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Erscheinung:15.01.2016 Erstes Finanzmarktnovellierungsgesetz

Umsetzung der neuen europäischen Vorgaben für Marktmissbrauch, Basisinformationsblätter und Zentralverwahrer

Am 6. Januar 2016 hat das Bundeskabinett den Regierungsentwurf eines Ersten Finanzmarktnovellierungsgesetzes beschlossen. Wie zahlreiche nationale Vorschriften im Bereich der Finanzmärkte dient auch dieses Gesetz in erster Linie der Anpassung an neue europäische Vorgaben. Diese sollen die Integrität und Transparenz der Kapitalmärkte stärken und den Anlegerschutz verbessern.

Es handelt sich um die Marktmissbrauchsrichtlinie, die Marktmissbrauchsverordnung, die Zentralverwahrer- und die PRIIPs-Verordnung.1) Das Gesetz wird voraussichtlich noch im ersten Halbjahr 2016 verabschiedet und sieht ein abgestuftes Inkrafttreten der Regelungen vor.

Die Finanzmarktrichtlinie MiFID II (Markets in Financial Instruments Directive II) und die zugehörige Verordnung MiFIR (Markets in Financial Instruments Regulation) hingegen sollen erst mit einem Zweiten Finanzmarktnovellierungsgesetz umgesetzt werden, da sie voraussichtlich später anzuwenden sein werden als ursprünglich geplant (siehe BaFinJournal Dezember 2015).

Marktmissbrauch

Die neuen Regeln der Marktmissbrauchsverordnung und -richtlinie sind am 2. Juli 2014 in Kraft getreten und lösen die bisherige Marktmissbrauchsrichtlinie ab. Während die meisten Vorschriften der Verordnung ab dem 3. Juli 2016 direkt anwendbar sind, müssen ihre Vorgaben zu den Aufsichts- und Sanktionsbefugnissen der BaFin sowie sämtliche Vorschriften der Richtlinie in nationales Recht umgesetzt werden.

Die neue europäische Marktmissbrauchsregulierung passt die bestehenden Regeln an Veränderungen im Bereich der Marktinfrastrukturen an. So gelten die Marktmissbrauchsregeln künftig auch für Finanzinstrumente, die an neuartigen Handelsplattformen wie Multilateralen Handelssystemen (Multilateral Trading FacilitiesMTFs) und Organisierten Handelssystemen (Organised Trading Facilities – OTFs) gehandelt werden. Melde- und Übermittlungspflichten, etwa für Insiderinformationen und -listen, betreffen künftig auch solche Emittenten, deren Finanzinstrumente nur an einem MTF oder OTF gehandelt werden. Voraussetzung ist, dass diese mit Zustimmung des Emittenten dort zum Handel zugelassen sind oder eine Zulassung zum Handel beantragt wurde, entweder durch den Emittenten selbst oder mit seiner Zustimmung. Zudem wurde das Verbot der Marktmanipulation auf die Manipulation von Referenzwerten (Benchmarks) ausgeweitet.

Die Überwachungs- und Eingriffsbefugnisse der zuständigen Aufsichtsbehörden werden erweitert, die Sanktionsmöglichkeiten bei Insiderhandel und Marktmanipulation vereinheitlicht und verschärft. Künftig müssen alle Mitgliedstaaten zumindest für vorsätzliche und schwerwiegende Verstöße gegen das Verbot des Insiderhandels und der Marktmanipulation strafrechtliche Sanktionen vorsehen.

Vorschriften für Straf- und Bußgelder

Aufgrund der neuen europäischen Marktmissbrauchsregeln sind in Deutschland insbesondere die Straf- und Bußgeldvorschriften anzupassen. Da die neue Verordnung direkt anwendbar ist, werden die Bußgeldvorschriften nicht mehr wie bisher auf die entsprechenden Verbote und Gebote des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG) verweisen, sondern direkt auf die der Verordnung.

Aufgrund ihrer Vorgaben wird die Höhe der Bußgelder im WpHG deutlich angehoben: Sah es zum Beispiel bislang für natürliche Personen, die gegen das Verbot der Marktmanipulation verstießen, eine Geldbuße von bis zu einer Million Euro vor, so kann die BaFin für eine solche Ordnungswidrigkeit künftig bis zu fünf Millionen Euro Geldbuße verhängen. Zudem enthält das WpHG in Zukunft konkrete Vorgaben für Bußgelder gegen juristische Personen. Bei Verstößen können dann auch umsatzbezogene Geldbußen verhängt werden, bei Verstößen gegen das Verbot des Insiderhandels oder der Marktmanipulation etwa bis zu 15 Prozent des jährlichen Gesamtumsatzes.

Auch die Strafvorschriften des WpHG sind anzupassen: Aufgrund der Vorgaben der Marktmissbrauchsrichtlinie sind nicht mehr nur für Primärinsider, sondern auch für Sekundärinsider alle Formen des Insiderhandels unter Strafe zu stellen. Ferner steht künftig nicht mehr nur der Versuch des Insiderhandels, sondern auch der Versuch der Marktmanipulation unter Strafe.

PRIIPs-Verordnung

Nach der PRIIPs-Verordnung müssen Hersteller von sogenannten verpackten Anlageprodukten für Kleinanleger und Versicherungsanlageprodukten ab dem 31. Dezember 2016 Basisinformationsblätter veröffentlichen. Als verpackt im Sinne der PRIIPs-Verordnung gelten alle Anlageprodukte und -verträge, bei denen das Geld der Kunden statt direkt nur indirekt am Kapitalmarkt angelegt oder deren Rückzahlungsanspruch auf andere Weise an die Wertentwicklung bestimmter Papiere oder Referenzwerte gekoppelt ist. Wer solche Produkte verkauft oder dazu berät, muss Kleinanlegern die Informationsblätter rechtzeitig zur Verfügung stellen, bevor diese durch den Vertrag oder ein Angebot gebunden sind. Die Verordnung enthält Vorgaben zu Form und Inhalt der Basisinformationsblätter. Zudem überträgt sie den zuständigen Behörden unmittelbar anwendbare Befugnisse zur Produktintervention bei Versicherungsanlageprodukten sowie zusätzliche Eingriffskompetenzen bei Verstößen gegen die Verordnung.

Der Entwurf des Ersten Finanzmarktnovellierungsgesetzes sieht vor, diese zusätzlichen Befugnisse für die BaFin im WpHG, Kreditwesengesetz (KWG), Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) und Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) zu ergänzen. Ferner werden die Sanktionskataloge der jeweiligen Aufsichtsgesetze erweitert. Sie sollen künftig Bußgeldtatbestände für Verstöße gegen die Vorgaben der Verordnung enthalten. Entsprechende Ausführungsbestimmungen zur Regelung des Vertriebs, unter anderem durch Versicherungs- und Finanzanlagenvermittler, sind darüber hinaus auch in der Gewerbeordnung (GewO) sowie deren Durchführungsverordnungen vorgesehen.

Produkte, die unter die PRIIPs-Verordnung fallen, sollen nicht zusätzlich nationalen Pflichten zur Erstellung von Informationsblättern unterliegen. Für verpackte Anlageprodukte für Kleinanleger müssen insofern nach dem Gesetzentwurf ab dem 31. Dezember keine Produktinformationsblätter nach dem WpHG oder Vermögensanlagen-Informationsblätter nach dem Vermögensanlagengesetz (VermAnlG) mehr erstellt werden. Für Spezial-AIF (Alternative Investmentfonds) sind semiprofessionellen Anlegern entweder die wesentlichen Anlegerinformationen nach dem KAGB oder Basisinformationsblätter nach der PRIIPs-Verordnung zur Verfügung zu stellen. Für Produkte, für die die PRIIPs-Verordnung nicht gilt, sind die national vorgeschriebenen Informationsblätter jedoch weiterhin zu verfassen.

Zentralverwahrer

Das Erste Finanzmarktnovellierungsgesetz soll zudem das KWG an die Vorgaben der europäischen Zentralverwahrer-Verordnung anpassen. Diese harmonisiert die wesentlichen Bestimmungen, die für die Zulassung und laufende Aufsicht über Zentralverwahrer gelten.

Für das neue Zulassungsverfahren wird aufgrund des Gesetzes zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie, das das KWG entsprechend ändert, die BaFin zuständig sein. Für die Erbringung von Bankdienstleistungen, die im Zusammenhang mit der Zentralverwahrertätigkeit stehen, sieht die Verordnung ein separates Genehmigungsverfahren vor, das demnach künftig ebenfalls von der BaFin durchgeführt wird. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über Zulassungs- und Genehmigungsanträge nach der europäischen Zentralverwahrerverordnung ist für den bestehenden deutschen Zentralverwahrer weiterhin das nationale Recht anzuwenden.

Die neue Zulassung nach der Verordnung wird die Erlaubnis nach KWG ersetzen, die Zentralverwahrer bislang benötigten, um ihre Tätigkeit zu erbringen. Dies sieht der Entwurf des Ersten Finanzmarktnovellierungsgesetzes vor. Zudem wird die BaFin unter der europäischen Verordnung auch die Zuständigkeit für die laufende Aufsicht über Zentralverwahrer behalten, die sich bereits jetzt aus dem Kreditwesengesetz ergibt. Die Aufsichtsbefugnisse der BaFin bleiben – mit Anpassungen an die neuen europäischen Vorgaben – bestehen.

Schließlich normiert der Gesetzentwurf in Umsetzung der Vorgaben der Verordnung einen umfangreichen Katalog von Ordnungswidrigkeiten. Zentralverwahrer, die gegen die neuen europäischen Vorschriften verstoßen, müssen künftig mit Bußgeldern von bis zu 20 Millionen Euro rechnen oder – sofern dieser Betrag höher ist – bis zu zehn Prozent des Gesamtumsatzes, den sie im Geschäftsjahr vor der Behördenentscheidung erzielt haben.

Hinweis

Der Beitrag gibt den Sachstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung im BaFinJournal wieder und wird nicht nachträglich aktualisiert. Bitte beachten Sie die Allgemeinen Nutzungsbedingungen.

Fußnote:

  1. 1) Verordnung über Basisinformationsblätter für verpackte Anlageprodukte für Kleinanleger und Versicherungsanlageprodukte (Packaged Retail and Insurance-based Investment Products Regulation).
Autor: Filip Melovski, Birgit Ortkemper, Michael Weisenfels / BaFin

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