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Erscheinung:01.10.2014 | Thema Verbraucherschutz CoCo-Bonds: Risiken für Privatanleger

Banken emittieren aktuell vermehrt Contingent Convertible Bonds (CoCo-Bonds), um ihr regulatorisches Eigenkapital zu stärken. Insbesondere im aktuellen Niedrigzinsumfeld erscheinen CoCo-Bonds aus Anlegersicht attraktiv, da sie hohe Renditechancen bieten. Naturgemäß stehen aber auch bei diesen Produkten Chancen entsprechend hohe Risiken gegenüber. Bei CoCo-Bonds resultieren die Risiken unter anderem aus ihrer hohen Komplexität und ihrem Zweck, die Verlustabsorptionsfähigkeit von Banken zu erhöhen.

Die Übernahme der Risiken soll dem Anleger durch eine hohe Festverzinsung vergütet werden. Gerade für Privatanleger ist es jedoch eine große Herausforderung zu beurteilen, wie hoch vor dem Hintergrund zahlreicher regulatorischer Kapitalanforderungen die Wahrscheinlichkeit ist, dass die emittierende Bank später Kapital benötigen wird, und ob demnach der Zinssatz dieses Risiko tatsächlich angemessen kompensiert.

Wer kein tiefgreifendes Verständnis des Finanzsektors, der Funktionsweise der Bonds sowie vor allem der regulatorischen Eigenmittelanforderungen hat, sollte daher nicht in CoCo-Bonds investieren. Insbesondere für Privatanleger sind deren Risiken kaum einschätzbar. Der vorliegende Beitrag gibt einen Überblick über einige wesentliche Risiken, die Investments in CoCo-Bonds mit sich bringen. Er erhebt jedoch keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Was sind CoCo-Bonds?

Vereinfacht gesagt sind CoCo-Bonds unbefristete, grundsätzlich festverzinsliche Schuldverschreibungen, die zwingend entweder in Gesellschaftsanteile – meist Aktien – umzuwandeln oder aber dauerhaft oder vorübergehend herabzuschreiben sind, wenn bestimmte Auslöseereignisse (Trigger) eintreten, die in den Emissionsbedingungen festgelegt sind.

Bei Wandlung wird der Anleger vom Fremdkapitalgeber zum Aktionär beziehungsweise Eigenkapitalgeber, ohne dies verhindern zu können. Der Trigger besteht in der Regel in dem Unterschreiten einer bestimmten regulatorischen Eigenmittelschwelle des Emittenten. Folglich erfolgt die Wandlung oder Herabschreibung zu einem Zeitpunkt, in dem der Emittent des CoCo-Bonds Kapital benötigt.

Wenngleich CoCo-Bonds gegenwärtig verstärkt in das Blickfeld von Print-und Online-Medien gelangen, ist der Begriff nicht grundsätzlich neu. Er dient schon länger zur Bezeichnung von Schuldverschreibungen, die gewandelt werden, wenn bestimmte Bedingungen eintreten (bedingte Pflichtwandelanleihen). Aufgrund ihres Status als Mischform zwischen Fremd- und Eigenkapital werden diese Anleihen im Markt teilweise auch Hybrid- oder Equity-Linked-Anleihen genannt.

Der vorliegende Beitrag befasst sich mit solchen CoCo-Bonds, die von Banken begeben werden, um zusätzliches Kernkapital (Additional Tier 1) im Sinne von Basel III zu generieren.

Zweck der Emission von CoCo-Bonds

CoCo-Bonds werden in erster Linie von Banken begeben. Diese wollen damit meist zusätzliches Kernkapital (Additional Tier 1) generieren, um die gesetzlichen Anforderungen an eine angemessene Eigenmittelausstattung zu erfüllen. Ziel dieser Vorgaben ist es, die Verlustabsorptionsfähigkeit der Banken zu verbessern, damit Verluste nicht mehr auf den Steuerzahler abgewälzt, sondern von den Bankengläubigern selbst getragen werden.

Der Begriff „zusätzliches Kernkapital“ ist eine von insgesamt drei bankaufsichtsrechtlichen Eigenmittelkategorien nach Basel III, die in Form der europäischen Eigenmittel-Verordnung CRR (Capital Requirements Regulation) auch in Deutschland unmittelbar geltendes Recht sind. Das zusätzliche Kernkapital weist nach dem harten Kernkapital (Common Equity Tier 1 Capital) die höchste Fähigkeit auf, etwaige zukünftige Verluste auszugleichen. Zusätzliches und hartes Kernkapital bilden gemeinsam das Kernkapital (Tier 1 Capital). Die Generierung von Eigenmitteln durch die Emission von CoCo-Bonds ist daher – neben der Erhöhung des harten Kernkapitals, beispielsweise mittels Kapitalerhöhungen – eine Möglichkeit für Banken, sich für künftige Krisen zu wappnen.

Damit sich eine Bank die Beträge, die sie aus CoCo-Bonds generiert, als zusätzliches Kernkapital anrechnen darf, müssen CoCo-Bonds unter anderem

  • ein Wandlungs- oder Herabschreibungsverfahren vorsehen,
  • zeitlich unbefristet sein,
  • Kündigung, Rückzahlung oder Rückkauf durch den Emittenten nur mit vorheriger Erlaubnis der Aufsicht ermöglichen und
  • die Zahlung von Zinsen in das Ermessen des Emittenten stellen.

Zunahme von CoCo-Bonds-Emissionen

Der zu beobachtende Anstieg der Emissionen von CoCo-Bonds ist also Folge des ausdrücklichen Willens des europäischen wie auch des nationalen Gesetzgebers, Banken widerstandsfähiger gegen zukünftige Krisen zu machen. Hierzu soll neben den verschärften qualitativen und quantitativen Eigenmittelanforderungen der CRR auch die europäische Sanierungs- und Abwicklungsrichtlinie dienen. Auch sie zielt darauf ab, die Fähigkeit der Banken zum Verlustausgleich zu verbessern, und kann damit ebenfalls ein Grund für die Zunahme der Emissionen von CoCo-Bonds sein.

Eine weitere Ursache dürfte die umfassende Bewertung europäischer Großbanken (Comprehensive Assessment) sein, die die Europäische Zentralbank derzeit zur Vorbereitung auf den Einheitlichen Europäischen Aufsichtsmechanismus durchführt. Dabei müssen sich die Banken unter anderem einem Stresstest unterziehen. Zeigen sich hierbei Defizite, haben sie Kapital aufzunehmen, etwa in Form von zusätzlichem Kernkapital.

Ausgewählte Risiken

Viele der spezifischen Risiken von CoCo-Bonds ergeben sich unmittelbar aus den aufsichtsrechtlichen Anforderungen gemäß Artikel 52 CRR, die bei der Ausgestaltung von CoCo-Bonds zu beachten sind, damit die generierten Beträge als zusätzliches Kernkapital angerechnet werden dürfen. Die gesetzlichen Vorgaben sollen helfen, das Risiko zu reduzieren, dass für Bankenrettungen Steuermittel in Anspruch genommen werden. Vielmehr sollen die Verlustrisiken dort bleiben, wo die Chancen liegen – beim Inhaber des CoCo-Bonds.

Eintritt des Triggers

Ein zentrales Risiko besteht darin, dass der Trigger eintritt, der in den Emissionsbedingungen beschrieben ist. Hierdurch kann es zu einem Teil- oder gar Totalverlust des Investments kommen, da die Schuldverschreibung in Aktien umgewandelt oder dauerhaft beziehungsweise vorübergehend herabgeschrieben werden muss. Der Privatanleger kann das Risiko des Trigger-Eintritts kaum einschätzen. So existiert am Markt eine Vielzahl von Trigger-Varianten. Auch ist der Begriff „CoCo-Bonds“ nicht geschützt, so dass Anleger sich schon aus diesem Grund intensiv mit den konkreten Bedingungen auseinandersetzen sollten.

Damit die durch CoCo-Bonds eingesammelten Beträge beim Emittenten als zusätzliches Kernkapital angerechnet werden können, muss die Wandlung oder Herabschreibung an das Unterschreiten einer bestimmten Quote des harten Kernkapitals geknüpft sein. Je nachdem, wie weit der Abstand zwischen dieser Schwelle und der tatsächlichen Kernkapitalquote zum Zeitpunkt der Emission ist, erhält der Anleger einen höheren oder niedrigeren Kupon.

Anleger müssen sich darüber im Klaren sein, dass die Entwicklung der Kernkapitalquote von zahlreichen Faktoren abhängt und daher nur schwer zu prognostizieren ist. So kann neben einem Kapitalverlust auch der Aufbau zusätzlicher risikogewichteter Aktiva zu einer Verringerung der Kernkapitalquote und damit zu einer Unterschreitung der als Trigger definierten Quote führen.

Aussetzung der Kuponzahlung

Bei CoCo-Bonds, die mit dem Ziel begeben werden, zusätzliches Kernkapital zu schaffen, besteht bereits vor Eintritt eines Triggers ein weiteres, schwer kalkulierbares Risiko. Der Emittent hat die Möglichkeit, zugesagte Kuponzahlungen vorübergehend oder auch dauerhaft auszusetzen. Die versprochene Rendite fällt dann zeitweise oder sogar dauerhaft aus.

Hintergrund sind auch hier die Vorgaben der CRR. Demnach muss es zwingend im Ermessen der emittierenden Bank stehen, Kuponzahlungen jederzeit auf unbestimmte Zeit und auf nicht kumulierter Basis ausfallen lassen zu können. Die nicht ausgezahlten Mittel kann sie uneingeschränkt einsetzen, um eigene Verpflichtungen zu erfüllen. Ausgefallene Kuponzahlungen werden also auch später nicht nachgezahlt – der Anleger muss sie endgültig abschreiben.

Da die Aussetzung von Kuponzahlungen keinen Einfluss darauf hat, ob die Aktionäre eine Dividende erhalten, können CoCo-Bonds-Halter unter Umständen schlechter stehen als Aktionäre.

Keine Erlaubnis zur Rückzahlung

Auch ist keinesfalls garantiert, dass die investierte Summe zu einem bestimmten Zeitpunkt zurückgezahlt wird. Eine Kündigung, Rückzahlung oder der Rückkauf solcher Instrumente ist nur möglich, wenn die Aufsicht die Erlaubnis dafür erteilt.

Dies ist grundsätzlich erst fünf Jahre nach Emission der CoCo-Bonds möglich. Zudem darf die zuständige Aufsichtsbehörde die Erlaubnis nur dann erteilen, wenn die Bank – vereinfacht gesagt – die aufsichtlichen Anforderungen an eine ausreichende Eigenmittelausstattung weiterhin erfüllt.

Banken im Interessenkonflikt

Banken können beim Vertrieb von CoCo-Bonds an Privatanleger im Zweifel in einen Interessenkonflikt geraten. Um die Interessen ihrer Kunden zu wahren, müssen sie einerseits in eigener Verantwortung geeignete und angemessene Produkte auswählen. Aufgrund des komplexen und innovativen Charakters und ihrer Risiken dürften CoCo-Bonds diese Kriterien nicht uneingeschränkt erfüllen. Andererseits stehen die Banken in der Verantwortung, ihre Krisensicherheit und Widerstandsfähigkeit durch zusätzliche Eigenmittel zu steigern.

Es ist daher unabdingbar, dass die Institute ein sorgfältiges Interessenkonfliktmanagement betreiben. Zudem haben sie in Bezug auf CoCo-Bonds besonders hohe Anforderungen an die Verhaltenspflichten zu beachten, etwa was die Qualifikation der Berater und deren Aufklärungspflichten angeht.

Positionierung anderer europäischer Aufseher

Aufgrund der Zunahme von Emissionen von Hybridanleihen und insbesondere CoCo-Bonds im Bankensektor stehen diese im Fokus der Aufseher in Europa. So erinnerte der Gemeinsame Ausschuss der drei europäischen Aufsichtsbehörden EBA, ESMA und EIOPA die Finanzinstitute Ende Juli 2014 in einer Mitteilung an die rechtlichen Anforderungen, die beim Vertrieb von Finanzinstrumenten an Privatkunden gelten.

Die Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA (European Securities and Markets Authority) äußerte sich zudem in einer Stellungnahme an institutionelle Investoren zu den potenziellen Risiken bei Investitionen in CoCo-Bonds.

Schließlich erließ die britische Aufsicht FCA (Financial Conduct Authority) Anfang August eine Reihe von Beschränkungen für den Vertrieb von CoCo-Bonds an Privatkunden, die ab Oktober 2014 zunächst für ein Jahr gelten.

CoCo-Bonds kaum geeignet für Privatanleger

Aus Sicht der BaFin sind CoCo-Bonds ein geeignetes Mittel, um die Eigenmittelausstattung von Kreditinstituten zu verbessern. Sie hat keinen prinzipiellen Vorbehalt gegen den Vertrieb solcher Anleihen.

Mit Blick auf die komplexe Produktstruktur, die Zweckbestimmung, die schwierige Bewertung und den potenziellen Interessenkonflikt auf Bankenseite hat die BaFin allerdings erhebliche Zweifel, ob CoCo-Bonds ein geeignetes Anlageprodukt für Privatanleger darstellen. Sie eignen sich grundsätzlich nicht für den aktiven Vertrieb an Privatkunden.

Privatkunden, die CoCo-Bonds in Eigeninitiative erwerben wollen, sollten die beschriebenen Besonderheiten und Risiken bei ihrer Entscheidung sorgfältig berücksichtigen. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund des beschriebenen potenziellen Interessenkonflikts auf Seiten der Banken wird die BaFin daher auch künftig genau im Blick behalten, an wen diese CoCo-Bonds vertreiben (siehe Rede BaFin-Präsidentin zur Jahrespressekonferenz 2014).

Hinweis

Der Beitrag gibt den Sachstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung im BaFinJournal wieder und wird nicht nachträglich aktualisiert. Bitte beachten Sie die Allgemeinen Nutzungsbedingungen.

Autor: Axel Tophoven, Dr. Thorsten Becker, Dr. Chan-Jae Yoo / BaFin

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