Erscheinung:01.09.2014 | Thema Governance Ratingagenturen: Überarbeitung des internationalen Verhaltenskodex
Seit rund zehn Jahren orientieren sich Ratingagenturen weltweit an einem globalen Standard: dem Code of Conduct für Ratingagenturen. Dieser wurde 2004 von den Aufsehern entwickelt, die im Komitee 6 (damals Task Force on Credit Rating Agencies) der Internationalen Organisation der Wertpapieraufsichtsbehörden IOSCO (International Association of Insurance Supervisors) vereint sind.
Fünf Jahre nach der letzten Anpassung wird der Code of Conduct nun erneut überarbeitet, um weiterhin eine maximale Harmonisierung der Rechts- und Aufsichtsregime weltweit zu gewährleisten.
Die Anpassung ist notwendig, da in den vergangenen Jahren zahlreiche Länder ein Rechts- oder Aufsichtssystem für Ratingagenturen eingeführt oder bestehende Systeme erweitert haben, in die der Kodex – teilweise in angepasster Form – rechtlich verpflichtend übernommen wurde. Besonders die Einführung des Rechts- und Aufsichtssystems für Ratingagenturen in der EU durch die Ratingverordnung von 2009 sowie der darin verankerten Übernahme- und Gleichwertigkeitsverfahren (Endorsement / Equivalence) für Ratings aus Drittstaaten veranlasste zahlreiche Staaten außerhalb der EU, ihr Aufsichtssystem entsprechend anzupassen.
Die Überarbeitung des Verhaltenskodex soll voraussichtlich im vierten Quartal 2014 abgeschlossen werden. Bereits Mitte Juli einigten sich die Mitglieder des zuständigen IOSCO-Komitees in Berlin auf Vorschläge für wesentliche strukturelle und inhaltliche Änderungen. Sie spiegeln die internationalen rechtlichen Entwicklungen wider und basieren auf Erfahrungen aus der Aufsichtspraxis.
Strukturelle Änderungen
Demnach sollen unter der Rubrik „Terms“ wesentliche Definitionen in den Kodex aufgenommen werden, zum Beispiel für Credit Rating, Credit Rating Action und Credit Rating Process. Zudem ist vorgesehen, den Kodex neu zu gliedern. Er soll demnach künftig in fünf Abschnitte unterteilt sein:
- Qualität und Integrität des Ratingprozesses
- Unabhängigkeit der Ratingagenturen und Vermeidung von Interessenkonflikten
- Verantwortung der Ratingagenturen gegenüber der Öffentlichkeit und den beteiligten Parteien (Transparenz und rechtzeitige Veröffentlichung von Ratings und Behandlung vertraulicher Informationen)
- Governance, Risikomanagement und Fortbildung
- Veröffentlichungen und Kommunikation mit Marktteilnehmern
Inhaltliche Änderungen
Zu den wichtigsten inhaltlichen Neuerungen, die das Komitee vorschlägt, gehören unter anderem Ergänzungen im Abschnitt „Qualität und Integrität des Ratingprozesses“. Dieser soll künftig auch Vorgaben zu internen Strategien und Verfahren zur Verbreitung von Ratings und Ratingberichten enthalten, einschließlich der Rücknahme und Aufhebung von Ratings. Ferner sollen die Ratingagenturen und deren Beschäftigte ausdrücklich verpflichtet werden, auf Versprechungen und Druckausübung hinsichtlich etwaiger Ratingaktionen zu verzichten, mit deren Hilfe sie Zahlungen für Ratings oder andere Dienste zu ihren Gunsten erreichen könnten.
Des Weiteren schlägt das Komitee eine neue Regelung zur Einführung und Umsetzung interner Verfahren und Kontrollen zur Gewährleistung der Vertraulichkeit von Informationen vor. Außerdem will es mehrere Vorgaben zum Themenfeld „Governance, Risikomanagement und Fortbildung“ einführen, die den Anwendungsbereich des Code of Conduct erheblich erweitern. So soll zum Beispiel festgelegt werden, dass die Ratingagenturen die Verantwortung, also die abschließende Zuständigkeit für die Einführung und Umsetzung ihres internen Code of Conduct, einem Aufsichtsgremium oder vergleichbaren Organ übertragen. Der interne Kodex soll dem Code of Conduct für Ratingagenturen von IOSCO uneingeschränkte Wirksamkeit einräumen. Darüber hinaus fordert das Komitee, die interne Risikokontrolle von Ratingagenturen zu gewährleisten, indem sie zur Einführung einer Risikomanagementfunktion verpflichtet werden. Diese soll aus einem oder mehreren leitenden Managern oder Beschäftigten mit entsprechenden Kenntnissen bestehen. Zudem sollen die Ratingagenturen sicherstellen, dass die Beschäftigten kontinuierlich fortgebildet werden.
Ferner einigte sich das Komitee beim Thema „Unabhängigkeit und Vermeidung von Interessenkonflikten“ auf eine deutliche Erweiterung des Anwendungsbereichs: Künftig sollen bestimmte Vorgaben nicht mehr nur für Analysten gelten, sondern auch für weitere Beschäftigte und deren nahe Verwandte. Das betrifft beispielsweise die Pflicht, Unabhängigkeit und Objektivität zu gewährleisten und potenzielle Interessenkonflikte auf Grund persönlicher Verbindungen offenzulegen. Das Komitee hält zudem eine klare Trennung der Geschäftsbereiche innerhalb der Ratingagenturen beim Umgang mit Aufsehern für notwendig, wenn geratete (öffentliche) Institutionen gleichzeitig Aufsichtsbefugnisse über Ratingagenturen ausüben. Ferner will es den Kreis der Beschäftigten erweitern, die nicht an Verhandlungen über Zahlungen und Gebühren zugunsten einer Ratingagentur zu beteiligen sein sollen. Schließlich schlägt das Komitee vor, dass die Regeln zur Vermeidung von Interessenkonflikten, die für den Handel mit Finanzprodukten gerateter Unternehmen oder andere Engagements in solchen Gesellschaften gelten, nicht mehr nur die Beschäftigten der Ratingagenturen erfassen sollen. Künftig sollen sie auch für deren nahe Verwandte sowie Unternehmen gelten, die durch einen Beschäftigten einer Ratingagentur geleitet werden.
Darüber hinaus sind Anpassungen beim Themenbereich „vertrauliche Informationen“ vorgesehen. So sollen die Regeln für die Weitergabe vertraulicher Informationen an Aufseher konkretisiert und neue Regelungen für die Umsetzung interner Verfahren und Kontrollen geschaffen werden. Zudem soll die Verantwortung zur Sicherung vertraulicher Informationen von den Beschäftigten auf die Agenturen selbst verlagert werden.
Umsetzung
Zur Umsetzung der Standards des Kodex werden interne Strategien allein künftig nicht mehr ausreichen. Die Ratingagenturen müssen zusätzlich interne Verfahren und Kontrollen einführen, um bestimmte Regelungen adäquat umzusetzen.
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