BaFin - Navigation & Service

Erscheinung:29.04.2014 Einheitlicher Aufsichtsmechanismus: „Direkte Auswirkungen für kleinere Institute sind begrenzt“

Am 4. November 2014 soll der Einheitliche Aufsichtsmechanismus (Single Supervisory MechanismSSM) starten, der aus der Europäischen Zentralbank (EZB) und den nationalen Aufsichtsbehörden bestehen wird. Für voraussichtlich 24 deutsche Bankengruppen und die ihnen angehörenden Einzelinstitute bedeutet dies, dass sie künftig direkt von der EZB beaufsichtigt werden. Aber wie wirkt sich der SSM auf die circa 1.650 kleineren deutschen Kreditinstitute aus?

Was diese Institute angeht, werden die nationalen Aufsichtsbehörden zwar ihre Zuständigkeiten behalten. Doch ich bin mir bewusst, dass der Übergang zu einer gemeinsamen europäischen Aufsichtsstruktur zu einer gewissen Unsicherheit führt. Viele Institute befürchten, dass der SSM zu einer vollständigen europaweiten Harmonisierung von Aufsichtsstandards und -praktiken führen wird, die den Besonderheiten des deutschen Bankensektors nicht gerecht wird, sondern sich an grenzüberschreitend tätigen Großbanken orientiert. Ebenso besteht die Sorge, dass die EZB über die nationalen Aufsichtsbehörden auch von kleineren Instituten Daten in großem Umfang abfragen wird.

Dass es diese Ängste gibt, ist nachvollziehbar, schließlich stehen wir vor einer fundamentalen Umstrukturierung der europäischen Bankenaufsicht. Und wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass eine Reform dieses Ausmaßes an keinem Institut spurlos vorbeigehen kann. Ich bin aber der Überzeugung, dass es uns in den europäischen Beratungen gelungen ist, die Auswirkungen auf die kleineren Institute auf ein angemessenes Maß zu begrenzen. Eine direkte Kommunikation mit der EZB wird für diese Institute die Ausnahme bleiben, und sie kann auch künftig unverändert auf Deutsch erfolgen. Die bekannten Ansprechpartner bei BaFin und Bundesbank bleiben weiterhin zuständig, so dass sich in der täglichen Aufsichtspraxis wohl nur wenig ändern wird. Die EZB wird zwar auch Informationen über die Institute sammeln, die sie nicht direkt beaufsichtigt, dies aber im Regelfall über die nationalen Aufsichtsbehörden tun. Der SSM wird also nicht per se zusätzliche Meldeerfordernisse mit sich bringen, insbesondere nicht nach den Vorschriften der International Financial Reporting Standards (IFRS).

Zuständigkeiten

Grundsätzlich ist es zwar so, dass unter den SSM alle Kreditinstitute der Eurozone fallen. Aber nur bedeutende Institute (Significant Institutions) werden von gemeinsamen Aufsichtsteams beaufsichtigt, die die EZB leitet. Weniger bedeutende Institute (Less Significant Institutions – LSIs) unterstehen weiterhin federführend der Aufsicht der nationalen Aufsichtsbehörden. Die EZB ist dafür verantwortlich, dass der Einheitliche Aufsichtsmechanismus wirksam und einheitlich funktioniert. Sie ist verpflichtet, dabei mit den nationalen Aufsichtsbehörden zusammenzuarbeiten und Informationen auszutauschen. Das gilt auch in Bezug auf die weniger bedeutenden Institute.

In Deutschland wird ein Institut dann als bedeutend eingestuft, wenn der Gesamtwert seiner Aktiva auf der höchsten Konsolidierungsebene innerhalb der SSM–Staaten 30 Milliarden Euro überschreitet. Somit wird auch ein Kreditinstitut, dessen Bilanzsumme auf Soloebene unter dem Schwellenwert liegt, als bedeutend klassifiziert, wenn es zu einer bedeutenden Gruppe gehört. Insgesamt werden davon circa 65 Einzelinstitute mit Sitz in Deutschland erfasst sein. Etwa 1.650 deutsche Institute sind demnach weniger bedeutend. Die nationalen Aufsichtsbehörden bleiben ihnen gegenüber für alle Aufsichtsbeschlüsse zuständig. Davon ausgenommen sind die Erteilung und der Entzug von Zulassungen sowie die Prüfung des Erwerbs qualifizierter Beteiligungen (Inhaberkontrollverfahren). Hier findet bei allen Instituten ein einheitliches Verfahren Anwendung, in dem die EZB für die formalen Entscheidungen zuständig ist. Die nationalen Aufsichtsbehörden bereiten diese vor und unterstützen die EZB.

Die EZB darf nur auf Grundlage von direkt anwendbarem europäischem Recht handeln oder auf Basis von nationalem Recht, mit dem europäische Richtlinien umgesetzt werden. Direkt anwendbares europäisches Recht sind zum einen Verordnungen, wie die Eigenmittelverordnung CRR (Capital Requirements Regulation), und zum anderen Technische Standards. Prominentes Beispiel für eine europäische Richtlinie ist die Eigenmittelrichtlinie CRD IV (Capital Requirements Directive IV). Für nationale Sonderregelungen wie das Bausparkassengesetz oder das Pfandbriefgesetz bleibt die BaFin zuständig. Das gleiche gilt für Befugnisse nach nationalem Recht, die über die europäischen Vorgaben hinausgehen, zum Beispiel beim Krisenmanagement oder der Abwicklung und Sanierung von Kreditinstituten.

Harmonisierung

Bei der EZB wird das Generaldirektorat DG Micro III unter der Leitung von Jukka Vesala für die weniger bedeutenden Institute zuständig sein. Da die Aufsicht über LSIs bei den nationalen Aufsichtsbehörden verbleibt, werden die Mitarbeiter von DG Micro III vor allem den Kontakt mit diesen Behörden pflegen und sich so ein Bild von der Aufsichtspraxis im SSMRaum verschaffen.

Ziel der EZB wird und muss es sein, aufsichtliche Praktiken langfristig zu harmonisieren. Aus Sicht der BaFin ist ein gewisser Grad an aufsichtlicher Harmonisierung in einem integrierten Aufsichtssystem unverzichtbar. Harmonisierung darf aber kein Selbstzweck sein. Gewachsene und bewährte nationale Strukturen müssen im SSM Berücksichtigung finden, und nur Gleiches sollte gleich beaufsichtigt werden.

In der BaFin konzentriert sich die Aufsicht über weniger bedeutende Institute vor allem auf die Abteilungen BA 3 und BA 4 des Aufsichtsbereichs Bankenaufsicht.

Regelmäßige Berichte an die EZB

Aus der SSM-Rahmenverordnung ergibt sich, dass die nationalen Aufsichtsbehörden die EZB zu informieren haben, wenn sie ein „wesentliches Aufsichtsverfahren“ einleiten oder einen „wesentlichen Aufsichtsbeschluss“ erlassen wollen. Die EZB kann dazu Stellung nehmen, aber keine bindenden Handlungsempfehlungen geben. Sie wird eine Methodik zur Risikoklassifizierung entwickeln, auf deren Basis konkret festgelegt wird, für welche Institute welche Verfahren und Beschlüsse zu melden sind.

Die Artikel 99 und 100 der SSM-Rahmenverordnung regeln außerdem die „ex post“-Berichtspflichten der nationalen Aufsichtsbehörden. Auch hier wird die EZB festlegen, für welche Institute welche Informationen zu melden sind und in welchem Rhythmus dies erfolgen soll. Über jedes Institut wird es zumindest einen jährlichen Bericht geben, wobei die EZB von den nationalen Aufsichtsbehörden einen gesammelten Bericht zu einer bestimmten „Kategorie“ von weniger bedeutenden Instituten anfordern kann.

Diese Berichtspflichten richten sich ausschließlich an die national zuständigen Behörden und nicht an die Institute selbst. Auch die geplante SSM-eigene Risikoklassifizierung für weniger bedeutende Institute hat zunächst keine Auswirkung auf die Institute. Die BaFin beabsichtigt, den bisherigen Ansatz der Risikoeinstufung bis auf Weiteres beizubehalten.

Einfluss der EZB

Die EZB hat die Gesamtverantwortung für das Funktionieren des SSM und übt aus diesem Grund eine allgemeine Aufsicht über die nationalen Aufsichtsbehörden aus. Artikel 6 Absatz 5 Buchstabe a der SSM-Verordnung listet die rechtlichen Instrumente auf, die ihr dabei zur Verfügung stehen. Mit Hilfe von bindenden Leitlinien und von nicht bindenden allgemeinen Weisungen kann sie den nationalen Aufsichtsbehörden Vorgaben dazu machen, wie diese die Aufsicht über weniger bedeutende Institute ausüben sollen. Auf diesem Weg kann die EZB zum Beispiel Vorgaben zu Aufsichtsschwerpunkten machen oder allgemeine Grundsätze für die Bewertung bestimmter Sachverhalte aufstellen. Sie kann eine nationale Aufsichtsbehörde jedoch nicht zu bestimmten Aufsichtshandlungen oder zum Erlass eines bestimmten Beschlusses auffordern. Sie hat also keine Einzelfallweisungsbefugnis.

Ist die EZB der Auffassung, dass eine nationale Aufsichtsbehörde die Aufsichtsstandards des SSM nicht einhält, hat sie das Recht, die direkte Aufsicht über ein weniger bedeutendes Institut vollständig an sich zu ziehen. Von dieser Möglichkeit dürfte die EZB aber nur in Ausnahmefällen Gebrauch machen. Um festzustellen, ob eine nationale Aufsichtsbehörde die Aufsichtsstandards des SSM einhält, kann die EZB auch gegenüber weniger bedeutenden Instituten auf die Untersuchungsbefugnisse der SSM-Verordnung zurückgreifen, also insbesondere auf Informationsersuchen und allgemeine Untersuchungen, im Einzelfall aber auch auf Vor-Ort-Prüfungen. Die EZB und die nationalen Aufsichtsbehörden müssen ihre Untersuchungen in diesem Fall koordinieren.

Sprache

Die Arbeitssprache der EZB und des Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB) ist Englisch. Daher wurde entschieden, auch im SSM Englisch als Arbeitssprache in der Kommunikation zwischen EZB und nationalen Behörden zu verwenden.

Die Parteien eines Aufsichtsverfahrens hingegen, also Antragsteller oder Adressaten eines EZB-Aufsichtsbeschlusses, können in jeder beliebigen Amtssprache der EU mit der EZB kommunizieren. Dies ergibt sich aus der Verordnung zur Sprachenfrage der EU und der SSM-Rahmenverordnung.

Aufsichtsgebühren

In den nächsten Wochen wird die EZB ihre Überlegungen zur Erhebung von Aufsichtsgebühren offen legen. Zahlen müssen sowohl die Kreditinstitute in den teilnehmenden Mitgliedstaaten als auch Zweigstellen von Instituten aus nicht teilnehmenden Mitgliedstaaten. Dies schließt weniger bedeutende Institute ein, da der EZB auch durch die „indirekte“ Aufsicht über LSIs in der Generaldirektion Micro III Kosten entstehen. Diese müssen durch Aufsichtsgebühren gedeckt werden, die nicht auf die bedeutenden Institute umgelegt werden können. Die BaFin wirbt dafür, besonders kleine Institute von der Erhebung auszunehmen.

Die Berechnung der Gebühren wird in einer gesonderten Verordnung geregelt, zu der die EZB in Kürze eine öffentliche Konsultation durchführen wird. Ihre Höhe wird sich jedenfalls nach der Bedeutung und dem Risikoprofil des jeweiligen Instituts richten.

Datenerhebung

Um ihre Aufgaben zu erfüllen, erwägt die EZB, mittelfristig nicht nur von den bedeutenden Instituten, sondern auch von den weniger bedeutenden Instituten regelmäßig Daten zu erheben. Aufgrund der neuen Finanzinformationenverordnung (FinAV) liegen der deutschen Aufsicht hier bereits umfangreiche Daten vor.

Die Zuständigkeit für das Meldewesen verbleibt für LSIs grundsätzlich auf nationaler Ebene. Weniger bedeutende Institute werden ihre Daten also wie bisher ausschließlich an die nationalen Aufsichtsbehörden übermitteln. Diese können die Daten jedoch an die EZB weiterleiten. Bei der Entscheidung, welche Daten das sein werden, wird die EZB das Proportionalitätsprinzip beachten, also der Größe und dem Geschäftsmodell des einzelnen Instituts Rechnung tragen. Das bedeutet: Die Institute werden gerade nicht dazu verpflichtet, Daten zu liefern, über die sie nicht verfügen. Beispielsweise kann von einem Institut, das nach dem Handelsgesetzbuch (HGB) bilanziert, nicht erwartet werden, IFRS-Angaben zu übermitteln.

Proportionalität und Subsidiarität

Die Veränderungen, die der Übergang zum Einheitlichen Europäischen Aufsichtsmechanismus mit sich bringt, werden also auch die weniger bedeutenden Institute tangieren. Das ist bei einer derart nachhaltigen Veränderung der Aufsichtsstruktur auch gar nicht anders möglich. Der SSM wurde aber nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Prinzipien der Proportionalität und Subsidiarität bewusst so ausgestaltet, dass die direkten Auswirkungen für die kleineren Institute begrenzt bleiben. Da die Ansprechpartner bei der BaFin und der Deutschen Bundesbank weiter in der Verantwortung sind, wird ein direkter Kontakt mit der EZB für diese Institute die Ausnahme bleiben.

Auch bei der konkreten Aufsichtstätigkeit wird es zunächst bei den bewährten Prozessen bleiben. Hier liegt im SSM aber auch die Chance, im europäischen Dialog gemeinsam bessere und effektivere Aufsichtspraktiken zu entwickeln. Wenn es mit dem Übergang zu einer integrierten europäischen Aufsicht gelingt, das Finanzsystem der Eurozone zu stabilisieren, ist das etwas, wovon alle profitieren.

Hinweis

Der Beitrag gibt den Sachstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung im BaFinJournal wieder und wird nicht nachträglich aktualisiert. Bitte beachten Sie die Allgemeinen Nutzungsbedingungen.

Autor: Dr. Elke König, Präsidentin der BaFin

Zusatzinformationen

Fanden Sie den Beitrag hilfreich?

Wir freuen uns über Ihr Feedback

Es hilft uns, die Webseite kontinuierlich zu verbessern und aktuell zu halten. Bei Fragen, für deren Beantwortung wir Sie kontaktieren sollen, nutzen Sie bitte unser Kontaktformular.

Wir freuen uns über Ihr Feedback