BaFin - Navigation & Service

Erscheinung:31.10.2013 | Thema Verbraucherschutz Incentives im Vertrieb: Empfehlungen der BaFin für einen besseren Verbraucherschutz

Noch vor nicht allzu langer Zeit sorgten Incentive-Reisen von Vertriebsmitarbeitern deutscher Versicherer in den Medien für Schlagzeilen. Die Versicherungsbranche hat daraus gelernt: Compliance-Beauftragte, Risikomanager und ­Experten für das künftige europäische Regelwerk Solvency II haben erkannt, dass bestimmte Verhaltensweisen im Vertrieb zu großen Reputationsschäden führen und dadurch viel Geld kosten können.

Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) entwickelte darum einen Verhaltenskodex für den Vertrieb von Versicherungsprodukten, dem die Versicherer beitreten können.

Wirksamer Verbraucherschutz beinhaltet auch, dass unnötige Kosten vermieden werden. Denn die Kosten, die einem Versicherungsunternehmen durch einen Reputationsschaden entstehen, trägt auch die Versichertengemeinschaft. Darum ist es zum Schutz der Verbraucher unabdingbar, dass die Versicherer klare Regeln für Incentives im Vertrieb schaffen und diese auch befolgen.

Die Frage ist jedoch, ob sich wirklich alle Versicherungsunternehmen mit dem Thema Incentives im Vertrieb ernsthaft auseinandergesetzt haben oder ob sie das Problem im eigenen Haus möglicherweise unterschätzen. Dieser Beitrag will daher für das Thema sensibilisieren.

Rolle der Versicherungsaufsicht

Wieso hat die Versicherungsaufsicht den Vermittlern oder Versicherungsunternehmen bisher keine verbindlichen Vorgaben gemacht, wenn es doch um den Schutz der Verbraucher geht?

Bezogen auf die Vermittler ist die Antwort einfach: Die BaFin beaufsichtigt keine Versicherungsmakler und -vertreter. Dies ist nach der Gewerbeordnung und nach landesrechtlichen Vorschriften Aufgabe der Industrie- und Handelskammern. Lediglich bei „gebundenen“ Vermittlern, die ausschließlich für ein Unternehmen tätig sind, kann die BaFin durch die Aufsicht über den Versicherer indirekt Einfluss auf den Vermittler ausüben. Mit einer Aufsicht im klassischen Sinn ist dies jedoch nicht vergleichbar.

Da es keine ausdrückliche gesetzliche Regelung zur Ausgestaltung von Incentives gibt, macht die Aufsicht auch den Versicherungsunternehmen keine Vorgaben. Verboten ist lediglich, was strafrechtlich relevant ist, also beispielsweise Bestechung. Jedes einzelne Versicherungsunternehmen ist somit gefragt, sich selbst einen Rahmen vorzugeben.

Denn die öffentliche Wahrnehmung spielt bei der Frage, was bei der Gewährung von Incentives vertretbar ist, eine entscheidende Rolle. Diese Wahrnehmung kann sich jedoch wandeln. So hätten die Incentive-Reisen, die die Presse vor rund zwei Jahren mit überaus negativem Tenor beschrieb, möglicherweise vor 30 Jahren keine so großen Wellen geschlagen. Ebenso wenig ist absehbar, wie die Öffentlichkeit in einigen Jahren auf heute übliche Incentives reagieren wird. Wer verbindliche aufsichtsrechtliche Regelungen fordert, darf nicht vergessen, dass moralische Fragen dieser Art in einer öffentlich-rechtlichen Regelung nicht berücksichtigt werden könnten.

Empfehlungen der BaFin

Um sicherzustellen, dass die Belange der Versicherten gewahrt bleiben, hat die BaFin eine Reihe von Empfehlungen erarbeitet, die die Versicherer bei der Vertriebssteuerung beachten sollten (siehe Infokasten). Je nach Geschäftsmodell – insbesondere dem Vertriebsweg – und der Größe eines Versicherers können die Empfehlungen auf unterschiedliche Weise umgesetzt oder auch weitere Maßnahmen ergriffen werden. Die Liste der Empfehlungen ist aus Sicht der BaFin nicht als abgeschlossener Katalog zu betrachten. Wichtig ist, dass der Vorstand wesentliche Entscheidungen über vertriebliche Maßnahmen trifft und auch ihre Einhaltung überwacht.

Empfehlungen der BaFin auf einen Blick:

  • Verantwortung des Vorstands klarstellen
  • Risikoinventur durchführen
  • Interne Richtlinien verfassen
  • Positiv- und/oder Negativlisten erstellen
  • Verantwortlichkeiten definieren
  • Veranstaltungen beschreiben
  • Organisation und Abrechnung trennen
  • Vorabkontrollen einführen
  • Verträge mit Externen überprüfen
  • Sanktionen vorsehen
  • Vertrieb einbeziehen
  • Maßnahmen überwachen
  • Alternativen überlegen

Vorstand und Risikoinventur

Jedes Vorstandsmitglied muss sich darüber im Klaren sein, dass mit dem Vertrieb Reputationsrisiken verbunden sind, die, wenn sie eintreten, erhebliche Schäden verursachen können. Dem Vorstand sollte bewusst sein, dass er der Auslöser von Fehlentwicklungen sein kann. Er ist die entscheidende Stelle, wenn es um die Veränderung interner Rahmenbedingungen oder der Unternehmenskultur geht.

Setzt sich ein Versicherungsunternehmen mit dem Thema Incentives auseinander, sollte es zunächst beurteilen, welche (Reputations-)Risiken vom Vertrieb für das Versicherungsunternehmen ausgehen. Es sollte in einer Inventur alle Arten des Vertriebs erfassen, also nicht nur Vermittler im gewerberechtlichen Sinn, sondern auch Angestellte im Versicherungsaußendienst einbeziehen. Leitende Angestellte und die Vorstände des Versicherungsunternehmens müssen ebenfalls berücksichtigt werden. Ein besonderes Augenmerk sollte auch auf externe Dienstleister und externe Vertriebsgesellschaften gerichtet werden. Bei externen Gesellschaften sollte insbesondere darauf geachtet werden, dass sie interne Richtlinien des Versicherungsunternehmens beachten.

Nachdem die Risiken im Vertrieb erfasst wurden, sollte in internen Richtlinien definiert werden, welche Incentives zulässig sind und welche nicht und wo Gefahrenpotenziale liegen. Das Unternehmen sollte zudem klären, ob es mit Listen arbeiten will, die beispielsweise bestimmte Arten von Incentives oder Veranstaltungsorte vorgeben oder ausschließen (Positiv- und/oder Negativlisten).

Veranstaltungen und Verträge mit Externen

Ist eine Veranstaltung geplant, sollte vorab klar definiert sein, wer diese Veranstaltung organisiert und wer sie genehmigt hat. Inhalte, Teilnehmer, Beginn und Ende der Veranstaltung sollten schriftlich festgelegt sein. Sinnvoll ist zudem die Trennung der Organisation einer Veranstaltung von deren Abrechnung. Weist ein Vorgesetzter sein Sekretariat oder eine nachgeordnete Organisationseinheit zur Auszahlung an, so ist dies nicht als Trennung zu betrachten. Veranstaltungen ab einem bestimmten Wert oder einer bestimmten Personenzahl sollten gegebenenfalls von einer dritten Stelle im Unternehmen genehmigt werden.

Beauftragt ein Versicherungsunternehmen externe Vertriebsgesellschaften und Dienstleister mit der Organisation von Veranstaltungen wie beispielsweise Wettbewerben, sollte es gesonderte vertragliche Vereinbarungen treffen, um eine Zweckentfremdung der Gelder zu vermeiden. Dies sollte nachträglich überprüft werden, beispielsweise von der Revision. In vertragliche Vereinbarungen sollten, auch intern, Sanktionsmöglichkeiten für den Fall aufgenommen werden, dass der Vertragspartner sie nicht befolgt.

Versicherungsunternehmen sollten zudem prüfen, ob es notwendig und rechtlich möglich ist, bestehende vertragliche Vereinbarungen nach Maßgabe neuer Richtlinien und Mustervereinbarungen anzupassen. Hierbei sollten auch die Arbeitsverträge des Vorstands und der leitenden Angestellten einbezogen werden. Positives Verhalten könnte gegebenenfalls über variable Vergütungsbestandteile belohnt werden.

Einbeziehung des Vertriebs

Risikoinventur, Richtlinien und Verträge sind nutzlos, wenn der Vertrieb nicht „mitspielt“. Wichtig ist deshalb, dem Vertrieb die neue Unternehmenskultur zu vermitteln. Die neuen Richtlinien sollten in den regelmäßigen Schulungen der Außendienstmitarbeiter zur Sprache gebracht werden, um die Bedeutung des Themas für die Unternehmenskultur deutlich zu machen. Ihnen muss klar werden, dass ein Reputationsschaden des Versicherers auch die Geschäftstätigkeit des Vermittlers negativ beeinflussen würde und deshalb Risiken vermieden werden müssen.

Dem Vertrieb sollten Ansprechpartner im Unternehmen benannt werden, die er bei Problemfällen auf dem kurzen Dienstweg kontaktieren kann. Für Vertriebsleute mit direktem Kundenkontakt muss es möglich sein, innerhalb des Unternehmens – bis hin zum Vorstand – Probleme anzusprechen. Ansonsten könnte es vorkommen, dass über bestimmte Themen nicht diskutiert wird und diese somit auch nicht angegangen werden können.

Überwachung und Alternativen

Damit die genannten Maßnahmen wirken können, muss ihre Einhaltung überwacht werden. Diese Überwachung können, je nach Größe und Organisationsstruktur des Versicherers, verschiedene Stellen durchführen. In Frage kommen beispielsweise das Risikomanagement, die interne Revision oder die Compliance-Beauftragten.

Die Versicherungsunternehmen sollten zudem überlegen, ob es Alternativen zu Incentives gibt. Es ist möglicherweise bei bestimmten Sparten besser, den Erfolg des Vertriebs daran zu messen, wie langfristig Versicherungsnehmer gebunden werden. Hohe Abschlussprovisionen und Incentives mögen zwar kurzfristig einen schnellen Erfolg garantieren, verursachen aber auch hohe Kosten. Ziel sollte es sein, den Versicherungsvermittler am Erfolg oder Misserfolg des von ihm vermittelten Versicherungsvertrages zu beteiligen.

Hinweis

Der Beitrag gibt den Sachstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung im BaFinJournal wieder und wird nicht nachträglich aktualisiert. Bitte beachten Sie die Allgemeinen Nutzungsbedingungen.

Autor: Olaf Temmen, BaFin

Zusatzinformationen

Fanden Sie den Beitrag hilfreich?

Wir freuen uns über Ihr Feedback

Es hilft uns, die Webseite kontinuierlich zu verbessern und aktuell zu halten. Bei Fragen, für deren Beantwortung wir Sie kontaktieren sollen, nutzen Sie bitte unser Kontaktformular. Hinweise auf tatsächliche oder mögliche Verstöße gegen aufsichtsrechtliche Vorschriften richten Sie bitte an unsere Hinweisgeberstelle.

Wir freuen uns über Ihr Feedback