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Erscheinung:15.09.2016 | Thema OTC-Derivate Zentrale Gegenparteien: CPMI und IOSCO veröffentlichen Bericht zur Implementierung der Prinzipien für Finanzmarktinfrastrukturen

Zentrale Gegenparteien haben stark an Bedeutung gewonnen, unter anderem aufgrund der europäischen Marktinfrastrukturverordnung (European Market Infrastructure Regulation – EMIR) von 2012. Diese verpflichtet Marktteilnehmer in der EU, die mit standardisierten außerbörslichen Derivatekontrakten handeln, diese über eine CCP zu clearen (BaFinJournal September 2015). Ziel ist es, für mehr Stabilität, Transparenz und Effizienz an den Derivatemärkten zu sorgen.

Je größer Zentrale Gegenparteien werden, desto wichtiger ist es jedoch sicherzustellen, dass sie angemessen reguliert sind und nicht ihrerseits zum Risiko für die Märkte werden – ein Grundsatz, der auch für andere Finanzmarktinfrastrukturen gilt. Bereits vor Inkrafttreten der EMIR hatten der Ausschuss für Zahlungsverkehr und Marktinfrastrukturen (CPMI) und die Internationale Organisation der Wertpapieraufsichtsbehörden IOSCO darum entsprechende Prinzipien entwickelt.

Definition:Zentrale Gegenparteien und Finanzmarktinfrastrukturen

Zentrale Gegenparteien (Central Counterparties – CCPs) sind Unternehmen, die zwischen Verkäufer und Käufer von Finanzprodukten treten. Auf diese Weise wird das Kontrahentenrisiko, also das Risiko des Ausfalls eines Käufers oder des Verkäufers, für die Vertragsparteien eliminiert und auf die CCP übertragen. Zentrale Gegenparteien zählen neben Transaktionsregistern, Zentralverwahrern, Wertpapierabwicklungssystemen und Zahlungssystemen zu den Finanzmarktinfrastrukturen. Deren Aufgabe ist es, eine effiziente und sichere Abwicklung von Zahlungsströmen zu gewährleisten.

Seit 2012 sind europäische Marktteilnehmer aufgrund der Marktinfrastrukturverordnung (European Market Infrastructure Regulation – EMIR) verpflichtet, außerbörsliche (Over the Counter – OTC) Derivatekontrakte, die einer Derivatekategorie im Sinne der EMIR zugeordnet werden können, über eine Zentrale Gegenpartei zu clearen. Die Finanzkrise von 2008 hatte gezeigt, dass die Risiken des Handels mit OTC-Derivaten nicht hinreichend abgesichert waren, insbesondere im Hinblick auf Kreditausfallversicherungen (Credit Default Swaps – CDS). Die Melde- und Clearingpflicht der EMIR soll dem entgegenwirken und mehr Transparenz schaffen. Ziel ist es, systemische Risiken im europäischen Derivatemarkt einzudämmen.

Die Prinzipien für Finanzmarktinfrastrukturen sind ein globaler Standard für die Struktur und Funktion von Zentralen Gegenparteien, Transaktionsregistern, Zentralverwahrern, Wertpapierabwicklungssystemen und Zahlungssystemen. Sie decken alle Arten von Risikoquellen ab, darunter Bonitäts-, Liquiditäts-, Markt- und operative Risiken, und stellen Grundsätze für Ausfallmanagementstrategien, Transparenz, Zugang zu den Finanzmarktinfrastrukturen und Effizienz auf. Ziel ist es, die Finanzmarktinfrastrukturen widerstandsfähiger gegenüber Finanzkrisen zu machen. CPMI und IOSCO überwachen die Umsetzung der Prinzipien in allen wichtigen Ländern, die sich den G-20-Reformen für eine bessere Finanzstabilität verschrieben haben.

Mit dieser Aufgabe haben CPMI und IOSCO die gemeinsam eingesetzte Implementation Monitoring Standing Group (IMSG) betraut. Diese hat nun unter Vorsitz der BaFin und der australischen Zentralbank erstmals zehn CCPs dahingehend beleuchtet, ob und wie diese die Prinzipien in ihren Regelwerken und ihrer praktische Tätigkeit umgesetzt haben. Im Fokus standen dabei das Risikomanagement und die Sanierungspraktiken. Die Bewertung erfolgte anhand von sechs Kategorien: Risikomanagementsystem, Kreditrisikomanagement, Praktiken bei Einschusszahlungen (Margins), Liquiditätsrisikomanagement, Besicherungspolitik und Kapitalanlagen sowie Ausfallmanagement und Sanierungspläne.

Widerstandskraft, Sanierungs- und Abwicklungsfähigkeit

Die Ergebnisse dieser ersten Level-3-Bewertung, die am 16. August veröffentlicht wurden, sollen den Zentralen Gegenparteien selbst, aber auch Clearingmitgliedern, Clearingkunden und den nationalen Aufsichtsbehörden helfen, ihre Strukturen und Prozesse zu verbessern und damit das Finanzsystem insgesamt zu stärken.

Die Bewertung wurde nicht als aufsichtsrechtliche Übung ausgestaltet. Der Fokus des Berichts ist darauf gerichtet, wie effizient die CCPs die Prinzipien insgesamt umgesetzt haben und nicht, wie gut oder wie schlecht einzelne CCPs abschneiden. Seine Neutralität gebietet es, die CCPs nicht namentlich zu benennen. Dies sollte aber keinesfalls zu dem Schluss verleiten, dass die Feststellungen des Berichts für alle CCPs zutreffen.

Hinweis:Bewertung des Internationalen Währungsfonds

Auch der Internationale Währungsfonds (IWF) begutachtet die Umsetzung der Prinzipien durch die Zentralen Gegenparteien laufend (siehe BaFinJournal Juli 2016). Im Rahmen seines Financial Sector Assessment Programmes 2016 nahm er dabei ebenfalls die Eurex Clearing AG unter die Lupe. Der IWF sieht die Prinzipien bis auf eine Ausnahme sowohl seitens der Eurex Clearing als auch seitens der deutschen Behörden in seinem Bericht als vollständig erfüllt an. So hatte er insbesondere keine Beanstandungen in Bezug auf die Umsetzung der Prinzipien, die für Kredit- und Liquiditätsrisikomanagement, Sanierung und Ausfallmanagement relevant sind.

Die Übung ist Bestandteil des CCP-Workplans, eines breit angelegten Programms zur Stärkung der Widerstandskraft sowie der Sanierungs- und Abwicklungsfähigkeit Zentraler Gegenparteien. Er wurde im April 2015 durch den Finanzstabilitätsrat FSB, den Basler Ausschuss für Bankenaufsicht BCBS, CPMI und IOSCO gemeinsam verabschiedet.

Teilnehmer und Ablauf

Die Teilnahme an der Übung, die von Mitte 2015 bis Mitte 2016 durchgeführt wurde, war für die Zentralen Gegenparteien freiwillig. Bei den zehn CCPs, die die IMSG begutachtet hat, handelt es sich um fünf global und fünf nur lokal tätige Unternehmen aus neun Ländern:

  • CME Clearing, eine Sparte der Chicago Mercantile Exchange Inc. (CME, USA)
  • Eurex Clearing AG (ECAG, Deutschland)
  • ICE Clear Credit LLC. (ICC, USA)
  • LCH.Clearnet Limited (Großbritannien)
  • LCH.Clearnet SA (Frankreich)
  • ASX Clear (Futures) Pty Limited (ASX, Australien)
  • BM&FBOVESPA S.A. — Securities, Commodities & Futures Exchange (BM&FBOVESPA, Brasilien)
  • Clearing Corporation of India Ltd. (CCIL, Indien)
  • Japan Securities Clearing Corporation (JSCC, Japan)
  • Singapore Exchange Derivatives Clearing (SGX-DC, Singapur)

Die Teilnehmer beantworteten zunächst qualitative Fragen zu allen sechs Kategorien der Übung. Darüber hinaus stellten sie der IMSG quantitative Informationen zur Verfügung, beispielsweise zum Umfang von Vorfinanzierungsmitteln und zu den Ergebnissen ihrer Stresstests. Stichtag für die Informationen war der 30. Juni 2015. Nach der Auswertung durch die IMSG folgte die Klärung noch offener Fragen, unter anderem bei gemeinsamen Treffen.

Fortschritte und Defizite

Die Ergebnisse sind in den nun veröffentlichten Bericht eingeflossen. Wie im Folgenden näher ausgeführt wird, kommt die IMSG darin zu dem Schluss, dass die zehn Zentralen Gegenparteien weitreichende und wichtige Fortschritte bei der Umsetzung der Prinzipien gemacht haben.

Bei der Sanierungsplanung, Kreditrisikosteuerung und im Liquiditätsrisikomanagement stieß sie jedoch auf einige Lücken und Umsetzungsfehler.

Daneben identifizierte die IMSG einige Prinzipien, die die CCPs unterschiedlich umgesetzt haben. Gründe dafür vermutet sie in unterschiedlichen Interpretationen und Unterschieden bei der Ausführung der Dienstleistungen. Die IMSG geht davon aus, dass sich einige diese Unterschiede durch die kontinuierliche Weiterentwicklung des ergänzenden Leitfadens, der Teil der Prinzipien ist, langfristig beseitigen lassen. Die übrigen Defizite dürften die betroffenen CCPs selbst beseitigen, nachdem sie nun identifiziert wurden.

Risikomanagementsystem

In Bezug auf Steuerung und Risikomanagement kommt die IMSG unter anderem zu dem Ergebnis, dass alle bewerteten Zentralen Gegenparteien in ihren Regelwerken über Vorgaben dazu verfügen, wie die Interessen beteiligter Akteure (Stakeholder) in ihre Entscheidungen einbezogen werden sollen und wie die wichtigsten Entscheidungen zu veröffentlichen sind.

Allerdings gibt es große Variationen zwischen den CCPs bezüglich des Umfangs der Einbeziehung und der Rolle der Stakeholder sowie der Frage, inwieweit der Vorstand der CCP an deren Positionen gebunden ist.

Kreditrisikomanagement

Zum Thema Kreditrisikosteuerung stellt der Bericht insbesondere fest, dass nicht alle Zentralen Gegenparteien die Vorgaben des relevanten Prinzips (Prinzip 4, insbesondere Schlüsselkriterium (Key Consideration) 4) vollständig erfüllen: Eine CCP soll in der Lage sein, ihre gegenwärtigen und zukünftigen offenen Positionen für jedes einzelne Clearingmitglied unter Verwendung von Einschusszahlungen und vorfinanzierten Finanzressourcen vollständig abzudecken. Die IMSG hat festgestellt, dass die vorfinanzierten Finanzressourcen einiger CCPs nicht ausreichend bemessen sind um sicherzustellen, dass die fortlaufenden Einschusszahlungen kontinuierlich erfüllt werden können. Zudem weisen einige Unternehmen Schwächen auf, was die Überwachung der Angemessenheit der Einschusszahlungsforderungen angeht.

In einigen Fällen sollten außerdem laut IMSG die Annahmen für Stresstestszenarien besser kalibriert werden.

Praktiken bei Einschusszahlungen

Bei der Auswahl der Modelle für Einschusszahlungen scheinen einige Zentrale Gegenparteien nicht alle für die jeweils verwendeten Modelle relevanten Faktoren systematisch einzubeziehen. Zudem verwenden sie nicht dasselbe Spektrum an Close-out- und Look-Back-Perioden (Close-out-Periode: Zeit, die ein CCP braucht, um bei Ausfall eines Clearingmitglieds die Kontrakte zu beenden. Look-Back-Periode: Zeitraum zur Bestimmung der Volatilität). Tatsächlich variieren diese sehr stark.

Darüber hinaus fehlt es der IMSG zufolge auch an vollständig ausformulierten Regelwerken, in denen die CCPs festlegen, welche Maßnahmen gegen prozyklische Situationen in welchen Fällen zu ergreifen sind. Außerdem sind die Prozesse zur Überprüfung von Modellen nicht bei allen CCPs gleich umfassend und geeignet, um Fehler oder Verbesserungsbedarf der Modelle zu erkennen.

Auf einen Blick:Umsetzung und Einhaltung der Prinzipien: Bewertungsebenen

Die Implementation Monitoring Standing Group (IMSG) nimmt ihre Aufgabe, die Umsetzung und Einhaltung der Prinzipien und Verantwortlichkeiten zu überwachen, auf drei verschiedenen Bewertungsebenen wahr:

Level 1: Selbsteinschätzungen der derzeit 28 Mitgliedstaaten von CPMI und IOSCO, inwiefern die Umsetzung der Prinzipien und von vier der fünf Verantwortlichkeiten (Responsibilities) bei ihnen vorangeschritten ist.

Level 2 (Prinzipien): Vergleichsstudien (Peer Reviews) zur Klärung, ob die Mitgliedstaaten die Prinzipien durch ihre Rechtsakte und Maßnahmen vollständig und effizient umgesetzt haben.

Level 2 (Verantwortlichkeiten): Begutachtung, ob und wie die Mitgliedstaaten die fünf Responsibilities in Recht und Handeln umgesetzt haben (BaFinJournal Juli 2015).

Level 3: Vergleichsstudien zur Begutachtung, inwieweit die Finanzmarktinfrastrukturen die Prinzipien durch ihre Regelwerke und inwieweit die Aufsichtsbehörden die Verantwortlichkeiten durch ihre Rechtsakte und Maßnahmen umgesetzt haben. Die Ergebnisse dienen zum einen der Optimierung der Regelwerke der Finanzmarktinfrastrukturen, zum anderen der Ergänzung und Präzisierung der Prinzipien und der Entwicklung von Leitlinien und Empfehlungen.

Liquiditätsrisikomanagement

Die IMSG merkt außerdem an, dass einige Zentrale Gegenparteien das Liquiditätsrisiko nicht ausreichend in ihre Stresstestüberlegungen einbezögen.

Zudem variiere die Art und Weise der Beurteilung, welche Währungen in den Stresstest einbezogen werden sollen.

Besicherungspolitik und Kapitalanlagen

Auch bei der Art und Weise, wie CCPs Sicherheiten reinvestieren, stellt die IMSG Abweichungen fest. Ebenfalls gebe es große Unterschiede, wie einzelne CCPs mit dem Instrument der Bewertungsabschläge (Haircuts) und möglichen prozyklischen Anpassungen umgehen.

Ausfallmanagement und Sanierungspläne

Alle untersuchten Zentralen Gegenparteien haben Regeln für den Umgang mit Ausfällen von Clearingmitgliedern geschaffen. Diese unterscheiden sich jedoch in ihrer Detailtiefe und Herangehensweise.

Die IMSG weist in dem Bericht darauf hin, wie wichtig die Entwicklung eines vollständigen und geeigneten Sanierungsplans ist. Da CPMI und IOSCO erst acht Monate vor dem 30. Juni 2015, dem Stichtag für die Übung, in einem Bericht ergänzende Leitlinien hierzu veröffentlicht hatten, ist die Entwicklung und Fortschreibung von Sanierungsplänen für die meisten Zentralen Gegenparteien eine neue Herausforderung. Bei einigen hat die IMSG darin Lücken entdeckt. Nahezu alle CCPs haben sich aber vorgenommen, ihre Sanierungspläne weiter zu verbessern.

Hinweis:Konsultation zu Widerstandsfähigkeit und Sanierung

Eine weitere gemeinsame Gruppe von CPMI und IOSCO, die Policy Standing Group, konsultiert derzeit einen Leitfaden zu den Themen Widerstandsfähigkeit und Sanierungsplanung Zentraler Gegenparteien (CCPs), der diese und die Aufsichtsbehörden bei ihrer Arbeit unterstützen soll. Er ist Teil eines Berichts, der beschreibt, wie sich CPMI und IOSCO die Umsetzung einiger Schlüsselelemente der Prinzipien für Finanzmarktinfrastrukturen durch die CCPs vorstellen. Die Empfehlungen betreffen insbesondere das Risikomanagement, Stresstests, Kredit- und Liquiditätsbedarf, Einschusszahlungen, Finanzressourcen und Sanierungsplanung. Stellungnahmen zum Leitfaden sind noch bis zum 18. Oktober möglich.

Ausblick

In der ersten Jahreshälfte 2017 wird die IMSG eine weitere Bewertung zu Level 3 durchführen, um zu prüfen, welche Fortschritte die betroffenen CCPs bei der Beseitigung der Lücken und Umsetzungsfehler gemacht haben. Langfristig ist geplant, auch zu anderen Finanzmarktinfrastrukturen solche Bewertungen durchzuführen.

Kürzlich hat auch die Level-2-Bewertung für Hong Kong und Singapur begonnen. Die Veröffentlichung des Berichts ist für Anfang 2017 geplant.

Anfang 2017 soll außerdem die Level-1-Bewertung zum vierten Mal aktualisiert werden. Die dritte Aktualisierung hatten CPMI und IOSCO kürzlich veröffentlicht (BaFinJournal Juli 2016).

Hinweis

Der Beitrag gibt den Sachstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung im BaFinJournal wieder und wird nicht nachträglich aktualisiert. Bitte beachten Sie die Allgemeinen Nutzungsbedingungen.

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