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Erscheinung:02.12.2013 | Thema Maßnahmen WpHG-Bußgeldleitlinien: Zumessung von Geldbußen bei Verstößen gegen Ad-hoc-Publizitäts-, Stimmrechts- und Bilanzkontrollpflichten

In der Wertpapieraufsicht ahndet die BaFin Verstöße gegen aufsichtsrechtliche Bestimmungen – etwa zur Ad-hoc-Publizität, zu den Stimmrechten und zur Bilanzkontrolle – mit Geldbußen. Wie bereits in der April-Ausgabe des BaFinJournals angekündigt, hat sie die Grundsätze, nach denen sie die Geldbußen zumisst, nun in WpHG-Bußgeldleitlinien niedergelegt.

Diese berücksichtigen die Besonderheiten des Kapitalmarktrechts und fördern das Anliegen, bei der Bußgeldzumessung ein Level-Playing-Field zu schaffen.

Geldbußen haben sowohl einen spezial- als auch generalpräventiven Zweck: Zum einen sind sie ein spürbarer Pflichtenappell an die Betroffenen und Nebenbeteiligten. Zum anderen sind sie ein Signal an alle übrigen Kapitalmarktteilnehmer, die Kapitalmarktregeln des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG) zu beachten.

Sanktionspraxis bei Ordnungswidrigkeiten

Die BaFin blickt, was die Ahndung von Ordnungswidrigkeiten angeht, inzwischen auf eine mehr als zehnjährige Praxis zurück. Häufig ahndete die Wertpapieraufsicht in dieser Zeit Verstöße gegen Stimmrechtsmeldepflichten. Außerdem verstießen Unternehmen in zahlreichen Fällen gegen die Pflichten der Ad-hoc-Publizität und der Finanzberichterstattung.

Bei der Erstellung der WpHG-Bußgeldleitlinien berücksichtigte die BaFin sowohl ihre eigenen Erfahrungen als auch die Erfahrungen der Justiz bei der Festsetzung von Geldbußen wegen Verstößen gegen Kapitalmarktregeln. Die Bußgeldleitlinien entsprechen den Grundsätzen zur Strafzumessung, die sich aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ergeben, insbesondere dem Doppelverwertungsverbot von zumessungsrelevanten Tatumständen.

Mit den Bußgeldleitlinien trägt die Wertpapieraufsicht zur Rechtssicherheit bei, indem sie klarstellt, wie sie Verstöße gegen das WpHG ahndet und welche Kriterien sie für die Bußgeldzumessung heranzieht. Die WpHG-Bußgeldleitlinien sollen zudem die Effizienz und Gleichbehandlung in der Bußgeldzumessung stärken.

Geltungsbereich

Die Leitlinien konkretisieren § 17 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG), der für die Zumessung von Bußgeldern maßgeblich ist. Als Zumessungsrichtlinie stellen die WpHG-Bußgeldleitlinien allgemeine Verwaltungsgrundsätze der Wertpapieraufsicht dar.

Sie gelten ausschließlich für Verstöße gegen die Ad-hoc-Publizitätspflicht (§ 15 WpHG), Stimmrechtsmeldepflichten (§§ 21 ff. WpHG) und Pflichten der Bilanzkontrolle (§§ 37v ff. WpHG), die natürliche oder juristische Personen begangen haben. Voraussetzung für die Anwendung der WpHG-Bußgeldleitlinien ist, dass die Verstöße auf gewöhnlichen Tatumständen beruhen, also typischen Sachverhalten. Ein gewöhnlicher Tatumstand ist beispielsweise, wenn ein Unternehmen eine Pressemitteilung anstelle einer Ad-hoc-Mitteilung veröffentlicht. Für außergewöhnliche Sachverhalte, sprich für Sachverhalte, die nicht den Regelfall abbilden, gelten die WpHG-Bußgeldleitlinien also nicht.

Bußgeldrahmen

Nach § 39 Absatz 4 WpHG kann die BaFin vorsätzliche Verstöße gegen wesentliche Publizitätspflichten – wie die Pflicht eines Inlandsemittenten zur Veröffentlichung von Insiderinformationen (Ad-hoc-Publizität) oder von Stimmrechtsüber- bzw. -unterschreitungen – mit einem Bußgeld von bis zu 1 Mio. Euro ahnden. Bei Leichtfertigkeit beträgt das maximale Bußgeld 500.000 Euro.

Verstöße gegen die Pflicht zur Übermittlung von Jahresfinanzberichten, Halbjahresfinanzberichten und Zwischenmitteilungen sind bei Vorsatz mit einer Geldbuße von bis zu 200.000 Euro und bei Leichtfertigkeit oder Fahrlässigkeit mit einer Geldbuße von bis zu 100.000 Euro bedroht.

Zumessungspraxis

Wenn der Sachverhalt ermittelt ist, bemisst die Wertpapieraufsicht die Höhe des Bußgeldes danach, wie schwer der Pflichtenverstoß und die Tatumstände wiegen. Hierbei geht sie in drei Schritten vor: Im ersten Schritt ermittelt die Wertpapieraufsicht den Grundbetrag des Bußgeldes mittels tatbezogener Zumessungskriterien. Im zweiten Schritt berücksichtigt sie so genannte Anpassungskriterien. Dazu passt sie den Grundbetrag anhand weiterer tat- und vor allem täterbezogener Zumessungskriterien an die konkrete Schuld des Betroffenen an. Im dritten Schritt finden die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen Beachtung.

Drei-Stufen-Verfahren der Zumessung

  • Schritt 1: Bewertung der Tatumstände und Ermittlung des Grundbetrags
  • Schritt 2: Bewertung des Vor- und Nachtatverhaltens und Anpassung des Grundbetrags
  • Schritt 3: Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse

Grundbeträge

Der Grundbetrag drückt die Schwere des Tatverstoßes aus. Für seine Ermittlung zieht die Wertpapieraufsicht zwei Zumessungskriterien heran: die Größe des Emittenten und die Bewertung der Tatumstände des Einzelfalles. Die WpHG-Bußgeldleitlinien schreiben die Grundbeträge für die Regelungsbereiche fest.

Eine Besonderheit gilt für Verstöße gegen die Pflicht zur Stimmrechtsmitteilung: In der Höhe der Grundbeiträge ist berücksichtigt, dass in der Regel zwei Bußgelder in Tatmehrheit festzusetzen sind (§ 20 OWiG), nämlich ein Bußgeld wegen des Verstoßes gegen die Mitteilungspflicht gegenüber dem Emittenten und ein Bußgeld wegen des Verstoßes gegen die Mitteilungspflicht gegenüber der BaFin. Die Wertpapieraufsicht geht von Tatmehrheit aus; das für WpHG-Sachen zuständige Amtsgericht Frankfurt am Main hat diese Rechtsauffassung in seinen Entscheidungen mehrfach bestätigt.

Marktkapitalisierung

Die Wertpapieraufsicht bewertet die Größe des Emittenten in der Regel anhand seiner Marktkapitalisierung. Diese ist eine allgemein anerkannte und vom Anlegerpublikum angewandte Kennzahl für die Bedeutung des Emittenten und seine Position am Kapitalmarkt. Grundsätzlich gilt: Je bedeutender der Emittent für den Kapitalmarkt ist, desto größer ist das Interesse der Kapitalmarktteilnehmer an der Offenlegung wesentlicher Tatsachen, etwa an der rechtzeitigen und fehlerfreien Information über neue Beteiligungsverhältnisse, die sich in Folge des Erwerbs oder der Veräußerung von Stimmrechtsanteilen ergeben.

Die Wertpapieraufsicht kategorisiert den Emittenten mit Hilfe von vier Größenklassen, die unter anderem aus den gängigen Aktienindizes abgeleitet sind:

Tabelle: Kategorisierung des Emittenten
EmittentengrößeEmittent AEmittent BEmittent CEmittent D
MarktkapitalisierungÜber 4 Mrd. EuroÜber 500 Mio. Euro bis 4 Mrd. EuroÜber 10 Mio. Euro bis 500 Mio. EuroBis 10 Mio. Euro

Bewertung der Tatumstände

Neben der Emittentengröße sind für die Höhe des Grundbetrages die spezifischen Tatumstände des Einzelfalles maßgebend. Dazu gehören zum Beispiel die Art und Dauer der Zuwiderhandlung, ihre Auswirkungen auf den Kapitalmarkt und das Ausmaß der fehlerhaften oder unvollständigen Mitteilung oder Veröffentlichung. Die Wertpapieraufsicht stuft die Tatumstände im Rahmen einer Gesamtwürdigung als schwer, mittel oder leicht ein.

Die WpHG-Bußgeldleitlinien enthalten einen Katalog mit Beispielen für Tatumstände, die regelmäßig und häufig auftreten und mit einem Bußgeld geahndet werden können. Ein leichter Verstoß gegen § 21 WpHG wäre demnach beispielsweise eine gering verspätet abgegebene Stimmrechtsmitteilung – vorausgesetzt, dass keine zusätzlich erschwerenden Umstände vorliegen.

Hat ein Unternehmen eine Compliance-Funktion eingerichtet, führt dies nicht per se zu einem niedrigeren Bußgeld. Die Compliance-Funktion ist teilweise sogar vom Gesetz vorgeschrieben und in diesen Fällen daher selbstverständlich. Deckt eine Compliance-Stelle jedoch Verstöße gegen das Wertpapierhandelsgesetz auf und meldet diese, kann eine solche Selbstanzeige dazu führen, dass die BaFin die Geldbuße reduziert.

Bewertung des Vor- und Nachtatverhaltens

Die Wertpapieraufsicht wägt im zweiten Zumessungsschritt das Vor- und Nachtatverhalten des Betroffenen ab. Dies kann dazu führen, dass der Grundbetrag erhöht oder reduziert wird. Vor allem das Geständnis eines Betroffenen kann sich bußgeldmindernd auswirken, falls es das Bußgeldverfahren beschleunigt. Wie hoch die Minderung ausfällt, ist von der Qualität des Geständnisses und dem Zeitpunkt abhängig, zu dem der Betroffene die Tat einräumt. Das Geständnis sollte grundsätzlich die Aufklärung der Tat maßgebend erleichtern. Auch bei einer einvernehmlichen Beendigung des Verfahrens im Wege des Settlement kann die Bußgeldsumme reduziert werden.

Wiederholungstäter müssen in der Regel damit rechnen, dass die Geldbuße über dem Grundbetrag für den Regelfall liegt. Dies ist aus spezialpräventiven Gesichtspunkten wichtig.

Wirtschaftliche Verhältnisse

Im dritten und letzten Schritt der Bußgeldzumessung beachtet die Wertpapieraufsicht die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Betroffenen.

Dieser kann die Auskunft zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen jedoch auch verweigern. In diesem Fall darf die BaFin die wirtschaftlichen Verhältnisse auf Grundlage der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens schätzen.

Kontinuierliche Aktualisierung

Die BaFin plant, die WpHG-Bußgeldleitlinien fortzuschreiben. Beobachtungen auf dem Markt und vor allem die Entwicklung der europäischen und nationalen Gesetzgebung können eine Aktualisierung erfordern, etwa die erwartete Harmonisierung des europäischen Sanktionsregimes im Zuge der geplanten Marktmissbrauchsverordnung (Market Abuse RegulationMAR) sowie der Überarbeitung der Transparenzrichtlinie und der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (Markets in Financial Instruments DirectiveMiFID II). Die BaFin wird die WpHG-Bußgeldleitlinien dazu kontinuierlich überprüfen. Denkbar ist auch, dass die Bußgeldleitlinien um neue Module erweitert werden, zum Beispiel um bisher nicht berücksichtigte Regelungsbereiche.

Hinweis

Der Beitrag gibt den Sachstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung im BaFinJournal wieder und wird nicht nachträglich aktualisiert. Bitte beachten Sie die Allgemeinen Nutzungsbedingungen.

Autor: Sabine Canzler, Dr. Julia von Buttlar, LL.M. (Duke), BaFin

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