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Erscheinung:02.01.2014 CRD IV: Neues Regulierungspaket für Banken in Kraft

Der 1. Januar 2014 ist für die europäischen Banken ein historisches Datum. An diesem Tag sind wesentliche Teile eines gigantischen Regelungspakets in Kraft getreten, das sowohl formell als auch materiell einen grundlegenden Umbruch für das Bankenaufsichtsrecht der EU bedeutet: Die Richtlinie CRD IV (Capital Requirements Directive IV) und die Verordnung CRR (Capital Requirements Regulation).

Seit dem 1. Januar gilt in Deutschland auch das CRD-IV-Umsetzungsgesetz.

Gut zweieinhalb Jahre lang wurde über das europäische Regelwerk verhandelt, bevor es Ende Juni 2013 schließlich verkündet werden konnte. Mit der CRD IV und der CRR erfüllte die EU den Auftrag der G 20, das aufsichtliche Rahmenwerk für Banken als Reaktion auf die Finanzmarktkrise nachhaltig zu stärken. Das Regelwerk hat unter anderem die Anforderungen nach Basel III in europäisches Recht umgesetzt.

Single Rule Book

Rein formal betrachtet handelt es sich bei dem Regelungspaket lediglich um die dritte Änderung der Capital Requirements Directive, die sich aus der Banken- und der Kapitaladäquanzrichtlinie zusammensetzt. Im Unterschied zu den bisherigen Änderungsrichtlinien wird das bestehende Regelwerk durch die CRD IV und die CRR jedoch nicht nur komplett ersetzt, sondern darüber hinaus auch ein wesentlicher Teil der Anforderungen unter dem Stichwort „Single Rule Book“ in die CRR überführt, die als Verordnung unmittelbar anwendbar ist.

Neu ist außerdem, dass die ergänzenden technischen Regelungen in rund 100 verbindliche technische Standards verlagert werden. Diese werden von der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde EBA (European Banking Authority) erarbeitet und von der Europäischen Kommission als ebenfalls unmittelbar anwendbare EU-Verordnungen erlassen.

Neue Normenhierarchie

Die Regelungen, die in der CRR und den technischen Standards erfasst sind, sind damit EU-weit einheitlich und verbindlich. Sie gelten also auch für das Bankenaufsichtsrecht in Deutschland: War dieses bisher weitgehend abschließend im Kreditwesengesetz (KWG) und den ihm nachgeordneten Rechtsverordnungen geregelt, so sind nun mit der CRR und den technischen Standards zwei Ebenen unmittelbar geltenden EU-Rechts hinzugekommen, die dem nationalen Recht in der Normenhierarchie vorgehen. Sie enthalten die Vorschriften, die sich unmittelbar an die Institute richten, wie zum Beispiel die Mindestkapitalanforderungen der Säule I und die Offenlegungspflichten der Säule III.

Das Kreditwesengesetz und die auf seiner Grundlage erlassenen Rechtsverordnungen regeln vor allem die Themenbereiche, die in der CRD IV enthalten sind, für die es also einer nationalen Umsetzung bedurfte. Dies sind vor allem Vorschriften, die sich entweder an die Aufsichtsbehörden richten oder erfordern, dass diese tätig werden. Es geht dabei zum Beispiel um Fragen der aufsichtlichen Zusammenarbeit, Inhaberkontrollverfahren, Anforderungen des bankaufsichtlichen Überprüfungsprozesses, Kapitalpuffer, aufsichtliche Maßnahmen und Sanktionen. Themen, die nicht in der CRD IV oder der CRR vorkommen, unterliegen nach wie vor nationalem Recht, etwa das Millionenkreditmeldewesen.

Die Verordnung: Eigenmittel und Mindestkapital

Vier der großen Themenbereiche von Basel III wurden unmittelbar in der CRR verankert: Eigenmitteldefinition/Mindestkapitalanforderungen, Kontrahentenausfallrisiko, Liquidität und Leverage Ratio. Lediglich die Kapitalpufferanforderungen finden sich in der CRD IV und wurden in nationales Recht umgesetzt.

Die CRR enthält eine vollständig überarbeitete Definition der regulatorischen Eigenmittel. Danach gibt es drei klar definierte Eigenmittelkategorien: hartes Kernkapital (CET-1-Kapital), ergänzendes Kernkapital (AT-1-Kapital) und Ergänzungskapital (Tier-2-Kapital). Die Drittrangmittel sind ersatzlos entfallen. Im Unterschied zu Basel III folgt die CRR hier einem „Substance-over-Form“-Ansatz, das heißt die Einstufung eines Kapitalinstruments in eine bestimmte Kapitalklasse erfolgt allein anhand der Kriterienkataloge der CRR und unabhängig von der Rechtsform des betreffenden Instituts.

Entsprechend dem Ziel, die Eigenmittelausstattung der Institute nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ zu stärken, kommt dem harten Kernkapital nun eine besondere Bedeutung zu. So ist der überwiegende Teil der Mindestkapitalanforderungen durch hartes Kernkapital darzustellen. Bevor ein Institut ein neues Instrument des harten Kernkapitals begeben darf, muss die Aufsicht dieser Emission ausdrücklich zustimmen. Dazu bewertet sie, ob das geplante Instrument die Kriterien erfüllt. Die EBA überwacht die Qualität der Eigenmittelinstrumente fortlaufend. Darüber hinaus löst das harte Kernkapital das haftende Eigenkapital als maßgebliche Messgröße und Anknüpfungspunkt für weitere aufsichtliche Anforderungen ab.

CVA-Risiko, Liquidität und Leverage-Ratio

Die CRR sieht grundsätzlich für Over-the-Counter-Derivate (OTC-Derivate) erstmalig eine Eigenmittelunterlegung für das Credit-Valuation-Adjustment-Risiko (CVA-Risiko) vor. Im Unterschied zum Gegenparteiausfallrisiko ist darunter das Risiko zu verstehen, dass sich der positive Wiederbeschaffungswert mindert, weil sich die Kreditrisikoprämie für die Gegenpartei erhöht, ohne dass sie ausfällt.

Nach der CRR gibt es nun zwei Liquiditätskennziffern: Die Liquidity-Coverage-Ratio (LCR) soll die kurzfristige Liquidität über 30 Tage sicherstellen, die Net-Stable-Funding-Ratio (NSFR) die mittel- bis langfristige Liquidität über ein Jahr. Damit wurde erstmals ein EU-weites Liquiditätsregime geschaffen. Beide Kennziffern wurden zunächst als Beobachtungsgrößen eingeführt; sie gelten erst am 1. Januar 2015 (LCR) beziehungsweise am 1. Januar 2018 (NSFR) als verbindliche Mindestanforderungen.

Eine zentrale Forderung der G 20 war die Schaffung einer risikounabhängigen Verschuldungsobergrenze für Institute. Ziel war es zu vermeiden, dass diese sich übermäßig verschulden. Diese Obergrenze wurde mit der Leverage-Ratio eingeführt, die das Kernkapital des Instituts mit der Summe seiner nicht risikogewichteten Risikopositionswerte ins Verhältnis setzt. Auch die Leverage-Ratio wurde zunächst als Beobachtungskennziffer eingeführt. Sie soll 2017 auf Grundlage der bis dahin vorliegenden Daten abschließend überprüft werden. Dann wird über ihre endgültige Ausgestaltung entschieden.

Kreditwesengesetz

Das Kreditwesengesetz und die ihm nachgelagerten Rechtsverordnungen haben aufgrund des Brüsseler Regulierungspakets zwei wesentliche Änderungen erfahren. Zum einen wurden sie um alle Regelungen bereinigt, die in der CRR enthalten sind, und um Verfahrens- und sonstige Regelungen ergänzt, die für die praktische Anwendung der CRR erforderlich sind. Zum anderen wurden die Regelungen im KWG und den Rechtsverordnungen verankert, die zur Umsetzung der CRD IV erforderlich waren. Die wichtigsten Änderungen im KWG1 werden im Folgenden erläutert.

Anwendungsbereich

Das KWG hat traditionell einen weiteren Institutsbegriff als das EU-Recht. In der Vergangenheit waren die nationalen Vorschriften, die auf EU-Richtlinien basierten, in der Regel auf alle Institute im Sinne des KWG anwendbar, wenn § 2 KWG keine ausdrückliche Ausnahme vorsah.

Dieser Grundsatz wurde beibehalten. Da die CRR für die Institute, die in ihren Anwendungsbereich fallen, unmittelbar gilt – diese entsprechen in etwa den bisherigen Einlagenkreditinstituten und Wertpapierhandelsfirmen des KWG –, schließt der neu eingefügte § 1a KWG explizit auch alle sonstigen Institute im Sinne des KWG in den Anwendungsbereich der CRR und der technischen Standards ein. Ausnahmen sind weiterhin explizit in § 2 KWG geregelt.

Eigenmittelausstattung

Von der bisher zentralen Eigenmittelnorm des § 10 KWG verbleiben als wesentliche Bestandteile vor allem die Verordnungsermächtigung für die Solvabilitätsverordnung (SolvV) sowie die neu gefasste Ermächtigungsgrundlage zur Festsetzung erhöhter Eigenmittelanforderungen (§ 10 Absatz 3 KWG).

Diese unterscheidet sich in zwei wesentlichen Punkten vom früheren § 10 Absatz 1b Satz 1 KWG. Zum einen ist die Aufzählung der Tatbestände, die in Frage kommen, nicht mehr abschließend. Zum anderen handelt es sich bei den in § 10 Absatz 3 Satz 2 KWG genannten Tatbeständen um gebundene Entscheidungen, das heißt der BaFin steht kein Entschließungsermessen mehr zu.

Kapitalpuffer

Die §§ 10c bis 10i KWG enthalten die Kapitalpufferanforderungen sowie Regelungen zum Verhältnis der Kapitalpuffer zueinander und die Rechtsfolgen, die eintreten, wenn die Anforderungen unterschritten werden. Im Unterschied zu Basel III, das lediglich den Kapitalerhaltungspuffer und den antizyklischen Kapitalpuffer kennt, sehen die CRD IV und damit auch das KWG insgesamt fünf Kapitalpuffer vor. Neben dem Kapitalerhaltungspuffer und dem antizyklischen Kapitalpuffer sind das der Kapitalpuffer für systemische Risiken, der Kapitalpuffer für global systemrelevante Institute und der Kapitalpuffer für anderweitig systemrelevante Institute. Gemeinsam ist allen Kapitalpuffern, dass durch sie Kapitalpolster aufgebaut werden sollen, die über die Mindestkapitalanforderungen hinausgehen und die in Zeiten wirtschaftlichen Abschwungs oder in Stresssituationen aufgelöst werden können. Das soll die Widerstandskraft der Institute stärken. Gemeinsam ist allen Kapitalpuffern auch, dass sie ausschließlich aus hartem Kernkapital bestehen und zusätzlich zu den Mindestkapitalanforderungen sowie zu sonstigen erhöhten Kapitalanforderungen einzuhalten sind, die eventuell gegenüber dem Institut festgesetzt wurden.

Mit Ausnahme des Kapitalerhaltungspuffers, der gesetzlich auf 2,5 Prozent des Gesamtforderungsbetrages nach Artikel 92 Absatz 3 CRR fixiert ist, müssen alle anderen Kapitalpuffer von der Aufsicht festgesetzt werden. Sie unterscheiden sich sowohl hinsichtlich der Risiken, die sie adressieren, als auch hinsichtlich der Bandbreite ihrer möglichen Höhe. Ab dem 1. Januar 2014 steht zunächst nur der Kapitalpuffer für systemische Risiken zur Verfügung. Die Kapitalpuffer für global oder anderweitig systemrele-vante Institute gelten ab dem 1. Januar 2016. Der Kapitalerhaltungspuffer und der antizyklische Kapitalpuffer werden ab dem 1. Januar 2016 stufenweise eingeführt.

Millionenkreditvorschriften und Governance

Die §§ 14, 19, 20 und 22 KWG enthalten die neu gefassten Regelungen zum Millionenkreditmeldewesen. Diese sehen unter anderem eine Meldeschwelle von einer Million Euro (bisher 1,5 Millionen Euro) ab dem 1. Januar 2015 vor. Zudem definieren sie die Kreditnehmereinheit nun anders als im Großkreditregime. Beides sind rein nationale Regelungen, die nicht auf die CRD IV zurückgehen.

Die CRD IV sieht erweiterte Anforderungen an die Governance der Institute vor. Dies wurde zum Anlass genommen, die bestehende KWG-Regelung klarer zu strukturieren. So enthält § 25a KWG nun nur noch die Regelungen zur Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung. Neu ist hier unter anderem die Vorschrift, dass die Institute eine Compliance-Funktion einrichten müssen. Außerdem wurde eine Obergrenze für variable Vergütungsanteile eingeführt. Die Vorschriften zur Auslagerung von Funktionen wurden in den neuen § 25b KWG überführt. Die §§ 25c und 25d KWG formulieren erstmals ausdrücklich Anforderungen an Geschäftsleiter und Mitglieder von Aufsichts- und Verwaltungsorganen. Sie erstrecken sich von qualitativen Anforderungen an Mandatsträger über konkrete Pflichten für die Mandatsausübung bis hin zu Mandatsbeschränkungen und Regelungen zu Inkompatibilitäten. Die ­neuen Anforderungen sollen den Schwachstellen in der Mandatsführung der Geschäftsleiter und Mitglieder der Aufsichtsorgane entgegenwirken, die während der Finanzmarktkrise offenbar wurden. Sie sollen insbesondere sicherstellen, dass die genannten Personen nicht nur hinreichend qualifiziert sind, sondern dass sie auch ausreichend Zeit haben, um ihr Mandat angemessen auszuüben.

Sanktionen

Grundlegend überarbeitet wurde auch die Bußgeldvorschrift des § 56 KWG. Zum einen wurden Verstöße gegen die Handlungspflichten nach der CRR in den Katalog der bußgeldbewehrten Ordnungswidrigkeiten aufgenommen. Zum anderen wurde der Bußgeldrahmen deutlich erhöht. Die Geldbuße soll den wirtschaftlichen Vorteil übersteigen, den der Täter aus der Ordnungswidrigkeit gezogen hat. Soweit der im KWG vorgesehene Bußgeldrahmen hierzu nicht ausreicht, kann er bei natürlichen Personen auf maximal 5 Millionen Euro und bei juristischen Personen sogar auf bis zu 10 Prozent des Nettoumsatzes des Geschäftsjahres erhöht werden, das der Ordnungswidrigkeit vorausging, oder aber auf das Zweifache des Mehrerlöses.

Neu ist außerdem die in § 60b KWG enthaltene Regelung, wonach die BaFin jede bestandskräftige bankaufsichtliche Maßnahme und jedes unanfechtbare Bußgeld öffentlich bekanntzugeben hat. Zum Schutz höherwertiger Rechtsgüter und Interessen kann die Veröffentlichung im Einzelfall anonymisiert erfolgen.

Übergangsvorschriften

Wie Basel III sieht auch die CRR grundsätzlich vor, dass die neuen Eigenmittelanforderungen stufenweise eingeführt werden. Mit Blick auf die Anforderungen, die schon bisher in den einzelnen Mitgliedstaaten galten, räumt die CRR den zuständigen Aufsichtsbehörden das Recht ein festzulegen, wie schnell der Übergang erfolgen soll.

Die BaFin hat sich bei ihrer Entscheidung an den Vorgaben aus Basel III orientiert. Sie ist in den §§ 23 ff. SolvV (neu) niedergelegt.

Hinweis

Der Beitrag gibt den Sachstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung im BaFinJournal wieder und wird nicht nachträglich aktualisiert. Bitte beachten Sie die Allgemeinen Nutzungsbedingungen.

  1. 1Wichtige Änderungen im Kreditwesengesetz (KWG)*
  • Anwendungsbereich (§ 1a KWG, Ausnahmen: § 2 KWG)
  • Eigenmittelausstattung (§ 10 KWG)
  • Kapitalpuffer (§§ 10c bis 10i KWG)
  • Millionenkreditvorschriften (§§ 14, 19, 20, 22 KWG)
  • Governance (§§ 25a ff. KWG)
  • Sanktionen (§ 56, 60b KWG)

*Übergangsvorschriften: § 23 ff. Solvabilitätsverordnung

Autor: Birgit Höpfner, BaFin

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