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Erscheinung:02.06.2014 | Thema Verbraucherschutz Crowdfunding: Aufsichtsrechtliche Pflichten und Verantwortung des Anlegers

Immer mehr Anleger beteiligen sich an Crowdfunding-Projekten. Der Begriff Crowdfunding, wörtlich übersetzt Schwarmfinanzierung, bezeichnet eine Finanzierungsform, bei der eine Vielzahl von Geldgebern ein konkretes Projekt finanziert. In der Regel werden die Gelder über Crowdfunding-Plattformen im Internet eingesammelt.

Crowdfunding kann Anlegern Vorteile bieten und den Markt um neue, kreative Konzepte bereichern helfen. Allerdings sind mit dieser Finanzierungsform nicht nur bestimmte Pflichten, sondern auch grundsätzliche Risiken verbunden, handelt es sich doch um Angebote des Grauen Kapitalmarktes. Investoren sollten diese Risiken kennen und sorgsam abwägen, bevor sie sich für eine Anlage entscheiden.

Kreative, kulturelle und soziale Projekte

Initiatoren von Projekten nutzen Crowdfunding zunehmend als Alternative oder Ergänzung zu klassischen Finanzierungsquellen wie Krediten, Risikokapital, Business-Angels oder Fördergeldern. Gerade für kreative, kulturelle und soziale Projekte ist Crowdfunding oft attraktiv, da es kaum Finanzierungsangebote gibt, die auf ihren spezifischen Bedarf zugeschnitten sind. Darüber hinaus wird diese Finanzierungsform von vielen Start-Up-Unternehmen und Initiatoren innovativer Projekte genutzt, die die Anforderungen für herkömmliche Finanzmarktinstrumente häufig nicht erfüllen können, was etwa geprüfte Jahresabschlüsse oder Sicherheiten betrifft.

Ein prominentes Beispiel für Crowdfunding ist der Kinofilm zur TV-Serie Stromberg. Die Produktionsfirma rief im Dezember 2011 im Internet zur Finanzierung des Films auf. Bis März 2012 wollte das Unternehmen eine Million Euro sammeln. Dieses Ziel war bereits nach einer Woche erreicht.

Doch die Idee des Crowdfunding ist viel älter. Ein bekanntes und historisch dokumentiertes Crowdfunding-Projekt ist die Finanzierung des Podests der Freiheitsstatue in New York. Da sich die Finanzierung des Sockels zunächst als schwierig erwies, rief der Herausgeber der Zeitung „New York World“, Josef Pulitzer, im März 1885 eine Spendenkampage ins Leben, die 100.000 US-Dollar einbringen sollte. Denjenigen, die sich mit einer Spende in beliebiger Höhe an der Finanzierung beteiligten, winkte eine Erwähnung in der Zeitung. Die Aktion hatte Erfolg: Der Sockel der Freiheitsstatue wurden von 120.000 Menschen finanziert, die sich durchschnittlich mit weniger als einem US-Dollar beteiligten.

Arten des Crowdfunding

Crowdfunding-Plattformen sind sehr vielfältig ausgestaltet. In der Praxis unterscheidet man heute im Wesentlichen vier Modelle: das spendenbasierte und das gegenleistungsbasierte Crowdfunding, die auch als Crowdsponsoring bezeichnet werden, sowie das kreditbasierte Crowdfunding (Crowdlending) und das Crowdinvesting, bei denen der Geldgeber auf eine finanzielle Rendite spekuliert. Crowdfunding-Plattformen und -Projekte lassen sich dabei nicht immer eindeutig einem Modell zuordnen. Aufsichtsrechtlich liegt das Augenmerk auf dem Crowdlending und dem Crowdinvesting. Die folgenden Ausführungen beziehen sich daher nur auf diese beiden Modelle.

Crowdfunding - Vier Modelle

  1. Spendenbasiertes Crowdfunding: Das Publikum spendet in einem bestimmten Zeitraum für ein konkretes Projekt Geld, ohne hierfür eine Gegenleistung zu erhalten.
  2. Gegenleistungsbasiertes Crowdfunding: Die Geldgeber erhalten eine symbolische, nicht-monetäre Gegenleistung, wie beispielsweise die Nennung ihres Namens im Abspann eines mitfinanzierten Films oder persönliche Gegenstände des Künstlers, dessen Werk mitfinanziert wurde.
  3. Kreditbasiertes Crowdfunding (Crowdlending): Die Geldgeber erhalten das Versprechen, dass ihnen der Betrag mit oder ohne Zinsen zurückgezahlt wird.
  4. Crowdinvesting: Der Geldgeber erhält eine Beteiligung an zukünftigen Gewinnen des finanzierten Projekts oder, wenn das Investment mit Wertpapieranlagen verbunden ist, Anteile oder Schuldinstrumente.

Erlaubnispflicht

Bei Crowdlending- oder Crowdinvesting-Finanzierungen prüft die BaFin anhand der jeweiligen Vertragsvereinbarungen, ob eine Erlaubnispflicht besteht. Nach § 32 Absatz 1 Kreditwesengesetz (KWG) bedarf der schriftlichen Erlaubnis der BaFin, wer im Inland gewerbsmäßig oder in einem Umfang, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, Bankgeschäfte betreiben oder Finanzdienstleistungen erbringen will.

Geschäfte werden dann gewerbsmäßig betrieben, wenn der Betrieb auf eine gewisse Dauer angelegt ist und der Betreiber einen Gewinn erzielen will. Indiz für die Gewinnerzielungsabsicht ist insbesondere, dass der Betreiber für seine Dienstleistung Geld verlangt. Ob der Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, richtet sich insbesondere nach Art und Umfang der Geschäftstätigkeit. Für die Erlaubnispflicht ist jedoch unerheblich, ob der Betrieb tatsächlich kaufmännisch geführt wird.

Hinweis: Individuelle Prüfung
Die einzelnen Crowdfunding-Plattformen sind sehr unterschiedlich ausgestaltet. Dieser Beitrag gibt darum nur einen allgemeinen Überblick über die möglichen Erlaubnispflichten. Verbindliche Aussagen zur Erlaubnispflicht kann die BaFin nur nach Prüfung im Einzelfall treffen.

Crowdlending

Grundsätzlich ist für die reine Vermittlung von Krediten keine Erlaubnis nach dem KWG erforderlich, allerdings gegebenenfalls nach § 34c der Gewerbeordnung (GewO). Demnach beaufsichtigt die BaFin Kreditvermittlungsplattformen im Regelfall nicht. Je nach vertraglicher Ausgestaltung können jedoch bankaufsichtsrechtliche Erlaubnispflichten sowohl für die Nutzer als auch für den Betreiber der Plattform bestehen (vgl. BaFin-Merkblatt zur Erlaubnispflicht der Betreiber und Nutzer einer internetbasierten Kreditvermittlungsplattform). Beachten sie diese nicht, kann die BaFin sowohl gegen die Betreiber und Nutzer als auch gegen die Kreditvermittlungsplattform als eingebundenes Unternehmen Maßnahmen nach § 44c und § 37 KWG ergreifen. Dazu gehören Auskunfts- und Verlegungsersuchen, Prüfungen und Durchsuchungen sowie, wenn erlaubnispflichtige Geschäfte ohne Erlaubnis betrieben werden, die Einstellung und Abwicklung der Geschäfte.

Geldgeber für Crowdlending-Projekte, die dieses Geschäft gewerbsmäßig oder in einem Umfang betreiben, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, betreiben das erlaubnispflichtige Kreditgeschäft im Sinne von § 1 Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 KWG, da sie ein Gelddarlehen gewähren (vgl. BaFin-Merkblatt zum Tatbestand des Kreditgeschäfts), oder erbringen mit dem Ankauf von Kreditforderungen auf der Grundlage eines Rahmenvertrags das erlaubnispflichtige Factoring im Sinne des § 1 Absatz 1a Satz 2 Nr. 9 KWG (vgl. BaFin-Merkblatt zum Tatbestand des Factoring).

Kreditnehmer, die über die Plattform, gewerbsmäßig oder in einem Umfang, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, Gelder aufnehmen, betreiben mit der Annahme des Darlehenskapitals möglicherweise ebenfalls ein Bankgeschäft, nämlich das erlaubnispflichtige Einlagengeschäft im Sinne des § 1 Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 KWG (vgl. BaFin-Merkblatt zum Tatbestand des Einlagengeschäfts), da sie fremde oder andere unbedingt rückzahlbare Gelder des Publikums annehmen.

Darüber hinaus gibt es für die Vermittlung von Einlagengeschäften in einen Drittstaat unter § 1 Absatz 1a Satz 2 Nr. 5 KWG einen besonderen Tatbestand, die Drittstaateneinlagenvermittlung (vgl. BaFin-Merkblatt zum Tatbestand der Drittstaateneinlagenvermittlung).

Crowdinvesting

Je nach Ausgestaltung der Crowdfunding-Plattform können auch für das Crowdinvesting bankaufsichtsrechtliche Erlaubnispflichten bestehen. Unter Umständen erbringt der Plattformbetreiber erlaubnispflichtige Finanzdienstleistungen wie die Anlagevermittlung im Sinne des § 1 Absatz 1a Satz 2 Nr. 1 KWG (vgl. BaFin-Merkblatt zum Tatbestand der Anlagevermittlung), die Abschlussvermittlung im Sinne des § 1 Absatz 1a Satz 2 Nr. 2 KWG (vgl. BaFin-Merkblatt zum Tatbestand der Abschlussvermittlung) oder das Platzierungsgeschäft im Sinne des § 1 Absatz 1a Satz 2 Nr. 1c KWG (vgl. BaFin-Merkblatt zum Tatbestand des Platzierungsgeschäfts). Dies setzt jedoch voraus, dass es sich bei den Unternehmensbeteiligungen, die über die Plattform angeboten werden, um Finanzinstrumente im Sinne des § 1 Absatz 11 KWG (vgl. BaFin-Merkblatt zu Finanzinstrumenten nach § 1 Absatz 11 Satz 1 Nummern 1 bis 7 KWG) handelt. Auch wenn der Plattformbetreiber einen der genannten Erlaubnistatbestände erfüllt, unterliegt er nach § 2 Absatz 6 KWG nicht der Erlaubnispflicht nach dem KWG, wenn er ausschließlich die Anlage- oder Abschlussvermittlung erbringt und sich kein Eigentum oder Besitz an den Geldern verschafft oder wenn er das Platzierungsgeschäft ausschließlich für Anbieter oder Emittenten erbringt. Das ist bei den Beteiligungen, die derzeit angeboten werden, meist der Fall. Allerdings besteht für Finanzanlagenvermittler gegebenenfalls eine Erlaubnispflicht nach § 34f GewO.

Auch können Erlaubnispflichten nach dem Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG) bestehen, wenn der Betreiber der Crowdfunding-Plattform Gelder von Anlegern entgegennimmt und an die Anbieter der Unternehmensbeteiligung weiterleitet und so das Finanztransfergeschäft erbringt (vgl. BaFin-Merkblatt mit Hinweisen zum ZAG). Auch das Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) sieht Pflichten vor, die gegebenenfalls zu beachten sind.

Anbieter oder Emittenten der Beteiligung sollten zudem die Prospektpflicht berücksichtigen, die nach dem Wertpapierprospektgesetz (WpPG) oder nach dem Vermögensanlagengesetz (VermAnlG) für öffentliche Angebote ab 100.000 Euro gilt. Ist ein Angebot für Vermögensanlagen prospektpflichtig, hat der Anbieter außerdem ein Vermögensanlagen-Informationsblatt zu erstellen, bevor das öffentliche Angebot startet.

Verantwortung des Anlegers

Crowdfunding kann sowohl den Geldnehmern als auch den Geldgebern Vorteile bieten. Für die Unternehmen ist es eine zusätzliche Möglichkeit, Projekte zu finanzieren, und dient häufig als erster Markttest. Den Geldgebern bietet es die Möglichkeit, Projekte gezielt zu unterstützen – auch solche, an denen sich private Anleger bislang nicht beteiligen konnten.

Maßnahmenpaket der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat vor wenigen Tagen ein Maßnahmenpaket zur Verbesserung des Schutzes von Kleinanlegern vorgestellt (siehe Fachartikel Verbraucherschutz). Ziel ist es unter anderem, Regelungslücken und Umgehungsmöglichkeiten zu beseitigen. Soweit davon auch Crowd-Finanzierungen betroffen sind, sollen Lösungen gefunden werden, die die Anleger schützen, aber auch den Bedürfnissen der jungen Unternehmen gerecht werden, die sich über Crowd-Investitionen finanzieren.

Bevor sich Anleger für eine Investition entscheiden, sollten sie aber die damit verbundenen Chancen und Risiken sorgsam abwägen. Ihnen muss bewusst sein, dass die meisten Plattformen erlaubnisfrei ausgestaltet sind und es sich somit um Angebote des Grauen Kapitalmarkts handelt. Vom Grauen Kapitalmarkt spricht man, wenn Anbieter keine Erlaubnis der BaFin benötigen und nur wenige gesetzliche Vorschriften erfüllen müssen (siehe Fachartikel Grauer Kapitalmarkt).

Anlagen am Grauen Kapitalmarkt sind zwar nicht per se mit einem größeren Risiko verbunden. Der Anleger begibt sich aber in ein Marktsegment, das nicht staatlich reguliert wird. Weder die Produkte noch die Seriosität und Bonität der Anbieter und Investoren werden kontrolliert. Zudem gibt es keine laufende Aufsicht, keine Bilanzkontrollen und keine Einlagensicherung. Das erleichtert es leider auch dubiosen Anbietern, ihre Produkte auf dem Grauen Kapitalmarkt zu platzieren (siehe BaFin-Broschüre Grauer Markt und schwarze Schafe). Dies sollte sich jeder Anleger klar machen, bevor er seine Investitionsentscheidung trifft. Er selbst steht in der Verantwortung, ein Produkt zu wählen, das seiner persönlichen Risikobereitschaft und seinen Anlagezielen entspricht.

Hinweis

Der Beitrag gibt den Sachstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung im BaFinJournal wieder und wird nicht nachträglich aktualisiert. Bitte beachten Sie die Allgemeinen Nutzungsbedingungen.

Autor: V. Müller-Schmale, BaFin

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Rechtsgrundlagen

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Merkblätter zur Erlaubnispflicht

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