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Erscheinung:15.12.2015 Aufsicht vor Ort: Informationen zum Vertrieb und zur Anlageberatung aus erster Hand

Die Marktaufsicht der BaFin ist darauf angewiesen, verlässliche Informationen zu erhalten. Bei ihrer Vertriebsaufsicht rund um die Anlageberatung besuchen BaFin-Teams seit Ende 2012 verstärkt Privatbanken, Sparkassen und Genossenschaftsbanken.

Die Gespräche mit den Mitarbeitern in der Anlageberatung und der Vertriebssteuerung sind eine wichtige Erkenntnisquelle in Bezug auf die Einhaltung der Verhaltens- und Organisationspflichten durch Wertpapierdienstleistungsunternehmen.

Doch wie wählt die BaFin aus, mit wem sie wann spricht? Welche Themen bespricht sie vor Ort, welche Fragen stellt sie den Mitarbeitern der Institute? Und inwiefern leisten solche Besuche einen Beitrag zum Anlegerschutz? Antworten auf diese Fragen gibt der nachfolgende Bericht.

Gesprächspartner

Der Gesetzgeber hat in seiner Begründung zum Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz, mit dem zum 1. November 2012 das Mitarbeiter- und Beschwerderegister geschaffen wurde, besonderen Wert auf persönliche Gespräche der BaFin mit den Mitarbeitern der Institute gelegt. Sie soll „in die Fläche“ gehen und dort Präsenz zeigen, wo Verbraucher und Produktvertrieb einander begegnen: Am Arbeitsplatz der rund 154.000 Mitarbeiter, die in der Anlageberatung tätig und in die Vertriebsstrukturen ihrer Institute eingebunden sind. Sie sind bei der BaFin registriert, ebenso wie die Vertriebsbeauftragten. Bei letzteren handelt es sich überwiegend um Leiter von Beraterteams, Filialen oder größeren Gebietseinheiten.

Tabelle 1: Tätigkeiten bei der BaFin registrierter Mitarbeiter
AnlageberaterVertriebsbeauftragte
Summe151.79125.478
Privatbanken45.9968.235
Sparkassen/Landesbanken59.5029.684
Genossenschaftsbanken41.0087.134
Finanzdienstleistungsinstitute5.285425

Besuche vor Ort müssen sorgfältig geplant werden. Gesprächspartner, Filialen und Themen sind zu bestimmen und die Interviews detailliert vorzubereiten.

Ihre Gesprächspartner wählt die BaFin nach risikoorientierten Gesichtspunkten aus. Dazu prüft sie unter anderem, ob bei den Beschwerden, die ihr die Institute für das Mitarbeiter- und Beschwerderegister anzeigen müssen, Konzentrationen erkennbar sind. Die BaFin-Datenbank indiziert Häufungen von Beschwerden über einzelne Mitarbeiter und macht sichtbar, welche Regionen die Beschwerden betreffen. Darüber hinaus können Beschwerden, die Verbraucher direkt an die BaFin adressieren, und Ergebnisse von Regel- und Sonderprüfungen der Kreditinstitute durch Wirtschaftsprüfer und Prüfungsverbände wichtige Anhaltspunkte liefern.

Die BaFin-Teams führen zudem thematische Untersuchungen durch – beispielsweise zum Vertrieb bestimmter Produkte. So lassen sich Trends nicht nur über statistische Auswertungen, sondern auch anhand von Schilderungen der Bankberater ermitteln.

Die BaFin besucht Institute und Filialen mit verschiedenen Geschäfts- und Kundenmodellen und von unterschiedlicher Größe, und zwar deutschlandweit, sowohl in Ballungszentren als auch in ländlichen Gebieten. Sie spricht mit Mitarbeitern auf allen Vertriebsebenen. Obgleich das (standardisierte) Privatkundengeschäft einen Schwerpunkt der Aufsicht bildet, geht es auch um die Anlageberatung für gehobene Kundensegmente. 2014 sprach die BaFin mit insgesamt 417 Anlageberatern und überprüfte 4.007 Anlageempfehlungen.

Tabelle 2: Besuche der BaFin vor Ort
20132014
Besuchte Organisationseinheiten230261
Angetroffene Mitarbeiter1.3031.334
davon Anlageberatung347417
davon Vertriebssteuerung279309
Überprüfte Anlageempfehlungen2.6154.007

Gesprächsthemen

Die Themen, die die BaFin mit den Mitarbeitern der Institute bespricht, drehen sich um die Verhaltens- und Organisationspflichten, die nach dem Sechsten Abschnitt des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG) für die Vertriebssteuerung und die Anlageberatung gelten. So überprüft sie insbesondere, ob Anlageempfehlungen geeignet, die Anlageberater und Vertriebsbeauftragten qualifiziert, die Beratungsgespräche ausreichend dokumentiert und ob die Interessen der Kunden in der Vertriebssteuerung gewahrt sind.

Die Interviews mit Anlageberatern und Vertriebsbeauftragten bauen auf Dokumentationen zu aktuellen Beratungsvorgängen oder zu Kundenbeschwerden auf, die die BaFin im Vorfeld ihrer Besuche anfordert. Auf dieser Basis befragt die BaFin die Mitarbeiter zum einen über ihre Tätigkeit und die Organisation des Instituts. Zum anderen überprüft sie die Kauf-, Verkaufs- und Halteempfehlungen vor dem Hintergrund des Gesamtdepotbestands bestimmter Kunden, um zu ergründen, ob die jeweilige Produktempfehlung geeignet ist. Der Infokasten enthält beispielhaft einige Fragen, die die BaFin Anlageberatern stellt, um herausfinden, ob und wie sie ihren Kunden eine ausreichende Entscheidungsgrundlage für den Kauf eines Produkts an die Hand geben.

Beispiel: Fragen an Anlageberater

  • Wie stellen Sie sicher, dass Ihr Kunde das empfohlene Produkt verstanden hat? Stellen Sie ihm Testfragen? Welche Rückfragen stellt Ihr Kunde?
  • Wie erklären Sie Ihrem Kunden, wie ein Fonds konstruiert ist und was ein Sondervermögen ist? Hat Ihr Kunde die Unterschiede zwischen Mindesthalte- und Rückgabefrist bei Immobilien-Sondervermögen verstanden?
  • Wie genau weiß Ihr Kunde, in welchen Bereich er investiert? Haben Sie mit ihm die genauen Zielinvestments des Fonds besprochen? Kennt Ihr Kunde die Zusammensetzung des Indexes oder Produktkorbs, auf dem das empfohlene Zertifikat aufbaut?

Maßnahmen zum Schutz der Anleger

Aus den Gesprächen gewinnt die BaFin nicht nur Erkenntnisse über den Einzelfall, sondern auch zur allgemeinen organisatorischen Aufstellung eines Instituts in der Anlageberatung und im Vertrieb. Die Tätigkeit des einzelnen Mitarbeiters ist dafür oft ein wichtiges Indiz. Besuche vor Ort geben somit Aufschluss über die gelebte Vertriebsstruktur eines Instituts. Identifiziert die BaFin Vertriebsvorgaben, die Kundeninteressen beeinträchtigen könnten, ergreift sie Maßnahmen. Diese sollen der Falschberatung von Verbrauchern entgegenwirken, wie es der Gesetzgeber als Ziel des Mitarbeiter- und Beschwerderegisters und der Aufsicht in der Fläche formuliert hat.

Im vergangenen Jahr etwa sprach die BaFin gegen ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen und sechs Vertriebsbeauftragte formelle Verwarnungen aus. Über Maßnahmen der Gefahrenabwehr hinaus kann sie aufsichtsrechtliche Verstöße mit Bußgeldern ahnden. Gegenstand von Ordnungswidrigkeitenverfahren können zum Beispiel Verstöße gegen die Protokollpflicht oder die Abgabe ungeeigneter Anlageempfehlungen sein.

Die Compliance-Funktionen der Institute begleiten die Gespräche der BaFin im Institut regelmäßig und nutzen die Resultate, um die internen Prozesse anzupassen oder Mitarbeiter gezielt zu schulen. Über diesen Mechanismus werden Anlageberater zum Beispiel sensibilisiert, das „zündende Moment“ einer Beratung im Protokoll als wesentlichen Grund der Empfehlung niederzulegen – damit der Kunde auch noch nach einem Jahr nachlesen kann, warum ihm gerade dieses Produkt empfohlen wurde.

Bilanz und Ausblick

Die Besuche vor Ort haben das Bild von der Aufsichtstätigkeit der BaFin spürbar verändert. Für Kundenberater und Mitarbeiter in der Vertriebssteuerung ist es neu, mit der BaFin unmittelbar in Kontakt zu treten.

Aus Sicht der BaFin ist ihre Präsenz in der Fläche zum festen Bestandteil der Verhaltensaufsicht geworden. Solche Besuche können auch außerhalb des Bereichs der Vertriebssteuerung und der Anlageberatung Modell für die Aufsicht im Sinne des kollektiven Verbraucherschutzes sein.

Hinweis

Der Beitrag gibt den Sachstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung im BaFinJournal wieder und wird nicht nachträglich aktualisiert. Bitte beachten Sie die Allgemeinen Nutzungsbedingungen.

Autor: Florian Weiterer, BaFin

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