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Erscheinung:01.08.2014 | Thema Unternehmensübernahmen Unternehmensübernahmen: BaFin-Studie - Deutliche Preisreaktionen auf Übernahmemeldungen

Unternehmensübernahmen gehören zum Alltagsgeschäft an der Börse. Diese sind für die Aktionäre der Unternehmen, die übernommen werden, oft gewinnbringend, da in der Regel eine Prämie auf den letzten Börsenpreis der Aktien vor Veröffentlichung der Übernahmemeldung gezahlt wird. Denn nur, wenn dieser Angebotspreis attraktiv ist, kann die übernehmende Gesellschaft davon ausgehen, dass die Aktionäre der Zielgesellschaft ihr Angebot annehmen.

Doch wie wirken sich diese Prämien auf die Börsenpreise der Zielgesellschaften aus? Welche Preiseffekte hatten Übernahmemeldungen vor und nach der Finanzkrise? Die BaFin hat sich in einer Studie mit diesen Fragen beschäftigt. Sie untersuchte dazu die Preiseffekte aller Wertpapiererwerbs-, Übernahme- und Pflichtangebote nach dem Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG), die in den Jahren 2002 bis 2012 in Deutschland abgegeben wurden. Bei insgesamt 392 veröffentlichten Übernahmeangeboten verglich sie jeweils den ersten Börsenschlusskurs der Aktie der Zielgesellschaft nach der Bekanntgabe der Übernahme mit deren Börsenschlusspreisen einen Tag, eine Woche und einen Monat zuvor.

Angebotsarten nach dem WpÜG

  • Übernahmeangebot: Bei einem Übernahmeangebot richtet ein Bieter ein öffentliches Angebot an die Aktionäre eines Unternehmens, um die Kontrolle über eine Zielgesellschaft zu erlangen. Ziel des Bieters ist es, die Stimmrechtsschwelle von 30 Prozent zu überschreiten, ab der angenommen wird, dass er die Kontrolle über das Unternehmen erlangt hat.
  • Pflichtangebot: Hat eine Bietergesellschaft die 30-Prozent-Schwelle überschritten, muss sie ein Pflichtangebot abgeben. Dies gilt jedoch nur, wenn sie die Kontrolle aufgrund von Anteilskäufen an der Börse oder durch den Erwerb von Aktienpaketen erlangt hat. Wurde die 30-Prozent-Schwelle dagegen aufgrund eines Übernahmeangebots überschritten, braucht der Bieter kein zusätzliches Pflichtangebot abzugeben.
  • Wertpapiererwerbsangebot: Bei einem Wertpapiererwerbsangebot ist der Erwerb der Aktien nicht darauf ausgerichtet, die Kontrolle über ein Unternehmen zu erlangen. Es kommt beispielsweise dann in Betracht, wenn eine Bietergesellschaft den Anteil an der Zielgesellschaft von 15 auf 25 Prozent aufstocken will oder wenn sie bereits einen Anteil von 55 Prozent innehat und den Anteil auf 70 Prozent anheben möchte.

Aggregierte Betrachtung

Der durchschnittliche Preiseffekt auf die Börsenpreise der Aktien der Zielgesellschaften einen Monat vor Bekanntgabe der Übernahme lag bei 26,36 Prozent, eine Woche vor Bekanntgabe bei 18,96 Prozent und einen Handelstag vor Bekanntgabe bei 14,84 Prozent.

Wie in Grafik 1 dargestellt, weichen die Werte des Medians1 deutlich von denen des arithmetischen Mittels2 ab. Dies liegt an der glättenden Wirkung des Medians, bei dem Ausreißer einen kleineren Einfluss auf den berechneten Wert haben als beim arithmetischen Mittel. Da sich bei den beobachteten Preiseffekten mehr und wertmäßig höhere Ausreißer im positiven Bereich befinden, liegt der Median unter den Werten des arithmetischen Mittels.

Grafik 1: Aggregierte Preiseffekte 2002 bis 2012

Grafik 1: Aggregierte Preiseffekte 2002 bis 2012 BaFin Grafik 1: Aggregierte Preiseffekte 2002 bis 2012

Sowohl beim arithmetischen Mittel als auch beim Median werden die Preiseffekte geringer, je näher der Termin der Bekanntgabe der Übernahme rückt, da die Börsenpreise der Zielgesellschaften im Vorfeld einer Übernahme in der Regel steigen. Die Gründe hierfür können vielfältig sein. Denkbar ist etwa, dass der Bieter bereits Aktien der Zielgesellschaft an der Börse kauft, bevor er das Übernahmeangebot abgibt (börslicher Vorerwerb). Die erhöhte Nachfrage kann zu Preissteigerungen der Aktie an der Börse führen. Ursachen für steigende Aktienkurse vor einer Übernahmemeldung können aber auch verbotener Insiderhandel – also Aktienkäufe von Personen, die bereits vor Bekanntgabe der Übernahme davon erfahren haben –, Übernahmegerüchte oder Informationslecks sein. Gerüchte über bevorstehende Übernahmen sind immer wieder zu beobachten. Sie entstehen beispielsweise dann, wenn börsliche Vorerwerbe eines Bieters bekannt werden und der Markt daher damit rechnet, dass ein Übernahmeangebot bevorsteht.

Die Studie zeigt also, dass die Veröffentlichung von Übernahmemeldungen deutliche Preissteigerungen bei den Aktien der Zielgesellschaften auslöst. In der Praxis steigt der Börsenpreis nach der erstmaligen Bekanntgabe der Übernahme meist auf den Angebotspreis des Bieters. Grund hierfür ist, dass nach Bekanntgabe der Übernahme kein Aktionär mehr bereit ist, die Aktien zu einem niedrigeren Preis zu verkaufen. Teilweise lagen die ersten Börsenschlusskurse nach Bekanntgabe sogar über den Angebotspreisen. Diese Unterschiede können beispielsweise dann entstehen, wenn die Bietergesellschaft den Angebotspreis bei der ersten Bekanntgabe der Übernahme noch nicht nennt und die Marktteilnehmer diesen anfangs zu hoch einschätzen. Denkbar ist aber auch, dass die Anleger damit rechnen, dass sich der Angebotspreis im Laufe des Übernahmeverfahrens erhöhen wird oder es zu einem Bieterwettstreit kommt.

Preiseffekte in den einzelnen Jahren

Während die aggregierten Preiseffekte die Ergebnisse früherer Studien bestätigen, gelangte die BaFin bei der Betrachtung der einzelnen Jahre zu neuen Erkenntnissen. Aus Tabelle 1 ist ersichtlich, dass in allen Jahren des Beobachtungszeitraums für alle Preiseffekte (Tag, Woche, Monat) Preissteigerungen nachgewiesen werden können. Die Spannbreite der Preisreaktionen ist allerdings sehr groß. So stieg beispielsweise der Börsenpreis einer Zielgesellschaft nach Bekanntgabe einer Übernahme im Vergleich zum Börsenpreis eine Woche zuvor im Jahr 2012 durchschnittlich um 29,40 Prozent an, im Jahr 2010 dagegen nur um 9,09 Prozent.

Tabelle 1: Preiseffekte (arithmetisches Mittel) 2002 bis 2012 in Prozent

Tabelle 1: Preiseffekte (arithmetisches Mittel) 2002 bis 2012 in Prozent BaFin Tabelle 1: Preiseffekte (arithmetisches Mittel) 2002 bis 2012 in Prozent

Allerdings verlaufen die Preiseffekte innerhalb der einzelnen Jahre ähnlich, das heißt, es gibt Jahre, in denen die Preiseffekte generell eher hoch beziehungsweise eher niedrig sind. Über alle Preiseffekte hinweg sind im Jahr 2012 im Durchschnitt die höchsten Preisreaktionen zu beobachten und im Jahr 2010 die niedrigsten.

Vergleicht man diese Preisreaktionen mit der Entwicklung des Deutschen Aktienindex (DAX) und den Wachstumsraten des deutschen Bruttoinlandsprodukts, sind keine durchgängigen Parallelen erkennbar. Hier kann also kein Zusammenhang nachgewiesen werden. Es ist allerdings zu vermuten, dass der deutliche Rückgang der Preiseffekte im Jahr 2010 auch durch die Finanzkrise bedingt ist. Die deutlich gestiegenen Übernahmeprämien im Jahr 2011 und vor allem 2012, als sie auf Rekordniveau lagen, dürften dagegen auch auf die gute wirtschaftliche Situation zahlreicher deutscher Unternehmen zurückzuführen sein.

Preiseffekte nach Angebotsarten

Bei Übernahmeangeboten möchte der Erwerber die Kontrolle über ein Unternehmen erlangen. Er wird daher bereit sein, eine attraktive Prämie an die Aktionäre zu bezahlen. Bei einem Wertpapiererwerbsangebot geht es lediglich darum, eine begrenzte Beteiligung auf- oder auszubauen. Somit besteht für den Übernehmer kein Anreiz, möglichst viele Aktionäre dazu zu bewegen, sein Angebot anzunehmen. Bei Pflichtangeboten wiederum ist der Übernehmer verpflichtet, ein Angebot an die Aktionäre abzugeben. Der Anreiz, eine hohe Prämie zu zahlen, ist eher gering.

Die Ergebnisse der Studie bestätigen die Annahme, dass die Bietergesellschaft bei freiwilligen Angeboten eher bereit ist als bei Pflichtangeboten, eine hohe Prämie zu bezahlen (siehe Grafik 2). So stiegen beispielsweise die Börsenpreise in der 1-Tages-Betrachtung bei den Übernahmeangeboten zwischen 2002 und 2012 durchschnittlich um nahezu 20 Prozent und bei Wertpapiererwerbsangeboten um knapp 15 Prozent. Bei den Pflichtangeboten fielen die Preissteigerungen mit etwa 9 Prozent am geringsten aus. Bei diesen sind jedoch ebenfalls durchweg nennenswerte positive Preiseffekte zu beobachten. Auch die Gesellschaften, die verpflichtet sind, ein Angebot abzugeben, zahlen also in der Regel eine nennenswerte Prämie auf den Börsenpreis.

Grafik 2: Preiseffekte nach Angebotsarten 2002 bis 2012

Grafik 2: Preiseffekte nach Angebotsarten 2002 bis 2012 BaFin Grafik 2: Preiseffekte nach Angebotsarten 2002 bis 2012

Insiderhandel

Insider sind Personen, die von erheblich preisrelevanten, aber nicht öffentlich bekannten Umständen rund um börsennotierte Unternehmen wissen. Wer seine Insiderkenntnisse für sich oder andere verwendet und Wertpapiere kauft oder verkauft, macht sich strafbar – unabhängig davon, wie er von der Insiderinformation erfahren hat. Verboten ist es auch, einem anderen eine Insiderinformation unbefugt mitzuteilen oder ihn auf der Grundlage einer Insiderinformation zum Kauf oder Verkauf eines Wertpapiers zu verleiten.

Die Studie zeigt, dass die Bekanntgabe einer Übernahme in der Regel deutliche Preissteigerungen bei den Aktien der Zielgesellschaft hervorruft. Ein Insider kann somit meist damit rechnen, dass der Aktienkurs der Zielgesellschaft nach Bekanntgabe der Übernahme deutlich steigen wird – auch dann, wenn er den Angebotspreis für das zu übernehmende Unternehmen gar nicht kennt. Kennt er den Angebotspreis, kann er die Preisreaktion noch genauer einschätzen, da sich der Börsenpreis nach Veröffentlichung der Übernahmemeldung in der Regel dem Angebotspreis annähert.

Übernahmemeldungen sind daher immer wieder Anreiz, verbotenen Insiderhandel zu betreiben. Sie spielen folglich bei der Insiderüberwachung der BaFin eine wichtige Rolle. In den Jahren 2006 bis 2012 hat die BaFin beispielsweise bei 105 von 340 Mitteilungen zu Merger-&-Acquisition-Transaktionen, die meisten davon Übernahmen, Anhaltspunkte für Insiderhandel gefunden und entsprechende Untersuchungen eingeleitet.

Da die Börsenpreise meist stark auf die Bekanntgabe von Übernahmen reagieren, überprüft die BaFin grundsätzlich jede Übernahmemeldung auf Insiderdelikte. Zusätzliche Hinweise auf Insidergeschäfte ergeben sich bei weniger gehandelten Aktien beispielsweise aufgrund von Kursanstiegen oder einer Zunahme der gehandelten Volumina im Vorfeld der Veröffentlichung der Übernahme. Die BaFin erhält zudem auch immer wieder Hinweise von Anlegern, die konkret auf mögliche Insidergeschäfte hinweisen. In jedem Fall überprüft die Insiderüberwachung dann die Wertpapiergeschäfte und ermittelt den Auftraggeber, wenn sie Auffälligkeiten feststellt. Erhärtet sich der Verdacht auf Insiderhandel, erstattet die BaFin eine Strafanzeige bei der zuständigen Staatsanwaltschaft – beispielsweise, wenn eine Verbindung zwischen dem Auftraggeber eines auffälligen Wertpapierkaufs und der Bieter- beziehungsweise Zielgesellschaft hergestellt werden kann oder zwischen dem Auftraggeber und einem Unternehmen, das die Übernahmetransaktion beratend begleitet hat.

Hinweis

Der Beitrag gibt den Sachstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung im BaFinJournal wieder und wird nicht nachträglich aktualisiert. Bitte beachten Sie die Allgemeinen Nutzungsbedingungen.

Fußnoten:

  1. Arithmetisches Mittel: Mittelwert, der als Quotient aus der Summe aller beobachteten Werte (hier: der Preiseffekte) und der Anzahl der Werte definiert ist. Dabei werden alle Preiseffekte gleich gewichtet, unabhängig davon, welches Volumen eine Übernahme hatte.
  2. Median: Bei einer Auflistung von Zahlenwerten (hier: der Preiseffekte) ist der Median der Wert, der an der mittleren Stelle steht, wenn man die Werte der Größe nach sortiert.
Autor: Kai Krieg, Anke Kausemann / BaFin

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