ist mit dem Beschwerdeeintrag nicht verbunden. Ich halte die Regelung so, wie sie ist, für sinnvoll und ausgewogen.

Sehen das die einzelnen Berater auch so?

Uns sind die Befürchtungen der betroffenen Mitarbeiter natürlich bekannt, und wir nehmen sie sehr ernst. Deswegen nutzen wir alle Gelegenheiten, um die Funktionsweise des Registers zu erklären.

Trotzdem haben einzelne Anlageberater bei der BaFin den Antrag gestellt, ihre Daten aus der Datenbank zu entfernen. Weil das gesetzlich jedoch nicht möglich ist, waren die Anträge abzulehnen. Dagegen ist jetzt geklagt worden, es wird nun also auch noch einmal gerichtlich geklärt, inwieweit die in § 34d WpHG vorgesehene Speicherung der Daten rechtmäßig ist. Zu den laufenden Verfahren kann ich natürlich nichts sagen.

Was geschieht mit den Beschwerdeeinträgen?

Wir überprüfen den Datenbankinhalt kontinuierlich auf Auffälligkeiten. Wir schauen zum Beispiel, wo es Beschwerdehäufungen gibt. Ob Beschwerden zu Recht oder zu Unrecht erhoben worden sind, müssen wir immer im Einzelfall prüfen. Wenn es notwendig ist, suchen meine Kolleginnen und Kollegen dazu auch die jeweilige Filiale auf und sprechen mit den Betroffenen.

Wie viele Beschwerden sind denn der BaFin gemeldet worden? Gibt es Anlass zur Sorge?

Bis Ende September wurden insgesamt rund 9.600 Beschwerden gemeldet. Doch das Beschwerdeaufkommen sagt zunächst nur aus, dass Beschwerden erhoben worden sind. Ob individuelles Fehlverhalten oder betriebliche Schwächen zugrundeliegen, können wir daraus nicht pauschal ableiten. Man kann die Zahl so interpretieren, dass es in der Anlageberatung grundsätzlich noch Verbesserungspotenzial gibt. Aber angesichts der Tatsache, dass in Deutschland weit über zehn Millionen Wertpapierdepots geführt werden, ist die Zahl 9.600 nicht besorgniserregend hoch.

Außerdem ist die Zahl der Beschwerden zum Wertpapierhandel, die man direkt an uns geschickt hat, in den vergangenen Jahren zurückgegangen. 2009 haben wir noch über 1.200 solcher Beschwerden direkt von Anlegern erhalten. 2012 waren es nur noch knapp halb so viel. Die Anlageberatung ist dabei auch nicht mehr das vorherrschende Thema.

Herr Caspari, herzlichen Dank für das Interview.

Auf einen Blick:

Beratungsprotokoll

Seit dem 1. Januar 2010 müssen Wertpapierdienstleistungsunternehmen nach § 34 Absatz 2a Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) über jede Anlageberatung für Privatkunden ein schriftliches Protokoll anfertigen. Es muss Informationen zum Anlass der Beratung, zur Dauer des Gesprächs, zur persönlichen Situation des Kunden, dessen Anlageinteressen und die Empfehlungen des Beraters und deren Gründe enthalten. Der Berater muss das Protokoll nach dem Gespräch unterzeichnen und dem Kunden unverzüglich aushändigen. Das Protokoll soll die Rechte des Kunden im Streitfall stärken und der BaFin die Aufsicht über Beratungsgespräche erleichtern.

Mitarbeiter- und Beschwerderegister

Das Mitarbeiter- und Beschwerderegister ist eine BaFin-interne Datenbank, in der seit November 2012 Informationen über Mitarbeiter von Wertpapierdienstleistungsunternehmen verwaltet werden, die die Qualität der Anlageberatung beeinflussen können. Mitarbeiter in der Anlageberatung, Vertriebs- und Compliance-Beauftragte müssen nach § 34d Wertpapierhandelsgesetz bestimmte Mindestanforderungen erfüllen, die ihre Sachkunde und Zuverlässigkeit betreffen. Die Institute müssen diese Mitarbeiter beim Mitarbeiter- und Beschwerderegister anzeigen – zusammen mit weiteren aufsichtsrelevanten Informationen, insbesondere der Zahl der Beschwerden über Anlageberater.

Hinweis

Der Beitrag gibt den Sachstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung im BaFinJournal wieder und wird nicht nachträglich aktualisiert. Bitte beachten Sie die Allgemeinen Nutzungsbedingungen.

Zusatzinformationen

Fanden Sie den Beitrag hilfreich?

Wir freuen uns über Ihr Feedback

Es hilft uns, die Webseite kontinuierlich zu verbessern und aktuell zu halten. Bei Fragen, für deren Beantwortung wir Sie kontaktieren sollen, nutzen Sie bitte unser Kontaktformular. Hinweise auf tatsächliche oder mögliche Verstöße gegen aufsichtsrechtliche Vorschriften richten Sie bitte an unsere Hinweisgeberstelle.

Wir freuen uns über Ihr Feedback