BaFin - Navigation & Service

Erscheinung:21.07.2016 | Thema Marktmanipulation Ad-hoc-Publizität: Änderungen durch die neue Marktmissbrauchsverordnung

Für Emittenten von Finanzinstrumenten gilt seit Anfang Juli ein neues Rechtsregime: Die bisher in § 15 Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) geregelte Ad-hoc-Publizitätspflicht ist nun in Artikel 17 der unmittelbar geltenden europäischen Marktmissbrauchsverordnung (Market Abuse RegulationMAR) geregelt. Der vorliegende Beitrag gibt einen Überblick über die neuen Vorschriften.

Konkretisiert wird Artikel 17 MAR auf europäischer Ebene insbesondere durch eine Durchführungs- sowie eine Delegierte Verordnung der Kommission. Wichtige Hinweise zu Warenderivaten und zur Selbstbefreiung enthalten zudem entsprechende Leitlinien, die die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA bereits konsultiert beziehungsweise gerade veröffentlicht hat. Ergänzende Regelungen finden sich im deutschen WpHG, das durch das Erste Finanzmarktnovellierungsgesetz an die europäischen Vorgaben angepasst wurde. Die Wertpapierhandelsanzeige- und Insiderverzeichnisverordnung (WpAIV) bleibt in ihrer bisherigen Fassung zunächst bestehen; das europäische Recht hat jedoch Vorrang.

Ad-hoc-Publizitätspflicht
Marktteilnehmer, die Finanzinstrumente emittieren, müssen Insiderinformationen, die den Börsen- oder Marktpreis erheblich beeinflussen könnten, unverzüglich und vollständig an den Markt weitergeben. Diese Ad-hoc-Publizitätspflicht soll verhindern, dass andere Marktteilnehmer benachteiligt werden.

Auf den ersten Blick hat sich für Emittenten von Finanzinstrumenten im regulierten Markt, die bereits bisher der Ad-hoc-Pflicht unterlagen, wenig geändert. Allerdings wurden einige Bestimmungen ergänzt, etwa zur Selbstbefreiung, oder verschärft, etwa zum Umgang mit Gerüchten. Diese werden zu einer Änderung der Verwaltungspraxis der BaFin führen. Darüber hinaus sind nun auch andere Emittenten ad-hoc-pflichtig. Die BaFin wird darum ihren Emittentenleitfaden überarbeiten.

Emittentenleitfaden
Die BaFin wird ihren Emittentenleitfaden überarbeiten, sobald sich zu den neuen Vorschriften eine Verwaltungspraxis herausgebildet hat. Um Emittenten bis dahin eine Orientierungshilfe zu geben, hat sie eine Frage-und-Antwort-Liste zur Ad-hoc-Publizität auf ihrer Internetseite veröffentlicht. Auslegungsfragen können außerdem an die E-Mail-Adresse MAR@bafin.de gesendet werden. Die BaFin wird die Liste anhand solcher Eingaben regelmäßig anpassen und erweitern.

Adressatenkreis

Die Ad-hoc-Publizitätspflicht trifft nun nicht mehr nur Emittenten, die für ihre Finanzinstrumente eine Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt in einem Mitgliedstaat der EU beantragt oder erhalten haben, sondern auch solche, die an einem multilateralen Handelssystem (Multilateral Trading FacilityMTF) handeln oder handeln wollen. Voraussetzung ist, dass der Emittent der Einbeziehung in den Handel ausdrücklich zugestimmt hat, indem er dies entweder selbst oder durch einen Dritten beantragt oder der Einbeziehung zugestimmt hat. Letzteres kann auch nachträglich erfolgen; die Ad-hoc-Pflicht besteht dann ab dem Zeitpunkt der Genehmigung. Die Zustimmung des Emittenten muss dokumentiert sein.

Zudem fallen künftig auch Emittenten unter die Ad-hoc-Publizitätspflicht, die für ihre Finanzinstrumente lediglich eine Zulassung zum Handel an einem organisierten Handelssystem (Organized Trading FacilityOTF) erhalten haben. Hier greift die Ad-hoc-Pflicht jedoch erst, wenn die Einbeziehung erfolgt ist. Sie gilt aufgrund der Verschiebung der europäischen Finanzmarktrichtlinie (Markets in Financial Instruments Directive II – MiFID II) erst ab dem 3. Januar 2018.

Finanzinstrument
Die Marktmissbrauchsverordnung stellt auf den Finanzinstrumente-Begriff der europäischen Finanzmarktrichtlinie (Markets in Financial Instruments Directive II – MiFID II) ab. Zu den Finanzinstrumenten gehören demnach etwa übertragbare Wertpapiere, Geldmarktinstrumente, Anteile an Organismen für gemeinsame Anlagen, Optionen, Futures, Swaps und Emissionszertifikate). Aufgrund der Verschiebung der MiFID II auf den 3. Januar 2018 gilt bis dahin jedoch der Finanzinstrumente-Begriff der MiFID I fort.

Veröffentlichungspflichtige Insiderinformationen

Die Definition der Insiderinformation findet sich in Artikel 7 der Marktmissbrauchsverordnung. Grundsätzlich sind Insiderinformationen demnach nicht öffentlich bekannte präzise Informationen, die direkt oder indirekt einen oder mehrere Emittenten beziehungsweise ein oder mehrere Finanzinstrumente betreffen und die, wenn sie öffentlich bekannt würden, den Kurs dieser Finanzinstrumente oder damit verbundener derivativer Finanzinstrumente erheblich beeinflussen könnten. Der Begriff der „präzisen“ Information ist identisch mit dem Wortlaut der alten Marktmissbrauchsrichtlinie und entspricht dem der „konkreten“ Information im alten WpHG.

Für Warenderivate und Emissionszertifikate enthält die MAR jeweils einen eigenen Insiderinformationsbegriff. Zur Orientierung für die Marktteilnehmer werden die geplanten Leitlinien der ESMA eine nicht abschließende Liste von Insiderinformationen in Bezug auf Warenderivate enthalten. Die Ad-hoc-Pflicht für Emittenten von Emissionszertifikaten beginnt erst am 3. Januar 2018.

Insiderinformationen können außerdem Informationen sein, die mit der Ausführung von Aufträgen in Bezug auf Finanzinstrumente zusammenhängen. Aufgrund des Erfordernisses der unmittelbaren Betroffenheit des Emittenten lösen Informationen, die nur das Finanzinstrument selbst betreffen, in der Regel keine Veröffentlichungspflicht aus.

Zeitpunkt der Veröffentlichung

Die Marktmissbrauchsverordnung verpflichtet Emittenten, der Öffentlichkeit Insiderinformationen, die sie unmittelbar betreffen, so schnell wie möglich bekannt zu geben.

Der Wortlaut weicht damit zwar von der bisherigen Formulierung des WpHG ab („unverzüglich“); rechtlich ändert sich dadurch aber nichts. Die Ausführungen zum Unverzüglichkeitsgebot im Emittentenleitfaden sind weiterhin gültig.

Selbstbefreiung

Emittenten können die Veröffentlichung einer Insiderinformation unter bestimmten Voraussetzungen aufschieben. Eigenverantwortlich ist dies wie bisher möglich, wenn die unverzügliche Veröffentlichung die berechtigten Interessen des Emittenten beeinträchtigen würde, der Aufschub die Öffentlichkeit nicht irreführt und der Emittent die Vertraulichkeit der Information sicherstellen kann. Ein Aufschub ist weiterhin auch bei zeitlich gestreckten Vorgängen möglich, wenn die genannten Voraussetzungen vorliegen.

Zu den Fragen, wann ein berechtigtes Interesse vorliegt und wann der Aufschub der Offenlegung die Öffentlichkeit irreführen würde, enthalten die gerade veröffentlichten ESMA-Leitlinien eine nicht abschließende Liste solcher Fälle. Die Regelbeispiele aus § 6 WpAIV, die auf laufende Verhandlungen über Geschäftsinhalte und die ausstehende Zustimmung eines Organs des Emittenten abstellen, werden dabei voraussichtlich weiterhin Bestand haben. Die Leitlinien gelten lediglich für Emittenten von Finanzinstrumenten, nicht aber für Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate.

Zu den Umständen, unter denen ein Aufschub der Veröffentlichung der Insiderinformation die Öffentlichkeit wahrscheinlich irreführen würde, gehört der ESMA zufolge etwa der Fall, dass die Insiderinformation Markterwartungen widerspricht, die auf Signalen basieren, die der Emittent zu einem früheren Zeitpunkt selbst gesetzt hat.

Selbst wenn diese Voraussetzungen vorliegen, kann der Emittent die Veröffentlichung der Insiderinformation aber nur aufschieben, solange deren Vertraulichkeit gewährleistet ist. Sobald dies nicht mehr der Fall ist, muss er die Information so schnell wie möglich bekannt geben. Dies gilt gemäß Artikel 17 Absatz 7 MAR auch, wenn ein ausreichend präzises Gerücht entsteht. Dabei ist unerheblich, wie das Gerücht in den Markt gelangt ist. Die ESMA führt in ihren Technischen Standards zum Marktmissbrauch aus, dass das Leck, das zu den Gerüchten führt, nicht aus der Sphäre des Emittenten stammen muss, um eine Publizitätspflicht auszulösen. Entscheidend sei, dass im Sinne des Anlegerschutzes so schnell wie möglich Transparenz für den Markt geschaffen werde.

Informationspflicht über Selbstbefreiung

Hat ein Emittent die Offenlegung einer Insiderinformation aufgeschoben, muss er die zuständige Behörde unmittelbar nach der Veröffentlichung schriftlich über den Aufschub informieren. Dabei hat er zu erläutern, inwieweit die Bedingungen für die Selbstbefreiung erfüllt waren.

Eine Pflicht zur zeitgleichen Übersendung der Befreiungs- und der Vorab-Mitteilung besteht zwar nicht mehr. Dies ist aber weiterhin möglich. Nähere Bestimmungen und Erläuterungen zu den technischen Mitteln für den Aufschub von Insiderinformationen finden sich in der Durchführungsverordnung und den zugrundeliegenden ESMA-Entwürfen.

Aufschub durch Kredit- und Finanzinstitute

Neben der allgemeinen Befreiungsmöglichkeit von der Ad-hoc-Publizitätspflicht gibt es nun auch einen speziellen Befreiungstatbestand für Kredit- und Finanzinstitute. Diese können die Veröffentlichung von Insiderinformationen – zum Beispiel über zeitweilige Liquiditätsprobleme oder kurzfristig gewährte Liquiditätshilfen – aufschieben, wenn sie die Stabilität des Finanzsystems gefährden würde, der Aufschub im öffentlichen Interesse ist und die Geheimhaltung der Information gewährleistet werden kann.

Zudem muss die zuständige Behörde dem Aufschub zustimmen. Dazu prüft sie anhand der Nachweise, die ihr das Institut vorzulegen hat, ob die Voraussetzungen vorliegen. Zudem hört sie gegebenenfalls die nationale Zentralbank, die makroprudenzielle Behörde und andere zuständige nationale Behörden an.

Der Aufschub der Offenlegung darf nur für den Zeitraum gewährt werden, der im öffentlichen Interesse liegt. Die zuständige Behörde muss mindestens einmal wöchentlich bewerten, ob die Voraussetzungen weiter vorliegen. Andernfalls hat das Institut die Insiderinformation unverzüglich zu veröffentlichen. Auch dazu finden sich in der Durchführungsverordnung und den Technischen Standards der ESMA nähere Vorgaben.

Vorab-Mitteilung

§ 15 Absatz 1 WpHG regelt die Übermittlung von Insiderinformationen im deutschen Markt. Wie bisher erhält die BaFin eine Vorab-Mitteilung der Ad-hoc-Meldung. Auch diese Pflicht erstreckt sich nun auf MTF-Emittenten, deren Finanzinstrumente mit ihrer Zustimmung in den Handel einbezogen sind.

Darüber hinaus ist die Ad-hoc-Meldung vorab allen nationalen Handelsplätzen zuzuleiten, an denen das Finanzinstrument zugelassen oder einbezogen ist, und zwar unabhängig davon, ob der Emittent dem zugestimmt hat. Ziel ist es, allen diesen Handelsplätzen eine Entscheidung über eine etwaig erforderliche Handelsaussetzung zu ermöglichen.

Angemessene Veröffentlichung

Die technischen Mittel für die angemessene Bekanntgabe von Insiderinformationen und für deren Aufschub finden sich in Artikel 2 der Durchführungsverordnung. Inhaltlich hat sich für Emittenten von Finanzinstrumenten wenig geändert, da sich die Durchführungsverordnung an Artikel 21 der Transparenzrichtlinie von 2004 orientiert . Demnach müssen die Emittenten für die Bekanntgabe der Informationen Medien nutzen, bei denen vernünftigerweise davon ausgegangen werden kann, dass diese die Informationen veröffentlichen. Zudem muss eine europaweite Verbreitung sichergestellt werden.

Betreibt der Emittent eine Webseite, muss er die Meldung auch dort einstellen. Bisher war die Meldung nach der WpAIV für mindestens einen Monat auf einer Unterseite einzustellen, die von der Hauptseite aus leicht auffindbar und einer aussagekräftigen, inhaltlich einschlägigen Rubrik zugeordnet war. Die Marktmissbrauchsverordnung verlangt nun, dass die Meldung fünf Jahre auf der Webseite bleibt. Die Durchführungsverordnung legt außerdem fest, dass sie kostenfrei zugänglich und leicht auffindbar sein muss. Auch muss die Insiderinformation Datum und Uhrzeit der Veröffentlichung angeben. Die Veröffentlichungen müssen auf der Webseite in chronologischer Reihenfolge angezeigt werden.

Übermittlung an das Unternehmensregister

Unverzüglich nach – auf keinen Fall jedoch vor – der Veröffentlichung sind die Insiderinformationen dem Unternehmensregister zu übermitteln.

Für MTF-Emittenten gilt diese Pflicht jedoch nur, wenn ihr nationales Recht dies vorsieht. In Deutschland ist das der Fall (§ 15 Absatz 1 WpHG). Wo keine Pflicht besteht, können MTF-Emittenten die Insiderinformation auch freiwillig an das amtlich bestellte Speicherungssystem übermitteln, das dem Unternehmensregister entspricht.

Zuständige Behörde

In Deutschland ist grundsätzlich die BaFin für die Überwachung der Ad-hoc-Pflichten von Inlands- und MTF-Emittenten im Sinne von § 2 Absatz 7 und 7a WpHG zuständig.

Die Delegierte Verordnung bestimmt im Hinblick auf Befreiungsmitteilungen, dass bei Dividendenwerten grundsätzlich die Behörde des Mitgliedstaats zuständig ist, in dem der Emittent registriert ist. Hat der Emittent keine Finanzinstrumente in dem Mitgliedstaat zum Handel zugelassen, in dem er seinen Sitz hat, oder werden diese ohne sein Einverständnis gehandelt und hat er auch keinen Antrag für die Zulassung zum Handel gestellt, so ist die Behörde des Staats zuständig, in dem die Finanzinstrumente mit Zustimmung des Emittenten gehandelt werden oder in dem der Emittent für diese Finanzinstrumente erstmals die Zulassung zum Handel an einem Handelsplatz beantragt oder bereits erhalten hat.

Rechtsfolgen bei Verstoß

Verstöße gegen die Ad-hoc-Publizitätspflicht stellen eine Ordnungswidrigkeit dar und können mit einem Bußgeld von bis zu 1 Million Euro geahndet werden. Die Bußgeldtatbestände und der Bußgeldrahmen sind in § 39 des neuen WpHG geregelt.

Hinweis

Der Beitrag gibt den Sachstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung im BaFinJournal wieder und wird nicht nachträglich aktualisiert. Bitte beachten Sie die Allgemeinen Nutzungsbedingungen.

Autor: Anja Engelland, BaFin

Zusatzinformationen

Fanden Sie den Beitrag hilfreich?

Wir freuen uns über Ihr Feedback

Es hilft uns, die Webseite kontinuierlich zu verbessern und aktuell zu halten. Bei Fragen, für deren Beantwortung wir Sie kontaktieren sollen, nutzen Sie bitte unser Kontaktformular. Hinweise auf tatsächliche oder mögliche Verstöße gegen aufsichtsrechtliche Vorschriften richten Sie bitte an unsere Hinweisgeberstelle.

Wir freuen uns über Ihr Feedback