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Erscheinung:15.09.2016 | Thema Fintech, Zulassung Schwarmfinanzierung: Erste Bilanz nach einem Jahr Befreiung von der Prospektpflicht

Am 10. Juli 2016 jährte sich das Inkrafttreten des Kleinanlegerschutzgesetzes und mit ihm die Aufnahme einiger neuer Ausnahmen von der Prospektpflicht in das Vermögensanlagengesetz (VermAnlG). Eine dieser neuen Normen ist § 2a VermAnlG. Sie befreit bestimmte öffentliche Angebote von Vermögensanlagen, die im Wege einer Schwarmfinanzierung (Crowdinvesting, BaFinJournal Juni 2014) über eine Internet-Dienstleistungsplattform vermittelt werden, unter anderem von der Prospektpflicht.

Dank § 2a VermAnlG ist es kleinen und mittelgroßen Unternehmen und gerade auch Start-Ups möglich, sich auf relativ unkomplizierte und schnelle Weise mit Kapital auszustatten, um ihren Geschäftsbetrieb zu starten, zu erweitern oder neue Projekte anzustoßen. Denn so können sie Kapital von Kleinanlegern einwerben, ohne den hohen Kosten ausgesetzt zu sein, die mit einem Prospekt verbunden sind. Die Gebühr für dessen Billigung und Aufbewahrung beträgt zwischen 1.500 und 15.000 Euro; hinzu kommen die Kosten, die Kanzleien für die Erstellung eines Prospekts verlangen und die häufig im fünfstelligen Bereich liegen.

Der vorliegende Beitrag gibt einen Überblick über die Regeln für Schwarmfinanzierungen, erläutert, was Anbieter beachten müssen, wenn sie die Ausnahme von der Prospektpflicht in Anspruch nehmen wollen, und berichtet von ersten Erfahrungen aus der Praxis.

Voraussetzungen

Damit Anbieter den Befreiungstatbestand des § 2a VermAnlG in Anspruch nehmen können, müssen drei Voraussetzungen erfüllt sein. Erstens ist dies nur bei öffentlichen Angeboten von partiarischen und Nachrangdarlehen (§ 1 Absatz 2 Nr. 3 und 4 VermAnlG) sowie sonstigen Vermögensanlagen im Sinne des § 1 Absatz 2 Nr. 7 VermAnlG möglich. Zwar können theoretisch auch andere Arten von Vermögensanlagen über eine Internet-Dienstleistungsplattform angeboten werden; diese lassen sich jedoch im Rahmen des § 2a VermAnlG nicht von der Prospektpflicht befreien.

Zweitens darf der Verkaufspreis sämtlicher angebotener Vermögensanlagen eines Emittenten nicht höher sein als 2,5 Millionen Euro.

Und drittens müssen die Angebote im Wege der Anlageberatung oder Anlagevermittlung über eine Internet-Dienstleistungsplattform vermittelt werden, die über eine Erlaubnis als Wertpapierdienstleistungsunternehmen nach dem Kreditwesengesetz (KWG) oder als Finanzvermittler nach der Gewerbeordnung (GewO) verfügt. Sie muss sicherstellen, dass die Anlage für den jeweiligen Anleger angemessen ist, und darauf achten, dass die Einzelanlageschwellen eingehalten werden. Ein Anleger darf nämlich unter anderem nur dann bis zu 10.000 Euro investieren, wenn er über ein frei verfügbares Vermögen von mindestens 100.000 Euro verfügt oder wenn die Anlagesumme maximal das Zweifache seines monatlichen Nettoeinkommens beträgt, höchstens jedoch 10.000 Euro.

Erleichterungen

Sind diese Voraussetzungen erfüllt, kommt der Anbieter der Vermögensanlage in den Genuss bestimmter Erleichterungen. So ist er zum Beispiel von der Pflicht befreit, einen Verkaufsprospekt zu erstellen. Darüber hinaus findet § 5a VermAnlG auf diese Vermögensanlagen keine Anwendung, so dass die Angebote nicht mindestens 24 Monate laufen müssen. Ferner gibt es Erleichterungen bei der Rechnungslegung: Der nach § 23 VermAnlG offenzulegende Jahresbericht muss unter anderem keinen geprüften Lagebericht enthalten.

Die Anbieter und Emittenten der genannten Vermögensanlagen sind allerdings nicht gänzlich von den Pflichten befreit, die das Vermögensanlagengesetz normiert. So darf die Konzeption ihrer Vermögensanlage keine Nachschusspflicht vorsehen (§ 5b VermAnlG), und die Regeln des § 12 VermAnlG zur Bewerbung von Vermögensanlagen sind einzuhalten. Für die korrekte Bewerbung der Vermögensanlage ist der Anbieter verantwortlich.

Vermögensanlagen-Informationsblatt

Ferner hat er dafür zu sorgen, dass vor Beginn des öffentlichen Angebots der Vermögensanlage ein Vermögensanlagen-Informationsblatt (VIB) ordnungsgemäß erstellt und bei der BaFin hinterlegt wird, was in der Praxis meist die Plattformbetreiber übernehmen. Jedes VIB darf sich nur auf eine Vermögensanlage beziehen. Will ein Anbieter mehrere Vermögensanlagen anbieten, muss er für jede dieser Vermögensanlagen ein gesondertes VIB erstellen und hinterlegen. Dieses ist potenziellen Anlegern vor Vertragsschluss zur Verfügung zu stellen. Das VIB soll für ein gewisses Mindestmaß an Transparenz sorgen.

§ 13 VermAnlG regelt, welche Mindestangaben es enthalten muss. Fehlen Angaben, so kann dies dazu führen, dass das eingereichte Dokument nicht als VIB angesehen wird. Die Anbieter sollten sich daher rechtzeitig mit den Anforderungen vertraut machen. Wenn das VIB diese erfüllt, versendet die BaFin eine Eingangsbestätigung an den Hinterleger und zeigt damit die ordnungsgemäße Erstellung und erfolgreiche Hinterlegung des VIB an. Beginnt das öffentliche Angebot bereits vor dem Empfang der Eingangsbestätigung, besteht somit die Gefahr, dass es sich um ein unerlaubtes öffentliches Angebot und eine Ordnungswidrigkeit gemäß § 29 VermAnlG handelt.

Die BaFin ist bemüht, die Einreichungen möglichst zeitnah zu bearbeiten. Dennoch ist es ratsam, das VIB einige Tage vor Beginn des öffentlichen Angebots zu übermitteln. Wirft das Angebot rechtliche Fragen auf, kann die Bearbeitung einige Zeit in Anspruch nehmen. Um Zeit zu sparen, sollte das eingereichte VIB darüber hinaus mit einem Anschreiben versehen sein, aus dem hervorgeht, dass es unter Inanspruchnahme des § 2a VermAnlG für ein öffentliches Angebot einer Vermögensanlage hinterlegt werden soll, wer als Hinterleger des VIB auftritt, wer der Anbieter oder Emittent der Vermögensanlage ist und über welche Plattform die Vermögensanlage vermittelt werden soll. Außerdem sollte der Hinterleger, sofern er nicht selbst der Anbieter der Vermögensanlage ist, eine auf ihn ausgestellte Vollmacht des Anbieters beifügen, die ihn zur Hinterlegung des VIB bei der BaFin befugt.

Weitere Einschränkungen

Auf einen Blick:Kleinanlegerschutzgesetz

In folgenden BaFinJournal-Ausgaben finden Sie weiterführende Informationen zum Kleinanlegerschutzgesetz:

Januar 2016, Seite 12
Mai 2015, Seite 24
Juli 2015, Seite 4
September 2015, Seite 10
Dezember 2015, Seite 33
März 2016, Seite 17

Die Befreiung nach § 2a VermAnlG kann nicht in Anspruch genommen werden, solange eine Vermögensanlage des Emittenten nach § 2 Absatz 1 Nr. 3 VermAnlG öffentlich angeboten wird oder eine solche noch nicht vollständig getilgt ist. Dies betrifft Angebote, bei denen von derselben Vermögensanlage nicht mehr als 20 Anteile angeboten werden, bei denen der Verkaufspreis innerhalb von zwölf Monaten insgesamt 100.000 Euro nicht übersteigt oder bei denen der Preis jedes angebotenen Anteils mindestens 200.000 Euro je Anleger beträgt.

Bietet der Emittent beispielsweise bereits eine Vermögensanlage an, mit der innerhalb von zwölf Monaten weniger als 100.000 Euro eingeworben werden sollen, kann er den Befreiungstatbestand des § 2a VermAnlG für ein weiteres öffentliches Angebot erst dann in Anspruch nehmen, wenn die angebotene Vermögensanlage vollständig getilgt wurde.

Startschwierigkeiten

Für die Betreiber der Internet-Dienstleistungsplattformen und die Anbieter der neuen Vermögensanlagen war es zu Beginn ungewohnt, vor der Platzierung ihrer öffentlichen Angebote den Weg über eine Behörde gehen zu müssen. Das wurde auch daraus deutlich, dass die Qualität der eingereichten Dokumente anfangs Mängel aufwies; zudem gab es Probleme bei der Kommunikation. So reichten die Plattformen die Vermögensanlagen-Informationsblätter oft ohne Anschreiben ein, so dass zunächst unklar war, wer dessen Hinterleger war und ob dieser sich überhaupt von der Prospektpflicht befreien lassen wollte. Ferner wurden VIB eingereicht, die mehr als die maximal zulässigen drei Seiten umfassten oder in denen Angaben fehlten oder falsch waren.

Darüber hinaus hatten sich manche Marktteilnehmer offenbar lediglich mit dem Befreiungstatbestand des § 2a VermAnlG auseinandergesetzt, nicht aber mit anderen Vorschriften des Vermögensanlagengesetzes, die für sie relevant waren. So wurden zum Beispiel VIB für öffentliche Angebote eingereicht, deren Emissionsvolumen weniger als 100.000 Euro betrug. Unter dieser Bagatellschwelle sind die Angebote aber nicht nur von der Prospektpflicht befreit, sondern müssen auch kein VIB hinterlegen. Auch die Regeln für die Bewerbung von Vermögensanlagen wurden von manchen Plattformen nicht beachtet, so dass beispielsweise die von § 12 VermAnlG zwingend vorgeschriebenen Hinweise fehlten, also beispielsweise der Hinweis darauf, dass der Erwerb der Vermögensanlage mit hohen Risiken verbunden ist und zum vollständigen Verlust des eingesetzten Vermögens führen kann (§ 12 Absatz 2 VermAnlG).

Mittlerweile hat sich die Qualität der eingereichten Dokumente dank einer zunehmenden Professionalisierung der Marktteilnehmer und der Aufklärungsarbeit der BaFin verbessert. Auch die Webseiten, die die Schwarmfinanzierungs-Plattformen für die jeweiligen öffentlichen Angebote erstellen, enthalten inzwischen in den allermeisten Fällen die notwendigen Hinweise.

Zahlreiche Befreiungen

War die Nutzung des Befreiungstatbestands des § 2a VermAnlG in den ersten Monaten noch verhalten, so hinterlegen die Crowdfunding-Plattformen im Auftrag der jeweiligen Anbieter inzwischen monatlich durchschnittlich 20 Vermögensanlagen-Informationsblätter bei der BaFin. Die Befreiung wurde mittlerweile insgesamt 223 Mal für öffentliche Angebote von Vermögensanlagen in Anspruch genommen. Diese verteilen sich auf insgesamt 30 Internet-Dienstleistungsplattformen.

Bei den Angeboten handelt es sich hauptsächlich um partiarische und Nachrangdarlehen. Sonstige Vermögensanlagen im Sinne des § 1 Absatz 2 Nr. 7 VermAnlG spielen eine eher untergeordnete Rolle. Das Emissionsvolumen, das die Anbieter im Wege einer Schwarmfinanzierung einwerben wollen, beträgt im Schnitt rund 650.000 Euro.

Autor

Felix Ebenrett

BaFin-Referat für Vermögensanlagenverkaufsprospekte

Hinweis

Der Beitrag gibt den Sachstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung im BaFinJournal wieder und wird nicht nachträglich aktualisiert. Bitte beachten Sie die Allgemeinen Nutzungsbedingungen.

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